Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 3/2006
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Prozess {T 7}
U 3/06

Urteil vom 6. September 2006
III. Kammer

Präsident Ferrari, Bundesrichter Meyer und Lustenberger; Gerichtsschreiberin
Polla

Z.________, 1955, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Hans
Suppiger, Seidenhofstrasse 12, 6003 Luzern,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004
Luzern, Beschwerdegegnerin

Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Luzern

(Entscheid vom 15. November 2005)

Sachverhalt:

A.
Der 1955 geborene, seit 1977 als gelernter Bohrmeister bei der X.________ AG
angestellte Z.________ ist auf Grund seines Arbeitsverhältnisses bei der
Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) obligatorisch gegen die
Folgen von Unfällen versichert. Gemäss Unfallmeldung vom 11. Juli 2003 zog er
sich am 26. August 2002 beim Tragen von Bohrkern-Musterkisten eine
Rückenverletzung zu, wobei der Hausarzt Dr. med. A.________, Facharzt für
Innere Medizin FMH, am 8. August 2003 ein chronisches Lumbovertrebralsyndrom
mit zeitweiser Ausstrahlung in das rechte Bein bei  rechtsseitiger
mediolateraler Diskushernie L5/S1, degenerativer Diskopathie L4/L5 mit
konsekutiver rechts betonter polyradikulärer Irritationslage diagnostizierte.
Mit Verfügung vom 21. April 2004 verneinte der Unfallversicherer seine
Leistungspflicht, da die geklagten Beschwerden degenerativ bedingt und somit
krankhafter Natur seien. Auf Einsprache hin hob die SUVA ihre Verfügung auf.
Nach weiteren medizinischen Abklärungen und gestützt auf eine ärztliche
Beurteilung des anstaltsinternen Chirurgen Dr. med. I.________ vom 18. Juni
2004 gelangte die SUVA verfügungsweise am 23. Juni 2004 zum Schluss, das
Ereignis vom 26. August 2002 sei rechtlich nicht als Unfall zu werten.
Überdies bestehe kein wahrscheinlicher, ursächlicher Zusammenhang zwischen
den Beschwerden und dem gemeldeten Vorfall. Daran hielt sie mit
Einspracheentscheid vom 27. Oktober 2004 fest.

B.
Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons
Luzern mit Entscheid vom 15. November 2005 ab.

C.
Z.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und beantragen, in
Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils sei festzustellen, dass seine
gesundheitlichen Beeinträchtigungen auf das Unfallereignis vom 26. August
2002 zurückzuführen seien, sodass die SUVA die gesetzlichen Leistungen zu
erbringen habe.
Während die SUVA auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliesst,
verzichtet das Bundesamt für Gesundheit auf eine Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Die Vorinstanz gibt die Rechtsgrundlagen bezüglich des Unfallbegriffs
(Art. 4 ATSG), insbesondere die Rechtsprechung zum Merkmal der
Ungewöhnlichkeit im Allgemeinen (BGE 129 V 404 Erw. 2.1, 122 V 233 Erw. 1,
118 V 61 Erw. 2b, 283 Erw. 2a; RKUV 2000 Nr. U 368 S. 99 f. Erw. 2b, 1999
Nr. U 345 S. 421 f. Erw. 2a, Nr. U 333 S. 198 ff. Erw. 3) und zum Erfordernis
der besonders sinnfälligen Verumständungen bei Schädigungen, die sich auf das
Körperinnere beschränken (BGE 99 V 138 Erw. 1; RKUV 1999 Nr. U 345 S. 422
Erw. 2b mit Hinweisen), richtig wieder. Das Gleiche gilt bezüglich der
vorinstanzlichen Erwägungen zur rechtsprechungsgemässen Bejahung eines
ungewöhnlichen äusseren Faktors bei Vorliegen einer unkoordinierten Bewegung
- d.h. einer Störung der körperlichen Bewegung durch etwas "Programmwidriges"
wie Stolpern, Ausgleiten, Anstossen oder ein reflexartiges Abwehren eines
Sturzes etc. (BGE 130 V 118 Erw. 2.1; RKUV 2000 Nr. U 368 S. 100 Erw. 2d,
1999 Nr. U 345 S. 422 Erw. 2b mit Hinweisen und 1999 Nr. U 333 S. 199
Erw. 3c/aa; vgl. Alfred Maurer, Schweizerisches Unfallversicherungsrecht,
2. Aufl., Bern 1989, S. 176 f.) - oder eines mit Blick auf die Konstitution
sowie die berufliche oder ausserberufliche Gewöhnung des Versicherten
ausserordentlichen Kraftaufwands (einer sinnfälligen Überanstrengung) beim
Heben oder Verschieben einer Last (BGE 116 V 139 Erw. 3b mit Hinweisen).
Zutreffend ist auch, dass sich am Unfallbegriff mit Inkrafttreten des
Bundesgesetzes vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil der
Sozialversicherung (ATSG) am 1. Januar 2003 inhaltlich nichts geändert hat,
sodass auch die bisherige Rechtsprechung anwendbar bleibt (RKUV 2004
Nr. U 530 S. 57 [Urteil F. vom 5. Juli 2004, U 123/04]). Darauf wird
verwiesen.

1.2 Nach der Rechtsprechung kann eine Diskushernie als weitgehend
unfallbedingt betrachtet werden, wenn das Unfallereignis von besonderer
Schwere und geeignet war, eine Schädigung der Bandscheibe herbeizuführen.
Vorausgesetzt wird weiter, dass die Symptome der Diskushernie (vertebrales
oder radikuläres Syndrom) unverzüglich und mit sofortiger Arbeitsunfähigkeit
auftreten (RKUV 2000 Nr. U 378 S. 190, Nr. U 379 S. 192; SZIER 2001 S. 346
[U 4/00]; Urteil R. vom 3. Oktober 2005, U 163/05, teilweise publiziert in
AJP 2006 S. 877 ff.). Ein Unfall ist nur in Ausnahmefällen geeignet, eine
Bandscheibenverletzung hervorzurufen, zumal eine gesunde Bandscheibe derart
widerstandsfähig ist, dass unter Gewalteinwirkung eher die Wirbelknochen
brechen, als dass die Bandscheibe verletzt würde. Im medizinischen Versuch
konnte die isolierte Verletzung einer Bandscheibe durch einen Unfall
lediglich bei rein axialer Belastung der Wirbelsäule, nicht aber bei
Rotations-, Hyperextensions- oder Hyperflexionsbewegungen herbeigeführt
werden (Urteil R. vom 3. Oktober 2005, U 163/05, Erw. 3.1, mit Hinweis auf
Günter G. Mollowitz [Herausgeber], Der Unfallmann, Berlin/Heidelberg 1993,
S. 164 ff.).
Bezüglich der Verschlimmerung eines vorbestehenden Gesundheitsschadens gelten
dieselben Kriterien, was dazu führt, dass eine Unfallkausalität nur
ausnahmsweise und insbesondere nur dann in Frage kommt, wenn der Unfall auch
geeignet gewesen wäre, eine gesunde Bandscheibe zu verletzen (Urteil R. vom
3. Oktober 2005, U 163/05, AJP 2006 S. 877).

2.
Streitig und zu prüfen ist, ob die SUVA auf Grund des Ereignisses vom
26. August 2002 eine Leistungspflicht bezüglich der geltend gemachten
Rückenbeschwerden trifft, was zunächst voraussetzt, dass das Geschehen einen
Unfall im Rechtssinne darstellt. Das Vorliegen einer unfallähnliche
Körperschädigung gemäss Art. 9 Abs. 2 UVV fällt dabei ausser Betracht.

2.1 Laut Sachverhaltsschilderung des Beschwerdeführers anlässlich der
Besprechung mit der SUVA am 10. September 2003 hob er zusammen mit einem
Arbeitskollegen eine ca. 160 bis 200 kg schwere, mit Bohrkernen und
Bodenproben gefüllte Musterkiste hoch, um sie auf ein zwei Meter daneben
stehendes Fahrzeug zu heben. Nachdem sie die Kiste einige Zentimeter vom
Boden hoch gehoben hätten, sei der Arbeitskollege nach einem Schritt
rückwärts ausgerutscht. Da es nass gewesen war, sei er möglicherweise auch
mit den Händen entglitten, wobei er die Kiste fallen liess. Der
Beschwerdeführer sei dadurch nach vorne gefallen und habe sofort einen
Schmerz im unteren Rückenbereich verspürt. Die Kiste habe er aber nicht
losgelassen. Er habe sich hinsetzen müssen und hernach kaum noch aufstehen
können (Bericht vom 10. September 2003). Der Arbeitskollege gab gegenüber dem
SUVA-Mitarbeiter am 23. September 2003 hingegen an, der Versicherte habe die
Kiste losgelassen, er selber sei beim Verladen der Kiste weder ausgerutscht
noch sei ihm die Kiste aus den Händen geglitten.

2.2 Die Sachverhaltsschilderungen stimmen einzig insoweit überein, als einer
der beiden Arbeiter beim Verladen der Bohrkiste offenbar die Kiste losliess,
der Beschwerdeführer sofort über Rückenschmerzen klagte und sich hinsetzen
musste. Beweismässig nicht erstellt ist, dass er dabei eine unkoordinierte
Bewegung in dem Sinne machte, dass sein Bewegungsablauf durch etwas
Programmwidriges oder Sinnfälliges, wie ein Ausgleiten, ein Stolpern oder ein
reflexartiges Abwehren eines Sturzes etc., gestört wurde, was zur Bejahung
des für das Vorliegen eines Unfalles im Rechtssinne erforderlichen Merkmals
eines ungewöhnlichen äussern Faktors führen würde. Insbesondere ist nicht
rechtsgenüglich nachgewiesen, dass der Arbeitskollege beim Hochheben der
Kiste - gemäss Angabe des Geologen der X.________ AG, vom 11. September 2003,
ist bei einer gut gefüllten Kiste ein Gewicht bis zu 150 kg denkbar -
ausgerutscht oder sie ihm entglitten ist, was er anlässlich der Besprechung
mit der SUVA am 23. September 2003 ausdrücklich verneinte. Zu berücksichtigen
ist auch der Umstand, dass der Versicherte zwar am Tag des Ereignisses seinen
Hausarzt wegen Rückenschmerzen aufsuchte und eine Spritze erhielt, diesem
aber, gestützt auf dessen glaubwürdige Aussagen in seinem Schreiben vom
8. August 2003, am 29. Juli 2003 erstmals berichtete, dass die
Rückenbeschwerden von einem rund eineinhalb Jahre zurück liegenden
Unfallereignis herrühren würden. Wie den Akten weiter zu entnehmen ist, ging
auch die Arbeitgeberin vorerst von einer krankheitsbedingten
Gesundheitsbeeinträchtigung aus, wobei sie beim zuständigen
Krankenversicherer mit Krankmeldung vom 7. Februar 2003 für eine ab
21. Dezember 2002 bestehende Arbeitsunfähigkeit Taggeldleistungen beantragte.
Letztlich kann aber die Frage nach dem genauen Hergang des Vorkommnisses vom
26. August 2002 offen bleiben.

2.3 Selbst wenn dieses Ereignis den Unfallbegriff erfüllen würde, ist mit der
Vorinstanz ein Kausalzusammenhang zwischen dem Geschehen und den bestehenden
Rückenbeschwerden zu verneinen. Auf Grund der medizinischen Aktenlage -
insbesondere der Berichte des Dr. med. A.________, vom 8. August 2003 und
8. Juni 2004, ist davon auszugehen, dass beim Beschwerdeführer bereits vor
dem geschilderten Ereignis Rückenbeschwerden bei degenerativen
Diskopathien L4/5 und L5/S1 (vgl. Bericht des Dr. med. S.________,
Gesellschaft Anästhesiologie, Klinik Y.________ vom 30. April 2004) vorlagen.
Gemäss Bericht des Dr. med. A.________ vom 8. Juni 2004 behandelte er diesen
bereits seit dem 15. Januar 2001 wegen Rückenschmerzen und bei einer weiteren
Konsultation am 23. März 2002 gab der Versicherte an, seit etwa einem halben
Jahr an Rückenschmerzen zu leiden. Danach folgten diverse Konsultationen und
ambulante Behandlungen bei primärer Diagnose eines Lumbovertebralsyndroms.
Auch wenn das zu beurteilende Ereignis das demnach vorbestehende Rückenleiden
allenfalls verschlimmert hat, war der nicht als besonders schwer
einzustufende Vorfall hingegen nicht geeignet, eine gesunde Bandscheibe zu
schädigen. Das gilt umso mehr, als die Wirbelsäule nach Lage der Akten nicht
einer rein axialen Belastung ausgesetzt war. Damit fehlt es - wie bereits
erwähnt - an der erforderlichen Kausalität zwischen dem Ereignis vom
26. August 2002 und dem vorliegenden Rückenleiden, weshalb die
Beschwerdegegnerin ihre Leistungspflicht zu Recht verneint hat.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für Gesundheit
zugestellt.
Luzern, 6. September 2006

Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der III. Kammer: Die Gerichtsschreiberin: