Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 391/2006
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{T 7}
U 391/06

Urteil vom 8. Februar 2007

I. sozialrechtliche Abteilung

Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichterin Widmer, Bundesrichter Frésard,
Gerichtsschreiber Wey.

Zürich Versicherungs-Gesellschaft, Rechtsdienst, Generaldirektion Schweiz,
8085 Zürich, Beschwerdeführerin,

gegen

M.________, 1967, Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Marcel Köppel, Grossfeldstrasse 45, 7320
Sargans.

Unfallversicherung,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts
des Kantons St. Gallen
vom 14. Juni 2006.

Sachverhalt:

A.
Die 1967 geborene M.________ arbeitete seit Oktober 1997 als
Bäckerin-Konditorin in der Konditorei X.________ und war bei der Zürich
Versicherungs-Gesellschaft (nachfolgend Zürich) obligatorisch gegen
Unfallfolgen versichert. Als sie am 27. Juni 1998 mit ihrem Personenwagen auf
einer schmalen Nebenstrasse eine unübersichtliche Kurve befuhr, kam ihr ein
anderes Fahrzeug entgegen, mit dem sie kollidierte. Dabei erlitt sie ein
Schleudertrauma der Halswirbelsäule mit Brachialgie links sowie ein akutes
thorako-lumbovertebrales Schmerzsyndrom bei Wirbelkörperfraktur L1 (Bericht
des Allgemeinpraktikers Dr. H.________ vom 28. August 1998). Die Zürich
richtete Taggelder aus und übernahm die Heilbehandlung. Als Folge des Unfalls
wurde die Versicherte später im Hinblick auf eine kaufmännische Tätigkeit
umgeschult (Verfügung der IV-Stelle des Kantons St. Gallen vom 12. April
2001). Mit Verfügung vom 2. Juni 2004, bestätigt mit Einspracheentscheid vom
5. April 2005, stellte die Zürich ihre Leistungen ein und sprach der
Versicherten eine Integritätsentschädigung in der Höhe von Fr. 43'740.- zu.
Ein Rentenanspruch wurde verneint.

B.
Das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen hiess die gegen den
Einspracheentscheid erhobene Beschwerde insoweit gut, als die Versicherte "ab
Einstellung der Taggeldleistungen Anspruch auf eine Invalidenrente [...] von
23 %" habe.

C.
Die Zürich führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, es sei der
vorinstanzliche Entscheid aufzuheben.
Während M.________ auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliesst,
verzichtet das Bundesamt für Gesundheit auf eine Vernehmlassung.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (BGG; SR 173.110)
ist am 1. Januar 2007 in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Da der
angefochtene Entscheid vorher ergangen ist, richtet sich das Verfahren noch
nach OG (Art. 132 Abs. 1 BGG; BGE 132 V 395 E. 1.2).

2.
Das kantonale Gericht hat im angefochtenen Entscheid die hier massgebenden
gesetzlichen Bestimmungen und von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze,
insbesondere diejenigen über den für die Leistungspflicht des
Unfallversicherers erforderlichen natürlichen und adäquaten
Kausalzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem eingetretenen Schaden
(BGE 123 V 99 E. 2a; RKUV 2002 Nr. U 465, S. 437 [= Urteil W. vom 18. Juni
2002, U 164/01]) sowie denjenigen über die Bemessung des Invaliditätsgrades
nach der allgemeinen Methode des Einkommensvergleichs (Art. 18 Abs. 2 UVG [in
der bis Ende 2002 gültig gewesenen Fassung]; Art. 16 ATSG; BGE 130 V 348
E. 3.4, 128 V 30 E. 1, 104 V 136 E. 2a und b) richtig wiedergegeben. Darauf
wird verwiesen.

3.
Die Vorinstanz hat einen Kausalzusammenhang zwischen den psychischen
Beschwerden der Versicherten ("reaktive depressive Störung mit
Angstbereitschaft und erhöhter Vulnerabilität"; vgl. interdisziplinäres
Gutachten der Ärzte der Klinik Y.________ vom 15. April 2004, S. 25) und dem
Unfallereignis vom 27. Juni 1998 richtigerweise verneint. Ebenfalls korrekt
ist die vorinstanzliche Feststellung, die Beschwerdegegnerin sei in einer
leidensangepassten Tätigkeit (leichte bis mittelschwere Arbeit mit maximalen
Gewichtsbelastungen bis 15 kg, vorgeneigte statische Belastungen im Stehen
und Sitzen nur manchmal, d.h. maximal 33 % eines normalen Arbeitstags) zu
100 % arbeitsfähig. Die gegenteiligen Vorbringen der Versicherten blieben
denn auch ohne Begründung.

4.
Näher zu prüfen sind nachfolgend die für den Rentenanspruch massgebenden
Vergleichseinkommen.

4.1 Gemäss Angaben des ehemaligen Arbeitgebers vom 4. April 2005 hätte die
Versicherte im Jahr 2004 ohne gesundheitliche Einschränkungen einen Verdienst
(so genanntes Valideneinkommen) von Fr. 55'900.- (Fr. 4300.- x 13) zu
erwirtschaften vermocht. Da, wie bereits die Vorinstanz zu Recht ausgeführt
hat, keine konkreten Anhaltspunkte für einen über den Angaben des
Arbeitgebers liegenden Lohnanstieg bestehen, ist die vorinstanzliche
Bemessung des Valideneinkommens rechtens.

4.2 Für die Ermittlung des Invalideneinkommens ist bei Fehlen eines
tatsächlich erzielten Erwerbseinkommens rechtsprechungsgemäss grundsätzlich
nicht auf die unverbindlichen Empfehlungen des Schweizerischen Kaufmännischen
Verbandes (SKV; heute: Kaufmännischer Verband [KV]) abzustellen, sondern auf
die auf tatsächlich erzielten Gehältern beruhenden Tabellenlöhne gemäss der
schweizerischen Lohnstrukturerhebung (LSE; Urteil S. vom 23. November 2006,
I 708/06, E. 4.6 mit Hinweisen). Die Salärempfehlungen des SKV/KV hat das
Bundesgericht lediglich in Ausnahmefällen beigezogen, namentlich wenn diese
(ausnahmsweise; vgl. etwa Urteil W. vom 2. Juni 2006, I 419/05, E. 4.2)
bereits Grundlage für die Ermittlung des Invalideneinkommens bildeten (vgl.
etwa Urteile M. vom 21. März 2003, I 7/03, E. 3, und M. vom 26. Januar 2005,
I 543/04, E. 3.3.3).
Gemäss Tabelle TA7 der LSE 2004 verdienten Frauen im Bereich "andere
kaufmännisch-administrative Tätigkeiten" im Anforderungsniveau 4 (einfache
und repetitive Tätigkeiten) durchschnittlich Fr. 4797.- pro Monat, was
aufgerechnet auf die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit von
41,6 Stunden (Die Volkswirtschaft 12/2006, S. 82, Tabelle B9.2, Total) ein
Jahresgehalt von Fr. 59'867.- ergibt. Die Zürich ging im Einspracheentscheid
vom 5. April 2005 von einem Abzug vom Tabellenlohn (vgl. BGE 126 V 79 f.
E. 5b/aa-cc) von 10 % aus. Diese Betrachtungsweise ist nicht zu beanstanden.
Dabei ist namentlich in Betracht zu ziehen, dass die Versicherte nach
erfolgter Umschulung in ihrer neuen Tätigkeit nicht eingeschränkt ist und
sich damit ein Abzug einzig rechtfertigt, weil sie voraussichtlich (ohne
entsprechende Erfahrungen) im ersten Dienstjahr beginnen und dadurch eine
Lohneinbusse hinnehmen muss. Nach Berücksichtigung des 10%igen Abzugs
resultiert ein Jahreseinkommen von Fr. 53'880.-.
4.3 Die Gegenüberstellung der beiden Vergleichseinkommen (Valideneinkommen:
Fr. 55'900.-; Invalideneinkommen: Fr. 53'880.-) führt zu einem
rentenausschliessenden Invaliditätsgrad von 3,6 %.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird der Entscheid des
Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 14. Juni 2006 aufgehoben.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons
St. Gallen und dem Bundesamt für Gesundheit zugestellt.
Luzern, 8. Februar 2007

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: