Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 467/2006
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U 467/06

Urteil vom 27. Juni 2007

I. sozialrechtliche Abteilung

Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichterin Widmer, Bundesrichter Frésard,
Gerichtsschreiberin Polla.

H. ________, 1945, Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Markus Bischoff, Walchestrasse 17, 8006 Zürich,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1,
6004 Luzern, Beschwerdegegnerin.

Unfallversicherung,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des
Kantons Luzern
vom 30. August 2006.

Sachverhalt:

A.
Der 1945 geborene H.________ zog sich am 1. September 1973 beim
Fussballspielen eine Hinterhornläsion des medialen Meniskus links sowie eine
subtotale vordere Kreuzbandruptur zu, worauf die Schweizerische
Unfallversicherungsanstalt (SUVA) als zuständiger Unfallversicherer die
gesetzlichen Leistungen erbrachte und dem Versicherten seit März 1975 eine
Rente aufgrund einer Erwerbsunfähigkeit von 25 % zusprach (Verfügung vom
7. Mai 1975). Am 9. Mai 2001 erlitt H.________ als Polier auf einer Baustelle
erneut einen Unfall, wobei er eine rechtsseitige Kniedistorsion mit lateraler
Meniskusläsion bei vorbestehender Femoropatellararthrose und medialer
Gonarthrose erlitt. Unter Berücksichtigung der laufenden Rente bejahte die
SUVA verfügungsweise am 31. März 2004 den Rentenanspruch ab Oktober 2003 auf
der Basis einer Erwerbsunfähigkeit von 33 % und eines versicherten
Jahresverdienstes von Fr. 61'425.-. Daran hielt sie mit Einspracheentscheid
vom 12. Januar 2005 fest.

B.
Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons
Luzern mit Entscheid vom 30. August 2006 ab.

C.
H.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und beantragen, es sei
die Sache unter Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides an die SUVA zur
Neuberechnung des versicherten Verdienstes und des Invaliditätsgrades
zurückzuweisen; eventualiter sei ihm ab Oktober 2003 eine Invalidenrente
basierend auf einem Invaliditätsgrad von mindestens 56 % und einem
versicherten Verdienst von mindestens Fr. 84'705.- zuzusprechen;
subeventualiter sei ihm eine Rente basierend auf einem Invaliditätsgrad von
34 % auszurichten.
Die SUVA schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das
Bundesamt für Gesundheit verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (BGG; SR 173.110)
ist am 1. Januar 2007 in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Da der
angefochtene Entscheid vorher ergangen ist, richtet sich das Verfahren noch
nach OG (Art. 132 Abs. 1 BGG; BGE 132 V 393 E. 1.2 S. 395).

2.
Vorinstanz und SUVA haben die gesetzlichen Bestimmungen über den Anspruch auf
Invalidenrente (Art. 18 Abs. 1 UVG) und die Invaliditätsbemessung (Art. 18
Abs. 2 UVG) zutreffend dargelegt. Gleiches gilt für die Festsetzung des für
die Rentenberechnung massgebenden versicherten Verdienstes im Allgemeinen
(Art. 15 Abs. 1 und 2 UVG) und im Sonderfall des Rentenbezügers, der einen
weiteren Unfall erleidet (Art. 24 Abs. 4 UVV). Darauf wird verwiesen.

3.
Streitig und zu prüfen ist zunächst die Höhe des der Rentenberechnung zu
Grunde liegenden versicherten Verdienstes. Unbestrittenermassen ist dabei -
gestützt auf Art. 24 Abs. 4 UVV - für die neue Rente aus beiden Unfällen der
Lohn massgebend, den der Versicherte im Jahre vor dem letzten Unfall bezogen
hätte, wenn früher kein versicherter Unfall eingetreten wäre.

3.1 SUVA und Vorinstanz setzten diesen Lohn auf Fr. 61'425.- fest, was dem im
Jahr vor dem Unfall (von 9. Mai 2000 bis 8. Mai 2001) erzielten Einkommen aus
seiner seit 1996 bis zum Ereignis vom 9. Mai 2001 ausgeübten Tätigkeit als
Polier im temporären Einsatz entsprach. Der Versicherte macht demgegenüber
letztinstanzlich erneut geltend, als Gesunder hätte er als Polier nicht nur
eine Temporär- sondern eine Festanstellung innegehabt, da der Weggang bei der
Firma Q.________ AG nach 16-jähriger Tätigkeit gesundheitlich motiviert
gewesen sei, weshalb auch nur eventualiter auf die Lohnangaben dieser
Arbeitgeberin abzustellen wäre, da hierbei unklar sei, ob die Angaben den
möglichen Verdienst eines gesunden Poliers benennen oder bereits die
Teilinvalidität des Beschwerdeführers berücksichtigen würden.

3.2 Der Versicherte war im Zeitpunkt des zweiten Unfallereignisses als
temporär arbeitender Polier tätig gewesen und hatte dannzumal
unbestrittenermassen einen Jahresverdienst von Fr. 61'425.- erzielt (Bericht
der SUVA vom 3. März 2004), wobei der vereinbarte Stundenlohn gemäss Auskunft
der Arbeitgeberin für einen Einsatz im Oktober 2001 mit Fr. 40.50 bereits
deutlich über dem Mindestlohn gelegen habe. Hinweise, dass dabei eine
Lohnkürzung wegen der SUVA-Rente von 25 % vorgenommen worden wäre, wie in der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde geltend gemacht wird, oder der Beschwerdeführer
gesundheitsbedingt in seiner Vorarbeitertätigkeit eingeschränkt gewesen wäre,
liegen keine vor. Insoweit der Versicherte vorbringt, er sei im Zeitpunkt des
zweiten Unfalls bereits zu 25 % teilinvalid und somit nicht in der Lage
gewesen, ein volles Arbeitspensum eines Poliers mit entsprechendem Verdienst
zu absolvieren, verkennt er überdies, dass mit Bezug auf die Rechtslage vor
Inkrafttreten des UVG am 1. Januar 1984 mit der altrechtlichen Invalidenrente
nach KUVG oft auch unfallbedingte Beeinträchtigungen der körperlichen oder
psychischen Integrität durch entsprechenden Zuschlag beim Invaliditätsgrad
abgegolten wurden (Urteil U 123/06 vom 23. November 2006, E. 3; vgl. die im
Bericht und der Rechnung 1967 der SUVA zusammengefasst wiedergegebenen
Urteile vom 31. Januar 1967 [EVGE 1967 S. 22], 4. Februar und 28. August 1967
[EVGE 1967 S. 146]; Maurer, Schweizerisches Unfallversicherungsrecht, S. 349
und 354; sowie Botschaft vom 18. August 1976 zum Bundesgesetz über die
Unfallversicherung [BBl 1976 III 141 ff.] S. 168 f. und 193), sodass die
damalige Rentenfestsetzung nicht mit der heutigen Bemessung des
Invaliditätsgrades nach Art. 18 UVG gleichgesetzt werden kann. Ausweislich
der Akten leistete der Versicherte vielmehr bis zum Unfallereignis im Rahmen
eines 100 %-Pensums einen vollen Einsatz zu einem branchenüblichen
Stundenansatz. Möglich, aber nicht überwiegend wahrscheinlich ist, dass
gesundheitliche Aspekte beim seinerzeitigen Weggang bei der Firma Q.________
AG, um eine von einem Kollegen angebotene, leichtere Tätigkeit in einem
Elementwerk anzutreten, eine Rolle gespielt haben. Überdies ist der Wunsch
nach einer leichteren Tätigkeit bei einem dannzumal 51-jährigen, seit seinem
Lehrabschluss als Maurer/Polier tätig gewesenen Bauarbeiter gut
nachvollziehbar, ohne dass hiefür gesundheitliche Beschwerden ausschlaggebend
sein müssen. Wäre es dem Versicherten gesundheitsbedingt nicht mehr möglich
gewesen, die Poliertätigkeit zu verrichten, ist anzunehmen, dass er seinen
Vorgesetzten darüber orientiert hätte, um allenfalls eine leichtere Arbeit zu
erhalten. Gemäss Auskunft der Firma Q.________ AG kam die Kündigung jedoch
überraschend (SUVA-Bericht vom 28. Mai 2003). Gegen eine in diesem Zeitraum
eingetretene gesundheitliche Verschlechterung spricht auch der Umstand, dass
der Versicherte ab 1997 wieder im Umfang von 100 % als Polier im Hochbau
tätig war. Der SUVA-Kreisarzt Dr. med. B.________ wies in seiner ärztlichen
Beurteilung vom 28. Dezember 2004 sogar ausdrücklich bezüglich des Verlaufs
am linken Knie über mehr als 30 Jahre auf einen gleichgebliebenen
Gesundheitszustand hin. Wenn somit Vorinstanz und SUVA den für den
Rentenanspruch massgebenden versicherten Verdienst auf der Basis des vor dem
zweiten Unfall als temporär arbeitender Polier erzielten Verdienstes in der
Höhe von Fr. 61'425.- festgesetzt haben, lässt sich dies nicht beanstanden.

4.
4.1 Was die unfallbedingte Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit anbelangt,
sind dem Beschwerdeführer laut den übereinstimmenden Feststellungen der Ärzte
im Abschlussbericht der Rehaklinik X.________ vom 16. Mai 2002 und des
Kreisarztes Dr. med. B.________ (Bericht vom 25. Juli 2003) Tätigkeiten mit
Schlägen und Vibrationen auf das rechte Knie nicht mehr zumutbar. Beim Tragen
von Lasten ist eine Gewichtslimite von maximal 10-15 kg gegeben. Für leichte
bis mittelschwere Arbeiten ist der Versicherte jedoch ganztags einsetzbar.
Inwiefern hiezu - wie in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingewendet wird -
die Angaben des Dr. med. M.________, Spezialarzt FMH für Physikalische
Medizin und Rehabilitation, speziell Rheumaerkrankungen, in seinem im Rahmen
des IV-Verfahrens erstellten Gutachtens vom 5. März 2004 in Widerspruch
stehen, ist nicht ersichtlich. Zum einen hatte der Gutachter auch
unfallfremde Gesundheitsschädigungen, insbesondere die diagnostizierte
Diskushernie, in seine Beurteilung miteinzubeziehen, zum andern äusserte er
sich hinsichtlich der Arbeitsfähigkeit einzig zur bisherigen Tätigkeit als
Maurer auf dem Bau, wobei eine Arbeitsunfähigkeit von 80 % bestehe. Zur
Zumutbarkeit einer leidensangepassten Tätigkeit finden sich im Gutachten
keine Angaben. Weitere medizinische Abklärungen bedarf es daher nicht und es
ist mit SUVA und Vorinstanz davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer eine
den vorhandenen Beschwerden angepasste Tätigkeit ganztags zumutbar wäre.

4.2 Bezüglich der Invaliditätsbemessung hat die Vorinstanz das trotz des
Gesundheitsschadens zumutbarerweise erzielbare Einkommen (Invalideneinkommen)
zulässigerweise (BGE 129 V 472 E. 4.2.1 S. 475, 126 V 75 E. 3b S. 76, mit
Hinweisen) gestützt auf die Tabellenlöhne der vom Bundesamt für Statistik
herausgegebenen Lohnstrukturerhebungen (LSE) ermittelt. Der weiter gewährte,
sog. leidensbedingte Abzug (BGE 129 V 472 E. 4.2.1 S. 475 und E. 4 S. 481)
vom statistischen Durchschnittslohn gemäss LSE 2002 (TA1/TOTAL/
Männer/Anforderungsniveau 4, unter Berücksichtigung der betriebsüblichen
wöchentlichen Arbeitszeit und der Nominallohnentwicklung) in der Höhe von
10 % ist im Rahmen der Angemessenheitskontrolle (Art. 132 lit. a OG) nicht zu
beanstanden; der Abzug trägt den persönlichen und beruflichen Umständen,
insbesondere dem Ausschluss von Tätigkeiten in kniender oder kauernder
Position und der Tragelimite von maximal 10-15 kg ausreichend Rechnung (vgl.
BGE 126 V 79 E. 6 S. 81). Die Einwände des Beschwerdeführers vermögen kein
abweichendes Ergebnis zu begründen.

4.3 Das ohne Gesundheitsschaden hypothetisch erzielbare Einkommen
(Valideneinkommen) haben Vorinstanz und SUVA für das Jahr 2003 (Rentenbeginn)
gestützt auf die Lohnangabe der Z.________ AG, welche den Versicherten seit
Mai 2000 temporär als Hochbaupolier vermittelte, auf Fr. 78'292.- jährlich
festgesetzt. Für den in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde als überwiegend
wahrscheinlich dargestellten hypothetischen beruflichen Werdegang ohne
unfallbedingte Beeinträchtigung (kein Weggang bei der Firma Q.________ AG,
Festanstellung mit höherem Lohn im Zeitpunkt des Unfalls) lässt sich aufgrund
der Aktenlage keine hinreichende Stütze finden. Die Annahme eines
Valideneinkommens von mehr als den von der SUVA angenommenen Fr. 78'292.- ist
nicht zu rechtfertigen. Aus der Gegenüberstellung mit dem Invalideneinkommen
von Fr. 52'026.- resultiert ein Wert von 33,54 % welcher, wie der
Beschwerdeführer zu Recht vorbringt, auf die nächste ganze Prozentzahl
aufzurunden ist (BGE 130 V 121), was - entsprechend dem subeventualiter
gestellten Antrag - einen Invaliditätsgrad von 34 % ergibt.

5.
Das Verfahren ist kostenlos (Art. 134 OG). Dem Prozessausgang entsprechend
hat der nur in sehr bescheidenem Umfang obsiegende Beschwerdeführer Anspruch
auf eine reduzierte Parteientschädigung (Art. 159 Abs. 1 und 2 in Verbindung
mit Art. 135 OG; in RKUV 2004 Nr. U 551 S. 277 nicht publizierte Erwägung 3
des Urteils U 107/03 vom 6. Januar 2004 und U 180/06 vom 17. Oktober 2006,
E. 4).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird teilweise gutgeheissen. Der Entscheid
des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern, Sozialversicherungsrechtliche
Abteilung, vom 30. August 2006 und der Einspracheentscheid der SUVA vom
12. Januar 2005 werden aufgehoben. Es wird festgestellt, dass der
Beschwerdeführer Anspruch auf eine Invalidenrente gestützt auf einen
Invaliditätsgrad von 34 % hat.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Die SUVA hat dem Beschwerdeführer für das Verfahren vor dem Bundesgericht
eine Parteientschädigung von Fr. 500.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu
bezahlen.

4.
Das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Sozialversicherungsrechtliche
Abteilung, wird über eine Parteientschädigung für das kantonale Verfahren
entsprechend dem Ausgang des letztinstanzlichen Prozesses zu befinden haben.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für Gesundheit
zugestellt.
Luzern, 27. Juni 2007

m Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: