Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 286/2006
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U 286/06

Urteil vom 31. August 2007

I. sozialrechtliche Abteilung

Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichter Schön, Bundesrichterin Leuzinger,
Gerichtsschreiberin Schüpfer.

G. ________, 1972, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Christian
Thöny, Bahnhofstrasse 8, 7000 Chur,

gegen

Schweizerische Mobiliar Versicherungsgesellschaft, Bundesgasse 35, 3011 Bern,
Beschwerdegegnerin, vertreten durch Fürsprecher René W. Schleifer,
Stampfenbachstrasse 42, 8006 Zürich.

Unfallversicherung,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des
Kantons Graubünden vom 7. März 2006.

Sachverhalt:

A.
Die 1972 geborene G.________ war als Serviceangestellte im Restaurant
X.________ in Z.________ tätig und dadurch bei der Schweizerischen Mobiliar
Versicherungsgesellschaft (nachfolgend: Mobiliar) obligatorisch gegen die
Folgen von Unfällen versichert. Am 15. März 1997 zog sie sich ein
Distorsionstrauma an der Halswirbelsäule (HWS) und eine Commotio cerebri zu,
da sie als Beifahrerin in einen zweiphasigen Auffahrunfall
(Heckauffahrkollision und anschliessend Front-/Heckkollision) verwickelt
wurde. Die Mobiliar erbrachte die gesetzlichen Leistungen (Heilbehandlung;
Taggeld). Ein Jahr nach dem Unfall erlangte G.________ eine teilweise, später
eine vollständige Arbeitsfähigkeit, bevor sie im März 1999 wegen zunehmenden
Beschwerden wieder arbeitsunfähig wurde. Nach Durchführung verschiedenster
ambulanter und stationärer Therapien und Abklärungen gab die Mobiliar bei der
Klinik H.________ in Y.________ am 27. Oktober 2000 eine polydisziplinär
Begutachtung in Auftrag. Die stationäre Beobachtung fand in der Zeit vom 15.
April bis 9. Mai 2002 statt, das entsprechende Gutachten trägt das Datum vom
30. Juli 2004. Die Experten kamen darin zusammenfassend zur Erkenntnis, die
geklagten Beschwerden seien schätzungsweise in einem Umfang von 25 % auf den
versicherten Unfall zurückzuführen, wobei die psychischen im Vordergrund
ständen und keine Arbeitsfähigkeit attestiert werden könne. Mit Verfügung vom
5. November 2004 eröffnete die Mobiliar der Versicherten die Einstellung der
Versicherungsleistungen ab 31. Oktober 2004. Zur Begründung wurde ausgeführt,
die anhaltenden gesundheitlichen Beschwerden stünden nicht in einem adäquaten
Kausalzusammenhang zum versicherten Ereignis. Daran hielt sie auf Einsprache
der Versicherten hin fest (Einspracheentscheid vom 15. Juni 2005).

B.
Die dagegen erhobene Beschwerde sowie ein Gesuch um unentgeltliche
Verbeiständung im kantonalen Verfahren (Entscheid vom 7. März 2006) wies das
Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden ab.

C.
G.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und beantragen, in
Aufhebung des kantonalen Entscheides seien ihr auch ab dem 1. November 2004
Versicherungsleistungen auszurichten, wobei insbesondere eine Invalidenrente
und eine Integritätsentschädigung festzusetzen und weiterhin Heilkosten zu
bezahlen seien. Darüber hinaus sei ihr sowohl im kantonalen Verfahren wie
auch letztinstanzlich die unentgeltliche Rechtsverbeiständung zu gewähren.
Die Mobiliar schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das
Bundesamt für Gesundheit verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Am 1. Januar 2007 ist das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni
2005 (BGG) in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Da der angefochtene
Entscheid vor dem 1. Januar 2007 ergangen ist, richtet sich das Verfahren
noch nach dem bis zum 31. Dezember 2006 in Kraft gewesenen Bundesgesetz vom
16. Dezember 1943 über die Organisation der Bundesrechtspflege (OG; Art. 131
Abs. 1 und Art. 132 Abs. 1 BGG; BGE 132 V 393 E. 1.2 S. 395).

2.
2.1 Strittig ist der von der Beschwerdegegnerin verfügte und vorinstanzlich
bestätigte Fallabschluss (Einstellung sämtlicher Leistungen aus dem Ereignis
vom 15. März 1997) per 31. Oktober 2004 und die Frage, ob der Sachverhalt
genügend abgeklärt sei. Während die Mobiliar und das kantonale Gericht
hinsichtlich der über den genannten Zeitpunkt hinaus von der Versicherten
geklagten Beschwerden die Adäquanz des Kausalzusammenhanges mit dem Unfall
verneinen, macht die Beschwerdeführerin geltend, der anhaltende
Gesundheitsschaden sei somatischer Natur und stehe in einem natürlichen und
adäquaten Kausalzusammenhang mit dem versicherten Ereignis. Die
Beschwerdegegnerin sei daher weiterhin leistungspflichtig.

2.2 Das kantonale Gericht hat die Rechtsgrundlagen der umstrittenen
Leistungspflicht des Unfallversicherers (Art. 6 Abs. 1 UVG) und die
Rechtsprechung zu dem für diese vorausgesetzten natürlichen
Kausalzusammenhang im Allgemeinen (BGE 129 V 177 E. 3.1 S. 181 mit Hinweisen)
und bei Schleudertraumen der Halswirbelsäule (HWS) oder äquivalenten
Verletzungsmechanismen im Besonderen (BGE 119 V 335 E. 2b/aa S. 340; RKUV
2000 Nr. U 359 S. 29) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.

2.3 Anzumerken bleibt, dass wenn die Unfallkausalität einmal mit der
erforderlichen Wahrscheinlichkeit nachgewiesen ist, die deswegen anerkannte
Leistungspflicht des Unfallversicherers erst entfällt, wenn der Unfall nicht
die natürliche und adäquate Ursache des Gesundheitsschadens darstellt, wenn
also Letzterer nur noch und ausschliesslich auf unfallfremden Ursachen
beruht. Ebenso wie der leistungsbegründende natürliche Kausalzusammenhang
muss das Dahinfallen jeder kausalen Bedeutung von unfallbedingten Ursachen
eines Gesundheitsschadens mit dem im Sozialversicherungsrecht allgemein
üblichen Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit nachgewiesen sein.
Die blosse Möglichkeit nunmehr gänzlich fehlender ursächlicher Auswirkungen
des Unfalls genügt nicht. Da es sich hierbei um eine anspruchsaufhebende
Tatfrage handelt, liegt die entsprechende Beweislast - anders als bei der
Frage, ob ein leistungsbegründender natürlicher Kausalzusammenhang gegeben
ist - nicht beim Versicherten, sondern beim Unfallversicherer. Diese
Beweisgrundsätze gelten sowohl im Grundfall als auch bei Rückfällen und
Spätfolgen (RKUV 1994 Nr. U 206 S. 328 E. 3b mit Hinweisen) und sind für
sämtliche Leistungsarten massgebend. Der Unfallversicherer hat nicht den
Beweis für unfallfremde Ursachen zu erbringen. Welche Ursachen ein nach wie
vor geklagtes Leiden hat, ist an sich unerheblich. Entscheidend ist allein,
ob die unfallbedingten Ursachen eines Gesundheitsschadens ihre kausale
Bedeutung verloren haben, also dahingefallen sind (Urteil S. vom 7. Juni 2006
E. 2.2, U 414/05, mit Hinweisen).

3.
Letztinstanzlich scheint nicht mehr strittig zu sein, dass die im Zeitpunkt
der Leistungseinstellung durch die Unfallversicherung, also im Oktober 2004
vorhandenen gesundheitlichen Beschwerden zumindest teilweise auf das Ereignis
vom 15. März 1997 zurückzuführen ist. Die behandelnden und begutachtenden
Ärzte sind sich zwar über den prozentualen Anteil dieses Unfalles an den von
ihnen erhobenen Befunden uneins (Dr. med. M.________, Neurologie FMH, am 5.
Juni 2000: 75 %; Dr. J.________, Chiropraktor, am 31. Mai 2000:
ausschliesslich Unfallfolgen; Dr. A.________, psychosomatische Beurteilung im
Rahmen der Begutachtung an der Klinik H.________ vom 8. Mai 2002: 75 %; Dr.
med. U.________ in der Zusammenfassung des Gutachtens der Klinik H.________
vom 30. Juli 2004: 25 %). Damit ist aber immerhin mit überwiegender
Wahrscheinlichkeit belegt, dass zwischen dem Unfall und den objektivierbaren
Befunden und deren Folgen auf die Arbeits- und Erwerbsfähigkeit zumindest
teilweise eine natürliche Kausalität besteht, was für die Bejahung des
diesbezüglichen Kausalzusammenhanges genügt (BGE 119 V 335 E. 1 S. 337, 117 V
359 E. 4b S. 360).

4.
Es bleibt zu prüfen, ob auch der adäquate Kausalzusammenhang zu bejahen ist.

4.1 Die Adäquanzbeurteilung nach einem Unfall mit HWS-Schleudertrauma (ohne
organisch [hinreichend] nachweisbare Funktionsausfälle) hat grundsätzlich
nach der in BGE 117 V 359 E. 6a S. 366 und 369 E. 4b S. 382 dargelegten
Rechtsprechung zu erfolgen, sofern innerhalb einer Latenzzeit von höchstens
72 Stunden Kopf- oder Nackenschmerzen auftreten (RKUV 2000 Nr. U 359 S. 29 f.
E. 5e, U 264/97) und sich in der Folge das für derartige Verletzungen
charakteristische Beschwerdebild (dazu BGE 119 V 335 E. 1 S. 338) zeigt (vgl.
BGE 127 V 102 E. 5b/bb S. 103). Ergeben die Abklärungen, dass die versicherte
Person eine der soeben erwähnten Verletzungen erlitten hat, dass die zum
typischen Beschwerdebild einer solchen Verletzung gehörenden
Beeinträchtigungen (vgl. dazu: BGE 119 V 335 E. 1 S. 337, 117 V 359 E. 4b S.
360) zumindest teilweise vorliegen, und dass diese im Vergleich zur
psychischen Problematik nicht ganz in den Hintergrund treten, erfolgt die
Beurteilung der Adäquanz gemäss den in BGE 117 V 359 E. 6a S. 366 und 369 E.
4b S. 382 festgelegten Kriterien (BGE 123 V 98 E. 2a S. 99 mit Hinweisen).

4.2 Nicht zulässig ist es, längere Zeit nach einem Unfall, wenn die zum
typischen Beschwerdebild gehörenden physischen Beschwerden weitgehend
abgeklungen sind, die psychische Problematik aber fortbesteht, diese fortan
nach der Rechtsprechung zu den psychischen Unfallfolgen zu beurteilen,
während sie in einem früheren Stadium, als das typische Beschwerdebild noch
ausgeprägt war, nach der Schleudertrauma-Praxis beurteilt worden wäre.
Vielmehr ist in einem solchen Fall zu prüfen, ob im Verlaufe der ganzen
Entwicklung vom Unfall bis zum Beurteilungszeitpunkt die physischen
Beschwerden gesamthaft nur eine sehr untergeordnete Rolle gespielt haben und
damit ganz in den Hintergrund getreten sind. Nur wenn dies zutrifft, ist die
Adäquanz nach der Rechtsprechung zu den psychischen Unfallfolgen (BGE 115 V
133) zu beurteilen (RKUV 2002 Nr. U 465 S. 439 E. 3b, U 164/01).

5.
5.1 Im angefochtenen Entscheid wird ausgeführt, gemäss Gutachten der Klinik
H.________ habe "das nach dem Unfall durch die Schleuderverletzung geprägte
Beschwerdebild in der Folge in eine psychische Überlagerung umgeschlagen,
welche heute eine eindeutige Dominanz aufweist". Ohne sich konkret darüber zu
äussern, auf Grund welcher Rechtsprechung es seine Beurteilung abgibt, fasst
das kantonale Gericht kurz zusammen, es sei keines der unfallbezogenen
Kriterien erfüllt, sodass die Adäquanz zu verneinen sei.

5.2 Entgegen der vorinstanzlichen Darstellung ist auf Grund der medizinischen
Akten nicht eindeutig auf ein rein psychisches Beschwerdebild zu schliessen.
Gemäss Bericht der kantonalen psychiatrischen Klinik L.________ vom 9.
September 1998 lag zu jenem Zeitpunkt keine aktuelle psychiatrische Diagnose
vor. Der Rückfall im März 1999 erfolgte wegen cervicalen Beschwerden, wobei
die sogenannten typischen Beschwerden ("Typisch für diese Art von Verletzung
ist das gehäufte Auftreten von Beschwerden, wie diffuse Kopfschmerzen,
Schwindel, Konzentrations- und Gedächtnisstörungen, Übelkeit, rasche
Ermüdbarkeit, Visusstörungen, Reizbarkeit, Affektlabilität, Depression, sowie
Wesensveränderungen" [BGE 119 V 335 E. 1 S. 338, 117 V 359 E. 4b S. 360])
nach HWS-Distorsion geklagt wurden. Dr. med. M.________, Spezialarzt für
Neurologie FMH, berichtete am 5. Juni 2000, die Beschwerden beruhten auf der
organischen Grundlage eines stark ausgeprägten Cervicalsyndroms. Daneben
bestanden auch psychiatrische Diagnosen wie diejenige einer posttraumatischen
Belastungsstörung (Bericht Rehaklinik E.________ vom 17. April 2000) und
rezidivierende depressive Zustände (Bericht Dr. med. W.________, Allgmeine
Medizin FMH, vom 8. April 2000). In der Folge, das heisst mehr als drei Jahre
nach dem Unfallereignis, kam es bei persistierenden HWS-Beschwerden zu einer
Exazerbation des psychischen Beschwerdebildes (Zeugnisse Dr. med. W.________
vom 5. Juli, 22. August und 19. Dezember 2000), was die Mobiliar veranlasste,
eine Begutachtung an der Klinik H.________ in Y.________ zu veranlassen.
Gemäss Teilgutachten des leitenden Arztes für Schmerztherapie-Psychosomatik
dieser Klinik, Dr. A.________, sei das von ihm erhobene Beschwerdebild
typisch für Folgezustände nach schweren Beschleunigungstraumata, wobei er -
wie Dr. med. M.________ - einen Anteil von 75 % am aktuellen Bild dem Unfall
vom März 1997 zuordnet. In der zusammenfassenden Gesamtbeurteilung geht der
federführende Gutachter, Dr. med. U.________, zwar auch von typischen
Beschwerden nach HWS-Distorsion aus. Er quantifiziert den Anteil der
"psychiatrischen Begleitumstände" aber auf 50 % und beantwortet die Frage, ob
die Gesundheitsstörungen im Zusammenhang mit dem typischen Beschwerdebild
nach HWS-Distorsionstrauma gegenüber allfällig vorhandenen ausgeprägten
psychischen Beschwerden ganz in den Hintergrund getreten seien, mit einem
einfachen "Ja".

Zusammenfassend ergibt sich aus den umfangreichen medizinischen Akten, dass
weder unmittelbar nach dem Unfall noch über einen längeren Zeitraum danach
eine psychische Erkrankung die ausgeprägt vorhandenen typischen Symptome nach
Schleudertrauma überlagert hatte. Das bunte Beschwerdebild war immer
vorhanden. Bei einer solchen Konstellation kann aber kaum davon ausgegangen
werden, die physischen Beeinträchtigungen hätten nur eine untergeordnete
Rolle gespielt und seien damit ganz in den Hintergrund getreten. Vielmehr hat
- entgegen dem Einspracheentscheid und stillschweigend wohl auch der
Vorinstanz - die in BGE 117 V 359 begründete Rechtsprechung zur Anwendung zu
gelangen. Dabei wird auf eine Differenzierung zwischen physischen und
psychischen Komponenten verzichtet (BGE 117 V 359 E. 6a S. 367).

6.
6.1 Die Vorinstanz hat das Unfallereignis vom 15. März 1997 dem mittleren
Bereich im Grenzbereich zu den leichten Unfällen zugeordnet, was auf Grund
der Akten nicht zu beanstanden ist (vgl. RKUV 2003 Nr. U 489 S. 357 E. 4.2 S.
360 mit Hinweisen, U 193/01). Die Adäquanz des Kausalzusammenhangs ist
demnach zu bejahen, falls ein einzelnes der unfallbezogenen Kriterien
(besonders dramatische Begleitumstände oder besondere Eindrücklichkeit des
Unfalls; Schwere oder besondere Art der erlittenen Verletzungen; ungewöhnlich
lange Dauer der ärztlichen Behandlung; Dauerbeschwerden; ärztliche
Fehlbehandlung, welche die Unfallfolgen erheblich verschlimmert; schwieriger
Heilungsverlauf und erhebliche Komplikationen; Grad und Dauer der
Arbeitsunfähigkeit) in besonders ausgeprägter Weise gegeben ist oder die zu
berücksichtigenden Kriterien insgesamt in gehäufter oder auffallender Weise
erfüllt sind (BGE 117 V 359 S. 367 f.). Im gesamten mittleren Bereich kann
ein einziges Kriterium genügen, wenn es in besonders ausgeprägter Weise
erfüllt ist. Trifft dies nicht zu, müssen bei einem Unfall im mittleren
Bereich, der dem Grenzbereich zu den leichten Unfällen zuzuordnen ist, die
weiteren zu berücksichtigenden Kriterien in gehäufter oder auffallender Weise
erfüllt sein (BGE 117 V 359 E. 6b S. 367).

6.2
6.2.1 Der Unfall vom 15. Juli 1997 ereignete sich weder unter dramatischen
Begleitumständen noch ist er als besonders eindrücklich zu bezeichnen.

6.2.2 Das Kriterium der besonderen Schwere oder Art der Verletzung wurde
ursprünglich mit Bezug auf die psychischen Unfallfolgen entwickelt und
betrifft insbesondere die erfahrungsgemässe Eignung einer Verletzung,
psychische Fehlentwicklungen auszulösen (BGE 115 V 140 Erw. 6c/aa).
Übertragen auf die Schleudertraumapraxis hat es dementsprechend als erfüllt
zu gelten, wenn die Unfallverletzung in besonderer Weise geeignet ist, eine
intensive, dem so genannten typischen Beschwerdebild (BGE 119 V 338 Erw. 1,
117 V 360 Erw. 4b, 383 Erw. 4b) entsprechende Symptomatik zu bewirken (vgl.
BGE 117 V 369 oben Erw. 7b). Die Diagnose eines Schleudertraumas vermag zwar
dieses für sich allein nicht zu begründen. Es bedarf hiezu einer besonderen
Schwere der für ein Schleudertrauma typischen Beschwerden oder besondere
Umstände (wie etwa eine ungünstige Körperhaltung; vgl. RKUV 1998 Nr. U 297 S.
245 E. 3c, U 16/97), welche das Beschwerdebild beeinflussen können (Urteil
des Eidgenössischen Versicherungsgerichts U 348/03 vom 7. Juli 2004, E. 4.2
mit Hinweis). Es entspricht der allgemeinen Erfahrung, dass pathologische
Zustände nach HWS-Verletzungen bei erneuter Traumatisierung ausserordentlich
stark exazerbieren können. Eine HWS-Distorsion, welche eine bereits durch
einen früheren versicherten Unfall erheblich vorgeschädigte HWS trifft, ist
demnach speziell geeignet, die "typischen" Symptome hervorzurufen, und
deshalb als Verletzung besonderer Art zu qualifizieren (vgl. in SVR 2007 UV
Nr. 1 veröffentlichtes Urteil S. vom 26. April 2006, U 39/04 mit Hinweis auf
Urteil H. vom 28. Mai 2003 [U 12/03], Erw. 4.2.2 am Ende). Da eine erhebliche
Vorschädigung der HWS durch den Unfall vom 16. Oktober 1995 ausgewiesen ist,
hat dieses Kriterium als erfüllt zu gelten.

6.2.3 Bezüglich der ungewöhnlich langen Dauer der ärztlichen Behandlung ist
eine Behandlungsbedürftigkeit während zwei bis drei Jahren nach einem
Schleudertrauma der HWS oder äquivalenten Verletzungen mit ähnlichem
Beschwerdebild noch als in einem üblichen Rahmen liegend zu betrachten
(Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts U 462/04 vom 13. Februar
2006, E. 2.4.3 mit Hinweisen). Die Versicherte wurde unmittelbar nach dem
Unfall mit der Ambulanz ins Regionalspital C.________ eingewiesen, wo neben
einer Amnesie für das Unfallereignis eine Commotio cerebri und ein HWS-
Distorsionstrauma diagnostiziert wurde. Die Patientin wurde gleichentags ins
Universitätsspital in R.________ eingewiesen, danach am 17. März 1997 ins
Kantonsspital Chur verlegt, wo sie bis am 29. März hospitalisiert blieb. In
der Folge stand die Beschwerdeführerin in ununterbrochener ärztlicher
Behandlung. Auch während der vollen Arbeitsfähigkeit vom Juli 1998 bis Ende
März 1999 wurde sie medikamentös und physiotherapeutisch behandelt. Daneben
fanden auch verschiedene stationäre Behandlungen statt, so vom 13. September
bis 8. Oktober 1999 in der Klinik T.________ und vom 7. März bis 4. April
2000 in der Rehalinik E.________. Gemäss Bericht von Schmerzspezialisten am
Schweizerischen Zentrum N.________ vom 17. Dezember 2001 besteht eine
Notwendigkeit einer medikamentösen Dauertherapie mit verschiedensten
Produkten. Auch die Gutachter der Klinik H.________ gehen in ihrer Expertise
vom 30. Juli 2004 davon aus, dass eine weitere medizinische Behandlung
notwendig ist. Unter diesen Umständen ist eine siebeneinhalb Jahre
übersteigende und damit ungewöhnlich lange Dauer der ärztlichen Behandlung
klar zu bejahen.

6.2.4 Von einer ärztlichen Fehlbehandlung, welche die Unfallfolgen erheblich
verschlimmert hat, ist nichts bekannt.

6.2.5 Gemäss Gutachten vom 30. Juli 2004 leidet die Beschwerdeführerin bei
einem Status nach HWS-Distorsionstrauma 1997 unter anderem an einem
chronifizierten generalisierten Schmerzsyndrom, auch wenn dieses durch
verschiedene zusätzliche Faktoren wie vorbestehende psychische
Schwierigkeiten und einer 1995 erlittenen ersten HWS-Distorsion erheblich
mitunterhalten wird. In Würdigung dieser Sachlage ist das Kriterium der
Dauerbeschwerden gegeben.

6.2.6 Schliesslich ist auch das Kriterium der langandauernden
Arbeitsunfähigkeit erfüllt, nachdem die Beschwerdeführerin seit dem Unfall im
März 1997 - mit Ausnahme einer acht Monate dauernden vollen Arbeitsfähigkeit
vom Juli 1988 bis März 1999 - immer zumindest zu 50 %, meist aber vollständig
arbeitsunfähig war. Dies ist auch unter dem Aspekt zu würdigen, dass ihr von
ärztlicher Seite eher Dissimulation als Aggravation attestiert wird.

6.3 Eine Gesamtwürdigung des Unfallgeschehens und der unfallbezogenen
Kriterien, welche in gehäufter Weise erfüllt sind, ergibt, dass dem Unfall
vom 15. März 1997 für die über den 31. Oktober 2004 hinaus anhaltenden
gesundheitlichen Beeinträchtigungen mit Einschränkung der Arbeits- und
Erwerbsfähigkeit eine massgebende Bedeutung zukommt, weshalb die Adäquanz des
Kausalzusammenhangs, entgegen der Auffassung von Vorinstanz und
Beschwerdegegnerin, zu bejahen ist.

7.
Das Verfahren ist kostenlos (Art. 134 OG). Die obsiegende anwaltlich
vertretene Beschwerdeführerin hat Anspruch auf eine Parteientschädigung zu
Lasten der Beschwerdegegnerin (Art. 159 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 135
OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des
Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden, Kammer 2 als
Versicherungsgericht, vom 7. März 2006 und der Einspracheentscheid der
Schweizerischen Mobiliar Versicherungsgesellschaft vom 15. Juni 2005 werden
aufgehoben.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Die Beschwerdegegnerin hat der Beschwerdeführerin für das Verfahren vor dem
Bundesgericht eine Parteientschädigung von Fr. 2500.- (einschliesslich
Mehrwertsteuer) zu bezahlen.

4.
Das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden, Kammer 2 als
Versicherungsgericht wird über eine Parteientschädigung für das kantonale
Verfahren entsprechend dem Ausgang des letztinstanzlichen Prozesses zu
befinden haben.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons
Graubünden, Kammer 2 als Versicherungsgericht, und dem Bundesamt für
Gesundheit zugestellt.

Luzern, 31. August 2007

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:
i.V.