Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 362/2006
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U 362/06

Urteil vom 4. Juli 2007

I. sozialrechtliche Abteilung

Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichterin Widmer, Bundesrichter Frésard,
Gerichtsschreiberin Schüpfer.

Vaudoise Allgemeine Versicherungsgesellschaft, Place de Milan, 1001 Lausanne,
Beschwerdeführerin,

gegen

CSS Kranken-Versicherung AG, Tribschenstrasse 21, 6005 Luzern,
Beschwerdegegnerin,

betreffend S.________, 1964.

Unfallversicherung,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des
Kantons Schwyz vom 12. Juli 2006.

Sachverhalt:

A.
Der 1964 geborene S.________ ist als Sekundarlehrer tätig und damit bei der
Vaudoise Allgemeine Versicherungs-Gesellschaft (nachfolgend: Vaudoise)
obligatorisch gegen Unfälle versichert. Mit Verfügung vom 14. Februar 2006,
bestätigt durch Einspracheentscheid vom 23. Mai 2006, lehnte diese ihre
Leistungspflicht hinsichtlich der mit "Bagatellunfall-Meldung UVG" vom 12.
Dezember 2005 geltend gemachten Bänderverletzung am rechten Fuss ab, welche
der Versicherte während des Fussballspielens am 18. November 2005 erlitten
hatte. Sie begründete ihren Standpunkt damit, es liege weder ein Unfall noch
eine unfallähnliche Körperschädigung vor.

B.
In Gutheissung der von der CSS-Kranken-Versicherung AG (im Folgenden: CSS)
dagegen eingereichten Beschwerde bejahte das Verwaltungsgericht des Kantons
Schwyz eine unfallähnliche Körperschädigung und wies die Vaudoise an, die
gesetzlichen Leistungen für die am 18. November 2005 erlittene Verletzung zu
erbringen (Entscheid vom 12. Juli 2006).

C.
Die Vaudoise führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Rechts-begehren, der
kantonale Gerichtsentscheid sei aufzuheben.

S. ________ und die CSS schliessen auf Abweisung der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Die Vorinstanz äussert sich in gleicher Weise,
während sich das Bundesamt für Gesundheit einer Stellungnahme enthält.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (BGG; SR 173.110)
ist am 1. Januar 2007 in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Da der
angefochtene Entscheid vorher ergangen ist, richtet sich das Verfahren noch
nach OG (Art. 132 Abs. 1 BGG; BGE 132 V 393 E. 1.2 S. 395).

2.
Der Streit dreht sich um die Frage, ob die Beschwerdeführerin für die Folgen
des Ereignisses vom 18. November 2005 unter dem Rechtstitel einer
unfallähnlichen Körperschädigung leistungspflichtig ist. Das kantonale
Gericht hat die hiefür einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen über den
Begriff der Körperschädigungen, die auch ohne ungewöhnliche äussere
Einwirkung Unfällen gleichgestellt sind (Art. 6 Abs. 2 UVG in Verbindung mit
Art. 9 Abs. 2 UVV [in der seit 1. Januar 1998 gültigen Fassung]), ebenso
dargelegt wie die in BGE 129 V 466 mit Hinweisen bestätigte und präzisierte
Rechtsprechung, wonach am Erfordernis des äusseren Faktors gemäss BGE 123 V
43 und RKUV 2001 Nr. U 435 S. 332 festzuhalten ist. Darauf wird verwiesen.

3.
Nach dieser Rechtsprechung ist tatbestandsmässig ein ausserhalb des Körpers
liegender, objektiv feststellbarer, sinnfälliger, eben unfallähnlicher
Vorfall erforderlich. Wo ein solches Ereignis mit Einwirkung auf den Körper
nicht stattgefunden hat, und sei es auch nur als Auslöser eines in Art. 9
Abs. 2 lit. a-h UVV aufgezählten Gesundheitsschadens, ist eine eindeutig
krankheits- oder degenerativ bedingte Gesundheitsschädigung gegeben. Kein
unfallähnliches Ereignis liegt in all jenen Fällen vor, in denen der äussere
Faktor mit dem (erstmaligen) Auftreten der für eine der in Art. 9 Abs. 2 lit.
a-h UVV enthaltenen Gesundheitsschäden typischen Schmerzen gleichgesetzt
wird. Auch nicht erfüllt ist das Erfordernis des äusseren schädigenden
Faktors, wenn das (erstmalige) Auftreten von Schmerzen mit einer blossen
Lebensverrichtung einhergeht, welche die versicherte Person zu beschreiben in
der Lage ist; denn für die Bejahung eines äusseren, auf den menschlichen
Körper schädigend einwirkenden Faktors ist stets ein Geschehen verlangt, dem
ein gewisses gesteigertes Gefährdungspotenzial innewohnt. Das ist zu bejahen,
wenn die zum einschiessenden Schmerz führende Tätigkeit im Rahmen einer
allgemein gesteigerten Gefahrenlage vorgenommen wird, wie dies etwa für viele
sportliche Betätigungen zutreffen kann. Wer hingegen beim Aufstehen,
Absitzen, Abliegen, der Bewegung im Raum, Handreichungen usw. einen
einschiessenden Schmerz erleidet, welcher sich als Symptom einer Schädigung
nach Art. 9 Abs. 2 UVV herausstellt, kann sich nicht auf das Vorliegen einer
unfallähnlichen Körperschädigung berufen. Erfüllt ist demgegenüber das
Erfordernis des äusseren schädigenden Faktors bei Änderungen der Körperlage,
die nach unfallmedizinischer Erfahrung häufig zu körpereigenen Traumen führen
können, wie das plötzliche Aufstehen aus der Hocke, die heftige und/oder
belastende Bewegung und die durch äussere Einflüsse unkontrollierbare
Änderung der Körperlage (BGE 129 V 467 ff. Erw. 2.2 und 4.2). Erforderlich
und hinreichend für die Bejahung eines äusseren Faktors ist, dass diesem ein
gesteigertes Schädigungspotenzial zukommt, sei es zufolge einer allgemein
gesteigerten Gefahrenlage, sei es durch Hinzutreten eines zur
Unkontrollierbarkeit der Vornahme der alltäglichen Lebensverrichtung
führenden Faktors (BGE 129 V 471 Erw. 4.3). Der Auslösungsfaktor kann dabei
alltäglich und diskret sein. Es muss sich indessen um ein plötzliches
Ereignis handeln, wie eine heftige Bewegung oder das plötzliche Aufstehen aus
der Hocke. Dabei kommt es beim Begriffsmerkmal der Plötzlichkeit im Rahmen
der unfallähnlichen Körperschädigungen nicht in erster Linie auf die Dauer
der schädigenden Einwirkung an als vielmehr auf deren Einmaligkeit. Keine
unfallähnliche Körperschädigung liegt demgemäss vor, wenn eine Verletzung im
Sinne von Art. 9 Abs. 2 lit. a-h UVV ausschliesslich auf wiederholte, im
täglichen Leben laufend auftretende Mikrotraumata zurückzuführen ist, welche
eine allmähliche Abnützung bewirken und schliesslich zu einem
behandlungsbedürftigen Gesundheitsschaden führen (Urteile S. vom 21. November
2006, U 398/06, Erw. 3 und A. vom 27. Oktober 2005, U 223/05, Erw. 4.2 mit
Hinweisen auf BGE 116 V 148 Erw. 2c und Alfred Bühler, Die unfallähnliche
Körperschädigung, in: SZS 1996 S. 88).

4.
4.1 In der Bagatell-Unfallmeldung vom 13. Dezember 2005 wird das Ereignis vom
18. November 2005 als "Sportverletzung beim Fussballspiel. Verletzung der
Fussbänder im Spiel. Keine Einwirkung des Gegners" beschrieben. Im Fragebogen
über das Geschehen vom 25. Dezember 2005 legt der Versicherte den Vorfall wie
folgt dar: "Ich war im Lauf mit dem Ball am Fuss. Dabei muss ich wohl etwas
unglücklich abgestanden sein. Jedenfalls hat es in meinem rechten Fuss
Symptome gegeben, wie wenn etwas zerborsten wäre." Der behandelnde Arzt, Dr.
med. O.________, Facharzt für orthopädische Chirurgie FMH beschreibt den
Vorfall auf Grund seiner Befunde als "Verdrehen des rechten Fusses".
Schliesslich lässt sich der Versicherte im vorinstanzlichen Verfahren
vernehmen und legt dar, dass er während des Spiels den Ball zugespielt
erhielt und mit dem Ball am Fuss einen Spurt auf das Tor ansetzte. Dabei habe
er beim Tritt auf den rechten Fuss einen "Knall" verspürt und gleich gedacht,
es sei etwas gerissen. Er sei sofort "zu Boden" gegangen und habe das
Spielfeld kriechend verlassen.
Einig sind sich die Parteien darin, dass der Versicherte keine unkoordinierte
Bewegung in dem Sinne machte, dass sein Bewegungsablauf durch etwas
Programmwidriges oder Sinnfälliges, wie ein Ausgleiten, ein Stolpern oder ein
reflexartiges Abwehren eines Sturzes etc., gestört wurde, was zur Bejahung
des für das Vorliegen eines Unfalles im Rechtssinne erforderlichen Merkmals
eines ungewöhnlichen äusseren Faktors führen würde.

4.2
4.2.1 Die Beschwerdeführerin erachtet die dargelegten Schilderungen des
Geschehens als widersprüchlich und beruft sich auf die Beweismaxime der
"Aussagen der ersten Stunde", wonach bei einem nachträglichen Wechsel einer
Sachverhaltsdarstellung derjenigen, welche kurz nach dem Unfall gemacht
worden sei, ein grösseres Gewicht zukomme als jener, welche erst nach
Kenntnis einer Ablehnungsverfügung des Versicherers erfolgte. Es sei bei der
Würdigung demnach nur von einem "Lauf mit dem Ball auf das Tor" und nicht von
einem "Spurt auf das Tor" auszugehen. Der Beweis eines äussern schädigenden
Faktors auf den Körper sei demnach nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit
erbracht.

4.2.2 Entgegen der beschwerdeführerischen Argumentation ist in der
Sachverhaltsdarstellung des Versicherten kein Widerspruch zu erkennen. Beim
"Lauf" beziehungsweise "Spurt" eines ballbesitzenden Spielers auf das Tor
handelt es sich um sprachliche Nuancen, nicht aber um eine Schilderung, die
verschiedene rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen könnte. Vorliegend hat
sich der Versicherte selbst am Rechtsstreit zwischen der Kranken- und der
Unfallversicherung nicht beteiligt, sodass versicherungsrechtliche
Überlegungen bei seinen Schilderungen keine Rolle spielen. Indessen überzeugt
seine Darstellung, dass ein Fussballer, der angespielt wird, sich möglichst
rasch dem gegnerischen Tor nähert und dabei versucht den Ball zu
kontrollieren. Bei der Ballannahme wird er in der Regel (auf einem Bein)
stehen und sich danach möglichst schnell in Bewegung setzen, wobei die
Konzentration sich einerseits auf den Ball, anderseits aber auch auf die
eigenen und gegnerischen Mitspieler richtet. Die beschriebene sportliche
Aktivität beinhaltet somit eine Vielzahl nicht alltäglicher Bewegungen wie
Ausbalancieren des Gleichgewichts, Ballkontrolle mit einem Fuss, Rennen etc.,
denen ein gewisses Gefahrenpotenzial innewohnt. Das durch die Judikatur näher
umschriebene Erfordernis des äusseren schädigenden Faktors bei Änderung der
Körperlage (Erw. 3 hievor) ist somit erfüllt und insgesamt auf ein
unfallähnliches Ereignis zu erkennen. Dafür genügt es bereits, wenn sich
jemand beim Versuch, vom Stand in die Laufbewegung überzugehen, verletzt
(vgl. Urteil S. vom 21. November 2006 Erw. 3.2.1, U 398/06).

4.2.3 Was die Beschwerdeführerin dagegen vorbringt ist nicht behelflich.
Insbesondere ist es im Anwendungsbereich von Art. Art. 6 Abs. 2 UVG in
Verbindung mit Art. 9 Abs. 2 UVV nicht erforderlich, dass der Betroffene
einen eigentlichen Fehltritt mit einem Abknicken des Fusses/Knöchels macht,
da dann bereits von einem Unfall im Rechtssinne (Art. 4 ATSG) auszugehen ist.

5.
Streitigkeiten zwischen Versicherungsträgern über Leistungen aus Unfallfolgen
für einen gemeinsamen Versicherten sind kostenpflichtig (BGE 126 V 192 Erw. 6
mit Hinweisen). Die unterliegende Vaudoise hat demnach die Gerichtskosten zu
tragen (Art. 156 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 135 OG). Da die CSS eine mit
öffentlich-rechtlichen Aufgaben betraute Organisation ist, steht ihr trotz
Obsiegens keine Parteientschädigung zu (BGE 128 V 133 Erw. 5b; in BGE 129 V
466 nicht publizierte Erw. 6).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 3000.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt und
mit dem geleisteten Kostenvorschuss von Fr. 3000.- verrechnet.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherten, dem Verwaltungsgericht des
Kantons Schwyz und dem Bundesamt für Gesundheit zugestellt.

Luzern, 4. Juli 2007

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: