Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 42/2006
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Prozess {T 7}
U 42/06

Urteil vom 23. Oktober 2006
III. Kammer

Präsident Ferrari, Bundesrichter Lustenberger und Seiler; Gerichtsschreiberin
Polla

S.________, Beschwerdeführerin, vertreten durch Advokat Dr. Marco Biaggi,
Aeschenvorstadt 71, 4051 Basel,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004
Luzern, Beschwerdegegnerin

Kantonsgericht Basel-Landschaft, Liestal

(Entscheid vom 7. September 2005)

Sachverhalt:

A.
Mit Verfügung vom 7. Juli 2004 sprach die Schweizerische
Unfallversicherungsanstalt (SUVA) der 1948 geborenen S.________ für die
Restfolgen der am 27. Februar 1995 und 11. April 1996 erlittenen
Arbeitsunfälle (mit Supinationstraumen im rechten oberen Sprunggelenk [OSG])
eine Integritätsentschädigung aufgrund einer Integritätseinbusse von 7,5 %
sowie eine Invalidenrente auf der Grundlage einer Erwerbseinbusse von 25 %
zu. Daran hielt sie mit Einspracheentscheid vom 22. Februar 2005 fest.

B.
Die hiegegen erhobene Beschwerde der S.________ mit dem Antrag auf
Rückweisung der Sache an die Beschwerdebeklagte zwecks Neubeurteilung, hiess
das Kantonsgericht Basel-Landschaft mit Entscheid vom 7. September 2005 in
dem Sinne gut, als der angefochtene Einspracheentscheid der SUVA vom 22.
Februar 2005 aufgehoben und festgestellt wurde, dass die Beschwerdeführerin
ab 1. Januar 1999 Anspruch auf eine Invalidenrente der SUVA entsprechend
einem Invaliditätsgrad von 28 % hat.

C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde erneuert S.________ ihr Rechtsbegehren um
Rückweisung der Sache an die Beschwerdebeklagte. Die SUVA schliesst auf
Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Gesundheit hat
auf eine Vernehmlassung verzichtet.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Die Vorinstanz hat die Grundsätze und Bestimmungen über die Anwendbarkeit der
materiellrechtlichen Normen des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des
Sozialversicherungsrechts vom 6. Oktober 2000 (ATSG; BGE 130 V 445 mit
Hinweisen), den Anspruch auf eine Invalidenrente der Unfallversicherung (Art.
18 UVG; BGE 129 V 472, 126 V 76 Erw. 3b, je mit Hinweisen) sowie den für die
Ermittlung des Invaliditätsgrades vorzunehmenden Einkommensvergleich (Art. 18
Abs. 2 UVG, Art. 16 ATSG) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.

2.
Letzt- wie bereits vorinstanzlich zu prüfen ist der Umfang der den Anspruch
auf eine Invalidenrente begründenden Invalidität (Art. 18 Abs. 1 UVG).
Bei der Beurteilung der Arbeitsfähigkeit hat sich die Vorinstanz, was von der
Beschwerdeführerin nicht beanstandet wird, auf die diesbezügliche
Einschätzung des Dr. med. T.________, Facharzt FMH für Chirurgie, Abteilung
Versicherungsmedizin der SUVA, in den Berichten vom 3. Februar 2003 und 21.
Juni 2004, gestützt. Mit dem kantonalen Gericht ist demgemäss davon
auszugehen, dass der ungelernten, bisher im Reinigungsdienst des
Kantonsspitals X.________ tätig gewesene Beschwerdeführerin nach erfolgreich
durchgeführter OSG-Arthrodese rein sitzende Tätigkeiten ebenso wie
wechselbelastende Tätigkeiten (hälftig sitzend, hälftig stehend oder zu 50 %
sitzend und zu 50 % in stehender und gehender Position) vollschichtig
zumutbar sind. Arbeiten, die ein längeres Umhergehen in unebenem Gelände mit
sich bringen oder ein längeres Kauern erfordern würden, sind hingegen nicht
mehr ausführbar.

3.
Damit stellt sich in erwerblicher Hinsicht die Frage nach der
wirtschaftlichen Verwertbarkeit dieser verbliebenen Arbeitsfähigkeit.

3.1 Die Beschwerdeführerin bringt im Wesentlichen vor, kantonales Gericht und
Verwaltung hätten es versäumt, zumutbare Verweisungstätigkeiten zu nennen.
Zudem sei sie der Ansicht, die Rechtsprechung beachte die gesetzliche Vorgabe
der konkreten Bestimmung des im Einzelfall offen stehenden Arbeitsmarktes
ungenügend, womit die Invaliditätsbemessung unrichtig sei.

3.2
3.2.1 Bei der Bestimmung des trotz gesundheitlicher Beeinträchtigung
zumutbarerweise erzielbaren Einkommens darf nicht von realitätsfremden
Einsatzmöglichkeiten ausgegangen werden. Insbesondere kann von einer
Arbeitsgelegenheit im Sinne von Art. 18 Abs. 2 UVG dort nicht gesprochen
werden, wo die zumutbare Tätigkeit nur in so eingeschränkter Form möglich
ist, dass sie der allgemeine Arbeitsmarkt praktisch nicht kennt oder dass sie
nur unter nicht realistischem Entgegenkommen eines durchschnittlichen
Arbeitgebers möglich wäre und das Finden einer entsprechenden Stelle deshalb
zum Vornherein als ausgeschlossen erscheint (ZAK 1991 S. 320 Erw. 3b, 1989 S.
321 Erw. 4a). Ferner umfasst der Begriff des ausgeglichenen Arbeitsmarktes
nicht nur ein gewisses Gleichgewicht zwischen dem Angebot und der Nachfrage
nach Stellen, sondern bezeichnet auch einen Arbeitsmarkt, der von seiner
Struktur her einen Fächer verschiedenartiger Stellen offen hält, und zwar
sowohl bezüglich der dafür verlangten beruflichen und intellektuellen
Voraussetzungen wie auch hinsichtlich des körperlichen Einsatzes (BGE 110 V
276 Erw. 4b mit Hinweisen; ZAK 1991 S. 321 Erw. 3b; vgl. BGE 130 V 346 Erw.
3.2). Nach diesen Gesichtspunkten bestimmt sich im Einzelfall, ob eine
invalide Person die Möglichkeit hat, ihre restliche Erwerbsfähigkeit zu
verwerten und ob sie ein rentenausschliessendes Einkommen zu erzielen vermag
oder nicht (BGE 110 V 276 Erw. 4b; AHI 1998 S. 291 Erw. 3b, ZAK 1991 S. 320
Erw. 3b). Weder gestützt auf die Pflicht zur Selbsteingliederung noch im
Rahmen der der versicherten Person auf einem ausgeglichenen Arbeitsmarkt
offen stehenden Möglichkeiten zur Verwertung ihrer Resterwerbsfähigkeit
dürfen von ihr Vorkehren verlangt werden, die unter Berücksichtigung der
gesamten objektiven und subjektiven Gegebenheiten des Einzelfalles nicht
zumutbar sind (vgl. BGE 113 V 28 Erw. 4a mit Hinweisen; Urteile E. vom
16. Dezember 2003 Erw. 3.1, I 537/03, und K. vom 17. März 2005, U 156/04).

3.2.2 Zunächst ist festzustellen, dass der in der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhobene Einwand, die (höchstrichterliche)
Rechtsprechung beachte den im Einzelfall offen stehenden Arbeitsmarkt
ungenügend, fehl geht. In Einklang mit der Bestimmung des Invaliditätsgrades
gemäss Art. 7 und 16 ATSG und Art. 18 Abs. 2 UVG (in der bis Ende 2002 gültig
gewesenen Fassung) ist gerade massgebend, inwiefern sich das der versicherten
Person verbliebene Leistungsvermögen auf dem für ihn in Frage kommenden
ausgeglichenen Arbeitsmarkt wirtschaftlich verwerten lässt. Der ausgeglichene
Arbeitsmarkt ist sodann durch ein gewisses Gleichgewicht zwischen Angebot und
Nachfrage nach Arbeitskräften und zudem dadurch gekennzeichnet, dass er einen
Fächer verschiedenartiger Stellen offen hält, und zwar sowohl bezüglich der
dafür verlangten beruflichen und intellektuellen Voraussetzungen wie auch
hinsichtlich des körperlichen Einsatzes. Letzteres gilt auch im Bereich der
un- und angelernten Arbeitnehmer (BGE 127 V 298 Erw. 4c, 110 V 276 Erw. 4b;
AHI 1998 S. 290 Erw. 3b, ZAK 1991 S. 320 Erw. 3b). Nach diesen
Gesichtspunkten bestimmt sich im Einzelfall, ob die invalide Person die
Möglichkeit hat, ihre restliche Erwerbsfähigkeit zu verwerten und ob sie ein
rentenausschliessendes Einkommen zu erzielen vermag oder nicht (BGE 110 V 276
Erw. 4b; ZAK 1991 S. 320 Erw. 3b; vgl. BGE 130 V 346 Erw. 3.2).
3.2.3 Nach der Rechtsprechnung obliegt es es grundsätzlich der SUVA, konkrete
Arbeitsmöglichkeiten zu bezeichnen, welche aufgrund der ärztlichen Angaben
(zur Rolle der von der Invalidenversicherung übernommenen Berufsberatung vgl.
im vorinstanzlichen Entscheid zitiertes Urteil S. vom 18. Mai 2005 [U 31/05]
Erw. 3.2.2) und unter Berücksichtigung der übrigen Fähigkeiten der
Versicherten in Frage kommen. Wie die Vorinstanz bereits zutreffend erwog,
dürfen dabei jedoch nicht übermässige Anforderungen an die Konkretisierung
von Verweisungstätigkeiten und Verdienstaussichten gestellt werden. Die
Sachverhaltsermittlung hat nur soweit zu gehen, dass im Einzelfall eine
zuverlässige Ermittlung des Invaliditätsgrades gewährleistet ist (in Nr. 3
der Rechtsprechungsbeilage zum SUVA-Jahresbericht 1989 auszugsweise
veröffentlichtes Urteil R. vom 7. April 1989 [U 96/88] mit Hinweis; nicht
publizierte Erw. 4c des Urteils BGE 115 V 416; Peter Omlin, Die Invalidität
in der obligatorischen Unfallversicherung, Diss. Fribourg 1995, S. 208; vgl.
auch SVR 2003 IV Nr. 11 S. 33 Erw. 2.5; Urteil V. vom 23. Juni 2006 [I
332/06] Erw. 4.2). Je restriktiver die medizinischen Vorgaben gefasst sind,
desto präziser ist in der Regel die Verwertbarkeit auf dem allgemeinen
Arbeitsmarkt abzuklären und nachzuweisen.

3.2.4 Wie das kantonale Gericht ebenfalls richtig erkannte, steht der
Beschwerdeführerin auf Grund der ärztlichen Aussagen trotz Einschränkungen
ein weites Betätigungsfeld im in Frage kommenden Arbeitsmarkt offen, das
unter Berücksichtigung der objektiven und subjektiven Gegebenheiten des
Einzelfalles zumutbar erscheint. In Betracht fallen etwa Kontroll- und
Überwachungstätigkeiten in Industrie und Gewerbe, einfache
Maschinenbedienungsfunktionen sowie Hilfsarbeiten, wie Montage-, Sortierungs-
Prüf- und Verpackungstätigkeiten in Produktions- und
Dienstleistungsbetrieben. Dies gilt umso mehr, als in Industrie und Gewerbe
Arbeiten, welche physische Kraft erfordern, in zunehmendem Mass durch
Maschinen verrichtet werden, während den körperlich weniger belastenden
Bedienungs- und Überwachungsfunktionen eine stetig wachsende Bedeutung
zukommt (SVR 1999 IV Nr. 6 S. 15 Erw. 2b/aa; ZAK 1991 S. 318; vgl. auch
Urteil V. vom 27. April 2001, I 259/00, je mit Hinweisen). Bei einer derart
beträchtlichen Restarbeitsfähigkeit auf dem ausgeglichenen Arbeitsmarkt (BGE
110 V 276 Erw. 4b) ist die zumutbare Verwertbarkeit auch ohne ergänzende
Abklärungen in beruflich-erwerblicher Hinsicht zu bejahen (vgl. SVR 2001 IV
Nr. 10 S. 28 Erw. 4a).

4.
Unter diesen Umständen durfte das kantonale Gericht - ausgehend von der
ärztlichen Beurteilung der Restarbeitsfähigkeit des Dr. med. T.________ (vom
3. Februar 2003 und 21. Juni 2004) - ohne nähere Konkretisierung von
Arbeitsstellen für die Festsetzung des Invalideneinkommens auf die
statistischen Lohnverhältnisse im gesamten privaten Sektor (einfache und
repetitive Tätigkeiten, Anforderungsniveau 4) gemäss der vom Bundesamt für
Statistik herausgegebenen Lohnstrukturerhebung (LSE) abstellen (vgl. RKUV
2001 Nr. U 439 S. 347). Der unter Berücksichtigung eines leidensbedingten
Abzugs von 10 % vom Tabellenlohn und mit Blick auf das Valideneinkommen
gestützt auf die Lohnauskunft des früheren Arbeitsgebers vom 25. Januar 1999
ermittelte Invaliditätsgrad von 28 % ist auf Grund der Aktenlage nicht zu
beanstanden, weshalb der vorinstanzliche Entscheid zu bestätigen ist.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Basel-Landschaft,
Abteilung Sozialversicherungsrecht, und dem Bundesamt für Gesundheit
zugestellt.

Luzern, 23. Oktober 2006

Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der III. Kammer: Die Gerichtsschreiberin: