Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 323/2006
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{T 7}
U 323/06

Urteil vom 1. März 2007

I. sozialrechtliche Abteilung

Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichterin Widmer, Bundesrichter Frésard,
Gerichtsschreiberin Bollinger Hammerle.

D. ________, 1957, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr.
Roland Ilg, Rämistrasse 5,             8024 Zürich,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004
Luzern, Beschwerdegegnerin.

Unfallversicherung,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des
Kantons Schwyz vom      17. Mai 2006.

Sachverhalt:

A.
D. ________, geboren 1957, war seit Mai 1991 bei der Firma E.________ als
angelernte Montagemitarbeiterin tätig und bei der Schweizerischen
Unfallversicherungsanstalt (SUVA) obligatorisch gegen die Folgen von Berufs-
und Nichtberufsunfällen versichert. Am 20. Juli 2004 stürzte sie in den
Ferien auf die rechte Schulter. Am 9. August 2004 begab sie sich zu ihrem
Hausarzt Dr. med. A.________, FMH für Innere Medizin, in Behandlung. Eine
Magnetresonanz-Untersuchung (MRI) in der Universitätsklinik X.________ vom
13. September 2004 zeigte eine Läsion der Supraspinatussehne sowie eine
Bizepstendinopathie. Am 28. September 2004 wurde D.________ im Spital
M.________ operiert (arthroskopische Supraspinatussehnenreinsertion sowie
Tenotomie der langen Bizepssehne [LBS] und Défilée-Erweiterung rechts). Nach
komplikationslosem postoperativem Verlauf konnte sie am 30. September 2004
nach Hause entlassen werden. In der Folge klagte D.________ über starke
Schmerzen in der rechten Schulter, weshalb sie wiederholt ärztlich untersucht
wurde (am 14. Februar 2005 in der Universitätsklinik B.________, am 23.
Februar 2005 durch SUVA-Kreisarzt Dr. med. F.________, am 25. Februar 2005
durch Dr. med. W.________, FMH für Neurologie), ohne dass die Beschwerden
objektiviert werden konnten. Ihre Arbeit nahm sie nicht wieder auf. Die Firma
E.________ kündigte das Arbeitsverhältnis auf den 30. Juni 2005 (Kündigung
vom 29. März 2005).

Mit Schreiben vom 31. März 2005 teilte die SUVA D.________ mit, sie stelle
das Taggeld per 11. April 2005 ein, da ab diesem Zeitpunkt wiederum eine
vollständige Arbeitsfähigkeit bestehe. Auf Ersuchen der zwischenzeitlich
anwaltlich vertretenen D.________ erliess die SUVA am 28. April 2005 eine
entsprechende anfechtbare Verfügung. Am 10. Mai 2005 wurde D.________ von Dr.
med. L.________, FMH für Radiologie, und am 25. Mai 2005 erneut in der
Universitätsklinik B.________ untersucht. Mit Einspracheentscheid vom
24. August 2005 bestätigte die SUVA ihre Verfügung, soweit sie auf die
Einsprache eintrat.

B.
Am 24. August 2005 (Bericht vom 9. September 2005) und 28. September 2005
(Bericht vom 25. Oktober/3. November 2005) wurde D.________ wiederum in der
Universitätsklinik B.________ untersucht. Ihre gegen den Einspracheentscheid
erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz am 17. Mai
2006 ab, soweit es darauf eintrat.

C.
D.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und unter Aufhebung des
angefochtenen Entscheides die weitere Abklärung und Weiterausrichtung von
Taggeldern, eventualiter die Prüfung der Rentenfrage und die Zusprechung
einer Integritätsentschädigung, beantragen. Gleichzeitig ersucht sie um
unentgeltliche Verbeiständung.

Kantonales Gericht und SUVA schliessen auf Abweisung der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Gesundheit verzichtet auf
eine Vernehmlassung.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (BGG; SR 173.110)
ist am 1. Januar 2007 in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Da der
angefochtene Entscheid vorher ergangen ist, richtet sich das Verfahren noch
nach OG (Art. 132 Abs. 1 BGG; BGE 132 V 393 E. 1.2 S. 395).

2.
Da sich der Einspracheentscheid vom 24. August 2005 nur auf die Einstellung
der Taggelder bezog, ist die Vorinstanz zu Recht auf die übrigen Begehren
(Zusprechung von Rente und Integritätsentschädigung) nicht eingetreten (vgl.
BGE 122 V 36 Erw. 2a mit Hinweisen). Auf diese mit
Verwaltungsgerichtsbeschwerde erneut erhobenen (Eventual-) Begehren ist
mangels Anfechtungsgegenstand im letztinstanzlichen Verfahren ebenso wenig
einzutreten.

3.
Die Vorinstanz legt folgende Rechtsgrundlagen zutreffend dar: Art. 6 UVG zum
Gegenstand der Unfallversicherung, Art. 6 ATSG zur Arbeitsunfähigkeit, Art.
16 Abs. 1 UVG zur Taggeldberechtigung, Art. 16 Abs. 2 UVG zu Anfang und Ende
des Taggeldanspruchs, zur Aufgabe von Ärztinnen und Ärzten bei der
Invaliditätsbemessung (BGE 125 V 256 E. 4 S. 261) und zur Beweiswürdigung
(BGE 125 V 351 E. 3       S. 352). Darauf wird verwiesen.

4.
4.1 Streitig und zu prüfen ist einzig, ob die Versicherte im Zeitraum ab
11. April 2005 und bis zum Erlass des Einspracheentscheides vom 24. August
2005, welcher die zeitliche Grenze der richterlichen Überprüfungsbefugnis
bildet (BGE 121 V 362 E. 1b S. 366 mit Hinweis), weiterhin Anspruch auf
Taggelder hat.

4.2 Das kantonale Gericht erwog, gestützt auf die ärztlichen Befunde liessen
sich die ein Jahr nach der Operation geklagten Schmerzen nicht auf ein
objektives Substrat zurückführen. Von weiteren Untersuchungen sei in
antizipierter Beweiswürdigung abzusehen und mit dem Kreisarzt davon
auszugehen, dass die Beschwerdeführerin mit geringfügigen Einschränkungen
selbst einer Arbeit nachgehen könnte, welche physisch anforderungsreicher sei
als die im Unfallzeitpunkt ausgeübte Tätigkeit in der Montage von
Kaffeemaschinen. Eine allfällige psychische Beeinträchtigung falle für die
Leistungspflicht der Unfallversicherung mangels Adäquanz ausser Betracht. Ab
dem 11. April 2005 sei von einer vollständigen Arbeitsfähigkeit in der
angestammten leichten Tätigkeit auszugehen.

Die Versicherte bringt vor, im angefochtenen Entscheid werde der Sachverhalt
bezüglich des Unfalldatums grob unrichtig dargelegt. Weiter habe die
Vorinstanz den Fall zur Unzeit abgeschlossen. Die Ärzte an der
Universitätsklinik B.________ hätten im Rahmen der auch nach dem 11. April
2005 weiterlaufenden ärztlichen Behandlung sowohl unfallkausale Beschwerden
als auch eine vollständige Arbeitsunfähigkeit bescheinigt, weshalb die
Einstellung der Taggelder zu Unrecht erfolgt sei. Zumindest hätte die SUVA
diesbezüglich weitere Abklärungen durchführen müssen. Indem sie dies
unterlassen habe, habe sie das rechtliche Gehör verletzt.

5.
5.1 Der Beschwerdeführerin ist darin zuzustimmen, dass das kantonale Gericht
den Sachverhalt insofern falsch wiedergab, als es festhielt, der Unfall habe
sich am 9. Juli 2005 um 11.45 Uhr ereignet. Aus der Unfallmeldung vom
23. August 2004 ist ersichtlich, dass sich diese Angaben auf den Zeitpunkt
des letzten Arbeitseinsatzes am angestammten Arbeitsplatz bezogen, während
sich der Unfall am 20. Juli 2004 ereignete. Darin liegt indessen keine grobe
Ungenauigkeit, sondern ein Versehen.

5.2
5.2.1 Es trifft zu, dass die Ärzte an der Universitätsklinik B.________ eine
vollständige Arbeitsunfähigkeit attestierten. Am Schluss ihres Berichts vom
9. September 2005 führten sie aus: "Durch uns keine AUF ausgestellt.
Arbeitsunfähigkeit zu 100 % bis auf weiteres". Im Anschluss an die
Untersuchung vom 28. September 2005 hielten die Ärzte unter dem Titel
"Beurteilung und Procedere" fest, es sei erneut ein Zeugnis "über
Arbeitsunfähigkeit zu 100%" ausgestellt worden. Die weitere Beurteilung der
Arbeitsunfähigkeit obliege dem nachbehandelnden Arzt (Bericht vom 25.
Oktober/3. November 2005). Indessen geht - wie bereits das kantonale Gericht
zutreffend erwog -  aus ihren Berichten eindeutig hervor, dass sie die
Einschränkung nicht auf ein objektivierbares somatisches Leiden zurückführen
konnten (vgl. Berichte vom 31. Mai und 9. September 2005: "kein
pathomorphologisches Substrat" bzw. "kein pathomorphologisches Korrelat").
Diese Beobachtung deckt sich zum einen mit den  umfangreichen, vor dem 11.
April 2005 durchgeführten medizinischen Untersuchungen, die ebenfalls keinen
die massiven Schmerzen ausreichend erklärenden objektiven Befund ergeben
hatten (vgl. Magenresonanzuntersuchung [MRI] vom 14. Februar 2005 in der
Uniklinik B.________; Elektromyographie [EMG] vom 25. Februar 2005 [Schreiben
des Dr. med. L.________, FMH für Chirurgie, vom 2. März 2005], neurologische
Untersuchung durch Dr. med. W.________, Neurologie FMH, vom 25. Februar
2005). Sie steht zum anderen auch im Einklang mit den nach dem 11. April 2005
durchgeführten Explorationen. Weder das durch Dr. med. L.________, FMH für
Radiologie, Radiologie Institut im Medizinischen Zentrum R.________,
durchgeführte (erneute) MRI vom 10. Mai 2005 noch die ausführlichen
Untersuchungen in der Schulter-/Ellbogensprechstunde der Universitätsklinik
B.________ (vom 25. Mai, 24. August sowie 7. und 28. September 2005 mit
laborchemischer Untersuchung zum Ausschluss einer "Low grade-Infektion" und
glenohumoraler Punktion) ergaben eine ausreichende somatische Ursache.

5.2.2 Wenn die Ärzte an der Uniklinik B.________ trotz fehlendem
ausreichendem somatischem Befund eine Arbeitsunfähigkeit bescheinigten, ist
dies einerseits vor dem Hintergrund der noch nicht gänzlich ausgeschöpften
diagnostischen Möglichkeiten zu sehen. Anderseits ergibt sich aus den Akten,
dass die Mediziner insbesondere anlässlich der Untersuchung vom 28. September
2005 auch psychische Probleme der Versicherten feststellten. Dass eine
radiologisch gesteuerte Infiltration das Beschwerdebild nicht nachhaltig zu
verbessern vermochte, deutet ebenfalls auf eine psychische Ursache der
Schmerzen hin. Wie die Vorinstanz zutreffend erwägt, ist der Unfall vom 20.
Juli 2004 aber als leicht einzustufen und somit zum Vornherein nicht
geeignet, einen psychischen Gesundheitsschaden zu bewirken. Soweit die
Versicherte wegen psychischer Beeinträchtigungen in ihrer Arbeits- und
Erwerbsfähigkeit eingeschränkt ist, besteht hiefür nach den zutreffenden
Erwägungen der Vorinstanz keine Leistungspflicht der Unfallversicherung (vgl.
BGE 115 V 133 E. 6a S. 139). Dies gilt insbesondere auch hinsichtlich der
Taggelder, zumal die SUVA (nach Art. 36 Abs. 1 UVG) nicht für den integralen
Gesundheitsschaden aufzukommen hat, wenn die psychische Folgeschädigung nicht
adäquat kausal auf den Unfall zurückzuführen ist (Urteil U 252/04 vom
30. September 2004, E. 3.3).
5.3
5.3.1 Dass die SUVA im Anschluss an die kreisärztliche Beurteilung vom
16. März 2005 die angestammte leichte, einfache Tätigkeit der Versicherten
als vollumfänglich zumutbar erachtete und aus diesem Grund die Taggelder per
11. April 2005 einstellte, ist nach dem Gesagten (Erw. 5.2 hievor) weder
aufgrund der Aktenlage zum Zeitpunkt der Verfügung bzw. des
Einspracheentscheides zu beanstanden, noch unter Berücksichtigung der später
durchgeführten Untersuchungen, welche die Richtigkeit dieser Einschätzung
bestätigten. Aus dem letztinstanzlich eingereichten Schreiben des Dr. med.
A.________ vom 8. Juni 2006 lässt sich nichts anderes ableiten. Da die SUVA
nur über den Taggeldanspruch, nicht aber bezüglich der übrigen Leistungen
verfügte, kann von einem Fallabschluss zur Unzeit keine Rede sein. Nicht zu
beanstanden ist weiter, dass der Unfallversicherer (vorerst) nur über den
Taggeldanspruch, nicht aber über eine allfällige Invalidenrente oder eine
Integritätstenschädigung verfügte, zumal im Verfügungszeitpunkt nach Lage der
medizinischen Akten zwar eine vollständige Arbeitsfähigkeit in der
angestammten Tätigkeit überwiegend wahrscheinlich, die ärztliche Behandlung
aber noch nicht abgeschlossen war (vgl. Art. 19 Abs. 1 UVG). Eine
Rechtsverweigerung liegt nicht vor; die SUVA weigerte sich nach den
zutreffenden Erwägungen der Vorinstanz nicht, trotz entsprechendem Begehren
der Versicherten eine Verfügung zu erlassen (Art. 56 Abs. 2 ATSG).
Schliesslich hat sich die Vorinstanz sehr ausführlich mit sämtlichen
medizinischen Einschätzungen und insbesondere auch mit denjenigen der Ärzte
an der Uniklinik B.________ auseinandergesetzt. Eine Verletzung des Anspruchs
auf rechtliches Gehör ist nicht auszumachen. Von der Einholung weiterer
medizinischer Berichte ist in antizipierter Beweiswürdigung (BGE 122 V 157 E.
1d S. 162) abzusehen, da hievon keine neuen Erkenntnisse zu erwarten sind.

6.
Das Verfahren ist kostenlos (Art. 134 OG). Die Gewinnaussichten der
Versicherten sind angesichts der Tatsache, dass trotz umfangreichen und
hochspezifischen Abklärungen kein ausreichendes somatisches Substrat erhoben
werden konnte, wesentlich geringer als die Verlustgefahren. Nachdem sich
bereits das kantonale Gericht sehr ausführlich mit sämtlichen ärztlichen
Berichten auseinandergesetzt hatte, können die mehrheitlich bereits im
vorinstanzlichen Verfahren gestellten Prozessbegehren kaum als ernsthaft
bezeichnet werden. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist damit aussichtslos
(BGE 129 I 129 E. 2.3.1 S. 135), weshalb bereits aus diesem Grund - und ohne
dass die Bedürftigkeit geprüft werden müsste - die unentgeltliche
Verbeiständung nicht gewährt werden kann.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Das Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung wird abgewiesen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz
und dem Bundesamt für Gesundheit zugestellt.

Luzern, 1. März 2007

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: