Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 431/2006
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Urteil vom 4. Oktober 2007

I. sozialrechtliche Abteilung

Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichter Lustenberger, Bundesrichterin Leuzinger,
Gerichtsschreiberin Durizzo.

M._________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Beat Wachter,
Obergasse 34, 8402 Winterthur,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6002
Luzern, Beschwerdegegnerin.

Unfallversicherung,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des
Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 11. Juli 2006.

Sachverhalt:

A.
Mit Verfügung vom 23. Juli 2004 und Einspracheentscheid vom 21. Juli 2005
gewährte die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA) M._________,
geboren 1969, mit Wirkung ab 1. September 2004 eine Invalidenrente basierend
auf einer Erwerbsunfähigkeit von 31 % sowie eine Integritätsentschädigung bei
einer Integritätseinbusse von 20 % für einen am 21. Februar 2002 erlittenen
Arbeitsunfall.

B.
Die dagegen erhobene Beschwerde hiess das Sozialversicherungsgericht des
Kantons Zürich mit Entscheid vom 11. Juli 2006 teilweise gut und änderte den
Einspracheentscheid vom 21. Juli 2005 insoweit ab, als es M._________ eine
Rente basierend auf einem Invaliditätsgrad von 38 % zusprach.

C.
M._________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Antrag, unter
Aufhebung des angefochtenen Entscheides sei ihm eine Invalidenrente von 72 %,
eventualiter mindestens 43 % zuzusprechen. Subeventualiter sei die Sache an
die SUVA zurückzuweisen zwecks Durchführung ergänzender medizinischer
Abklärungen. Des Weiteren ersucht er um Gewährung der unentgeltlichen
Verbeiständung.

Während die SUVA auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliesst,
verzichtet das Bundesamt für Gesundheit auf eine Vernehmlassung.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Am 1. Januar 2007 ist das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni
2005 (BGG; SR 173.110) in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Damit wurden
das Eidgenössische Versicherungsgericht und das Bundesgericht in Lausanne zu
einem einheitlichen Bundesgericht (an zwei Standorten) zusammengefügt
(Seiler/von Werdt/Güngerich, Bundesgerichtsgesetz [BGG], Bern 2007, S. 10
Rz 75) und es wurde die Organisation und das Verfahren des obersten Gerichts
umfassend neu geregelt. Dieses Gesetz ist auf die nach seinem Inkrafttreten
eingeleiteten Verfahren des Bundesgerichts anwendbar, auf ein
Beschwerdeverfahren jedoch nur dann, wenn auch der angefochtene Entscheid
nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes ergangen ist (Art. 132 Abs. 1 BGG). Da
der kantonale Gerichtsentscheid am 11. Juli 2006 und somit vor dem 1. Januar
2007 erlassen wurde, richtet sich das Verfahren nach dem bis 31. Dezember
2006 in Kraft gestandenen Bundesgesetz über die Organisation der
Bundesrechtspflege (OG) vom 16. Dezember 1943 (vgl. BGE 132 V 393 E. 1.2
S. 395).

2.
Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen und Grundsätze zu den
Voraussetzungen des Anspruchs auf eine Invalidenrente der Unfallversicherung
(Art. 18 Abs. 1 UVG), zum Begriff der Invalidität (Art. 8 ATSG), zur
Ermittlung des Invaliditätsgrades bei erwerbstätigen Versicherten nach der
Einkommensvergleichsmethode (Art. 16 ATSG), zu dem für die Leistungspflicht
des Unfallversichereres vorausgesetzten natürlichen und adäquaten
Kausalzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem eingetretenen Schaden
(BGE 129 V 179 Erw. 3.1 und 3.2 S. 181; bei psychischen Unfallfolgen BGE 115
V 133 E. 6 S. 138 ff.) sowie zum Beweiswert von Arztberichten und
medizinischen Gutachten (BGE 125 V 351 E. 3 S. 352 ff., 122 V 157 E. 1c
S. 160 ff.) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.

3.
Streitig ist zunächst der Umfang der Arbeitsfähigkeit des Versicherten. Er
macht in diesem Zusammenhang geltend, die Vorinstanz habe sich zu Unrecht auf
die Einschätzung von SUVA-Kreisarzt Dr. med. B.________ nach seiner
Abschlussuntersuchung vom 31. Oktober 2003 gestützt, in einer
leidensangepassten Tätigkeit sei ein ganztägiger Arbeitseinsatz zumutbar,
welche Auffassung von Kreisarzt Dr. med. J.________ am 12. Oktober 2004 und
Dr. med. S.________, SUVA Abteilung Versicherungsmedizin, am 2. November 2004
bestätigt wurde. Der Beschwerdeführer beruft sich demgegenüber auf die
Stellungnahmen seines Hausarztes Dr. med. M._________ vom 9. April (recte:
September) 2004 sowie des Dr. med. P.________, welcher ihn in der
Schultersprechstunde im Spital X._________ untersucht hatte, vom 14. November
2005. Beide gehen von einer 50 %igen Arbeitsfähigkeit aus.

Das kantonale Gericht hat die medizischen Akten sorgfältig gewürdigt und
einlässlich begründet, weshalb auf die genannten Berichte nicht abzustellen
ist. Auf seine zutreffenden Erwägungen kann vollumfänglich verwiesen werden.
Entscheidend ist, dass Dr. med. M._________ bei seiner Einschätzung eine
psychische Komponente einfliessen liess, die ausser Acht zu bleiben hat (dazu
E. 4), während Dr. med. P.________ nicht weiter begründete, weshalb dem
Versicherten ein ganztägiger Einsatz nicht zumutbar sein soll. Weitere
Untersuchungen sind nicht erforderlich, ist der Versicherte in somatischer
Hinsicht doch bereits umfassend abgeklärt worden und lassen sich die geklagen
Schmerzen seit Konsolidierung der erlittenen Skapulafraktur drei Monate nach
dem Unfall nur noch bedingt erklären.

4.
Der Beschwerdeführer macht weiter geltend, der adäquate Kausalzusammenhang
zwischen dem Unfall und einer allfälligen psychischen Beeinträchtigung in
Gestalt einer somatoformen Schmerzstörung könne nicht zum vornherein verneint
werden. Auch diesbezüglich ist auf die zutreffenden Erwägungen der Vorinstanz
zu verweisen. Insbesondere hat sie richtig ausgeführt, dass die Schmerzen an
der Schulter belastungsabhängig sind, somit das Kriterium der Dauerschmerzen
nicht als erfüllt gelten kann. Des Weiteren wird dem Versicherten, wie
ausgeführt (E. 3), seit dem 31. Oktober 2003, somit gut anderthalb Jahre nach
dem Unfall, eine 100 %ige Arbeitsfähigkeit attestiert. Auch das Kriterium der
langdauernden physisch bedingten Arbeitsunfähigkeit ist damit nicht erfüllt.
Da die adäquate Kausalität der psychischen Unfallfolgen zu verneinen ist,
erübrigt sich die Einholung eines psychiatrischen Gutachtens.

5.
Schliesslich sind die erwerblichen Auswirkungen des Gesundheitsschadens
streitig.

5.1 Seitens des Valideneinkommens (im Jahr 2004 Fr. 78'650.- bzw. 13 x
6'050.-) wird geltend gemacht, der Beschwerdeführer habe vor dem Unfall
regelmässig Überstunden geleistet, was im Umfang von zusätzlich Fr. 1'820.-
zu berücksichtigen sei.

Nach Lage der Akten sind für die Jahre von 2002 bis 2004 zwischen 47,5 (2002)
und 28 Überstunden (2004) pro Jahr ausgewiesen, was Beträgen von rund
Fr. 1'854.- (2002) und 1'120.- (2004) entsprach. Rechtsprechungsgemäss können
für die Bestimmung des hypothetischen Einkommens ohne Unfall regelmässig
geleistete Überstunden im Rahmen eines Durchschnittswertes miteinbezogen
werden (RKUV 2000 Nr. U 400 S. 381 [U 297/99]). Anders als im zitierten
Entscheid, in welchem es statistisch nachweislich um annähernd
2000 Überstunden ging, ist die Überzeit hier mit der Vorinstanz nicht zu
berücksichtigen: Angesichts der vergleichsweise geringen Anzahl Überstunden
ist nicht überwiegend wahrscheinlich, dass der Beschwerdeführer auch
weiterhin mit einem entsprechenden Lohnbestandteil hätte rechnen können.

5.2 Was das Invalideneinkommen betrifft, wird ein leidensbedingter Abzug von
20 % anstelle der von der Vorinstanz gewährten Reduktion von 15 % beantragt.
Das kantonale Gericht hat die diesbezüglich massgeblichen Kriterien
zutreffend dargelegt (BGE 126 V 75 E. 5 S. 78 ff.) und es kann vollumfänglich
auf seine Erwägungen verwiesen werden. Insbesondere der vom Beschwerdeführer
vorgebrachte Einwand, es seien faktisch nur einarmig ausführbare Arbeiten
denkbar, findet in den medizinischen Akten keine Stütze. Die italienische
Staatsangehörigkeit wird den Versicherten bei der Stellensuche kaum behindern
und sich auch auf den Lohn nicht massgeblich auswirken. Zu berücksichtigen
bleibt daher einzig die leidensbedingte Einschränkung. Im Rahmen der
Angemessenheitskontrolle (Art. 132 lit. a OG; BGE 126 V 75 E. 6 S. 81), die
nur zurückhaltende Korrekturen zulässt, lässt sich eine Erhöhung des
leidensbedingten Abzugs um 5 % damit nicht rechtfertigen.

6.
Das Verfahren ist kostenlos (Art. 134 OG; E. 1). Dem Begehren des
Beschwerdeführers auf unentgeltliche Verbeiständung (Art. 152 Abs. 2 OG) kann
entsprochen werden, weil die Bedürftigkeit aktenkundig ist, die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht als aussichtslos zu bezeichnen ist und
die Vertretung durch einen Rechtsanwalt oder eine Rechtsanwältin geboten war
(BGE 125 V 371 E. 5b S. 372 mit Hinweisen). Der Beschwerdeführer wird
indessen darauf aufmerksam gemacht, dass er gemäss Art. 152 Abs. 3 OG der
Gerichtskasse Ersatz zu leisten haben wird, wenn er später dazu im Stande
ist.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege wird Rechtsanwalt Beat
Wachter für das Verfahren vor dem Bundesgericht aus der Gerichtskasse eine
Entschädigung von Fr. 2500.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) ausgerichtet.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit zugestellt.

Luzern, 4. Oktober 2007

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:
i.V.