Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 465/2006
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U 465/06

Urteil vom 21. März 2007

I. sozialrechtliche Abteilung

Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichterin Widmer, Bundesrichter Frésard,
Gerichtsschreiber Flückiger.

M.________, 1964, Beschwerdeführer,
vertreten durch Advokat Dr. Claude Jeanneret,
Anton von Blarerweg 2, 4147 Aesch,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004
Luzern, Beschwerdegegnerin.

Unfallversicherung,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts
Basel-Landschaft
vom 9. August 2006.

Sachverhalt:

A.
M.________, geboren 1964, ist Inhaber der Einzelfirma X.________. Am 13.
August 2004 erlitt er bei Waldarbeiten auf dem Gebiet der Gemeinde
G.________, die er zusammen mit N.________ ausführte, einen Unfall.
M.________ wurde durch einen Baum, welchen N.________ mit einem so genannten
Vollerntner umgesägt hatte, erheblich verletzt. Am 3. Juni 2005 meldete er
den Vorfall der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA). Er machte
geltend, in einem arbeitsvertragsähnlichen Verhältnis zu N.________ gestanden
zu haben und deshalb obligatorisch unfallversichert gewesen zu sein. Die SUVA
verneinte mit Verfügung vom 11. August 2005 einen Leistungsanspruch. Zur
Begründung erklärte sie, M.________ habe nicht als Arbeitnehmer von
N.________, sondern als Selbstständigerwerbender zu gelten. Da er somit nicht
obligatorisch versichert sei und auch keine freiwillige Versicherung bei der
SUVA abgeschlossen habe, könnten keine Versicherungsleistungen erbracht
werden. Daran hielt die Anstalt mit Einspracheentscheid vom 5. Oktober 2005
fest.

B.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Kantonsgericht Basel-Landschaft,
Abteilung Sozialversicherungsrecht (nachfolgend Kantonsgericht), ab
(Entscheid vom 9. August 2006).

C.
M.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Rechtsbegehren,
der kantonale Entscheid und der Einspracheentscheid seien aufzuheben, und es
sei festzustellen, dass der Beschwerdeführer für das Ereignis vom 13. August
2004 und dessen Folgen bei der Beschwerdegegnerin versichert sei.
Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz bzw. die
Beschwerdegegnerin zurückzuweisen.

Die SUVA schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das
Bundesamt für Gesundheit und der als Mitbeteiligter zur Stellungnahme
eingeladene N.________ verzichten auf eine Vernehmlassung.

D.
Mit Schreiben vom 9. November 2006 (nach Ablauf der Beschwerdefrist) lässt
der Beschwerdeführer ein Schreiben der SUVA an S.________ vom 2. Oktober 2006
auflegen. Die SUVA hat dazu im Rahmen eines vom Gericht angeordneten zweiten
Schriftenwechsels am 8. Februar 2007 Stellung genommen.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (BGG; SR 173.110)
ist am 1. Januar 2007 in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Da der
angefochtene Entscheid vorher ergangen ist, richtet sich das Verfahren noch
nach OG (Art. 132 Abs. 1 BGG; BGE 132 V 393 E. 1.2 S. 395).

2.
2.1 Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen über die obligatorische
Unfallversicherung der Arbeitnehmer (Art. 1a UVG in Verbindung mit Art. 1
UVV), die Begriffe der Arbeitnehmer (Art. 10 ATSG), der
Selbstständigerwerbenden (Art. 12 ATSG), des Einkommens aus unselbstständiger
(Art. 5 Abs. 2 AHVG) und selbstständiger (Art. 9 AHVG) Erwerbstätigkeit sowie
den Grundsatz der Abgrenzung zwischen selbstständiger und unselbstständiger
Erwerbstätigkeit auf Grund der wirtschaftlichen Gegebenheiten des Einzelfalls
(BGE 123 V 161 E. 1 S. 162 f.) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.

2.2 Wie die Vorinstanz ebenfalls richtig dargelegt hat, gelten als relevante
Abgrenzungskriterien namentlich die betriebswirtschaftliche bzw.
arbeitsorganisatorische Abhängigkeit und das Unternehmerrisiko, wobei die
konkreten Umstände massgebend sind (BGE 123 V 161 E. 1 S. 162 f.; Alexandra
Rumo-Jungo, Rechtsprechung des Bundesgerichts zum Bundesgesetz über die
Unfallversicherung, 3. Auflage, Zürich 2003, S. 1 ff.; Thomas Locher,
Grundriss des Sozialversicherungsrechts, 3. Auflage, Bern 2003, S. 170). Für
die Annahme einer unselbstständigen Erwerbstätigkeit sprechen etwa die Arbeit
auf Zeit, die wirtschaftliche Abhängigkeit und die Einordnung in den Betrieb
(Manfred Rehbinder, Schweizerisches Arbeitsrecht, 15. Auflage, Bern 2002, S.
38 ff.), das Vorliegen eines Arbeitsplans, die Berichterstattungspflicht, die
Angewiesenheit auf die Infrastruktur am Arbeitsort und die (alleinige)
Abhängigkeit vom persönlichen Arbeitserfolg (BGE 122 V 173 E. 3c S. 172 f.,
119 V 163 E. 3b S. 163 f.; ZAK 1986 S. 121 E. 2b, 333 E. 2d; Raphael Lanz,
Die Abgrenzung der selbstständigen von der unselbstständigen Erwerbstätigkeit
im Sozialversicherungs-, Steuer- und Zivilrecht, in: Aktuelle Juristische
Praxis [AJP] 1997, S. 1468 ff.). Charakteristisch für eine
betriebswirtschaftliche bzw. arbeitsorganisatorische Unabhängigkeit sind
demgegenüber das Anfallen von Kosten, welche vom Arbeitserfolg unabhängig
sind (Investitionen, Geschäftsräumlichkeiten, angestelltes Personal), und die
gleichzeitige Tätigkeit für mehrere Gesellschaften in eigenem Namen, ohne
indessen von diesen abhängig zu sein (ZAK 1986 S. 121 E. 2b, 333 E. 2d, 1982
S. 215).

3.
Streitig und zu prüfen ist die Qualifikation der Erwerbstätigkeit im Rahmen
der Zusammenarbeit mit N.________.

3.1 Das kantonale Gericht gelangte zum Ergebnis, M.________ sei selbstständig
erwerbstätig gewesen. Zur Begründung führte es insbesondere an, M.________
sei Inhaber einer Einzelfirma und gegen aussen immer als
Selbstständigerwerbender aufgetreten. Er habe sich bei der SUVA und der
Ausgleichskasse dementsprechend angemeldet, auf eigene Rechnung gearbeitet,
Firmenpapier benutzt, sei für mehrere Auftraggeber tätig gewesen und habe
über eine eigene betriebswirtschaftliche Organisation sowie
Arbeitsorganisation, einschliesslich der für die Ausübung seiner Tätigkeit
notwendigen Betriebsmittel, verfügt. Weiter erwog die Vorinstanz, wer
üblicherweise auf eigene Rechnung arbeite, sei gemäss Rechtsprechung
vermutungsweise auch dann in unabhängiger Stellung tätig, wenn er
gelegentlich Arbeiten für Drittbetriebe ausführe (Hinweis auf Rumo-Jungo,
a.a.O., S. 5, mit weiteren Hinweisen). Der Beschwerdeführer habe eigene
Betriebsmittel (Motorsäge) eingesetzt und deren Verwendung N.________ separat
verrechnet. Zudem habe er in eigenem Namen Rechnung gestellt, einen Tarif für
die Position "Forstwart" von Fr. 50.- verlangt und auch die offenbar zu
entrichtende Mehrwertsteuer von Fr. 132.- überwälzt. Im Weiteren sei zu
berücksichtigen, dass es sich beim Beschwerdeführer und N.________ um
Personen mit gleicher Qualifikation handle. Die Weisungsgebundenheit
M.________s gegenüber N.________ ergebe sich aus der Natur der Tätigkeit,
deren Gefährdungspotential präzise Absprachen, genaue Instruktionen und
allenfalls auch eine Unterstellung unter einen Stundenplan erfordere. Dieses
Kriterium sei deshalb nicht geeignet, Hinweise auf eine unselbstständige
Tätigkeit zu liefern; ebenso wenig könne von einer regelmässigen Arbeit
gesprochen werden, da diese zeitlich sehr beschränkt gewesen sei.

3.2 Der Beschwerdeführer entgegnet, die wirtschaftlichen Gegebenheiten
sprächen für die Annahme von Unselbstständigkeit. Das Weisungsrecht
N.________s liege in dessen arbeitgeberähnlicher Stellung und nicht in der
Natur der Tätigkeit begründet. Er, der Beschwerdeführer, sei nur angemietet
gewesen. Da er gleichermassen qualifiziert sei wie N.________, habe es
genügt, die Arbeit und Vorgehensweise grob zu umschreiben. Es sei weder
notwendig noch üblich, dass der Arbeitgeber einem bestens qualifizierten
Arbeitnehmer detaillierte Anweisungen gebe. Der Beschwerdeführer habe des
Weiteren die Arbeit gegen zum voraus vereinbarten Stundenlohn ausgeführt und
deshalb kein wirtschaftliches Risiko getragen. Auch der Einsatz seiner
Werkzeuge habe durch N.________ in jedem Fall entschädigt werden müssen.
M.________ habe sich zudem während der Arbeit organisatorisch untergeordnet
und nicht sichtbar am wirtschaftlichen Leben teilgenommen, sondern sei als
Arbeitnehmer von N.________ in Erscheinung getreten. Die beiden erledigten
seit ca. zwei Jahren wiederholt grössere Arbeiten zusammen, sodass von
regelmässiger Arbeit gesprochen werden könne. Die Elemente einer
unselbstständigen Tätigkeit würden bei gesamthafter Betrachtung überwiegen.
Sie reichten zumindest in Anerkennung eines "Grenzfalles" aus, den
Beschwerdeführer als Arbeitnehmer zu qualifizieren. Unbeachtlich sei, dass
der Beschwerdeführer eine Rechnung mit Mehrwertsteuer gestellt habe sowie
seine Selbsteinschätzung und Selbstdeklaration und die Abwicklung der
Lohnzahlung durch N.________.

3.3 Der vorinstanzlichen Beurteilung, wonach diejenigen Gesichtspunkte
überwiegen, welche für eine selbstständige Erwerbstätigkeit sprechen, ist
beizupflichten. Neben der Tatsache, dass sich der Beschwerdeführer als
Selbstständigerwerbender bei der SUVA und der Ausgleichskasse anmeldete und
von N.________ nicht als Arbeitnehmer aufgeführt wurde, und der darin zum
Ausdruck gelangenden Interpretation des Rechtsverhältnisses durch die
Betroffenen selbst fällt vor allem ins Gewicht, dass der Beschwerdeführer die
Rechnung auf Firmenpapier mit einem Tarif stellte, der innerhalb des Rahmens
liegt, welchen er gegenüber seinen sonstigen Auftraggebern zur Anwendung
bringt, während eine betriebswirtschaftliche oder infrastrukturelle
Abhängigkeit von N.________ ebenso wenig bestand wie eine nennenswerte
Einbindung in dessen Arbeitsorganisation. Die erforderlichen Werkzeuge
brachte der Beschwerdeführer selbst mit und stellte sie separat in Rechnung.
Die vorgebrachten Gegenargumente vermögen die durch diese Gesichtspunkte
indizierte Selbstständigkeit nicht zu widerlegen. So ergibt sich die
Notwendigkeit einer Absprache bezüglich des konkreten Vorgehens aus der Natur
der Tätigkeit und dem damit verbundenen Gefahrenpotenzial; sie besteht
unabhängig von einer allgemeinen, ein Anstellungsverhältnis kennzeichnenden
Weisungsgebundenheit. Die - relative - Regelmässigkeit der Zusammenarbeit
sowie die Art und vorgängige Absprache der Vergütung bilden unter diesen
Umständen keine hinreichenden Gründe für die Annahme einer unselbstständigen
Erwerbstätigkeit.

4.
4.1 Der Beschwerdeführer macht mit dem nachgereichten Schreiben vom 9.
November 2006 geltend, die SUVA behandle den als Selbstständigerwerbenden
tätigen S.________ bezüglich Arbeiten, die er im Auftrag von M.________
verrichte, also nicht in eigenem Namen, auf eigene Rechnung und unter Tragung
eines wirtschaftlichen Unternehmerrisikos ausübe, als
unselbstständigerwerbend. Die Situation sei mit derjenigen des
Beschwerdeführers identisch, weshalb dieser für Arbeiten, die er im Auftrag
von N.________ erledigt habe, als unselbstständig Erwerbender gelten müsse.

4.2 Die Suva bringt in ihrer Stellungnahme vor, im Lichte von Art. 108 Abs. 2
OG sei es grundsätzlich unzulässig, nach Ablauf der Beschwerdefrist neue
Beweismittel beizubringen. Der neu eingereichte Beleg enthalte auch keine
neuen erheblichen Tatsachen oder schlüssigen Beweismittel, welche eine
Revision im Sinne von Art. 137 lit. b OG zu rechtfertigen vermöchten. Die neu
aufgelegten Unterlagen seien deshalb unbeachtlich.

Für den Fall der Berücksichtigung der neuen Belege wendet die Suva ein, man
habe es mit zwei Sachverhaltskonstellationen zu tun, welche nicht
vergleichbar seien. Selbst wenn jedoch die berufliche Situation von
S.________ mit derjenigen des Beschwerdeführers identisch wäre, könne
letzterer daraus nichts zu seinen Gunsten ableiten. Denn diesfalls habe die
Suva S.________ zu Unrecht eine Unfallversicherungsdeckung in Aussicht
gestellt, und ein Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht bestehe nicht.

4.3 Nach Ablauf der Beschwerdefrist von 30 Tagen seit schriftlicher Eröffnung
des kantonalen Entscheides sind neue Beweismittel in der Regel nicht mehr
zugelassen, es sei denn, sie bildeten die Basis für einen Revisionsgrund
(Art. 137 lit. b OG) oder das Bundesgericht ordne einen zweiten
Schriftenwechsel an (BGE 127 V 353). Letzteres ist hier der Fall, weshalb das
Schreiben der SUVA an Herrn S.________ vom 2. Oktober 2006 zu berücksichtigen
ist.

4.4 Gemäss der Darstellung im Schreiben vom 9. November 2006 arbeitet
S.________, der als Selbstständigerwerbender Dienstleistungen aller Art
anbietet, gelegentlich im Auftrag des Beschwerdeführers in dessen Werkstatt
und erledigt dabei selbstständig unter anderem Reparaturarbeiten. Diese
Konstellation lässt sich mit derjenigen des Beschwerdeführers bereits deshalb
nicht ohne weiteres vergleichen, weil es sich offenbar um genau definierte
Arbeiten handelt, welche im Betrieb des Beschwerdeführers ausgeübt werden,
während dies für dessen Tätigkeit mit N.________ nicht in gleicher Weise
zutrifft. Ausserdem fehlen Angaben über die Häufigkeit der Einsätze von
S.________ sowie die Vergütung und deren Abrechnung, welche Rückschlüsse auf
die Qualifikation zuliessen. Die zwei Sachverhalte lassen somit nicht in
einer Weise gleichsetzen, welche sich auf die Beurteilung der vorliegenden
Angelegenheit auswirken müsste. Immerhin bleibt anzumerken, dass die SUVA
grundsätzlich gehalten ist, sich bei der Handhabung der
Versicherungsunterstellung an einheitlichen Kriterien zu orientieren.

5.
Das Verfahren hat Versicherungsleistungen zum Gegenstand und ist deshalb
kostenlos (Art. 134 Satz 1 OG). Anspruch auf eine Parteientschädigung haben
weder der unterliegende Beschwerdeführer noch die SUVA als mit
öffentlichrechtlichen Aufgaben betraute Organisation (Art. 159 Abs. 2 in
Verbindung mit Art. 135 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, N.________, dem Kantonsgericht
Basel-Landschaft, Abteilung Sozialversicherungsrecht, und dem Bundesamt für
Gesundheit zugestellt.

Luzern, 21. März 2007

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
i.V.