Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 445/2006
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{T 7}
U 445/06

Urteil vom 22. Februar 2007

I. sozialrechtliche Abteilung

Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichter Schön, nebenamtlicher Richter Bühler,
Gerichtsschreiber Krähenbühl.

C. ________, 1943, Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt David Husmann,
Untermüli 6, 6300 Zug,

gegen

Winterthur Schweizerische Versicherungs-Gesellschaft, General
Guisan-Strasse 40, 8400 Winterthur, Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Rechtsanwältin Marianne I. Sieger, Kuttelgasse 8,
8001 Zürich.

Unfallversicherung,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des
Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich
vom 31. Juli 2006.

Sachverhalt:

A.
Der 1943 geborene C.________ war unter der - nicht im Handelsregister
eingetragenen - Firma X.________ als Einzelunternehmer tätig. Am 28. Juni
2001 gründete er unter dem Namen Y.________ AG eine Aktiengesellschaft mit
einem Aktienkapital von Fr. 100'000.-. Gemäss Sacheinlagevertrag gleichen
Datums übernahm die Aktiengesellschaft von C.________ das von ihm unter der
Firma X.________ geführte Geschäft mit Aktiven von Fr. 113'144.30 und
Passiven von Fr. 12'911.95 gemäss Übernahmebilanz vom 31. Dezember 2000. Im
selben Vertrag war weiter vorgesehen, dass "alle seit 1. Januar 2001
getätigten Geschäfte ... als für die Y.________ AG erfolgt" gelten.
Gestützt auf einen nicht datierten Versicherungsantrag schloss C.________ bei
der Winterthur Schweizerische Versicherungs-Gesellschaft (nachstehend:
Winterthur) mit Wirkung ab 1. Januar 1998 einen Vertrag über die freiwillige
Unfallversicherung als Selbstständigerwerbender, wobei der versicherte
Verdienst auf Fr. 97'200.- festgesetzt wurde. Am 18. Oktober 2001 war
C.________ an einem Auffahrunfall beteiligt, was zu einer Arbeitsunfähigkeit
führte. Die Winterthur richtete zunächst bis 30. September 2003 das
versicherte Taggeld aus. Mit Verfügung vom 26. Januar 2004 hob sie den
Unfallversicherungsvertrag indessen rückwirkend ab 31. März 2001 auf und
forderte die ausgerichteten Taggelder abzüglich der seither bezahlten
Versicherungsprämien, mithin insgesamt Fr. 146'723.65, zurück. Die hiegegen
erhobene Einsprache wies sie mit Entscheid vom 17. Dezember 2004 ab.

B.
Beschwerdeweise liess C.________ beantragen, es seien ihm die gesetzlichen
Leistungen für die Unfälle vom 18. Oktober 2001 und 10. August 2004
zuzusprechen, wobei der versicherte Verdienst auf Fr. 97'200.- zu belassen
sei; eventuell sei die Sache "zur Anpassung des versicherten Verdienstes" an
die Winterthur zurückzuweisen; ausserdem sei festzustellen, dass die
Rückforderung von Fr. 146'723.65 nicht besteht. - Das
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wies die Beschwerde nach
Durchführung eines doppelten Schriftenwechsels mit Entscheid vom 31. Juli
2006 ab.

C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt C.________ seine im kantonalen
Verfahren gestellten Begehren erneuern.
Die Winterthur schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das
Bundesamt für Gesundheit verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (BGG; SR 173.110)
ist am 1. Januar 2007 in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Da der
angefochtene Entscheid vorher ergangen ist, richtet sich das Verfahren noch
nach OG (Art. 132 Abs. 1 BGG; BGE 132 V 393 E. 1.2 S. 395).
Die Kognition des Bundesgerichtes richtet sich daher noch nach Art. 132 (ab
1. Juli 2006: Art. 132 Abs. 1) OG. Danach ist die Überprüfungsbefugnis im
Beschwerdeverfahren um die Bewilligung oder Verweigerung von
Versicherungsleistungen nicht auf die Verletzung von Bundesrecht
einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens beschränkt,
sondern sie erstreckt sich auch auf die Angemessenheit der angefochtenen
Verfügung; das Gericht ist dabei nicht an die vorinstanzliche Feststellung
des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden und kann über die Begehren der
Parteien zu deren Gunsten oder Ungunsten hinausgehen (Art. 132 Abs. 1 OG in
der seit 1. Juli 2006 gültig gewesenen Fassung).

2.
2.1 Im verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren sind grundsätzlich nur
Rechtsverhältnisse zu überprüfen bzw. zu beurteilen, zu denen die zuständige
Verwaltungsbehörde vorgängig verbindlich - in Form einer Verfügung - Stellung
genommen hat. Insoweit bestimmt die Verfügung den beschwerdeweise
weiterziehbaren Anfechtungsgegenstand. Umgekehrt fehlt es an einem
Anfechtungsgegenstand und somit an einer Sachurteilsvoraussetzung, wenn und
insoweit keine Verfügung ergangen ist (BGE 131 V 164 E. 2.1, 125 V 413 E. 1a
S. 414, 119 Ib 33 E. 1b S. 36, je mit Hinweisen).

2.2 Im vorliegenden Fall bildet die im Einspracheentscheid vom 17. Dezember
2004 auf den 31. März 2001 festgelegte Auflösung (Beendigung) der
freiwilligen Unfallversicherung des Beschwerdeführers den
Anfechtungsgegenstand, welche die Rechtsgrundlage der
Rückerstattungsforderung für die seither von der Beschwerdegegnerin für den
Unfall vom 18. Oktober 2001 ausgerichteten Taggelder darstellt. Mit seinem
Beschwerdebegehren hat der Beschwerdeführer den Streitgegenstand über diesen
Anfechtungsgegenstand hinaus auf die Leistungspflicht der Winterthur für den
Unfall vom 10. August 2004 ausgedehnt. Darüber hat die Winterthur im
Einspracheentscheid vom 17. Dezember 2004 nicht verfügt und es besteht für
diesen Unfall kein Sachzusammenhang mit dem Anfechtungsgegenstand, weshalb
insoweit auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht einzutreten ist.

3.
3.1 Das kantonale Gericht hat die gesetzlichen Bestimmungen über die
freiwillige Unfallversicherung von Selbstständigerwerbenden durch die (ausser
der SUVA) zugelassenen anderen Versicherer (Art. 4 Abs. 1 in Verbindung mit
Art. 59 Abs. 2 UVG) zutreffend dargelegt. Dasselbe gilt hinsichtlich der dazu
gehörenden Ausführungsbestimmungen, wonach die freiwillige Unfallversicherung
mit der Aufgabe der selbstständigen Erwerbstätigkeit endet (Art. 137 Abs. 1
lit. a UVV), der Vertrag aber deren Fortbestand bis drei Monate nach Aufgabe
der Erwerbstätigkeit vorsehen kann (Art. 137 Abs. 2 UVV). In Ziff. 1.2 der
Vertragsbedingungen der Winterthur, welche integrierter Vertragsbestandteil
des mit dem Beschwerdeführer abgeschlossenen Unfallversicherungsvertrages
bildeten, war dementsprechend statuiert, dass die Versicherung drei Monate
nach Aufgabe der selbstständigen Erwerbstätigkeit endet.
Ferner hat die Vorinstanz die gesetzliche Regelung über die Rückerstattung
unrechtmässig bezogener Leistungen (Art. 25 Abs. 1 ATSG) sowie die
Rechtsprechung zu dem im Sozialversicherungsrecht allgemein üblichen
Beweisgrad (Beweismass) der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (BGE 126 V 353
E. 5b S. 360 mit Hinweisen) richtig dargelegt. Darauf wird verwiesen.
Für das gesamte sozialversicherungsrechtliche Verwaltungs- und
Verwaltungsgerichtsbeschwerdeverfahren gilt, dass die Beweiswürdigung nach
dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung erfolgt (Art. 19 VwVG in Verbindung
mit Art. 40 BZP; Art. 61 lit. c ATSG; Art. 95 Abs. 2 in Verbindung mit
Art. 113 und 132 OG). Danach haben Versicherungsträger und
Sozialversicherungsgerichte die Beweise frei, d.h. ohne Bindung an förmliche
Beweisregeln, sowie umfassend und pflichtgemäss zu würdigen. Für das
Beschwerdeverfahren bedeutet dies, dass das Sozialversicherungsgericht alle
Beweismittel, unabhängig von wem sie stammen, objektiv zu prüfen und danach
zu entscheiden hat, ob die verfügbaren Unterlagen eine zuverlässige
Beurteilung des streitigen Rechtsanspruches gestatten (BGE 125 V 351 E. 3a
S. 352 , 122 V 157 E. 1c S. 160).

3.2 Das kantonale Gericht ist in sorgfältiger, zahlreiche Einzelheiten mit
berücksichtigender Würdigung des überwiegend vom Beschwerdeführer vorgelegten
Urkundenmaterials zum Schluss gelangt, dass dieser auf den 1. Januar 2001
seine bisher als Einzelunternehmer unter der Firma X.________ ausgeübte
selbstständige Erwerbstätigkeit aufgegeben hat und ab diesem Zeitpunkt seine
gesamte Geschäftstätigkeit im Namen und auf Rechnung der am 28. Juni 2001
gegründeten Y.________ AG abwickelte.
Der Beschwerdeführer macht geltend, die Vorinstanz habe das Beweismaterial
falsch gewürdigt und dementsprechend den rechtserheblichen Sachverhalt
unrichtig festgestellt. Namentlich die von ihm vorgelegten Rechnungen und
Quittungen betreffend die ihm von der Y.________ AG ab 1. Januar 2001
ausgerichteten "Honorare" seien dahin gehend zu würdigen, dass er
entsprechendes selbstständiges Erwerbseinkommen erzielt habe.

3.2.1 Gemäss Art. 138 Satz 1 erster Halbsatz UVV werden die Prämien und
Geldleistungen in der freiwilligen Unfallversicherung "im Rahmen von Art. 22
Abs. 1 nach dem versicherten Verdienst bemessen". Diese Bestimmung verweist
zwar ihrem Wortlaut nach nur auf Abs. 1 von Art. 22 UVV, wo lediglich der
Höchstbetrag des jährlichen versicherten Verdienstes festgelegt wird. Der
Rechtssinn von Art. 138 Satz 1 erster Halbsatz UVV geht aber dahin, dass
Bemessungsgrundlage der Leistungen und Prämien in der freiwilligen
Unfallversicherung dieselbe ist wie in der obligatorischen, nämlich der
versicherte Verdienst im Sinne von Art. 22 Abs. 2 UVV (RKUV 1998 Nr. U 315
S. 575 E. 2c/aa, 1994 Nr. U 183 S. 49 E. 5b und c). Als solcher gilt der nach
der Bundesgesetzgebung über die AHV massgebende Lohn. Da der
Selbstständigerwerbende nicht massgebenden Lohn im Sinne von Art. 5 AHVG,
sondern Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit (Art. 9 AHVG) erzielt,
kann der versicherte Verdienst in der freiwilligen Unfallversicherung nur auf
selbstständigem Erwerbseinkommen beruhen. Eine Aufgabe der selbstständigen
Erwerbstätigkeit, die zur Beendigung der freiwilligen Unfallversicherung
führt, liegt daher auch vor, wenn ein bisher selbstständig Erwerbstätiger nur
noch massgebenden Lohn im Sinne von Art. 5 AHVG bezieht.

3.2.2 Ob das in einem bestimmten Zeitraum erzielte Arbeitsentgelt als
Einkommen aus selbstständiger oder aus unselbstständiger Erwerbstätigkeit zu
qualifizieren ist, beurteilt sich nicht nach den von den Beitragspflichtigen
getroffenen rechtsgeschäftlichen Vereinbarungen oder Dispositionen; ebenso
wenig ist auf die Rechtsnatur des dem Arbeitsentgelt zugrunde liegenden
Rechts- oder Vertragsverhältnisses abzustellen. Entscheidend sind vielmehr
die wirtschaftlichen Gegebenheiten. Die zivilrechtlichen Verhältnisse
vermögen dabei allenfalls gewisse Anhaltspunkte für die AHV-rechtliche
Qualifikation zu bieten, ohne jedoch ausschlaggebend zu sein. Als
unselbstständig erwerbstätig ist im Allgemeinen zu betrachten, wer von einem
Arbeitgeber in betriebswirtschaftlicher bzw. arbeitsorganisatorischer
Hinsicht abhängig ist und kein spezifisches Unternehmerrisiko trägt (BGE 123
V 161 E. 1 S. 162 f., 122 V 169 E. 3a S. 171, 281 E. 2a S. 283, je mit
Hinweisen).

3.2.3 Der Beschwerdeführer macht geltend, er habe mit der Y.________ AG
vereinbart, dass er "in der Anfangsphase ... Fr. 5'000.-- Honorar pro Monat
(Fr. 60'000.-- pro Jahr) erhält, für Geschäftsführungsaufgaben und Einbringen
seiner lang erworbenen Fähigkeiten in den Betrieb der Y.________ AG". Ausser
der Geschäftsführertätigkeit habe er "weitere Arbeiten für die Y.________ AG
verrichtet, welche er mit Bezügen abdeckte". Ingesamt habe er im Jahre 2001
"von der Y.________ AG für Arbeiten Fr. 95'000.-- abgebucht."
Da der Beschwerdeführer zugleich einziger Verwaltungsrat der Y.________ AG
war, führte seine Tätigkeit als Geschäftsführer der Aktiengesellschaft zu
einer arbeits- und gesellschaftsrechtlichen Doppelstellung mit
gesellschaftsrechtlicher Organstellung einerseits und arbeitsvertraglicher
Anstellung als Geschäftsführer andererseits (BGE 130 III 213 E. 2.1 S. 216).
Als Geschäftsführer stand er in einem Abhängigkeitsverhältnis zur Y.________
AG, hatte sich an die Weisungen ihres einzigen Exekutivorgans zu halten,
blieb in deren Arbeits- und Betriebsorganisation eingegliedert und das
Unternehmerrisiko seiner Geschäftsführertätigkeit trug allein die Y.________
AG. Die personelle Identität als einziger Verwaltungsrat und Geschäftsführer
der Y.________ AG änderte an diesem arbeits- und gesellschaftsrechtlichen
Doppelverhältnis nichts, sondern hat grundsätzlich die Ungültigkeit des
abgeschlossenen Arbeitsvertrages zufolge unzulässigen Selbstkontrahierens zur
Folge (BGE 127 III 332 E. 2a S. 333 f., 126 III 361 E. 3a S. 363 f. mit
Hinweisen). Als Geschäftsführer hat der Beschwerdeführer aber
arbeitsvertraglichen Lohn (Art. 322 Abs. 1 OR) und nicht eine Vergütung als
Beauftragter (Art. 394 Abs. 3 OR) bezogen. Die Bezeichnung als "Honorar" in
den von ihm in zwei Versionen aufgelegten Rechnungen an die Y.________ AG ist
unerheblich. Wirtschaftlich stellen die ihm für seine
Geschäftsführertätigkeit und "weitere Arbeiten" im Jahre 2001 durch die
Y.________ AG ausgerichteten Arbeitsentgelte massgebenden Lohn im Sinne von
Art. 5 AHVG dar. Versicherter Verdienst als Selbstständigerwerbender im Sinne
von Art. 138 Satz 1 erster Halbsatz in Verbindung mit Art. 22 Abs. 2 UVV
wurde damit nicht erzielt, weshalb die selbstständige Erwerbstätigkeit des
Beschwerdeführers per 1. Januar 2001 selbst dann beendet war, wenn er danach
von der Y.________ AG als Geschäftsführer effektiv noch entlöhnt wurde. Die
vom kantonalen Gericht mit anderer Begründung gezogene Schlussfolgerung, dass
die freiwillige Unfallversicherung des Beschwerdeführers am 31. März 2001
beendet war, ist daher jedenfalls im Ergebnis bundesrechtskonform.

4.
Das kantonale Gericht hat die Beendigung der freiwilligen Unfallversicherung
zum 31. März 2001 eventualiter auch damit begründet, dass zwischen dem
vereinbarten, maximalen versicherten Verdienst und dem tatsächlich fehlenden
Erwerbseinkommen ab 1. Januar 2001 ein krasses und konstantes, die
Vertragsauflösung rechtfertigendes Missverhältnis bestanden habe. Da sich die
Hauptbegründung des angefochtenen Entscheides - wie dargelegt - zumindest im
Ergebnis als bundesrechtskonform erweist, kann offen bleiben, ob die mit der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die vorinstanzliche Eventualbegründung
erhobenen Einwände stichhaltig sind.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit zugestellt.
Luzern, 22. Februar 2007

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: