Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 474/2006
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U 474/06

Urteil vom 13. April 2007

I. sozialrechtliche Abteilung

Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichterin Widmer, Leuzinger,
Gerichtsschreiberin Heine.

B. ________, 1957, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Stephan
Zimmerli, Alpenstrasse 4, 6004 Luzern,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004
Luzern, Beschwerdegegnerin.

Unfallversicherung,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des
Kantons Luzern, vom      30. August 2006.

Sachverhalt:

A.
A.a Der 1957 geborene B.________ war seit dem 27. April 1981 bei der Firma
X.________ als Schreiner und damit bei der Schweizerischen
Unfallversicherungsanstalt (SUVA) gegen Unfallfolgen versichert. Am 10. Juni
1984 erlitt er bei einem Motorradunfall eine Beckenfraktur sowie eine Fraktur
des rechten Handgelenks und der linken Kniescheibe. Nach der kreisärztlichen
Untersuchung vom 25. Oktober 1985 erklärte Dr. med. L.________, Kreisagentur
Luzern, die Behandlungen für abgeschlossen. In der Folge nahm der Versicherte
seine Tätigkeit als Schreiner wieder auf.

A.b Am 17. Oktober 2001 meldete B.________ der SUVA einen Rückfall, nachdem
Dr. med. B.________, Spezialarzt für Orthopädische Chirurgie FMH, im Bericht
vom 13. August 2001 eine destruierte linke Hüfte diagnostiziert hatte. Die
SUVA erbrachte in der Folge die gesetzlichen Leistungen (Heilbehandlung,
Taggelder). Gestützt auf die ärztliche Abschlussuntersuchung des Dr. med.
L.________ vom        12. Juni 2002 eröffnete die SUVA B.________ mit
Verfügung vom      17. Dezember 2002, es werde ihm bei einer
Integritätseinbusse von  20 % eine Integritätsentschädigung von Fr. 13'920.-
ausgerichtet. Mit Verfügung vom 26. Oktober 2004 sprach sie dem Versicherten
ab      1. August 2004 eine Invalidenrente bei einem Invaliditätsgrad von
22 % zu. Die dagegen eingereichte Einsprache hiess die SUVA teilweise gut und
sprach B.________ ab 1. August  2004 eine Rente bei einem Invaliditätsgrad
von 28 % zu (Einspracheentscheid vom         28. April 2005).

B.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons
Luzern ab (Entscheid vom 30. August 2006).

C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt B.________ beantragen, in Aufhebung
des kantonalen Gerichtsentscheids und des Einpracheentscheids sei die Sache
zur ergänzenden Abklärung des Sachverhalts an die SUVA zurückzuweisen. Diese
sei zudem zu verpflichten, eine Rente auf der Basis von mindestens einer 70
%igen Erwerbsunfähigkeit zu gewähren.
Die SUVA beantragt Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während das
Bundesamt für Gesundheit auf Vernehmlassung verzichtet.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Am 1. Januar 2007 ist das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni
2005 (BGG; SR 173.110) in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Damit wurden
das Eidg. Versicherungsgericht und das Bundesgericht in Lausanne zu einem
einheitlichen Bundesgericht (an zwei Standorten) zusammengefügt (Seiler/von
Werdt/Güngerich, Bundesgerichtsgesetz [BGG], Bern 2007, S. 10 Rz. 75) und es
wurde die Organisation und das Verfahren des obersten Gerichts umfassend neu
geregelt. Dieses Gesetz ist auf die nach seinem Inkrafttreten eingeleiteten
Verfahren des Bundesgerichts anwendbar, auf ein Beschwerdeverfahren jedoch
nur dann, wenn auch der angefochtene Entscheid nach dem Inkrafttreten dieses
Gesetzes ergangen ist (Art. 132 Abs. 1 BGG). Da der kantonale Entscheid am
30. August 2006 und somit vor dem 1. Januar 2007 erlassen wurde, richtet sich
das Verfahren nach dem bis 31. Dezember 2006 in Kraft gestandenen
Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege (OG) vom 16.
Dezember 1943 (vgl. BGE 132 V 393 E. 1.2 S. 395).

2.
Die Vorinstanz hat die Bestimmungen über den Anspruch auf Heilbehandlung
(Art. 10 Abs. 1 UVG) und Taggelder (Art. 16 Abs. 1 und 2 UVG) sowie die
Rechtsprechung zu dem für die Leistungspflicht des Unfallversicherers
vorausgesetzten natürlichen Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall und dem
eingetretenen Schaden (Krankheit, Invalidität, Tod) zutreffend dargelegt (BGE
119 V 335 E. 1 S. 337). Entsprechendes gilt für die von der Judikatur
entwickelten Grundsätze zum Erfordernis des adäquaten Kausalzusammenhanges im
Allgemeinen (BGE 125 V 456 E. 5a S. 461) sowie bei psychischen Unfallfolgen
im Besonderen (BGE 115 V 133), zur Bemessung der Integritätsentschädigung
(BGE 116 V 156 E. 3a S. 157) und zum Beweiswert medizinischer Berichte und
Gutachten (BGE 122 V 157 E. 1c S. 160). Darauf wird verwiesen.

3.
Streitig ist, ob die psychischen Beschwerden unfallbedingt und in natürlich
kausaler Weise auf den versicherten Unfall vom 10. Juni 1984 zurückzuführen
sind. Die Vorinstanz hat in einlässlicher Würdigung der medizinischen Akten
den natürlichen Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall und den bestehenden
urologischen Beschwerden verneint, was nicht mehr streitig ist.

3.1 Es ist unbestritten, dass der Beschwerdeführer an einer starken
depressiven Störung und unter massiven Ängsten leidet. Hingegen verneint die
Vorinstanz den natürlichen Kausalzusammenhang, weil bei psychischen Störungen
die Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs mit einem Unfall
entsprechend dem zeitlichen Abstand zwischen diesem und dem Auftreten von
Symptomen einer psychogenen Gesundheitsstörung abnehme, da das
Unfallgeschehen in der Regel mit der Zeit verarbeitet und verkraftet werde.
Aus diesem Grund seien bei einem zeitlich grösseren Intervall - im
vorliegenden Fall fast 20 Jahre - die Anforderungen an den
Wahrscheinlichkeitsbeweis strenger.

3.2 In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird vorgebracht, es sei Sache der
Mediziner, den natürlichen Kausalzusammenhang festzustellen, richterliche
Vermutungen seien ungenügend, weshalb eine Begutachtung unumgänglich sei.

3.3 Dr. med. L.________ hatte in der kreisärztlichen Untersuchung vom 25.
Oktober 1985 - über ein Jahr nach dem Unfall - lediglich leichte somatische
Restbeschwerden im Bereich der Oberschenkelmuskulatur und der Knie
diagnostiziert. 16 Jahre später konstatierte Dr. med. B.________er, dass das
linke Hüftgelenk destruiert sei. Anlässlich der kreisärztlichen
Abschlussuntersuchung vom 12. Juni 2002 wurden ebenfalls nur somatische
Beschwerden beschrieben. Obwohl der Versicherte regelmässig in ärztlicher
Behandlung war, wurden erstmals mit Schreiben vom 26. Januar 2004 des lic.
phil. W.________, Fachpsychologe für Psychotherapie FSP,  eine depressive
Störung und massive Ängste (F 32.2/F41.2) festgestellt. In diesem Schreiben
und auch nachfolgend - die psychotherapeutischen Behandlungen dauerten bis
zum 2. Dezember 2004 und der Einspracheentscheid erging erst am 28. April
2005 - vermied es der Fachpsychologe, die psychischen Beschwerden auf den
Unfall zurückzuführen.

Zwar ist richtig, dass die Beurteilung, ob ein natürlicher Kausalzusammenhang
zwischen einem Unfall und den eingetretenen Gesundheitsschädigungen besteht,
eine Tatfrage ist, über welche jedoch die Verwaltung und im Beschwerdefall
das Gericht im Rahmen der Beweiswürdigung mit dem im Sozialversicherungsrecht
herrschenden Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit zu befinden
haben. Hinsichtlich der Kausalität findet sich in den Akten keine eindeutige
ärztliche Zuordnung der psychischen Beschwerden. Der psychische Befund wird
als glaubwürdig bezeichnet, was für die Bejahung der Unfallkausalität
indessen nicht genügt. Von zuverlässigen ärztlichen Angaben, welche die
psychische gesundheitliche Beeinträchtigung auf den Unfall zurückführen
würden, kann gestützt auf die medizinischen Unterlagen nicht gesprochen
werden. Nach der Aktenlage und des Werdegangs des Versicherten - er arbeitete
nach dem Unfall mehrere Jahre als selbstständiger Schreiner - ist demnach
nicht überwiegend wahrscheinlich, dass zwischen dem versicherten Unfall und
den knapp 20 Jahre später aufgetretenen psychischen Beschwerden ein
natürlicher Kausalzusammenhang besteht. Unter Berücksichtung sämtlicher für
die Beurteilung massgebenden Faktoren kann der natürliche Kausalzusammenhang
zwischen den vorhandenen Beschwerden und dem erlittenen Unfall nicht als mehr
denn eine blosse Möglichkeit erscheinen, was für die Begründung einer
Leistungspflicht der Unfallversicherung nicht genügt (Urteil des Eidg.
Versicherungsgerichts U 147/05 vom 8. Juni 2006 E. 5.3 und 5.5). Von weiteren
medizinischen Abklärungen kann deshalb in antizipierter Beweiswürdigung (BGE
122 V 157 E. 1d S. 162) abgesehen werden.

3.4 Auf Grund des Gesagten ist der natürliche Kausalzusammenhang zwischen dem
Unfall und den psychischen Beschwerden zu verneinen, weshalb sich Erwägungen
zur adäquaten Kausalität erübrigen.

4.
Mit der Vorinstanz steht fest, dass lediglich die Einschränkung im
Zusammenhang mit der linken Hüfte auf die Erwerbsfähigkeit überprüft werden
muss. Unbestritten ist, dass der Beschwerdeführer die bisher ausgeübte
Tätigkeit als Schreiner wegen verminderter Belastbarkeit der Hüfte nicht mehr
ausüben kann. Körperlich leichte, wechselbelastende, vorwiegend sitzende,
wenig hüftbelastende Arbeiten sind ihm demgegenüber zu 100 % zumutbar. Die
anstehende Operation (Hüft-endoprothese), welche seitens des Versicherten
hinausgeschoben wurde, hat gemäss Dr. med. D.________, Facharzt FMH für
Chirurgie (ärztliche Abschlussuntersuchung vom 13. Januar 2004) keine
gravierenden Auswirkungen auf die bestehende Restarbeitsfähigkeit, weshalb
der Einspracheentscheid vom 28. April 2005 zu Recht ergangen ist, zumal
dieser bei erheblichen Veränderungen revidierbar ist (Art. 17 Abs. 1 ATSG
i.V.m. Art. 22 UVG).

4.1 Nach Lage der Akten hat der Beschwerdeführer die Berufslehre zum
Schreiner mit Fähigkeitsausweis abgeschlossen und war zuletzt als
selbstständiger Schreiner-Monteur tätig. Beim Einkommensvergleich gingen
sodann Vorinstanz und SUVA gestützt auf die Lohnangaben des
Schreiner-Ausbildungszentrums Luzern für einen Schreiner-Monteur mit
20-jähriger Erfahrung von einem hypothetischen Valideneinkommen von Fr.
68'900.-- für das Jahr 2004 aus. Die dagegen erhobenen Einwände in der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde vermögen nicht zu überzeugen: Wie die
Vorinstanz ausführlich darlegt, genügt der Leistungswille des Versicherten
nicht als Nachweis für berufliche Entwicklungs- oder Aufstiegsmöglichkeiten,
welche einkommensmässig berücksichtigt werden müssten (vgl. BGE 96 V 29).

4.2 Das Invalideneinkommen in Höhe von Fr. 49'479.- für das Jahr 2004 wird
letztinstanzlich zu Recht nicht mehr bestritten. Aus der Gegenüberstellung
der Vergleichseinkommen (Valideneinkommen: Fr. 68'900.-, Invalideneinkommen:
Fr. 49'479) resultiert ein Invaliditätsgrad von 28 %. Der vorinstanzliche
Entscheid ist somit rechtens.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für Gesundheit
zugestellt.

Luzern, 13. April 2007

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: