Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 274/2006
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Prozess {T 7}
U 274/06

Urteil vom 16. November 2006
III. Kammer

Präsident Ferrari, Bundesrichter Meyer und Lustenberger; Gerichtsschreiber
Krähenbühl

D.________, 1957, Deutschland, Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Michael Kösters,
An der Untertrave 81-83, DE-23552 Lübeck,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004
Luzern, Beschwerdegegnerin

Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Bern

(Entscheid vom 24. April 2006)

Sachverhalt:

A.
Der 1957 geborene tunesische Staatsangehörige D.________ erlitt am 9. Januar
1985 eine vordere Schulterluxation rechts, welche eine operative Behandlung
im Spital X.________ in R.________/CH erforderlich machte. Am 9. September
1985 zog er sich eine Quetschverletzung der Langfinger III und IV der rechten
Hand zu, was zu einer Amputation im Bereich der Mittelphalanx führte. Die
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA) sprach ihm im Hinblick auf
die Folgen des zweiten Unfalles eine 10%ige Integritätsentschädigung zu. Nach
einer ersten Rückfallmeldung im Sommer 1991 erhöhte die SUVA mit Verfügung
vom 24. Juli 1992 die bisher ausgerichtete Integritätsentschädigung wegen der
vom ersten Unfall herrührenden Schulterbeschwerden auf 15 %. Mit Verfügung
vom 15. Oktober 1996, bestätigt durch Einspracheentscheid vom 24. Februar
1997, sprach sie dem Versicherten nach einer 1995 erfolgten zweiten
Rückfallmeldung rückwirkend ab 1. Februar 1996 eine 15%ige Invalidenrente zu.
Auf Beschwerde hin erhöhte das Verwaltungsgericht des Kantons Bern die Rente
mit in Rechtskraft erwachsenem Entscheid vom 24. Februar 1998 auf 20 %.

Mit bei der SUVA am 13. Dezember 1999 eingegangenem Schreiben ersuchte
D.________ um eine Erhöhung seiner Rente, weil sich der Invaliditätsgrad
wesentlich verändert habe. Nach Einsichtnahme in mehrere Berichte des
behandelnden Arztes Dr. med. E.________, N.________/D, und einer
kreisärztlichen Abschlussuntersuchung durch Dr. med. G.________ vom 9. Januar
2001 erhöhte die Anstalt die Integritätsentschädigung mit Verfügung vom 26.
Februar 2001 um 5 % auf 20 %; gleichzeitig lehnte sie die beantragte
Rentenerhöhung ab. Auf Einsprache hin holte sie in der Universitätsklinik
Y.________  in U.________/CH ein Gutachten vom 15. Oktober/17. November 2003
ein. Auf Grund der dortigen Empfehlungen veranlasste sie an der
Universitätsklinik S.________ in L.________/D eine nuklearmedizinische
Begutachtung (Befundbericht vom 12. Januar 2004 über eine am 6. Januar 2004
erstellte Szintigraphie) sowie eine elektrophysiologische Zusatzexpertise
(vom 6. Februar 2004). Des Weitern erfolgte am 3. Februar 2005 in der
Universitätsklinik Y.________ eine Arthroskopie mit Biopsieentnahme, worauf
infolge eines festgestellten Low Grade-Infekts eine antibiotische Behandlung
in die Wege geleitet wurde. Obschon diese bezüglich der geklagten Schmerzen
keinen Erfolg zeitigte, wies die SUVA die Einsprache mit Entscheid vom
15. September 2005 ab.

B.
Die hiegegen erhobene Beschwerde mit den Begehren um eine höhere
Invalidenrente und eine höhere Integritätsentschädigung, eventuell um eine
Berufserprobung mit Abklärung des funktionellen Leistungsvermögens, wies das
Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit Entscheid vom 24. April 2006 ab.

C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt D.________ seine im kantonalen
Verfahren gestellten Begehren erneuern.

Die SUVA schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das
Bundesamt für Gesundheit verzichtet auf eine Vernehmlassung.

