Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 311/2006
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Prozess {T 7}
U 311/06

Urteil vom 19. September 2006
IV. Kammer

Präsident Ursprung, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter Frésard;
Gerichtsschreiber Wey

A.________, 1959, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Martin
Sacher, Breiternstrasse 32, 5107 Schinznach Dorf,

gegen

Helsana Versicherungen AG, Schadenrecht, Zürichstrasse 130, 8600 Dübendorf,
Beschwerdegegnerin

Versicherungsgericht des Kantons Aargau, Aarau

(Entscheid vom 25. April 2006)

Sachverhalt:

A.
Der 1959 geborene A.________ war seit 1. Juni 1994 bei der Firma H.________
angestellt und bei der Helsana Versicherungen AG (nachfolgend Helsana)
obligatorisch gegen Unfallfolgen versichert. Am 17. August 1999 erlitt der
Versicherte einen Unfall: Er rutschte auf einer Treppe aus und schlug mit dem
Rücken auf den Stufen auf. Am folgenden Tag suchte er seinen Hausarzt
Dr. L.________, Facharzt für Innere Medizin, auf, der eine "Kontusion,
inklusive Kontusion der Nervus ischiadicus links" diagnostizierte. Gemäss
Bericht des Kantonsspitals X.________, Rheumaklinik und Institut für
physikalische Medizin und Rehabilitation, vom 17. Dezember 1999 litt der
Versicherte bereits "seit ca. 5 Jahren" an Rückenbeschwerden. Das
Kantonsspital X.________ diagnostizierte ein subakutes radikuläres Schmerz-
und Ausfallsyndrom links (mit/bei foraminaler Stenose L5/S1, leichte
Discusprotrusion L3/L4 und L4/L5, linksbetonte paramediane Discushernie
L5/S1, Wirbelsäulenfehlform, Status nach Treppensturz am 17. August 1999 mit
nachfolgender Schmerzexazerbation). Es wurden mehrere operative Eingriffe
durchgeführt, der erste am 24. Januar 2000 (ventrale, intercorporelle
Spondylodese [BAK] L5/S1). Die Helsana richtete Taggelder aus und übernahm
die Heilbehandlung. Mit Verfügung vom 22. Dezember 2004, bestätigt mit
Einspracheentscheid vom 21. April 2005, stellte sie die Heilbehandlung und
Taggelder per 31. Dezember 2002 ein, weil der natürliche Kausalzusammenhang
zwischen Unfallereignis und den noch vorhandenen Beschwerden ab 1. Januar
2000 verneint werden müsse.

B.
Das Versicherungsgericht des Kantons Aargau wies die gegen den
Einspracheentscheid erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 25. April 2006 ab.

C.
A.________ führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, es sei die
Unfallkausalität der bestehenden Beschwerden über den 31. Dezember 1999
hinaus zu bejahen und es seien ihm die gesetzlichen Leistungen zuzusprechen.
Eventuell sei die Sache "zur Vornahme weiterer Abklärungen und zur
Festsetzung der gesetzlichen Leistungen" an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Die Helsana und das Bundesamt für Gesundheit verzichten auf eine
Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Hinsichtlich des für die Leistungspflicht des Unfallversicherers
vorausgesetzten natürlichen Kausalzusammenhangs zwischen dem Unfall und dem
Gesundheitsschaden (BGE 129 V 181 Erw. 3 mit Hinweisen) sowie der für den
Beweiswert ärztlicher Berichte und Gutachten geltenden Regeln (BGE 125 V 352
Erw. 3a, 122 V 160 Erw. 1c) kann auf die zutreffenden Erwägungen der
Vorinstanz verwiesen werden.

2.
Wird durch einen Unfall ein krankhafter Vorzustand verschlimmert oder
überhaupt erst manifest, entfällt die Leistungspflicht des Unfallversicherers
erst, wenn der Unfall nicht mehr die natürliche und adäquate Ursache des
Gesundheitsschadens darstellt, wenn also Letzterer nur noch und
ausschliesslich auf unfallfremden Ursachen beruht. Dies trifft dann zu, wenn
entweder der (krankhafte) Gesundheitszustand, wie er unmittelbar vor dem
Unfall bestanden hat (Status quo ante), oder aber derjenige Zustand, wie er
sich nach dem schicksalsmässigen Verlauf eines krankhaften Vorzustandes auch
ohne Unfall früher oder später eingestellt hätte (Status quo sine), erreicht
ist (RKUV 1994 Nr. U 206 S. 328 Erw. 3b, 1992 Nr. U 142 S. 75 Erw. 4b, je mit
Hinweisen). Ebenso wie der leistungsbegründende natürliche Kausalzusammenhang
muss das Dahinfallen jeder kausalen Bedeutung von unfallbedingten Ursachen
eines Gesundheitsschadens mit dem im Sozialversicherungsrecht allgemein
üblichen Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit nachgewiesen sein.
Die blosse Möglichkeit nunmehr gänzlich fehlender ursächlicher Auswirkungen
des Unfalles genügt nicht (RKUV 2000 Nr. U 363 S. 46 Erw. 2, 1994 Nr. U 206
S. 329 Erw. 3b, 1992 Nr. U 142 S. 76 Erw. 4b). Der Beweis des Wegfalls des
natürlichen Kausalzusammenhangs muss nicht durch den Nachweis unfallfremder
Ursachen erbracht werden. Ebenso wenig geht es darum, vom Unfallversicherer
den negativen Beweis zu verlangen, dass kein Gesundheitsschaden mehr vorliege
oder die versicherte Person nun bei voller Gesundheit sei. Entscheidend ist
allein, ob unfallbedingte Ursachen des Gesundheitsschadens ihre kausale
Bedeutung verloren haben, also dahingefallen sind (Urteile C. vom 3. Januar
2006, U 320/05, Erw. 2 und L. vom 25. Oktober 2002, U 143/02, Erw. 3.2).

3.
Streitig und zu prüfen ist, ob spätestens ab dem 1. Januar 2000 kein
Gesundheitsschaden mehr vorliegt, der in natürlich kausalem Zusammenhang zum
Unfall vom 17. August 1999 steht.

3.1 Gestützt auf die beiden Gutachten der Neurochirurgen Dr. Z.________ vom
13. Januar 2003 und Dr. W.________, Zentrum für Neurologische Gutachten, vom
29. November 2004 gelangte die Vorinstanz in Übereinstimmung mit dem
Unfallversicherer zum zutreffenden Schluss, dass ein natürlicher
Kausalzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den Rückenbeschwerden des
Beschwerdeführers lediglich bis zum 31. Dezember 1999 bestand. Nach
Einschätzung von Dr. Z.________ bewirkte das Unfallereignis "eine eher
geringgradige Traumatisierung der Lendenwirbelsäule". So sei denn auch weder
ein unmittelbarer Arztbesuch noch eine Hospitalisation notwendig gewesen.
Überdies seien anlässlich der Erstkonsultation am folgenden Tag keine
wesentlichen pathologischen Befunde festgestellt worden "mit Ausnahme der
fraglichen Kontusion des N. ischiadicus, welche sich jedoch später nicht
bestätigte". Unter Hinweis auf die Abklärungen des Kantonsspital X.________
wies Dr. Z.________ in seinem Gutachten weiter darauf hin, dass "im
wesentlichen die vorbestehenden, krankhaften und konstitutionellen Befunde
wie die Fehlhaltung der Wirbelsäule und die lumbalen Diskopathien"
festgestellt werden konnten. Das Trauma sei "mit Sicherheit nicht geeignet"
gewesen, "eine richtunggebende Verschlechterung eines krankhaften
Vorzustandes zu bewirken". Die Heilungsdauer bei einem solchen Vorfall
belaufe sich normalerweise auf "drei bis sechs Wochen". Unter Berücksichtung
der multiplen Diskopathien könne sich eine Verzögerung der Heilungszeit von
"bis zu maximal vier Monaten" ergeben, sodass sie spätestens Ende Dezember
1999 abgeschlossen gewesen sei. Schliesslich stellte Dr. Z.________ fest, es
handle sich um eine "vorübergehende Verschlimmerung eines Grundleidens mit
schicksalsmässigem Verlauf, wobei der Status quo sine Ende Dezember 1999 als
erreicht" betrachtet werden könne bzw. müsse. Auch Dr. W.________ geht in
seinem Gutachten davon aus, dass der Unfall vom 17. August 1999 als nur
"leichtes Ereignis, ohne nachweisbare Läsion, keinen entscheidenden
richtunggebenden Einfluss" gehabt hatte und "dessen Wirkung längstens bis zum
Dezember 1999" angehalten hat. So sei die (erste) Operation vom 24. Januar
2000, "wenn, dann durch eine krankhafte Veränderung der lumbalen Wirbelsäule"
indiziert und "nicht durch einen Zustand, der durch das Unfallereignis [...]
ausgelöst oder richtunggebend verschlimmert worden wäre". Zudem sei der
Verlauf nach der ersten Operation durch diese bestimmt, das Zustandsbild im
Beurteilungszeitpunkt somit mindestens teilkausal (nebst der krankhaften
Veränderung) durch den operativen Eingriff bewirkt. An dieser
Betrachtungsweise vermögen auch die Stellungnahmen des orthopädischen
Chirurgen Dr. K.________, vom 22. März 2000 und vom 24. August 2000 nichts zu
ändern, weil es ihnen an der notwendigen Nachvollziehbarkeit mangelt: So hält
er zur Kausalitätsfrage in seinen Ausführungen vom 22. März 2000 an die
Helsana namentlich fest: "Ich empfehle Ihnen dringlich, die Akten zu
vervollständigen und auch einen ausführlichen Bericht der aktuell
behandelnden Kliniken einzuholen, insbesondere mit der Frage zur Kausalität
und/oder zur Frage der vorübergehenden Verschlimmerung des Vorzustandes."
Obwohl Dr. K.________ in seiner Stellungnahme vom 24. August 2000 einräumt,
dass es dem aufgrund seiner Empfehlung eingeholten Kurzgutachten von
Dr. R.________, Abteilung für Wirbelsäulenmedizin und Schmerztherapie, Klinik
S.________, vom 18. Juli 2000 an der notwendigen Schlüssigkeit mindestens zum
Teil fehle, hielt er dennoch apodiktisch und ohne nähere Begründung fest, der
Unfall könne als Teilursache für die aktuellen Beschwerden nicht bestritten
werden. Das Kurzgutachten von Dr. R.________ fand denn auch bei der
Vorinstanz richtigerweise keine Berücksichtigung.

3.2 Da von den in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragten "weiteren
Abklärungen" keine hier relevanten neuen Erkenntnisse zu erwarten sind,
können sie unterbleiben.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau
und dem Bundesamt für Gesundheit zugestellt.

Luzern, 19. September 2006

Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der IV. Kammer: Der Gerichtsschreiber: