Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 392/2006
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U 392/06

Urteil vom 8. Mai 2007

I. sozialrechtliche Abteilung

Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichter U. Meyer, Bundesrichterin Leuzinger,
Gerichtsschreiber Scartazzini.

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004
Luzern, Beschwerdeführerin,

gegen

Erben des G.________, 1935,
gestorben am 4. Januar 2005,
1. A.________,
2. B.________,
3. C.________,
Beschwerdegegner,
alle vertreten durch Rechtsanwalt Massimo Aliotta, Obergasse 20, 8400
Winterthur.

Unfallversicherung,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des
Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich
vom 8. Juni 2006.

Sachverhalt:

A.
Der 1935 geborene G.________ war von 1963 bis zu seiner Pensionierung im
Jahre 2000 als Maschinenschlosser bei der Firma X.________ tätig gewesen und
somit bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) obligatorisch
gegen die Folgen von Unfällen sowie Berufskrankheiten versichert. In der Zeit
von 1963 bis 1978 kam er bei seiner Arbeit mit Asbest in Kontakt. Am
21. Oktober 2002 suchte der Versicherte seinen Hausarzt auf und die in der
Folge durchgeführten medizinischen Untersuchungen ergaben im November 2002
die Diagnose eines malignen Pleuramesothelioms rechts. Nachdem am 6. Mai 2004
mit der palliativen Behandlung der Berufskrankheit begonnen wurde, verneinte
die SUVA mit Verfügung vom 21. Juni 2004 einen Anspruch auf
Integritätsentschädigung. Die dagegen erhobene Einsprache wies sie mit
Entscheid vom 28. September 2004 ab.

B.
Dagegen erhob G.________ beim Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich
Beschwerde. Er verstarb an den Folgen seines Leidens am 4. Januar 2005. Mit
Entscheid vom 8. Juni 2006 hiess das kantonale Gericht die Beschwerde in dem
Sinne gut, dass es in Aufhebung des Einspracheentscheides den Anspruch auf
eine Integritätsentschädigung bejahte und die Sache dem Unfallversicherer
zurückwies, damit dieser über den Leistungsanspruch in masslicher Hinsicht
verfüge.

C.
Die SUVA führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde und beantragt, in Aufhebung des
kantonalen Entscheides sei der Einspracheentscheid vom 28. September 2004 zu
bestätigen.
Die Erben des G.________ lassen auf Abweisung der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliessen, während das Bundesamt für
Gesundheit auf eine Vernehmlassung verzichtet.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (BGG; SR 173.110)
ist am 1. Januar 2007 in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Da der
angefochtene Entscheid vorher ergangen ist, richtet sich das Verfahren noch
nach OG (Art. 132 Abs. 1 BGG; BGE 132 V 393 E. 1.2 S. 395).

2.
Das kantonale Gericht hat die gesetzlichen Bestimmungen über die gemäss
Art. 9 Abs. 1 UVG in Verbindung mit Art. 14 UVV anerkannten
Berufskrankheiten, über Begriff und Zweck der Integritätsentschädigung
(Art. 24 UVG und Art. 36 Abs. 1 UVV) sowie die Rechtsprechung zur
Dauerhaftigkeit eines Integritätsschadens bei Berufskrankheiten mit
erheblicher Beeinträchtigung der Lebenserwartung zutreffend dargelegt. Darauf
wird verwiesen.
In einem in RKUV 2006 Nr. U 575 S. 102 veröffentlichten Urteil M. vom
24. Oktober 2005 (U 257/04) hatte das Eidgenössische Versicherungsgericht
befunden, da zwischen dem Zeitpunkt, in dem die Behandlung keine Verbesserung
des Zustandes mehr versprochen hatte, und demjenigen des Todes zwölf Monate
gelegen hatten, habe die Berufskrankheit mit erheblicher Beeinträchtigung der
Lebenserwartung des Versicherten im konkreten Fall einen dauernden
Integritätsschaden bewirkt. In einem zur Publikation in der Amtlichen
Sammlung bestimmten Urteil M. vom 12. Januar 2007 (U 401/06) hat das
Bundesgericht nunmehr entschieden, dass eine Berufskrankheit mit erheblicher
Beeinträchtigung der Lebenserwartung des Versicherten dann keinen dauernden
Integritätsschaden bewirkt, wenn zwischen dem Zeitpunkt, in dem die
Behandlung keine Verbesserung des Zustandes mehr versprach, und demjenigen
des Todes weniger als zwölf Monate lagen (E. 5.4). Damit hat es im Sinne
einer regelbildenden Gerichtspraxis festgelegt, dass hinsichtlich der
Dauerhaftigkeit eines Integritätsschadens eine einjährige Phase palliativer
Behandlung als Minimaldauer zu betrachten ist.

3.
3.1 Es ist unbestrittenermassen erstellt, dass der am 4. Januar 2005
verstorbene Versicherte an einer im November 2002 diagnostizierten
Berufskrankheit in Form eines Pleuramesothelioms gelitten hat. Fest steht
ebenfalls, dass mit der palliativen Behandlung am 6. Mai 2004 begonnen wurde
und diese somit bis zu seinem Tod am 4. Januar 2005 rund acht Monate gedauert
hat. Die für die Zusprechung einer Integritätsentschädigung erforderliche
Voraussetzung einer einjährigen Dauerhaftigkeit eines therapeutisch nicht
mehr zu beeinflussenden, insofern stationären und zu palliativen Massnahmen
Anlass gebenden Gesundheitszustand wurde demzufolge nicht erfüllt.

3.2 Wie die SUVA in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde zutreffend dargelegt
hat und dies auch mit der nunmehr geltenden Praxis übereinstimmt, konnte aus
der Gegenüberstellung der früheren Rechtsprechung des Eidgenössischen
Versicherungsgerichts (RKUV 2004 Nr. U 508 S. 265 und RKUV 2006 Nr. U 575
S. 102) nicht abgeleitet werden, eine Lebenserwartung nach Krankheitsausbruch
von acht Monaten liege näher bei der Zeitdauer von zwölf Monaten als von drei
Monaten und erfülle somit gestützt auf eine arithmetische Begründung die
Voraussetzung der Dauerhaftigkeit für den Anspruch auf die
Integritätsentschädigung. Da über den Zeitpunkt der Einstellung der
medizinischen Behandlung hinaus und bis zum Tod des Versicherten eine Phase
der palliativen Behandlung von weniger als zwölf Monaten verlief, hat die
SUVA den Anspruch auf eine Integritätsentschädigung zu Recht verneint. Daran
ist, entgegen den Vorbringen in der Vernehmlassung vom 28. September 2006,
aus Gründen der Rechtsgleichheit festzuhalten, weil die
Integritätsentschädigung auch bei Unfällen und Berufskrankheiten, die nicht
(kurzzeitig) zum Tode führen, stabile oder zumindest stationäre Verhältnisse
voraussetzt.

4.
Die Erben des Verstorbenen berufen sich in ihrer Vernehmlassung sinngemäss
auf die seit 1. Juli 2005 geltende Verwaltungspraxis der SUVA, wonach in
Fällen wie im vorliegenden an den Ausbruch der berufsbedingten Krankheit, und
nicht an den Beginn der palliativen Behandlung anzuknüpfen ist. Diese Praxis
kommt aufgrund der von der SUVA übergangsrechtlich festgelegten Regelung und
auch inhaltlich (vgl. erwähntes Urteil M. vom 12. Januar 2007 [U 401/06]
E. 6) nicht zur Anwendung.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird der Entscheid des
Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 8. Juni 2006 aufgehoben.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit zugestellt.
Luzern, 8. Mai 2007

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

i.V.