D.
Mit Eingabe vom 7. November 2006 ersucht D.________ um eine Sistierung des
Verfahrens bis zum Vorliegen eines Berichts des Klinikums H.________/D über
die allfällige Notwendigkeit eines wegen der seinerzeit erlittenen
Fingerverletzungen erforderlichen operativen Eingriffs.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Das kantonale Gericht hat die Voraussetzungen für eine Rentenrevision (Art.
17 Abs. 1 ATSG) und die hiezu noch vor Inkrafttreten des ATSG auf den 1.
Januar 2003 ergangene, weiterhin geltende (BGE 130 V 350 Erw. 3.5.2 und 352
Erw. 3.5.4) Rechtsprechung (BGE 130 V 349 Erw. 3.5, 125 V 369 Erw. 2, 117 V
199 Erw. 3b, 112 V 372 Erw. 2b) zutreffend dargelegt. Richtig sind auch die
Ausführungen über die Bedeutung ärztlicher Stellungnahmen zur
Arbeitsfähigkeit im Rahmen der Invaliditätsbemessung (BGE 125 V 261 Erw. 4,
115 V 134 Erw. 2) sowie die bei der Würdigung medizinischer Berichte von
Fachärzten einerseits und von Hausärzten andererseits zu beachtenden
Grundsätze (BGE 125 V 353 Erw. 3b/cc, 122 V 160 Erw. 1c, 120 V 160 Erw. 1c).
Dasselbe gilt hinsichtlich des bei Sachverhaltsannahmen erforderlichen
Beweisgrades der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (BGE 126 V 360 Erw. 5b, 125
V 195 Erw. 2), der Zulässigkeit eines Verzichts auf die Abnahme weiterer
Beweise (BGE 124 V 94 Erw. 4b, 122 V 162 Erw. 1d) und der Beurteilung einer
allfälligen Befangenheit von Sachverständigen (BGE 120 V 365 Erw. 3a; vgl.
auch BGE 127 I 198 Erw. 2b). Seitens des Eidgenössischen
Versicherungsgerichts nichts beizufügen ist ferner der vorinstanzlichen
Darlegung der rechtlichen Grundlagen für den Anspruch auf eine
Integritätsentschädigung und deren Bemessung (Art. 24 Abs. 1 und 2, Art. 25
Abs. 1 und 2 UVG in Verbindung mit Art. 36 Abs. 1 und 2 UVV sowie Anhang 3
zur UVV; BGE 124 V 35 Erw. 3c, 116 V 157 Erw. 3, 115 V 147 Erw. 1, 113 V 219
Erw. 2a und 221 Erw. 4b; zur nur ausnahmsweise möglichen Revision der
Integritätsentschädigung vgl. Art. 36 Abs. 4 UVV).

2.
2.1 Bei der Prüfung, ob eine für den Rentenanspruch relevante Veränderung der
gesundheitlichen und/oder der erwerblichen Verhältnisse vorliegt, hat die
Vorinstanz richtigerweise die tatsächlichen Gegebenheiten im Zeitpunkt des
Einspracheentscheids vom 24. Februar 1997, in welchem der verfügungsweise
bereits auf 15 % festgesetzte - und  im nachfolgenden kantonalen
Beschwerdeverfahren auf 20 % erhöhte - Invaliditätsgrad bestätigt worden war,
denjenigen am 15. September 2005 gegenübergestellt, als die SUVA eine
Erhöhung des Invaliditätsgrades auf Einsprache hin verweigerte (vgl. BGE
109 V 265 Erw. 4a; siehe auch BGE 130 V 75 Erw. 3.2.3). Insbesondere gestützt
auf das Gutachten der Universitätsklinik Y.________ vom 17. November 2003,
welchem sie - was sich nicht beanstanden lässt - vollen Beweiswert
zuerkannte, gelangte sie zum Schluss, dass eine Veränderung der
gesundheitlichen Verhältnisse und des Zumutbarkeitsprofils gegenüber dem
Vergleichszeitpunkt im Jahre 1997 nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit
nachgewiesen und dementsprechend die Voraussetzungen für eine Rentenrevision
nicht gegeben seien.

2.2 Dieser Betrachtungsweise ist vollumfänglich beizupflichten. Die
abweichende Beurteilung des in Deutschland aufgesuchten Dr. med. E.________,
der eine Erhöhung der Rente auf 30 % als angezeigt erachtete, vermag daran
aus den vom kantonalen Gericht angeführten Gründen nichts zu ändern, zumal
der Arzt lediglich die gesundheitlichen Beeinträchtigungen und die noch
zumutbaren Tätigkeiten zu bezeichnen, nicht aber das Rentenausmass
festzulegen hat. Soweit in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vorgebracht
wird, mit dem Auffinden einer "Low Grade-Infektion" sei die Ursache für die
Schmerzproblematik gefunden worden, ist festzuhalten, dass allein daraus
nicht auf ein gesteigertes Ausmass der Schmerzen und damit eine
Verschlimmerung des Gesundheitszustandes im massgebenden Vergleichszeitraum
geschlossen werden kann. Zwar mögen die Ausführungen im Schreiben der
Universitätsklinik Y.________ vom 18. Oktober 2004, wonach ohne
Biopsieentnahme zwecks Nachweises eines für die Schmerzen ursächlichen
Infekts davon auszugehen sei, dass kein solcher vorliege und aus
medizinischer Sicht maximal eine funktionelle Einschränkung von 10 % bestehe,
beim Beschwerdeführer den (falschen) Eindruck erweckt haben, der Nachweis
eines Infekts belege auch das Vorliegen einer Veränderung. Ausschlaggebend
bleibt indessen die auch im Wissen um die neue Erkenntnis unverändert
gebliebene ärztliche Einschätzung des Leistungsvermögens durch die
Universitätsklinik Y.________ vom 21. Juni 2005. Wie schon im
Einspracheentscheid vom 15. September 2005 ausgeführt wird, kann denn
zumindest auch nicht ausgeschlossen werden, dass der neu entdeckte Infekt
schon anlässlich der erstmaligen Rentenzusprache Grund der geklagten
Schmerzen bildete.

3.
3.1 Bezüglich der beantragten Erhöhung der Integritätsentschädigung verglich
die Vorinstanz den Gesundheitsschaden im Zeitpunkt des Einspracheentscheids
vom 15. September 2005 mit demjenigen im Zeitpunkt der am 24. Juli 1992
verfügungsweise erfolgten Anerkennung eines entschädigungsberechtigenden
Integritätsschadens von 15 %. Sie befand - wiederum gestützt auf die
Ausführungen der Universitätsklinik Y.________ vom 21. Juni 2005 - dass wegen
der Schulterproblematik von einer maximalen funktionellen Einschränkung von
10 % auszugehen sei. Überdies warf sie sogar die Frage auf, ob die
Entwicklung ab 24. Juli 1992 bis zum Verfügungserlass vom 26. Februar 2001
überhaupt eine 5%ige Erhöhung der Integritätsentschädigung zu rechtfertigen
vermochte, prüfte diesen Aspekt aber nicht weiter, da eine Schlechterstellung
des Beschwerdeführers angesichts des sich über Jahre hinziehenden
Einspracheverfahrens als unbillig erscheinen würde.

3.2 Auch gegen diese Erwägungen ist seitens des Eidgenössischen
Versicherungsgerichts nichts einzuwenden. Die Vorbringen in der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde jedenfalls, in welcher zwar eine
Verschlechterung des Gesundheitszustandes behauptet, nicht aber konkret
dargelegt wird, worin diese bestehen soll, führen nicht zu einer abweichenden
Betrachtungsweise. Auf den Einwand, die Festsetzung des Integritätsschadens
habe von Anfang an auf falschen Grundlagen beruht, ist nicht weiter
einzugehen, da die ursprüngliche Leistungszusprache längst rechtskräftig
geworden ist.

4.
Die eventualiter beantragte Berufserprobung mit Abklärung des funktionellen
Leistungsvermögens erübrigt sich unter diesen Umständen. Auch die am 7.
November 2006 beantragte Sistierung ist - soweit prozessual überhaupt
zulässig - abzulehnen, da auf die Verhältnisse bis zum Erlass des
Einspracheentscheids vom 15. September 2005 abzustellen ist und eine auf die
1985 erlittene Fingeramputation zurückzuführende Veränderung des
Gesundheitszustandes bis dahin gar nicht zur Diskussion stand, sodass
zunächst die SUVA über allfällige leistungsrelevante Auswirkungen wird
befinden müssen.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Das Sistierungsbegehren wird abgewiesen.

2.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

3.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für Gesundheit
zugestellt.

Luzern, 16. November 2006

Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der III. Kammer: Der Gerichtsschreiber: