Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 315/2006
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Urteil vom 16. Juli 2007

I. sozialrechtliche Abteilung

Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichterin Leuzinger, Ersatzrichter Walser,
Gerichtsschreiber Grunder.

1. X.________
2.Z.________, Beschwerdeführer,
beide vertreten durch Rechtsanwalt Werner Marti, Postgasse 27,
8750 Glarus 8750 Glarus,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6002
Luzern, Beschwerdegegnerin.

Unfallversicherung,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des
Kantons Glarus vom 23. Mai 2006.

Sachverhalt:

A.
A.a  Der 1961 geborene Z.________ war Mitinhaber der 1991 gegründeten, im
März 2003 aufgelösten Kollektivgesellschaft Y._________. Er betreute den
Bereich Umzüge und Transporte. Unter anderem führte er Holztransporte und
Holzerarbeiten für X.________ aus.

A.b  Anlässlich einer am 20. Oktober 2004 durchgeführten Arbeitgeberkontrolle
stellte der Revisor der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA),
bei welcher X.________ die gesetzliche Unfallversicherung für sein Personal
führt, unter anderem fest, dass es sich bei den von X.________ an Z.________
von März  2001 bis Oktober 2003 ausgerichteten Entschädigungen teilweise um
Entgelte aus unselbständiger Erwerbstätigkeit handelte. Mit Rechnung vom
16. November 2004 forderte die SUVA von X.________ Prämien für die
obligatorische Unfallversicherung in Höhe von Fr. 11'635.20 nach. Eine von
X.________ erhobene Einsprache wies sie ab (Einspracheentscheid vom 11. Mai
2005).

B.
Die hiegegen von X.________ und Z.________ eingereichte Beschwerde wies das
Verwaltungsgericht des Kantons Glarus ab (Entscheid vom 23. Mai 2006).

C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lassen X.________ und Z.________
beantragen, der vorinstanzliche Entscheid sei aufzuheben.

Die SUVA schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das
Bundesamt für Gesundheit verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (BGG; SR 173.110)
ist am 1. Januar 2007 in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Da der
angefochtene Entscheid vorher ergangen ist, richtet sich das Verfahren noch
nach OG (Art. 132 Abs. 1 BGG; BGE 132 V 392 E. 1.2 S. 395).

2.
Da keine Versicherungsleistungen streitig sind, hat das Gericht nur zu
prüfen, ob der vorinstanzliche Entscheid Bundesrecht verletzt,
einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, oder ob der
rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder
unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt worden ist
(Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2 OG).

Ferner ist Art. 114 Abs. 1 OG zu beachten, wonach das Gericht in
Abgabestreitigkeiten an die Parteibegehren nicht gebunden ist, wenn es im
Prozess um die Verletzung von Bundesrecht oder um die unrichtige oder
unvollständige Feststellung des Sachverhalts geht.

3.
3.1 Prozessthema bildet die Frage, ob die Entgelte für die als Regiearbeiten
bezeichneten Leistungen, welche der Beschwerdeführer 2 für den
Beschwerdeführer 1 erbrachte, als Einkommen aus unselbständiger
Erwerbstätigkeit zu bezeichnen sind. Die als Verfügung ausgestaltete
Prämienrechnung der SUVA vom 16. November 2004 enthielt daneben auch zwei
weitere, andere Arbeitnehmer betreffende Positionen, welche jedoch vom
Beschwerdeführer 1 nicht angefochten worden und daher im vorliegenden
Verfahren nicht zu prüfen sind.

3.2
Die Vorinstanz hat die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze über
den für die streitige Prämienpflicht nach UVG massgeblichen Begriff des
Arbeitnehmers sowie über die Abgrenzung zwischen Einkommen aus selbständiger
Erwerbstätigkeit und massgebendem Lohn zutreffend dargelegt. Ebenso hat sie
die einschlägigen, für die Verwaltung, nicht aber für das
Sozialversicherungsgericht verbindlichen (BGE 129 V 200 E. 3.2 S. 204, 127 V
57 E. 3a S. 61) Verwaltungsweisungen richtig wiedergegeben. Darauf wird
verwiesen.

Zu ergänzen ist, dass das am 1. Januar 2003 in Kraft getretene Bundesgesetz
über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober
2000 die materielle Rechtslage nicht verändert hat (vgl. Urteil H 2/06 vom
10. April 2006 E. 4.4 mit Hinweisen).

4.
4.1 Laut angefochtenem Entscheid hat die Ausgleichskasse des Kantons Glarus
gestützt auf die Arbeitgeberkontrolle des SUVA-Revisors X.________ zur
Nachzahlung von paritätischen Sozialversicherungsbeiträgen verpflichtet
(Verfügung vom 30. November 2004; Einspracheentscheid vom 13. Juni 2005),
wogegen ebenfalls Beschwerde eingereicht wurde. Das Verwaltungsgericht des
Kantons Glarus hat das diesbezügliche Verfahren bis zur rechtskräftigen
Erledigung des hier zu beurteilenden Streites mit der Begründung sistiert,
aus dem Entscheid über das Beitragsstatut des Beschwerdeführers 2 bei der
Unfallversicherung ergebe sich eo ipso auch jenes bei der AHV und den übrigen
Sozialversicherungen. In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird vorgebracht,
der Beschwerdeführer 2 habe die fraglichen Einkommen gestützt auf
rechtskräftige Veranlagungsverfügungen der Ausgleichskasse Gastro-Suisse als
Einkünfte aus selbständiger Erwerbstätigkeit abgerechnet. Es sei vorerst zu
prüfen, ob im Falle der Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde die
Voraussetzungen, unter welchen die Ausgleichskasse das Beitragsstatut
rückwirkend ändern könne, gegeben seien.

4.2 Gemäss BGE 121 V 1 bedarf es für den Wechsel des Beitragsstatuts in jenen
Fällen, wo über die in Frage stehenden Sozialversicherungsbeiträge bereits
eine formell rechtskräftige Verfügung vorliegt, eines Rückkommenstitels
(Wiedererwägung oder prozessuale Revision). Die SUVA hat hier erstmals mit
Einspracheentscheid vom 11. Mai 2005 über die streitige Prämienpflicht nach
UVG befunden. Die fraglichen Entschädigungen wurden stets als Entgelte für
Regiearbeiten bezeichnet, die nach den zutreffenden Erwägungen der Vorinstanz
mit den Leistungen eines Akkordanten vergleichbar sind. Praxisgemäss ist es
grundsätzlich Sache der SUVA, nötigenfalls aufgrund eigener Erhebungen über
den Status eines Akkordanten zu befinden, wenn die in Frage stehende
Tätigkeit für oder in einem ihr unterstellten Betrieb nach Art. 66 UVG
ausgeübt wird. Der Entscheid des Unfallversicherers oder des Gerichts ist für
die Ausgleichskasse verbindlich (BGE 101 V 87 E. 2 S. 89 und Urteil H 179/87
vom 26. August 1988 E. 3b, publ. in: ZAK 1989 S. 25 mit Hinweisen). Der
Beschwerdführer 1 betreibt unbestritten ein der SUVA unterstelltes
Unternehmen. Die SUVA konnte daher das Beitragsstatut frei bestimmen. Es wird
entsprechend dem Ausgang des vorliegenden Verfahrens Sache der zuständigen
Ausgleichskasse sein zu prüfen, ob die Voraussetzungen eines
Rückkommenstitels bezüglich eines gegenüber dem Beschwerdeführer 2 bereits
rechtskräftig verfügten AHV-Beitragsstatuts gegeben sind. Von den in der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragten Abklärungen ist nach dem Gesagten
abzusehen.

5.
5.1 Die Vorinstanz hat für das Bundesgericht verbindlich festgestellt (Art.
105 Abs. 2 OG), dass der Beschwerdeführer 2 für den Beschwerdeführer 1
einerseits Transporte (Holzlieferungen) mit eigenem Sattelschlepper,
anderseits Holzerarbeiten besorgte. Sie erwog, bei Versicherten, die
gleichzeitig mehrere Tätigkeiten ausüben, sei nach der Rechtsprechung jedes
Erwerbseinkommen dahingehend zu prüfen, ob es aus selbständiger oder
unselbständiger Erwerbstätigkeit stammt, selbst wenn die Arbeiten für eine
und dieselbe Firma vorgenommen würden (vgl. BGE 122 V 169 E. 3b in fine mit
Hinweisen). Unter diesem Blickwinkel betrachtet ist unbestritten, dass die
Entgelte für die Holztransporte als Einkommen aus selbständiger
Erwerbstätigkeit einzustufen sind. Die strittige Prämiennachforderung umfasst
denn auch diese Einkünfte nicht.

5.2
5.2.1 Der Verwaltungsgerichtsbeschwerde und den Akten ist zu entnehmen, dass
die Kollektivgesellschaft Y.________ deren Mitinhaber der Beschwerdeführer 2
war, den Sattelschlepper auf den 1. Juli 2002 zum Preis von 110'000.-
verkaufte. Das Arbeitsverhältnis mit dem im Transportbereich der
Kollektivgesellschaft beschäftigten Arbeitnehmer wurde auf Ende Juni 2002
aufgelöst. Aus diesen Umständen ist  zu schliessen, dass der Beschwerdeführer
2 bis Ende 2002 ein spezifisches Unternehmerrisiko zu tragen hatte, indem er
erhebliche Investitionen tätigte. Zum einen bedingte der Sattelschlepper eine
erheblichen Kapitaleinsatz; zum anderen war auch die Beschäftigung von
Personal mit bedeutenden finanziellen Aufwendungen verbunden, welche bei
ungünstiger Ertragslage nicht ohne weiteres vermindert werden konnten. Aus
den Akten ist sodann ersichtlich, dass der Beschwerdeführer 2 auch
Transportaufträge von Dritten in nicht unwesentlichem Umfang annahm.
Schliesslich ist mit der Vorinstanz festzuhalten, dass die Leistungen
jedenfalls für die Holztransporte nach Raummass (Kubikmeter) abgerechnet
wurden.

5.2.2 Demgegenüber leistete der Beschwerdeführer 2 nach den verbindlichen
Feststellungen des kantonalen Gerichts (Art. 105 Abs. 2 OG) die
Holzerarbeiten stets in eigener Person und ausnahmslos für denselben Auftrag-
bzw. Arbeitgeber. Die Abrechnungen erfolgten nach Zeitaufwand. Ein
spezifisches Unternehmerrisiko lag nicht vor. Der Einwand, der
Beschwerdeführer 2 habe eigenes Werkzeug zur Verfügung gestellt, ist nicht
belegt. Ein solcher Umstand würde für sich allein auch nicht genügen, ein
Unternehmerrisiko darzutun. Art. 327 Abs. 2 OR sieht auch für den
Arbeitsvertrag die Möglichkeit vor, dass der Arbeitnehmer selbst Geräte für
die Ausführung der Arbeit zur Verfügung stellen kann. Das kantonale Gericht,
auf dessen Erwägungen im Übrigen verwiesen wird, hat zu Recht in Bestätigung
des Einspracheentscheids der SUVA die Regiearbeiten als unselbständige
Erwerbstätigkeit qualifziert.

5.3
5.3.1 Es bleibt festzuhalten, dass der Beschwerdeführer 2 bis Ende Juni 2002
eine selbständige Erwerbstätigkeit als Transportunternehmer mit eigenem
Lastkraftwagen und einem angestellten Mitarbeiter ausübte, daneben und
ausserhalb dieses Bereichs für den Beschwerdeführer 1 Regiearbeiten
erledigte, die weder den Einsatz bedeutender Betriebsmittel noch von Personal
erforderten. Dafür spricht zudem, dass die Holzerarbeiten ausserhalb der
Zwecksetzung der Kollektivgesellschaft Y.________ lagen. Somit steht fest,
dass der Beschwerdeführer 2 Selbständigerwerbender und Arbeitgeber war,
gleichzeitig aber Erwerbseinkommen als Arbeitnehmer erzielte. Diese
Schlussfolgerung steht in Übereinstimmung mit der bestehenden Rechtslage
(vgl. Art. 12 Abs. 2 ATSG).

5.3.2 Ab Juli 2002 hat sich die berufliche Situation des Beschwerdeführers 2
verändert. Er hatte den Sattelschlepper verkauft, nahm keine
Transportaufträge mehr an und beschäftige auch kein Personal mehr. In der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird nicht substantiiert geltend gemacht, dass
der Fortbestand der Kollektivgesellschaft, welche im März 2003 im
Handelsregister gelöscht wurde, weiterhin ein spezifisches Unternehmerrisiko
mit sich brachte. Es ist daher davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer 2
ab Juli 2002 mehr oder weniger ausschliesslich als Holzer für den
Beschwerdeführer 1 erwerbstätig war. Am 2. November 2003 schlossen sie einen
schriftlichen Arbeitsvertrag ab. Unter diesen Umständen entfällt für den
Zeitraum von Juli 2002 bis Oktober 2003 ohnehin jegliche Grundlage für die
Annahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit.

6.
Die Beschwerdeführer machen schliesslich geltend, der Beschwerdeführer 2 habe
seinen ehemaligen Angestellten bei der SUVA obligatorisch gegen die Folgen
von Unfällen versichert. Damit habe sie seinen Status als
selbständigerwerbenden Arbeitgeber anerkannt. Die rückwirkende Änderung des
Beitragsstatuts verstosse gegen den Grundsatz von Treu und Glauben. Dieses
Vorbringen geht an der Sache vorbei. Es ist unbestritten, dass der
Beschwerdeführer 2 als Selbständigerwerbender ein Transportunternehmen
betrieb, in welchem er einen Angestellten einsetzte. Streitig ist hier nicht
dieser Tätigkeitsbereich, sondern die zugunsten des Beschwerdeführers 1
erledigten Regiearbeiten, bei welchen der erwähnte Mitarbeiter nicht
eingesetzt wurde.

7.
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 134 OG e contrario).

Entsprechend dem Ausgang des Verfahrens haben die Beschwerdeführer die
Gerichtskosten, unter Anordnung solidarischer Verpflichtung, je zur Hälfte zu
tragen (Art. 40 OG in Verbindung mit Art. 69 Abs. 2 BZP).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 1000.- werden den Beschwerdeführern je zur Hälfte
auferlegt und mit dem geleisteten Kostenvorschuss verrechnet.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Glarus
und dem Bundesamt für Gesundheit zugestellt.

Luzern, 16. Juli 2007

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: