Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 334/2006
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Prozess {T 7}
U 334/06

Urteil vom 6. Dezember 2006
III. Kammer

Präsident Ferrari, Bundesrichter Lustenberger und Seiler; Gerichtsschreiber
Lanz

M.________, 1961, Beschwerdeführerin, vertreten durch Advokat Dr. Heiner
Schärrer, Aeschenvorstadt 67, 4051 Basel,

gegen

Allianz Suisse Versicherungs-Gesellschaft, Hohlstrasse 552, 8048 Zürich,
Beschwerdegegnerin

Kantonsgericht Basel-Landschaft, Liestal

(Entscheid vom 1. März 2006)

Sachverhalt:

A.
Die 1961 geborene M.________ arbeitete nebst weiteren Tätigkeiten
teilzeitlich als Hauswartin bei der Firma A.________ AG und war dadurch bei
der Allianz Suisse Versicherungs-Gesellschaft (nachfolgend: Allianz)
obligatorisch gegen Unfallfolgen versichert. Am 13. Februar 2003 erlitt sie
einen Verkehrsunfall, indem ein entgegenkommendes Auto in einer Kurve aus der
eigenen Fahrbahn getragen wurde und seitlich frontal auf den von ihr
gelenkten, in diesem Zeitpunkt stillstehenden Fiat Punto prallte. Die wegen
Kopf- und Nackenschmerzen anderntags aufgesuchte Hausärztin schloss auf eine
beim Unfall erlittene Distorsion der Halswirbelsäule (HWS). Sie bestätigte
eine Arbeitsunfähigkeit zunächst vom 17. bis 28. Februar 2003 und erneut ab
30. Juni 2003. Die Allianz erbrachte die gesetzlichen Leistungen
(Heilbehandlung; Taggeld). Nach medizinischen Abklärungen eröffnete sie der
Versicherten mit Verfügung vom 21. September 2004 die Einstellung der
Leistungen zum 29. Juni 2003, da die ab 30. Juni 2003 bescheinigte
Arbeitsunfähigkeit nicht mehr mit dem erlittenen Unfall zu erklären sei. Auf
die von M.________ und ihrem obligatorischen Krankenpflegeversicherer
erhobenen Einsprachen hin holte die Allianz ein rheumatologisches Gutachten
des Dr. med. S.________, Physikalische Medizin, Spez. Rheumatologie FMH, vom
15. April 2005 ein. Gestützt darauf gewährte sie die gesetzlichen Leistungen
nunmehr bis 31. Dezember 2004, wobei sie zugleich auf eine Rückforderung der
über diesen Zeitpunkt hinaus bereits entrichteten Taggelder verzichtete. Im
Übrigen wurde an der Verfügung vom 21. September 2004 festgehalten
(Einspracheentscheid vom 25. August 2005).

B.
Beschwerdeweise beantragte M.________, die Allianz sei zur Ausrichtung einer
UVG-Invalidenrente entsprechend einem Invaliditätsgrad von 50 % sowie einer
Integritätsentschädigung bei einem Integritätsschaden von 30 % zu
verpflichten; eventuell sei die Sache zur Vornahme eines Einkommensvergleichs
an den Unfallversicherer zurückzuweisen. Das Kantonsgericht Basel-Landschaft
wies die Beschwerde mit Entscheid vom 1. März 2006 ab.

C.
M.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Rechtsbegehren,
in Aufhebung von Einsprache- und vorinstanzlichem Entscheid sei die Allianz
anzuweisen, ab 1. Januar 2005 weiterhin Taggeld zu leisten.
Die Allianz schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das
Bundesamt für Gesundheit verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Streitig und zu prüfen ist, ob die Allianz aus dem Unfall vom 13. Februar
2003 ab 1. Januar 2005 weiterhin Leistungen der obligatorischen
Unfallversicherung zu erbringen hat.

2.
Das kantonale Gericht hat im angefochtenen Entscheid die Bestimmung über den
Anspruch auf Leistungen der Unfallversicherung (Art. 6 Abs. 1 UVG) und die
Grundsätze über den hiefür erforderlichen natürlichen und adäquaten
Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall und dem eingetretenen Schaden
(Krankheit; Invalidität; Tod) im Allgemeinen (BGE 129 V 181 Erw. 3) sowie bei
psychischen Unfallfolgeschäden (BGE 115 V 133), Schleudertraumen der HWS ohne
organisch hinreichend nachweisbare Folgeschäden (BGE 117 V 359) und dem
Schleudertrauma äquivalenten Verletzungen der HWS (RKUV 2000 Nr. U 395 S. 317
Erw. 3 [Urteil Z. vom 2. Juni 2000, U 160/98]; SVR 1995 UV Nr. 23 S. 67 Erw.
2) im Besonderen richtig dargelegt. Darauf wird ebenso verwiesen wie auf die
zutreffenden Erwägungen über den zu beachtenden Beweisgrad der überwiegenden
Wahrscheinlichkeit (BGE 129 V 181 Erw. 3.1 mit Hinweisen), wobei zu ergänzen
ist, dass dieser gleich wie für den leistungsbegründenden natürlichen
Kausalzusammenhang auch für das - vom Unfallversicherer zu beweisende -
Dahinfallen jeder kausalen Bedeutung von unfallbedingten Ursachen gilt (RKUV
2000 Nr. U 363 S. 46 Erw. 2 mit Hinweis).

3.
Die Vorinstanz hat zunächst geprüft, ob im Zeitpunkt der Leistungseinstellung
am 31. Dezember 2004 noch organisch (hinreichend) nachweisbare Folgeschäden
des Unfalles vom 13. Februar 2003 bestanden haben. Es hat diese Frage
zusammenfassend mit der Feststellung verneint, dass die Versicherte zwar nach
wie vor an Beschwerden am Bewegungsapparat leidet, welche aber nicht mit
einem organischen Substrat zu erklären sind.
Diese Beurteilung beruht auf einer einlässlichen und überzeugenden Würdigung
der medizinischen Aktenlage. Sie stützt sich namentlich auf das
rheumatologische Gutachten des Dr. med. S.________ vom 15. April 2005. Dieses
ist mit der Vorinstanz in Bezug auf die hier interessierenden medizinischen
Fragen als beweiskräftig (vgl. BGE 125 V 352 Erw. 3a mit Hinweis) zu
betrachten. Zwar enthält die Expertise auf den ersten Blick einen
Widerspruch, indem von einem Beschleunigungstrauma und einer auf somatische
Beschwerden am Bewegungsapparat zurückzuführenden Arbeitsunfähigkeit
gesprochen, jedoch - zur Frage einer Integritätseinbusse - ein durch den
Unfall verursachter "eigentlicher somatischer Schaden wie z.B. eine
Halswirbelsäulenverletzung, Nervenschädigung usw." ausdrücklich verneint
wird. Dass der Gutachter von Letzterem und damit vom Fehlen einer organisch
nachweisbaren Gesundheitsschädigung ausgeht, ergibt sich aber zuverlässig aus
der weiteren Begründung in der Expertise und namentlich auch aus den darin
gestellten Diagnosen. Diese werden, wie die Vorinstanz richtig erkannt hat,
durch die Stellungnahmen der weiteren Ärzte nicht in Frage gestellt. Die
zahlreichen medizinischen Untersuchungen haben mit verschiedenen, auch
bildgebenden Methoden keine ossären oder anderen Läsionen zu Tage gebracht.
Ein Zusammenhang zwischen den festgestellten, ohnehin nur minimalen,
Diskusprotrusionen und dem Unfall vom 13. Februar 2003 ist unwahrscheinlich.
Auch neurologisch sind keine Ausfälle objektiviert. Entgegen der in der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde vertretenen Auffassung genügen sodann die
Defizite, welche eine neuropsychologische Untersuchung ergeben hat, ebenso
wenig wie die festgestellten Nackenverspannungen bei Streckhaltung der HWS
mit Retrohaltung zur Annahme einer - gegebenenfalls unfallbedingten -
organischen Gesundheitsschädigung. Dass sich eine solche mittels ergänzenden
medizinischen Abklärungen bestätigen liesse, kann ebenfalls zuverlässig
verneint werden.

4.
Mangelt es nach dem Gesagten an einer nachgewiesenen oder mit weiteren
Abklärungen nachweisbaren unfallbedingten organischen Gesundheitsschädigung
als Ursache für die persistierenden Beschwerden, hat das kantonale Gericht zu
Recht die Adäquanzfrage geprüft (BGE 117 V 365 mit Hinweisen, auch zum
Folgenden). Davon kann entgegen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht
abgesehen werden. Um eine kausale Bedeutung des Unfalles für die noch
bestehende Symptomatik ohne spezifische Prüfung des adäquaten
Kausalzusammenhangs bejahen zu können, müsste ein klar fassbarer physischer
Befund vorliegen, was hier nicht zutrifft.

4.1 Bei der Beurteilung der Adäquanz von organisch nicht (hinreichend)
nachweisbaren Unfallfolgeschäden ist rechtsprechungsgemäss (BGE 127 V 103
Erw. 5b/bb mit Hinweisen; Urteil P. vom 30. September 2005, U 277/04,
Erw. 2.2) wie folgt zu differenzieren: Es ist zunächst abzuklären, ob die
versicherte Person beim Unfall ein Schleudertrauma der Halswirbelsäule (BGE
117 V 359), eine dem Schleudertrauma äquivalente Verletzung (RKUV 2000 Nr. U
395 S. 317 Erw. 3 [Urteil Z. vom 2. Juni 2000, U 160/98]; SVR 1995 UV Nr. 23
S. 67 Erw. 2) oder ein - hinsichtlich der Adäquanzbeurteilung gleich zu
behandelndes - Schädel-Hirntrauma (BGE 117 V 369) erlitten hat. Ist dies
nicht der Fall, gelangt die Rechtsprechung zu den psychischen Folgeschäden
bei Unfall (BGE 115 V 133) zur Anwendung. Letzteres gilt ebenfalls, wenn die
versicherte Person eine der soeben erwähnten Verletzungen erlitten hat und
die zum typischen Beschwerdebild einer solchen Verletzung gehörenden
Beeinträchtigungen zwar teilweise vorliegen, im Vergleich zur psychischen
Problematik aber ganz in den Hintergrund treten (BGE 123 V 99 Erw. 2a; vgl.
auch RKUV 2002 Nr. U 465 S. 437 [Urteil W. vom 18. Juni 2002, U 164/01] und
2001 Nr. U 412 S. 79 [Urteil B. vom 12. Oktober 2000, U 96/00]).
Diese Unterscheidung ist insofern relevant, als nach der so genannten
Schleudertraumapraxis, anders als im Falle einer psychischen Fehlentwicklung
nach Unfall, bei der Prüfung der unfallbezogenen Kriterien auf eine
Differenzierung zwischen physischen und psychischen Komponenten verzichtet
wird, weil es hier nicht entscheidend ist, ob Beschwerden eher als
organischer und/oder psychischer Natur bezeichnet werden (BGE 117 V 367
Erw. 6a und 382 f. Erw. 4b).

4.2 Die Allianz ist im Einspracheentscheid vom 25. August 2005 der Auffassung
der Versicherten gefolgt, wonach diese bei der Kollision vom 13. Februar 2003
ein Schleudertrauma resp. eine vergleichbare Verletzung der HWS erlitten hat.
Demgegenüber ist das kantonale Gericht zum Ergebnis gelangt, dass keine
solche Verletzung eingetreten ist. Es hat die Adäquanz entsprechend nach BGE
115 V 133 geprüft.

Die vorinstanzliche Betrachtungsweise ist richtig. Sie gründet namentlich in
der zutreffenden Feststellung, dass nach Lage der medizinischen Akten das für
Schleudertraumen der HWS und äquivalente Unfallmechanismen im Sinne der
Rechtsprechung typische pluriforme Beschwerdebild (BGE 117 V 360 Erw. 4b und
382 Erw. 4b) nur teilweise und zudem, bis auf Kopf- und Nackenschmerzen, erst
erhebliche Zeit und jedenfalls nach der für derartige Verletzungsmuster
üblichen maximalen Latenzzeit (RKUV 2000 Nr. U 359 S. 29 Erw. 5e) aufgetreten
ist.

Dazu steht entgegen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht in Widerspruch,
wenn die Vorinstanz festhält, die Beschwerden an der HWS seien
unbestrittenermassen Folge des Unfalls vom 13. Februar 2003. Denn es herrscht
Einigkeit darüber, dass über den 31. Dezember 2004 hinaus Beeinträchtigungen
bestanden, welche in einem natürlichen Kausalzusammenhang zum Unfall stehen.
Dies braucht weder weiter abgeklärt noch offen gelassen zu werden. Für eine
weitere Leistungspflicht des UVG-Versicherers bedarf es jedoch zusätzlich der
adäquaten Kausalität. Diese ist, da keine nachweisbare organische
Gesundheitsschädigung vorliegt und nicht von einem Schleudertrauma der HWS
resp. einem vergleichbaren Verletzungsmuster im Sinne der Rechtsprechung
auszugehen ist, gemäss den für psychische Unfallfolgeschäden geltenden
Grundsätzen zu prüfen.

4.3 Hiefür ist an das (objektiv erfassbare) Unfallereignis anzuknüpfen (BGE
115 V 139 Erw. 6 Ingress). Die Kollision vom 13. Februar 2003 ist aufgrund
des augenfälligen Geschehensablaufs und der erlittenen Verletzungen mit der
Vorinstanz im mittelschweren Bereich und dort nicht an der Grenze zu den
schweren Unfällen anzusiedeln. Dies ist, nachdem die Allianz im kantonalen
Verfahren noch von einem nur leichten Unfall ausgegangen war,
letztinstanzlich denn auch nicht mehr umstritten.

Von den weiteren, objektiv fassbaren und unmittelbar mit dem Unfall in
Zusammenhang stehenden oder als Folge davon erscheinenden Umständen, welche
als massgebende Kriterien in die Gesamtwürdigung einzubeziehen sind (BGE 115
V 140 Erw. 6c/aa), müssten demnach für eine Bejahung des adäquaten
Kausalzusammenhanges entweder ein einzelnes in besonders ausgeprägter Weise
oder aber mehrere in gehäufter oder auffallender Weise gegeben sein (BGE
115 V 140 Erw. 6c/bb). Beides hat die Vorinstanz mit zutreffender und von
keiner Seite in Frage gestellter Begründung verneint.

Fehlt es demnach am adäquaten Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall vom 13.
Februar 2003 und den ab 1. Januar 2005 noch bestandenen gesundheitlichen
Beschwerden, hat die Vorinstanz eine Leistungspflicht der Allianz hiefür zu
Recht verneint.

5.
Die Beschwerdegegnerin stellt ein Kosten- und Entschädigungsbegehren. Der
Kostenantrag ist gegenstandslos, da keine Gerichtskosten anfallen (Art. 134
OG). Eine Parteientschädigung steht der Allianz ungeachtet ihres Obsiegens
nicht zu, da sie als Unfallversicherer eine öffentlichrechtliche Aufgabe im
Sinne von Art. 159 Abs. 2 OG wahrnimmt und die Voraussetzungen für eine
ausnahmsweise Zusprechung einer Entschädigung nicht gegeben sind (BGE 128 V
133 Erw. 5b und 123 V 309 Erw. 10, je mit Hinweisen).

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Basel-Landschaft,
Abteilung Sozialversicherungsrecht, und dem Bundesamt für Gesundheit
zugestellt.

Luzern, 6. Dezember 2006

Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der III. Kammer: Der Gerichtsschreiber: