Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 298/2006
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{T 7}
U 298/06

Urteil vom 11. Januar 2007

I. sozialrechtliche Abteilung

Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichterin Widmer, Bundesrichter Frésard,
Gerichtsschreiberin Amstutz.

M.________, 1977, Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprech Friedrich
Affolter, Seestrasse 2, Bahnhofplatz, 3700 Spiez,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004
Luzern, Beschwerdegegnerin.

Unfallversicherung,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde
gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts
des Kantons Bern vom 3. Mai 2006.

Sachverhalt:

A.
A.a Der 1977 geborene M.________ arbeitete seit 1. Mai 2004 als angelernter
Eisenleger in der Firma A.________ und war im Rahmen dieser Anstellung bei
der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) gegen die Folgen von
Berufs- und Nichtberufsunfällen versichert. Am 8. Juli 2004 verlor er auf der
Autobahn die Herrschaft über sein Fahrzeug, welches ins Schleudern geriet,
frontal und seitlich mit der Mittelleitplanke kollidierte, durch den starken
Aufprall abgehoben und anschliessend über die Überhol- und Normalspur auf den
Pannenstreifen geschleudert wurde, wo es in entgegengesetzter Richtung zum
Stillstand kam. Beim Selbstunfall erlitt der nicht angegurtete Versicherte
eine Distorsion der Halswirbelsäule (HWS) und eine äquivalente Verletzung
(Schädelkontusion oder Schädel-Hirn-Trauma) mit gleichentags erfolgter
ambulanter Erstbehandlung im Spital Thun (Arztzeugnis UVG vom 13. August 2004
[unauffällige Abdomensonographie und keine Anhaltspunkte für pathologische
intracranielle Prozesse und ossäre Läsionen]). Während die anschliessend
geklagten Schmerzen im Bereich der HWS und (weniger) der Lendenwirbelsäule
allmählich besserten, persistierten nach dem Unfall erstmals aufgetretene,
belastungsabhängige Kopf- und Schulterschmerzen, spätestens seit
Oktober/November 2004 begleitet von häufigeren, kurzen Schwindelattacken
(Neurologisches Konsilium der Frau Dr. med. K.________, Fachärztin FMH für
Neurologie, vom 8. November 2004 und deren Bericht vom 12. Januar 2005;
Untersuchungsberichte des Kreisarztes Dr. med. U.________, Facharzt FMH für
allgemeine Chirurgie, vom 22. November 2004 und vom 15. Februar 2005 sowie
Untersuchungsbericht des Kreisarztes Dr. med. W.________, Facharzt FMH für
Allgemeine Chirurgie, vom 12./13. April 2005). Am 24. Mai 2005 gab der
Hausarzt Dr. med. L.________, Facharzt FMH für Innere Medizin, an, es seien
neu Schmerzen im Bereich der linken Schulter beim Greifen nach vorne
aufgetreten. Im Bericht des Röntgeninstituts X.________ vom 7. Juni 2005
wurde eine mässige Subcromialraumverschmälerung, die eine
Impingementsymtomatik provozieren könne, festgestellt und im Bericht des Dr.
med. O.________, Facharzt FMH für Orthopädische Chirurgie, vom 9. Juni 2005
ein "Posttraumatisches subcromiales Impingement linke Schulter"
diagnostiziert (ebenso Bericht vom 27. Juni 2005), was Anlass zu einem
operativen Eingriff (6. Juli 2005) gab. Im Untersuchungsbericht vom 24.
August 2005 (mit Zweitbericht vom 5. September 2005) gelangte Kreisarzt Dr.
med. U.________ zum Schluss, die noch vorhandene Arbeitsunfähigkeit gründe
allein auf dem Impingement-Syndrom an der linken Schulter, welches
unfallfremd sei.

A.b Mit Verfügung vom 9. September 2005 verneinte die SUVA, welche bis anhin
Taggelder ausgerichtet und für die Heilbehandlung aufgekommen war, ihre
Leistungspflicht ab 3. Oktober 2005 mangels Unfallkausalität der aktuellen
Arbeits- und Erwerbsunfähigkeit. Daran hielt sie auf Einsprache des
Krankenversicherers hin fest (Einspracheentscheid vom 4. November 2005).

B.
Die dagegen erhobene Beschwerde des M.________ mit dem Antrag, in Aufhebung
des Einspracheentscheids vom 4. November 2005 sei die SUVA zu verpflichten,
ihm über den 2. Oktober 2005 hinaus die gesetzlichen Leistungen zu erbringen,
wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern ab (Entscheid vom 3. Mai 2006).

C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt M.________ sein vorinstanzlich
gestelltes Rechtsbegehren erneuern.

Die SUVA schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das
Bundesamt für Gesundheit hat auf eine Vernehmlassung verzichtet.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Am 1. Januar 2007 ist das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni
2005 (BGG; SR 173.110) in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Da der
angefochtene Entscheid vorher ergangen ist, richtet sich das Verfahren noch
nach dem bis Ende 2006 in Kraft gestandenen Bundesgesetz vom 16. Dezember
1943 über die Organisation der Bundesrechtspflege (Art. 132 Abs. 1 BGG; BGE
132 V 395 Erw. 1.2).

2.
Im vorinstanzlichen Entscheid werden die massgebenden Rechtsgrundlagen für
die Beurteilung der umstrittenen Leistungspflicht des Unfallversicherers
(Art. 6 Abs. 1 UVG), insbesondere die - unter der Herrschaft des am 1. Januar
2003 in Kraft getretenen Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des
Sozialversicherungsrechts vom 6. Oktober 2000 (ATSG; SR 830.1) unverändert
geltende (siehe etwa N. vom 13. Februar 2006 [U 462/04] Erw. 1.1, mit
Hinweisen; vgl. Ueli Kieser, ATSG-Kommentar, Zürich/ Basel/Genf 2003, S. 64
f. Rz 20 zu Art. 4) - Rechtsprechung zum (u.a.) erforderlichen natürlichen
Kausalzusammenhang zwischen Unfallereignis und leistungseinschränkendem
Gesundheitsschaden (BGE 129 V 181 Erw. 3.1 mit Hinweisen) und die Beweislast
für dessen Wegfall (RKUV 2000 Nr. U 363 S. 45 [U 355/98], 1994 Nr. U 206 S.
328 Erw. 3b [U 180/93]; siehe auch Urteile B. vom 16. Juni 2005 264/04, Erw.
3.5 [zusammenfassend publiziert in HAVE 2005 S. 351] und O. vom 13. März 2006
[U 344/05] Erw. 4.2) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.

3.
Streitig und zu prüfen ist einzig die Frage, ob die SUVA für die anhaltenden,
linksseitigen Schulterbeschwerden des Versicherten über den 2. Oktober 2005
(Fallabschluss) hinaus leistungspflichtig ist. Mit der Vorinstanz nicht mehr
zurückzukommen ist auf die weiterhin geklagten Kopfschmerzen und
Schwindelgefühle, deren Unfallkausalität die Beschwerdegegnerin nach Lage der
Akten zu Recht (ab Oktober 2005) verneint hat, was vom Versicherten
letztinstanzlich - wie bereits im kantonalen Verfahren - nicht bestritten
wird.

4.
4.1 Das kantonale Gericht erwog im Wesentlichen gestützt auf den als
beweiskräftig eingestuften Bericht des Kreisarztes Dr. med. U.________ vom 5.
September 2005, dass die Beschwerden in der linken Schulter (bei
Subacromialraumverschmälerung mit Impingement-Syndrom) "mit überwiegender
Wahrscheinlichkeit in keinem natürlichen Kausalzusammenhang mit dem Unfall
vom 8. Juli 2004 stehen". Der Beschwerdeführer hält dem zunächst entgegen,
der erwähnte Bericht des Dr. med. U.________ sei schon deshalb keine
taugliche Grundlage für die Beurteilung der umstrittenen Kausalitätsfrage,
weil er fälschlicherweise annehme, es stehe der dem Versicherten obliegende
Beweis einer neuen, leistungsbegründenden Tatsache in Frage, wogegen es -
richtigerweise - um den vom Versicherer zu erbringenden Nachweis des
Dahinfallens der ursprünglich anerkannten Unfallkausalität der
Schulterbeschwerden gehe. Dieser Einwand ist unbegründet. Für den Beweiswert
einer medizinischen Stellungnahme ist nicht ausschlaggebend, ob der Arzt oder
die Ärztin von zutreffenden Annahmen über die rechtlichen Regeln der
Beweislast ausgeht; entscheidend ist allein, ob sein/ihr Bericht für die
streitigen Belange umfassend ist, auf allseitigen Untersuchungen beruht,
(auch) die geklagten Beschwerden berücksichtigt, in Kenntnis der Vorakten
(Anamnese) abgegeben wurde und in der Beurteilung der medizinischen Situation
einleuchtet und ob die Schlussfolgerungen der Experten begründet sind (BGE
125 V 352 Erw. 3a, mit Hinweis). Diesen Anforderungen genügt der am 5.
September 2005 verfasste Zweitbericht des Dr. med. U.________ zusammen mit
dessen Untersuchungsbericht vom 24. August 2005, weshalb das kantonale
Gericht diese Unterlagen zu Recht als beweiskräftig eingestuft hat.

4.2 Entgegen dem in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vertretenen Standpunkt
ist die vorinstanzliche Beweiswürdigung auch im Ergebnis nicht zu
beanstanden. Nicht stichhaltig ist namentlich das Argument des
Beschwerdeführers, die Vorinstanz verfalle in Willkür (Art. 9 BV), indem sie
aus der im Bericht vom 5. September 2005 enthaltenen Aussage, das operativ
behandelte Impingement-Syndrom an der linken Schulter sei "nicht in einem
wahrscheinlichen Kausalzusammenhang" (Hervorhebung nicht im Original) zum
Unfall vom 8. Juli 2004 zu sehen, folgere, die Schulterbeschwerden stünden
mit überwiegender Wahrscheinlichkeit in keinem natürlichen Kausalzusammenhang
zum Unfallereignis. Die Vorrichter haben die zentrale Frage, ob für die Zeit
nach dem 2. Oktober 2005 unfallkausale Schulterbeschwerden zu bejahen sind
oder nicht, im Lichte der gesamten medizinischen Aktenlage geprüft und
namentlich auch die spezifische Aussage des Dr. med. U.________ vor diesem
umfassenderen Hintergrund gewürdigt. Daraus erhellt, dass der
Beschwerdeführer zwar schon bald nach dem Unfall zeitweise über beidseitige
Schulterschmerzen klagte. Die ärztlichen Unterlagen sprechen jedoch allesamt
dafür, dass es sich bei den damaligen Schulterbeschwerden um ein
Begleitsymptom des (nebst Kopfbeschwerden) zunächst im Vordergrund
gestandenen, ausstrahlenden zerviko-cephalen Schmerzsyndroms
(HWS-Problematik) handelte; Anhaltspunkte für eine beim Unfall erlittene
Schulterverletzung bestehen keine. Die "Symptomatik von Seiten der HWS mit
Ausstrahlung in die Schulter" war bereits anfangs November 2004 deutlich
zurückgegangen (Bericht der Neurologin Frau Dr. med. K.________ vom 8.
November 2004), wenn auch nicht verschwunden (Untersuchungsbericht des
Kreisarztes Dr. med. U.________ vom 22. November 2004). Im Februar 2005
stellte Kreisarzt Dr. med. U.________ fest, die Schultergelenke selbst seien
nicht dolent, frei beweglich und ohne Zeichen eines Impingements; der im
Bereich des Muscullus trapecius beidseits empfundene Schmerz sei Zeichen
eines höchstens leichtgradigen muskulären Zervikalsyndroms
(Untersuchungsbericht vom 15. Februar 2005). Im April 2005 klagte der
Versicherte alsdann lediglich noch über Nacken- und Kopfschmerzen sowie
Schwindel und Müdigkeit; die beidseitigen Schulterbeschwerden standen für ihn
klar nicht mehr im Vordergrund (Angaben des Versicherten gegenüber dem
Kreisarzt Dr. med. W.________ gemäss Untersuchungsbericht vom 12. April
2005). Bei dieser Sachlage muss die Aussage im Bericht des Hausarztes
Dr. med. L.________ vom 24. Mai 2005, es seien "neu Schmerzen im Bereich der
linken Schulter beim Greifen nach vorne aufgetreten, wo ein deutliches
Knacken auftritt", dahingehend verstanden werden, dass es sich bei letzteren
tatsächlich um ein neues, selbstständiges Leiden und nicht um ein (erneutes)
Ausstrahlen des bekannten Cervikalsyndroms handelte. Nachdem zudem mittels
Arthro-MRI als einziger pathologischer Befund eine Verschmälerung des
Subacromialraumes festgestellt wurde, die Infraspinatus-, Supraspinatus- und
Subscapularissehnen intakt waren und keine Anhaltspunkte für eine
Rotatorenmanschettenverletzung und eine Bicepssehnen- oder Labrumpathologie
bestanden (Bericht Röntgeninstitut X.________ vom 7. Juni 2005), ist die
Beurteilung des Kreisarztes Dr. med. U.________ vom 5. September 2005
insgesamt einleuchtend und überzeugend, dass es sich bei den eine
Arbeitsunfähigkeit begründenden Schulterbeschwerden links
(Impingement-Syndrom) um ein - so ausdrücklich - "unfallfremdes Leiden"
handelt. Soweit Dr. med. O.________ in seinen Kurzberichten vom 9. Juni und
vom 27. Juni 2005 sowie im Operationsbericht vom 7. Juli 2005 das
subacromiale Impingement an der linken Schulter als "posttraumatisch"
bezeichnet, ist dies nicht nachvollziehbar, nachdem eine irgendwie geartete
Verletzung im Bereich der Schulter ausgeschlossen worden war. Nach den
zutreffenden Erwägungen der Vorinstanz, worauf verwiesen wird, vermag
schliesslich auch die zu Handen des Krankenversicherers erstellte
Stellungnahme des Dr. med. O.________ vom 3. Oktober 2005, welche trotz
Kenntnis der MRI-Befunde festhält, beim Unfall sei "offensichtlich die
Schulter traumatisiert" worden, die Unfallkausalität des durch das
Impingementsyndrom verursachten, gemäss vorstehenden Erwägungen im Mai 2005
neu aufgetretenen Schulterschnellens links nicht hinreichend zu begründen.

4.3 Nach dem Gesagten beruht die vorinstanzliche Beurteilung der Streitfrage
weder auf einer willkürlichen (Art. 9 BV) noch auf einer anderweitig
bundesrechtswidrigen Beweiswürdigung.

5.
Das Verfahren ist kostenlos (Art. 134 Abs. 1 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für Gesundheit
zugestellt.

Luzern, 11. Januar 2007
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: