Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 285/2006
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U 285/06

Urteil vom 11. April 2007

I. sozialrechtliche Abteilung

Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichterinnen Widmer, Leuzinger,
Gerichtsschreiber Lanz.

K. ________, 1964, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Marc
Spescha, Langstrasse 4, 8004 Zürich,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004
Luzern, Beschwerdegegnerin.

Unfallversicherung,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des
Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 26. April 2006.

Sachverhalt:

A.
Der 1964 geborene syrische Staatsangehörige K.________ war zuletzt ab 1.
April 2003 als Hilfsmaurer bei der Firma X.________, tätig und dadurch bei
der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) obligatorisch gegen
Unfallfolgen versichert. Am 7. Juli 2003 stürzte er auf einer Baustelle
rückwärts gegen eine Palette mit Bausteinen und dann zu Boden. Wegen
anhaltender Schmerzen links lumbal begab er sich am 14. Juli 2003 in
Behandlung bei Dr. med. F.________, Spezialarzt Innere Medizin, welcher eine
Kontusion der Lendenwirbelsäule (LWS) diagnostizierte. Bei den in der Folge
vorgenommenen Untersuchungen wurden Diskushernien auf Höhe L4/5 und L5/S1
festgestellt. Die SUVA erbrachte die gesetzlichen Leistungen (Heilbehandlung;
Taggeld). Nach Abklärungen zum Unfallablauf und zum medizinischen Sachverhalt
verneinte sie mit Verfügung vom 28. Mai 2004 einen weiteren Leistungsanspruch
aus dem Unfall vom 7. Juli 2003 ab 12. April 2004. Zur Begründung wurde
ausgeführt, es bestünden keine direkten Unfallfolgen mehr und der "status quo
ante" sei spätestens am 11. April 2004 erreicht gewesen. Soweit noch eine
Beeinträchtigung bestehe, sei diese krankheitsbedingt. Die hierauf vom
obligatorischen Krankenpflegeversicherer des K.________ vorsorglich erhobene
Einsprache wurde wieder zurückgezogen. Die Einsprache des Versicherten wies
die SUVA ab (Einspracheentscheid vom 18. Mai 2005).

B.
Beschwerdeweise beantragte K.________, Heilbehandlung und Taggeld sei auch ab
12. April 2004 zu gewähren; eventuell sei zur Klärung der Kausalitätsfrage
ein Obergutachten einzuholen. Das Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich wies die Beschwerde ab (Entscheid vom 26. April 2006).

C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt K.________ seine vorinstanzlichen
Rechtsbegehren erneuern. Weiter wird um Gewährung der unentgeltlichen
Verbeiständung ersucht.

Die SUVA beantragt die Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, ohne sich
weiter zur Sache zu äussern. Das Bundesamt für Gesundheit verzichtet auf eine
Vernehmlassung.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Am 1. Januar 2007 ist das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni
2005 (BGG; SR 173.110) in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Der
angefochtene Entscheid ist indessen vorher ergangen, weshalb sich das
Verfahren noch nach dem Bundesgesetz über die Organisation der
Bundesrechtspflege vom 16. Dezember 1943 (OG) richtet (Art. 132 Abs. 1 BGG;
BGE 132 V 393 E. 1.2 S. 395).

2.
Streitig und zu prüfen ist, ob der Beschwerdeführer aus dem Unfall vom 7.
Juli 2003 über den 11. April 2004 hinaus Anspruch auf Leistungen der
obligatorischen Unfallversicherung hat.

Die Rechtsgrundlagen für die Beurteilung der Streitsache sind im
angefochtenen Entscheid zutreffend dargelegt. Es betrifft dies insbesondere
die Grundsätze über den für die Leistungspflicht des Unfallversicherers nebst
anderem vorausgesetzten natürlichen Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall
und dem eingetretenen Schaden (Krankheit; Invalidität; Tod; BGE 129 V 177 E.
3.1 S. 181 mit Hinweisen), namentlich auch bei Diskushernien. Danach
entspricht es im Bereich des Unfallversicherungsrechts einer medizinischen
Erfahrungstatsache, dass praktisch alle Diskushernien bei Vorliegen
degenerativer Bandscheibenveränderungen entstehen und ein Unfallereignis nur
ausnahmsweise, unter besonderen Voraussetzungen, als eigentliche Ursache in
Betracht fällt. Wird die Diskushernie durch den Unfall lediglich ausgelöst,
nicht aber verursacht, übernimmt die Unfallversicherung den durch das
Unfallereignis ausgelösten Beschwerdeschub, spätere Rezidive dagegen nur,
wenn eindeutige Brückensymptome gegeben sind (RKUV 2000 Nr. U 379 S. 192, U
138/99; vgl. auch RKUV Nr. U 378 S. 190, U 149/99). Ebenfalls richtig sind
die vorinstanzlichen Erwägungen zum Dahinfallen des Kausalzusammenhanges -
und damit der Leistungspflicht des Unfallversicherers - bei Erreichen des
status quo ante vel sine (RKUV 1994 Nr. U 206 S. 326 E. 3b, 1992 Nr. U 142 S.
75 E. 4b, je mit Hinweisen). Gleiches gilt, soweit ausgeführt wird, dass
sowohl für den leistungsbegründenden natürlichen Kausalzusammenhang als auch
für das Dahinfallen jeder kausalen Bedeutung von unfallbedingten Ursachen,
welches - in dem vom Untersuchungsgrundsatz gesetzten Rahmen - vom
Unfallversicherer zu beweisen ist, der Beweisgrad der überwiegenden
Wahrscheinlichkeit gilt (RKUV 2000 Nr. U 363 S. 45, E. 2, 1994 Nr. U 206
S. 326, E. 3b mit Hinweisen; in der Amtlichen Sammlung nicht publizierte E.
3.1 des Urteils BGE 133 V 57, mit Hinweisen).

3.
3.1 Das kantonale Gericht hat zunächst ausgeführt, eine relevante psychische
Beeinträchtigung durch den Unfall vom 7. Juli 2003 liege nicht vor. Sodann
sei in Bezug auf die Lumbalkontusion der status quo sine am 12. April 2004
erreicht gewesen. Zu prüfen bleibe, ob ein weiterer Leistungsanspruch mit
Beschwerden aus den Diskushernien begründet werden könne.

Gegen diese vorinstanzlichen Erwägungen werden von den Parteien, nach Lage
der Akten zu Recht, keine Einwendungen erhoben.

3.2 Im Weiteren ist das kantonale Gericht zum Ergebnis gelangt, die
Diskushernien stellten einen degenerativ bedingten Vorzustand dar. Dieser sei
durch das Ereignis vom 7. Juli 2003 lediglich vorübergehend und nicht
richtunggebend verschlimmert worden. Der unfallbedingte Beschwerdeschub habe
spätestens am 11. April 2004 geendet, weshalb die SUVA ihre Leistungspflicht
ab 12. April 2004 zu Recht verneint habe.

Der Beschwerdeführer erhebt verschiedene Einwendungen. Diese betreffen
zunächst die Frage, ob der Unfall vom 7. Juli 2003 die Diskushernien als
solche verursacht hat oder nicht. Dabei geht aus der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht zweifelsfrei hervor, ob nach der
Auffassung des Versicherten nun das eine oder das andere zutreffen soll.
Einerseits wird ausgeführt, die Verneinung der Unfallkausalität der
Diskushernien durch die Vorinstanz sei unhaltbar. Anderseits wird gesagt, das
Ereignis vom 7. Juli 2003 habe zwar nicht die Diskushernien an sich
verursacht, aber jedenfalls zu einer richtunggebenden Verschlimmerung
geführt.

3.3 Die Vorinstanz stützt sich bei ihrer Beurteilung namentlich auf den
Austrittsbericht der Rehaklinik Y.________ vom 7. April 2004 und auf die
Ärztliche Beurteilung des Dr. med. L.________, Facharzt FMH für Orthopädische
Chirurgie, FA Manuelle Medizin SMM, von der Abteilung Versicherungsmedizin
der SUVA, vom 3. März 2005.

Gemäss dem Austrittsbericht der Rehaklinik vom 7. April 2004, in der sich der
Versicherte vom 10. - 31. März 2004 zur Abklärung und Rehabilitation
aufgehalten hatte, bewirkte der Unfall vom 7. Juli 2003 eine vorübergehende
Traumatisierung eines degenerativ bedingten Vorzustandes an der LWS und waren
im Zeitpunkt des Klinikaustrittes keine direkten Unfallfolgen mehr
nachweisbar. Die persistierende Symptomatik wird mit einem rechts-betonten
lumbospondylogenen Schmerzsyndrom und einem - nicht krankheitswertigen -
dysfunktionalen Überzeugungs- und Bewältigungsmuster erklärt. Auch Dr. med.
L.________ gelangte gemäss der Ärztlichen Beurteilung vom 3. März 2005 zum
Ergebnis, dass ab 12. April 2004 nurmehr höchstens fragliche, nicht aber
wahrscheinliche Unfallfolgen vorgelegen hätten. Die Terminierung der
Unfallversicherungsleistungen per 12. April 2004 sei korrekt.

3.4 Der Austrittsbericht der Rehaklinik Y.________ vom 7. April 2004 und die
in den wesentlichen Punkten mit diesem übereinstimmende Ärztliche Beurteilung
des Dr. med. L.________ vom 3. März 2005 beruhen auf den Ergebnissen
verschiedenartiger, auch bildgebender Untersuchungen. Die von den
Klinikärzten und dem Versicherungsmediziner, welcher auch die massgeblichen
medizinischen Lehrmeinungen und Erfahrungswerte nachvollziehbar darlegt,
daraus gezogenen Schlussfolgerungen sind einlässlich und überzeugend
begründet. Die Vorinstanz hat die Berichte daher zu Recht als beweiskräftig
angesehen (vgl. BGE 125 V 351 E. 3a S. 352 mit Hinweis) und darauf
abgestellt.

Der Versicherte beruft sich zur Stützung seiner abweichenden Auffassung
namentlich auf die verschiedenen im Einsprache- und Beschwerdeverfahren sowie
letztinstanzlich aufgelegten Stellungnahmen des von ihm beigezogenen Dr. med.
H.________, Facharzt FMH für Neurologie, Computer-Tomographie. Dieser
bestätigt, dass im Bereich der Bandscheibenschäden Verkalkungen vorliegen.
Diese seien vorbestanden und nicht unfallkausal. Der Unfall vom 7. Juli 2003
habe aber Veränderungen im Bereich der Weichteile der Diskushernie und damit
eine richtunggebenden Verschlimmerung bewirkt, welche sich in den
persistierenden Beschwerden manifestiere.

Dr. med. H.________ stellt bei diesen Aussagen zunächst auf einen Vergleich
der Ergebnisse mehrerer mittels MRT und CT durchgeführter Untersuchungen ab.
Weiter begründet er die Annahme einer unfallbedingten richtunggebenden
Verschlimmerung namentlich damit, dass im Bereich der Diskushernien vor dem
Unfall vom 7. Juli 2003 keine Beschwerden aufgetreten seien. Die von Dr. med.
H.________ für massgeblich erachteten bildgebenden Untersuchungen sind
indessen erst nach dem Unfall durchgeführt worden. Aus der Zeit vor dem
Ereignis vom 7. Juli 2003 liegen keine entsprechenden Unterlagen vor. Das
kantonale Gericht hat richtig erkannt, dass sich unter diesen Umständen den
vorhandenen Untersuchungsergebnissen keine zuverlässigen Anhaltspunkte für
eine unfallbedingte Veränderung im Bereich der Bandscheiben entnehmen lassen.
Dies stellt entgegen der in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde geäusserten
Ansicht keine unzulässige Beweiswürdigung zu Lasten des Versicherten dar. Es
kann daher auch mit der Vorinstanz offen gelassen werden, ob sich die Befunde
gemäss den einzelnen MRT- und CT-Untersuchungen überhaupt wesentlich
unterscheiden, was Dr. med. L.________ abweichend von Dr. med. H.________
verneint. Im Weiteren ist für die Frage der streitigen kausalen Zusammenhänge
auch dann nichts gewonnen, falls vor dem Ereignis vom 7. Juli 2003
tatsächlich keine Beschwerden im Bereich der LWS aufgetreten wären. Die
natürliche Unfallkausalität kann nämlich nicht bereits aufgrund des Umstands
bejaht werden, dass der Gesundheitsschaden nach dem Unfall auftrat,
andernfalls nach der beweisrechtlich unzureichenden Formel "post hoc, ergo
propter hoc" verfahren würde (BGE 119 V 335 E. 2b/bb S. 341 f.; RKUV 2003
Nr. U 489 S. 357, U 193/01, E. 3.2).

Die genannten Aussagen des Dr. med. H.________ vermögen somit, die auf den
überzeugenden Austrittsbericht der Rehaklinik vom 7. April 2004 und die
ebenfalls schlüssige Ärztliche Beurteilung des Dr. med. L.________ vom 3.
März 2005 gestützten Erkenntnisse im angefochtenen Entscheid nicht in Frage
zu stellen. Festzuhalten bleibt mit der Vorinstanz, dass der rechtserhebliche
medizinische Sachverhalt genügend abgeklärt ist, weshalb von weiteren
Beweismassnahmen abzusehen ist. Der angefochtene Entscheid, der die
Verneinung eines weiteren Leistungsanspruchs über den 11. April 2004 hinaus
durch die SUVA bestätigt, ist somit rechtens.

4.
Das Verfahren ist kostenfrei (Art. 134 OG). Die unentgeltliche Verbeiständung
kann dem Beschwerdeführer gewährt werden (Art. 152 in Verbindung mit Art. 135
OG), da die Bedürftigkeit aktenkundig ist, die Verwaltungsgerichtsbeschwerde
nicht als aussichtslos zu bezeichnen und die Vertretung geboten war (BGE 125
V 201 E. 4a S. 202 und 371 E. 5b S. 372, je mit Hinweisen). Es wird indessen
ausdrücklich auf Art. 152 Abs. 3 OG aufmerksam gemacht, wonach die
begünstigte Partei der Gerichtskasse Ersatz zu leisten haben wird, wenn sie
später dazu im Stande ist.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege wird Rechtsanwalt Marc
Spescha, Zürich, für das Verfahren vor dem Bundesgericht aus der
Gerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 2500.- (einschliesslich
Mehrwertsteuer) ausgerichtet.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit zugestellt.

Luzern, 11. April 2007

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
i.V.