Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 404/2006
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{T 7}
U 404/06

Urteil vom 23. März 2007

I. sozialrechtliche Abteilung

Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichterin Widmer, Bundesrichter Frésard,
Gerichtsschreiberin Hofer.

E. ________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Ivo Künzler,
Rosenbergstrasse 22, 9000 St. Gallen,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004
Luzern, Beschwerdegegnerin.

Unfallversicherung,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts von
Appenzell Ausserrhoden vom 25. Januar 2006.

Sachverhalt:

A.
Der 1978 geborene A.________ arbeitete seit April 1999 in der Firma
P.________ AG und war bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt
(SUVA) gegen Unfall versichert. Am 7. Juni 2002 wurde er von einem
zurückschlagenden Metallprofil am Oberkiefer getroffen, wobei ein Frontzahn
abbrach. Der gleichentags notfallmässig aufgesuchte kantonal approbierte
Zahnarzt B.________, nahm eine provisorische Zahnrekonstruktion vor. Die SUVA
kam für diese Behandlung auf. In der Folge ersuchten A.________ und der
kantonal approbierte Zahnarzt E.________ die SUVA um Kostengutsprache gemäss
Voranschlag vom 16. März 2004 über Fr. 1'542.20 für die Nachbehandlung. Die
SUVA holte die Stellungnahme des Bundesamtes für Gesundheit vom 20. Januar
2004 zur Zulassung von kantonal approbierten Zahnärzten zur selbstständigen
Behandlung in der obligatorischen Unfallversicherung ein. Nach einem
umfangreichen Schriftenwechsel lehnte sie mit Verfügung vom 16. September
2004 die Übernahme der weiteren Behandlungskosten ab, da E.________ nicht
über den notwendigen Befähigungsausweis verfüge. Der Versicherte und
E.________ liessen daraufhin Einsprache erheben mit dem Rechtsbegehren, es
sei aufgrund des Kostenvoranschlags vom 16. März 2004 Kostengutsprache zu
erteilen, und es sei die Berechtigung kantonal approbierter Zahnärzte im
Kanton Appenzell Ausserrhoden auch für die an eine Notfallbehandlung
anschliessende Regelbehandlung über die SUVA abzurechnen, anzuerkennen. Mit
Einspracheentscheid vom 21. Februar 2005 trat die Anstalt auf die Einsprache
des E.________ nicht ein, da die Frage, ob diesem die Bewilligung zu erteilen
sei, zu Lasten der obligatorischen Unfallversicherung Leistungen zu
erbringen, nicht Verfügungsgegenstand bilde; ebenso trat sie auf dessen
Leistungsbegehren nicht ein. Die Einsprache des A.________ wies sie ab,
soweit sie darauf eintrat.

B.
Beschwerdeweise liess E.________ beantragen, es sei festzustellen, dass er
als kantonal approbierter Zahnarzt im Standortkanton Appenzell Ausserrhoden
für die an die Notfallbehandlung anschliessende Regelbehandlung über die SUVA
und andere Unfallversicherer abrechnen dürfe. Das Verwaltungsgericht von
Appenzell Ausserrhoden trat mit Entscheid vom 25. Januar 2006 auf die
Beschwerde nicht ein (Dispositiv-Ziffer 1); zudem wies es das Begehren um
Zusprechung einer Parteientschädigung ab (Dispositiv-Ziffer 3).

C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt E.________ seinen vorinstanzlich
gestellten Antrag erneuern und auf Aufhebung von Dispositiv-Ziffer 1 und 3
des angefochtenen Entscheids schliessen.

Das kantonale Gericht nimmt in abweisendem Sinne Stellung. Während die SUVA
Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt, hat sich das Bundesamt
für Gesundheit nicht vernehmen lassen.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (BGG; SR 173.110)
ist am 1. Januar 2007 in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Da der
angefochtene Entscheid vorher ergangen ist, richtet sich das Verfahren noch
nach OG (Art. 132 Abs. 1 BGG; BGE 132 V 393 E. 1.2 S. 395).

2.
2.1 Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde richtet sich gegen den vorinstanzlichen
Nichteintretensentscheid. Das Bundesgericht hat daher zu prüfen, ob die
Vorinstanz zu Recht auf die bei ihr erhobene Beschwerde nicht eingetreten
ist. Dagegen kann auf den in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gestellten
materiellen Antrag (Feststellungsbegehren) nicht eingetreten werden (BGE
132 V 74 E. 1.1 S. 76mit Hinweis).

2.2 Da der angefochtene Entscheid nicht die Bewilligung oder Verweigerung von
Versicherungsleistungen zum Gegenstand hat, prüft das Bundesgericht nur, ob
das vorinstanzliche Gericht Bundesrecht verletzte, einschliesslich
Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, oder ob der rechtserhebliche
Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung
wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt wurde (Art. 132 in
Verbindung mit Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2 OG).

3.
3.1 Nach Art. 10 Abs. 1 UVG hat die versicherte Person Anspruch auf die
zweckmässige Behandlung der Unfallfolgen, nämlich u.a. auf die ambulante
Behandlung durch den Zahnarzt (lit. a) sowie auf die von ihm verordneten
Arzneimittel und Analysen (lit. b). Gemäss Art. 10 Abs. 2 UVG kann die
versicherte Person den Zahnarzt frei wählen. Medizinalpersonen besitzen das
Handlungsrecht indessen nur, soweit sie nach den Bestimmungen des UVG
geeignet, d.h. zugelassen sind (Maurer, Schweizerisches
Unfallversicherungsrecht, S. 524). Als Zahnärzte in diesem Sinne gelten laut
Art. 53 Abs. 1 UVG Personen, die das eidgenössische Diplom besitzen. Diesen
gleichgestellt sind Personen, denen aufgrund eines wissenschaftlichen
Befähigungsausweises eine kantonale Bewilligung zur Ausübung des
zahnärztlichen Berufes erteilt worden ist.

3.2 Das Gericht prüft im Rahmen eines Leistungsstreits zwischen der
versicherten Person und dem Unfallversicherer vorfrageweise, ob die
Voraussetzungen gemäss Art. 53 Abs. 1 UVG erfüllt sind (vgl. BGE 105 V 300;
RKUV 1987 Nr. U 23 S. 360).

3.3 Den in Art. 53 Abs. 1 UVG erwähnten Leistungserbringern steht nach dem
System des Tiers payant (vgl. dazu BGE 132 V 18 E. 5.2 S. 23) ein direkter
Anspruch auf Honorierung gegen den Versicherer zu (Maurer, a.a.O., S. 523
ff.).
3.4 Streitigkeiten zwischen Versicherern und Medizinalpersonen entscheidet
ein für das ganze Kantonsgebiet zuständiges Schiedsgericht (Art. 57 Abs. 1
UVG). Dabei gelten die für die sachliche Zuständigkeit der Schiedsgerichte im
Krankenversicherungsrecht entwickelten Grundsätze auch für die
Schiedsgerichte der obligatorischen Unfallversicherung (BGE 114 V 319). Die
Kantone bezeichnen das Schiedsgericht und regeln das Verfahren. Der
schiedsgerichtlichen Behandlung eines Streitfalles hat ein
Vermittlungsverfahren vorauszugehen, sofern nicht schon eine vertraglich
eingesetzte Vermittlungsinstanz geamtet hat. Das Schiedsgericht setzt sich
zusammen aus einem neutralen Vorsitzenden und je einer Vertretung der
Parteien in gleicher Zahl (Art. 57 Abs. 3 UVG). Die Schiedsgerichte urteilen
nicht wie kantonale Versicherungsgerichte auf Verfügung hin als
Beschwerdeinstanz, sondern auf Klage hin im Sinne der ursprünglichen
Gerichtsbarkeit (vgl. BGE 114 V 319 E. 4a S. 326). Für den Bereich des
Medizinalrechts und das Tarifwesen (Art. 53 bis 57 UVG) findet das am
1. Januar 2003 in Kraft getretene ATSG keine Anwendung (Art. 1 Abs. 2 lit. a
UVG).

4.
Unter den Verfahrensbeteiligten ist streitig, ob der Beschwerdeführer als
kantonal approbierter Zahnarzt im Standortkanton Appenzell Ausserrhoden auch
für die an die Notfallbehandlung anschliessende Regelbehandlung über die SUVA
oder andere UVG-Versicherer abrechnen darf. Nicht mehr im Streit liegt
dagegen die konkrete Rechnung des Zahnarztes für die Unfallnachbehandlung.
Nachdem der Versicherte die Schweiz verlassen hatte, hat er auf die
Weiterverfolgung seines Leistungsbegehrens gegenüber der SUVA verzichtet. Aus
demselben Grund hat auch der Beschwerdeführer ausdrücklich erklärt, er sehe
von einer Aufrechterhaltung des Leistungsbegehrens für die Nachbehandlung
seines Patienten ab. Vielmehr gehe es ihm darum, für die Zukunft zu wissen,
ob er für Behandlungen im Anschluss an einen Notfall auf Kosten der SUVA
abrechnen könne, weshalb das Rechtsbegehren auf diesen Punkt reduziert worden
sei.

5.
5.1 Das kantonale Gericht hat geprüft, ob der Beschwerdeführer nach dem
ausdrücklichen Verzicht auf die Weiterverfolgung seines Leistungsbegehrens
ein hinreichendes und aktuelles Feststellungsinteresse an der Anfechtung des
Einspracheentscheids habe. Dabei hat es erwogen, als kantonal approbierter
Zahnarzt habe  er sich als Leistungserbringer betätigt und sei in dieser
Eigenschaft im Rahmen des Naturalleistungsprinzips ohne weiteres berechtigt,
im eigenen Namen und ohne Beteiligung des Unfallpatienten ein
Leistungsbegehren für die erbrachte Regelbehandlung zu stellen. Aus diesem
Grunde habe er weder ein schutzwürdiges noch ein aktuelles Interesse an einem
auf abstrakte Feststellung seiner Abrechnungsberechtigung mit dem
Unfallversicherer lautenden Entscheid, zumal er das gestellte
Leistungsbegehren von sich aus nicht weiter verfolgt habe. Weiter hat die
Vorinstanz ausgeführt, selbst wenn ein Feststellungsinteresse gegeben wäre,
hätte sie darauf nicht eintreten können, da Streitigkeiten zwischen
Medizinalpersonen und Unfallversicherer zwingend in die sachliche
Zuständigkeit des Schiedsgerichts nach Art. 57 UVG fielen. Die Einhaltung der
bundesrechtlich bestimmten Zuständigkeitsordnung erweise sich entgegen der
Vorbringen des Beschwerdeführers nicht als unzumutbar.

5.2 Für die Beantwortung der Frage nach dem zuständigen Gericht gilt es die
Parteien zu eruieren, zwischen denen materiellrechtliche Ansprüche strittig
sind und die vom Ausgang des Streites direkt betroffen sind (vgl. BGE 114 V
319; RKUV 1991 Nr. K 874 S. 235). Nachdem der Versicherte sein
Leistungsbegehren nicht weiter verfolgt hat, standen nicht mehr Versicherter
und Versicherer am Recht, sondern Versicherer und Leistungserbringer. Zudem
geht es dem Beschwerdeführer erklärtermassen einzig um einen
Feststellungsentscheid über seine persönliche Stellung gegenüber dem
Unfallversicherer im Sinne von Art. 53 Abs. 1 UVG. Stehen sich somit als
Parteien in erster Linie SUVA und Leistungserbringer im Streit gegenüber,
liegt die sachliche Zuständigkeit - wie von der Vorinstanz zutreffend
festgestellt - nicht beim kantonalen Versicherungsgericht, sondern beim
Schiedsgericht. Mit dem Verzicht des Patienten auf Weiterverfolgung seiner
Interessen hat sich auch die sachliche Zuständigkeitsordnung geändert. Dies
ergibt sich nicht nur aus dem Wortlaut von Art. 57 Abs. 1 UVG, sondern auch
aus der systematischen Stellung von Art. 53 UVG und Art. 57 UVG im Gesetz.
Beide Bestimmungen finden sich unter dem vierten Titel "Medizinalrecht und
Tarifwesen", woraus zu schliessen ist, dass das Schiedsgericht gegebenenfalls
auch über die Zulassung von Zahnärzten befinden kann. Ob dies auch im Rahmen
eines Feststellungsbegehrens oder nur im Zusammenhang mit einem
Leistungsbegehren gegenüber dem Unfallversicherer möglich ist, braucht in
diesem Verfahren nicht geprüft zu werden. Der angefochtene
Nichteintretensentscheid des kantonalen Versicherungsgerichts erweist sich
somit als rechtens.

5.3 Was in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde dagegen vorgebracht wird, vermag
zu keinem anderen Ergebnis zu führen. Insbesondere ist die gerügte
paritätische Zusammensetzung des Schiedsgerichts unbehelflich. Das kantonale
Gericht weist zu Recht darauf hin, dass durchaus auch ein kantonal
approbierter Zahnarzt ins Schiedsgericht berufen werden kann.

6.
Der Beschwerdeführer beantragt schliesslich auch die Aufhebung von Ziffer 3
des angefochtenen Entscheids. Gemeint ist damit offenbar Dispositiv-Ziffer 3,
mit welcher das kantonale Gericht das Begehren um Ausrichtung einer
Parteientschädigung abgewiesen hat. Begründet wird der Anspruch in der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde damit, dass es um eine Frage von allgemeiner
Bedeutung für den Berufsstand der kantonal approbierten Zahnärzte des Kantons
Appenzell gehe. Nach Art. 61 lit. g ATSG hat die obsiegende Beschwerde
führende Person im Verfahren vor dem kantonalen Versicherungsgericht Anspruch
auf Parteientschädigung. Nachdem das kantonale Gericht auf seine Beschwerde
nicht eingetreten ist, kann er nicht als in jenem Verfahren obsiegend
betrachtet werden, weshalb die Vorinstanz sein Gesuch zu Recht abgewiesen
hat.

7.
Da nicht die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen zu
beurteilen war, ist das letztinstanzliche Verfahren kostenpflichtig (Art. 134
OG e contratio; Art. 135 in Verbindung mit Art. 156 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt und
mit dem geleisteten Kostenvorschuss verrechnet.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht von Appenzell
Ausserrhoden und dem Bundesamt für Gesundheit zugestellt.

Luzern, 23. März 2007

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: