Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 458/2006
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U 458/06

Urteil vom 4. Juni 2007

I. sozialrechtliche Abteilung

Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichter Schön, Frésard,
Gerichtsschreiberin Heine.

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1,
6004 Luzern, Beschwerdeführerin,

gegen

Z.________, 1955, Beschwerdegegner,
vertreten durch Rechtsanwalt Arthur Andermatt,
Teufener Strasse 8, 9000 St. Gallen.

Unfallversicherung,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts
des Kantons St. Gallen
vom 21. August 2006.

Sachverhalt:

A.
Der 1955 geborene Z.________ war seit 1. März 1990 als Produktionsmitarbeiter
bei der Firma X.________ AG tätig und damit bei der Schweizerischen
Unfallversicherungsanstalt (SUVA) gegen die Folgen von Berufs- und
Nichtberufsunfällen versichert. Bei zwei Unfällen (28. August 1998 und
6. Januar 2000) zog er sich Kniekontusionen zu und am 28. Juni 2002 erlitt er
eine Amputationsverletzung sowie einen Strecksehnendefekt an der rechten
Hand. Das bisherige Arbeitsverhältnis wurde von der Arbeitgeberin auf Ende
Februar 2004 aufgelöst. Die SUVA anerkannte ihre Leistungspflicht und
erbrachte die gesetzlichen Leistungen. Mit Verfügung vom 17. Februar 2004
sprach sie dem Versicherten nebst einer 30%igen Integritätsentschädigung ab
1. März 2004 eine auf einer 28%igen Erwerbsunfähigkeit beruhende
Invalidenrente zu, woran sie mit Einspracheentscheid vom 2. September 2005
festhielt.

B.
Die hiegegen erhobene Beschwerde hiess das Versicherungsgericht des Kantons
St. Gallen mit Entscheid vom 21. August 2006 teilweise gut, indem es die SUVA
zur Ausrichtung einer Invalidenrente auf der Basis einer 34%igen
Erwerbsunfähigkeit verpflichtete.

C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt die SUVA die Aufhebung des
kantonalen Gerichtsentscheids.
Der Versicherte lässt Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragen.
Das Bundesamt für Gesundheit verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Am 1. Januar 2007 ist das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni
2005 (BGG; SR 173.110) in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Damit wurden
das Eidgenössische Versicherungsgericht und das Bundesgericht in Lausanne zu
einem einheitlichen Bundesgericht (an zwei Standorten) zusammengefügt
(Seiler/von Werdt/Güngerich, Bundesgerichtsgesetz [BGG], Bern 2007, S. 10
Rz 75) und es wurde die Organisation und das Verfahren des obersten Gerichts
umfassend neu geregelt. Dieses Gesetz ist auf die nach seinem Inkrafttreten
eingeleiteten Verfahren des Bundesgerichts anwendbar, auf ein
Beschwerdeverfahren jedoch nur dann, wenn auch der angefochtene Entscheid
nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes ergangen ist (Art. 132 Abs. 1 BGG). Da
der kantonale Entscheid am 21. August 2006 und somit vor dem 1. Januar 2007
erlassen wurde, richtet sich das Verfahren nach dem bis 31. Dezember 2006 in
Kraft gestandenen Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege
(OG) vom 16. Dezember 1943 (vgl. BGE 132 V 393 E. 1.2 S. 395).

2.
Im angefochtenen Entscheid werden die Bestimmungen über den Anspruch auf eine
Invalidenrente der Unfallversicherung (Art. 18 Abs. 1 UVG [in der seit
1. Januar 2003 gültigen Fassung, AS 2002 3453 3471]), die Begriffe der
Invalidität (Art. 8 ATSG) und der Erwerbsunfähigkeit (Art. 7 ATSG) sowie die
Ermittlung des Invaliditätsgrades nach der Methode des Einkommensvergleichs
(Art. 16 ATSG) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.

3.
Streitig und zu prüfen ist, welches Valideneinkommen dem zur Ermittlung des
Invaliditätsgrades erforderlichen Einkommensvergleich zu Grunde zu legen ist.

3.1 Während die SUVA in ihrem Einspracheentscheid ein Valideneinkommen von
Fr. 55'340.- ermittelte, ging die Vorinstanz von einem solchen von
Fr. 60'798.- aus. Das kantonale Gericht hat dabei erwogen, der
Beschwerdegegner habe bis zu seinem Ausscheiden bei der Firma X.________ AG
ein unterdurchschnittliches Einkommen erzielt, weshalb Tabellenlöhne
heranzuziehen seien. Die Beschwerdeführerin macht demgegenüber geltend, das
Valideneinkommen sei empirisch festzusetzen, eine Abweichung vom tatsächlich
erzielten Lohn rechtfertige sich nur in Einzelfällen.

3.2 Bei der Ermittlung des ohne Invalidität vom Versicherten erzielbaren
Einkommens ist entscheidend, was er im massgebenden Zeitpunkt nach dem
Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit als Gesunder tatsächlich
verdienen würde (RKUV 1993 Nr. U 168 S. 100 E. 3b mit Hinweis). Die
Einkommensermittlung hat so konkret wie möglich zu erfolgen. Es ist daher in
der Regel vom letzten Lohn, welchen der Versicherte vor Eintritt der
Gesundheitsschädigung erzielt hat, auszugehen. Dabei ist grundsätzlich das
durchschnittliche Lohnniveau in der betreffenden Branche und in der konkreten
beruflichen Situation massgebend. Die Löhne verschiedener Wirtschaftszweige
und Anforderungsniveaus werden in der Schweizerischen Lohnstrukturerhebung
des Bundesamtes für Statistik (LSE) ermittelt. In diesen Durchschnittswerten
schlägt sich nieder, was eine Person mit gleichen beruflichen Voraussetzungen
wie der Versicherte verdienen könnte. Auf sie darf jedoch im Rahmen der
Invaliditätsbemessung nur unter Mitberücksichtigung der für die Entlöhnung im
Einzelfall gegebenenfalls relevanten persönlichen und beruflichen Faktoren
abgestellt werden (Meyer-Blaser, Bundesgesetz über die Invalidenversicherung,
Zürich 1997, S. 205 f.; Omlin, Die Invalidität in der obligatorischen
Unfallversicherung, Diss. Freiburg 1995, S. 180).

3.3 Der Beschwerdegegner hätte im Jahr 2003 als Produktionsmitarbeiter ein
Jahresgehalt von Fr. 55'340.- erzielt. Gemäss eigenen Angaben (Bericht vom
22. Oktober 2002) bestand seine Arbeit darin, fertige Parkettstücke vom
Fliessband zu nehmen und in Schachteln zu legen, welche anschliessend auf
Paletten gelegt wurden. Bei den Referenztätigkeiten aus der LSE Tabelle TA1,
wie von der Vorinstanz angenommen, kann im Durchschnitt ein Jahresgehalt von
Fr. 60'798.- verdient werden. Die Abweichung von 9 % zwischen dem
Durchschnittslohn und dem tatsächlich realisierten Verdienst erklärt sich
bereits dadurch, dass Schwankungen nach oben wie nach unten - beispielsweise
auf Grund von persönlichen und beruflichen Umständen - statistisch
ausgeblendet werden. Fest steht, dass der Beschwerdegegner seit 1990 bei der
Firma X.________ AG tätig und eine berufliche Veränderung nicht beabsichtigt
war. Da die Ermittlung des Valideneinkommens so konkret wie möglich zu
erfolgen hat und statistische Werte dieses Kriterium per se nicht erfüllen,
ist grundsätzlich vom tatsächlich erzielten Lohn auszugehen. Die Feststellung
der Vorinstanz, der tatsächliche Lohn sei unterdurchschnittlich, vermag keine
Ausnahme zu begründen. Denn massgebend für das Valideneinkommen ist, was der
Versicherte als Gesunder tatsächlich erzielen würde, und nicht, was er
bestenfalls verdienen könnte. Ist auf Grund der Umstände des Einzelfalles
anzunehmen, dass er sich als Gesunder voraussichtlich dauernd mit einer
bescheidenen Erwerbstätigkeit begnügen würde, so ist darauf abzustellen, auch
wenn er an sich besser entlöhnte Erwerbsmöglichkeiten hätte (ZAK 1992 S. 90
E. 4a). Ohne dass es eines Tabellenlohnvergleichs bedarf, ist das von der
SUVA mit Fr. 55'340.- ermittelte Valideneinkommen daher zu bestätigen.

3.4 Die Berechnung des Invalideneinkommens (Fr. 39'978.-), wie sie
ursprünglich von der SUVA vorgenommen und durch die Vorinstanz bestätigt
wurde, hält einer Angemessenheitskontrolle im Rahmen von Art. 132 OG stand
und gibt in Bezug auf den leidensbedingten Abzug zu keiner anderen
Ermessensausübung Anlass (vgl. BGE 126 V 79 E. 6 S. 81).

3.5 Der Einspracheentscheid vom 2. September 2005, mit welchem dem
Beschwerdegegner eine Rente aufgrund eines Invaliditätsgrades von 28 %
zugesprochen wurde, besteht demnach zu Recht.

4.
Schliesslich beanstandet die Beschwerdeführerin die dem Versicherten vom
kantonalen Gericht zugesprochene Parteientschädigung. Ein Anspruch auf
Parteientschädigung ist auf Grund des letztinstanzlichen Prozessausgangs zu
verneinen.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird der Entscheid des
Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 21. August 2006 aufgehoben.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons
St. Gallen und dem Bundesamt für Gesundheit zugestellt.
Luzern, 4. Juni 2007

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: