Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 277/2006
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U 277/06

Urteil vom 29. Mai 2007

I. sozialrechtliche Abteilung

Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichter Lustenberger, Bundesrichterin Leuzinger,
Gerichtsschreiber Scartazzini.

Schweizerische Mobiliar Versicherungsgesellschaft, Bundesgasse 35, 3011 Bern,
Beschwerdeführerin, vertreten durch Fürsprecher René W. Schleifer,
Stampfenbachstrasse 42, 8006 Zürich,

gegen

M.________, 1972, Beschwerdegegnerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Stefan
Mattmann, Murbacherstrasse 3, 6003 Luzern.

Unfallversicherung,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des
Kantons Luzern vom 2. Mai 2006.

Sachverhalt:

A.
Die 1972 geborene M.________ zog sich anlässlich einer Auffahrkollision vom
6. Juni 2001 eine schleudertraumaähnliche Verletzung der Halswirbelsäule zu.
Nachdem die Schweizerische Mobiliar Versicherungsgesellschaft (nachfolgend:
Mobiliar), bei welcher sie gegen die Folgen von Berufs- und
Nichtberufsunfällen versichert ist, die Heilbehandlung übernommen und
Taggeldleistungen erbracht hatte, teilte der Unfallversicherer ihr mit
Verfügung vom 3. Mai 2004 mit, es lägen bezüglich des Heilverlaufs und der
Erwerbsunfähigkeit keine Unfallfolgen mehr vor, sodass seine Leistungspflicht
ab 29. September 2003 dahinfalle. Dies bestätigte die Mobiliar mit
Einspracheentscheid vom 24. November 2004, wobei sie den adäquaten
Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall und den noch vorhandenen
Gesundheitsschäden verneinte.

B.
Die dagegen erhobene Beschwerde hiess das Verwaltungsgericht des Kantons
Luzern mit Entscheid vom 2. Mai 2006 in dem Sinne gut, dass die Sache zur
ergänzenden Abklärung des rechtserheblichen Sachverhaltes und zur neuen
Verfügung an die Mobiliar zurückgewiesen wurde.

C.
Die Mobiliar führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde und beantragt die Aufhebung
des kantonalen Entscheides.

M.________ lässt auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliessen,
während das Bundesamt für Gesundheit auf eine Vernehmlassung verzichtet.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (BGG; SR 173.110)
ist am 1. Januar 2007 in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Da der
angefochtene Entscheid vorher ergangen ist, richtet sich das Verfahren noch
nach OG (Art. 132 Abs. 1 BGG; BGE 132 V 393 Erw. 1.2 S. 395).

2.
Das kantonale Gericht hat die für die Leistungspflicht des Unfallversicherers
massgeblichen Gesetzesbestimmungen und die für die Beurteilung der Frage der
Kausalität rechtsprechungsgemäss geltenden Grundsätze zutreffend dargelegt.
Darauf wird verwiesen.

3.
3.1 Das kantonale Gericht ist aufgrund der in den Akten liegenden Berichte
(Dres. med. W.________, P.________, E.________ und S.________) davon
ausgegangen, dass ein natürlicher Kausalzusammenhang zwischen der Distorsion
der Halswirbelsäule vom 6. Juni 2001 und der Migräne nicht als überwiegend
wahrscheinlich nachgewiesen sei. Hingegen sei aufgrund der durch Dr. med.
S.________ erhobenen objektiven organischen Befunde der natürliche
Kausalzusammenhang zwischen der Distorsion der Halswirbelsäule vom 6. Juni
2001 und dem Zervikalsyndrom mit überwiegender Wahrscheinlichkeit gegeben.
Dieses "myofasziale Zervikalsyndrom" dauere an, mithin organisch nachweisbare
Unfallfolgen, welche rechtsprechungsgemäss als adäquat-kausal gelten. Damit
erübrigten sich zusätzliche Erörterungen biomechanischer und
unfallanalytischer Natur. Die Mobiliar sei für die erwähnten organischen
Unfallfolgen leistungspflichtig, soweit sie weiterhin behandlungsbedürftig
seien oder eine Arbeitsunfähigheit begründeten, was bisher nicht geprüft
worden und nun - im Hinblick auf die durch Dr. med. S.________ gestellte
Verdachtsdiagnose auf Defizite der kognitiven Funktionen und die
diagnostizierte posttraumatische Belastungsstörung - vorab durch eine
neuropsychologische Untersuchung nachzuholen sei.

3.2 Beigepflichtet werden kann der Vorinstanz in der Interpretation der
Ausführungen des Dr. med. S.________, soweit dieser Arzt eine auffallende
Schmerzhaftigkeit der Kopfreklination und einen erhöhten Hartspann der
Schultergürtelmuskulatur rechts betont sowie deutliche Druckdolenzen der
Muskelansätze am Hinterhaupt rechts betont im Rahmen der klinischen
Untersuchung erhoben und diagnostiziert hat. Hiebei handelt es sich um
organisch gesicherte Unfallfolgen im Sinne der Rechtsprechung, bei deren
Vorliegen einerseits der natürliche Kausalzusammenhang als ausgewiesen
angenommen und andererseits auf eine Prüfung der adäquaten Kausalität im
praktischen Ergebnis verzichtet werden darf (vgl. statt vieler BGE 118 V
286). Insoweit ist der vorinstanzliche Rückweisungsentscheid zu bestätigen.
Beizupflichten ist der Vorinstanz weiter darin, dass die Migräne keine
Unfallfolge ist. Hingegen ist der durch Dr. med. S.________ diagnostizierten
posttraumatischen Belastungsstörung, entgegen der vorinstanzlichen
Auffassung, nicht weiter nachzugehen, fehlen doch hiefür eindeutig die
klinisch-diagnostischen Kriterien (ICD-10 Kapitel V, Klinisch-diagnostische
Leitlinien, Hrsg. von Dilling/Monbour/Schmidt, 4. Auflage,
Bern/Göttingen/Toronto/Seattle, 2000, F43.1 S. 169 f.).

4.
Bei diesem Verfahrensausgang hat die teilweise obsiegende Beschwerdegegnerin
Anspruch auf eine Parteientschädigung (Art. 159 OG). Das Verfahren ist
kostenfrei (Art. 134 Abs. 1 OG in der seit 1. Juli 2006 gültigen Fassung).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
In teilweiser Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird der
Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern vom 2. Mai 2006
bezüglich der posttraumatischen Belastungsstörung aufgehoben. Im übrigen wird
die Verwaltungsgerichtsbeschwerde abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Die Schweizerische Mobiliar Versicherungsgesellschaft hat der
Beschwerdegegnerin für das Verfahren vor dem Bundesgericht eine
Parteientschädigung von Fr. 2'000.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu
bezahlen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für Gesundheit
zugestellt.

Luzern, 29. Mai 2007
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: