Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 263/2006
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U 263/06

Urteil vom 23. Juli 2007

I. sozialrechtliche Abteilung

Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichterinnen Widmer, Leuzinger,
Gerichtsschreiberin Kopp Käch.

F. ________, 1970, Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Bruno Krummenacher, Brünigstrasse 164,
6060 Sarnen,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1,
6004 Luzern, Beschwerdegegnerin.

Unfallversicherung,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des
Kantons Obwalden
vom 20. April 2006.

Sachverhalt:

A.
Die 1970 geborene F.________ war seit 1991 als kaufmännische Angestellte bei
der Firma A.________ tätig und bei der Schweizerischen
Unfallversicherungsanstalt (SUVA) gegen die Folgen von Berufs- und
Nichtberufsunfällen versichert. Seit 1995 war F.________ zeitweise in
physiotherapeutischer Behandlung wegen Nackenproblemen und seit 1998 litt sie
zudem gehäuft an Kopfschmerzen. Am 10. November 1999 erlitt sie eine
Auffahrkollision, bei welcher ein Lastwagen in ihren stehenden Personenwagen
prallte. F.________ galt ab 16. November 1999 wieder als arbeitsfähig,
unternahm jedoch in dieser Zeit eine dreiwöchige Schiffsreise und liess sich
auf dem Schiff physiotherapeutisch behandeln. Diese Behandlung wurde von der
Unfallversicherung bezahlt. Da die Versicherte nach ihrer Rückkehr nach wie
vor an Rücken- und Nackenbeschwerden litt, liess sie sich an einen
Chiropraktor überweisen, wobei die entsprechenden Behandlungskosten von der
Krankenkasse übernommen wurden. Im Frühjahr 2002 machte die Firma A.________
eine Rückfallmeldung bei der SUVA. Seit Januar 2003 besteht eine teilweise
Arbeitsunfähigkeit zwischen 50 % und 100 %.
Gestützt auf eine persönliche Besprechung mit F.________, auf verschiedene
Arztberichte sowie eine Beurteilung des Kreisarztes Dr. med. B.________ vom
16. Oktober 2002 verneinte die SUVA mit Verfügung vom 21. Mai 2003 eine
Leistungspflicht der Unfallversicherung. An ihrem Standpunkt hielt sie mit
Einspracheentscheid vom 12. August 2004 fest.

B.
Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons
Obwalden mit Entscheid vom 20. April 2006 ab.

C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt F.________ beantragen, die Sache sei
zum neuen Entscheid an die SUVA zurückzuweisen mit der Weisung, ihr die
gesetzlichen Versicherungsleistungen auszurichten. Sie lässt ein von der
IV-Stelle Obwalden eingeholtes Gutachten der Medizinischen Abklärungsstelle
(MEDAS) des Spitals X.________ vom 22. Dezember 2005 zu den Akten geben.
Die SUVA schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das
Bundesamt für Gesundheit verzichtet auf eine Vernehmlassung.

D.
Am 23. Juli 2007 hat das Bundesgericht eine parteiöffentliche Beratung
durchgeführt.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Am 1. Januar 2007 ist das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni
2005 (BGG; SR 173.110) in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Damit wurden
das Eidgenössische Versicherungsgericht und das Bundesgericht in Lausanne zu
einem einheitlichen Bundesgericht (an zwei Standorten) zusammengefügt
(Seiler/von Werdt/Güngerich, Bundesgerichtsgesetz [BGG], Bern 2007, S. 10
Rz 75) und es wurden die Organisation und das Verfahren des obersten Gerichts
umfassend neu geregelt. Dieses Gesetz ist auf die nach seinem Inkrafttreten
eingeleiteten Verfahren des Bundesgerichts anwendbar, auf ein
Beschwerdeverfahren jedoch nur dann, wenn auch der angefochtene Entscheid
nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes ergangen ist (Art. 132 Abs. 1 BGG). Da
der kantonale Gerichtsentscheid vor dem 1. Januar 2007 erlassen wurde,
richtet sich das Verfahren nach dem bis 31. Dezember 2006 in Kraft
gestandenen Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege (OG)
vom 16. Dezember 1943 (vgl. BGE 132 V 393 E. 1.2 S. 395).

2.
Die Vorinstanz hat die Bestimmungen und Grundsätze über die zeitliche
Anwendbarkeit des seit 1. Januar 2003 in Kraft stehenden Bundesgesetzes über
den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000
(BGE 130 V 445) und über den Anspruch auf Leistungen der obligatorischen
Unfallversicherung (Art. 6 Abs. 1 UVG) sowie die Rechtsprechung zu dem für
die Leistungspflicht des Unfallversicherers vorausgesetzten natürlichen
Kausalzusammenhang (BGE 129 V 177 E. 3.1 S. 181 mit Hinweisen) und zum
Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (BGE 126 V 353 E. 5b S. 360)
zutreffend dargelegt. Im Einspracheentscheid sind sodann die Bestimmungen und
Grundsätze zum Leistungsanspruch bei Rückfällen und Spätfolgen (Art. 11 UVV;
BGE 118 V 293 E. 2c S. 296) richtig wiedergegeben. Darauf kann verwiesen
werden.

3.
3.1 Die SUVA ging davon aus, dass die mit der Rückfallmeldung geklagten
Beschwerden in Anbetracht der vorbestehenden Kopf- und Nackenbeschwerden
krankhafter Natur seien und damit die Rückfallkausalität nur als möglich
anzusehen sei. Sie erachtete den natürlichen Kausalzusammenhang als nicht
gegeben.

3.2 Das kantonale Gericht hielt zunächst fest, dass die Beschwerdeführerin
nach dem Unfall nie beschwerdefrei gewesen sei, weshalb weder von einem
Rückfall noch von Spätfolgen ausgegangen werden könne. Es verneinte dann aber
auch das Vorliegen eines natürlichen Kausalzusammenhangs.

3.3 Die Beschwerdeführerin geht mit der Vorinstanz davon aus, dass es sich
nicht um einen Rückfall, sondern um ein Fortdauern der seit dem Unfall
aufgetretenen Beschwerden handelt. Wohl habe sie an vorbestehenden Schmerzen
gelitten, doch hätten sich die bestehenden Beschwerden durch den Unfall
verstärkt und seien verschiedene Beschwerden überhaupt erst nach dem Unfall
aufgetreten.

4.
4.1 Die Versicherte litt bereits vor dem Unfall an Nacken- und Kopfschmerzen
und war deswegen in Abklärung und Behandlung. Nach der Auffahrkollision vom
10. November 1999 galt sie bis 16. November 1999 zu 100 % arbeitsunfähig und
unternahm anschliessend eine dreiwöchige Schiffsreise. Dr. med. M.________
hatte der Versicherten am 15. November 1999 neun Physiotherapiebehandlungen
verordnet, welchen sie sich auf dem Schiff unterzog. Nach ihrer Rückkehr war
die Beschwerdeführerin wieder vollumfänglich arbeitsfähig. Bei der
Unfallversicherung machte sie ausser der Übernahme der Kosten für die
Physiotherapie auf dem Schiff keine weiteren Leistungen geltend, sondern
gelangte für die Behandlungskosten der nach wie vor bestehenden Rücken- und
Nackenbeschwerden - wie vor dem Unfall - an die Krankenkasse. Am 4. Januar
2000 teilte die SUVA der Versicherten telefonisch mit, sie sei
entgegenkommenderweise bereit, die physiotherapeutische Behandlung auf dem
Schiff zu übernehmen. Damit war für sie der (Grund)Fall abgeschlossen. Wenn
die Versicherte - nach vollumfänglicher Wiederaufnahme der Berufstätigkeit im
Anschluss an die Schiffsreise und ohne Geltendmachung weiterer Ansprüche
gegenüber der SUVA - über zwei Jahre später mit einer Rückfallmeldung wieder
an die Unfallversicherung gelangt, ist dies - entgegen der Auffassung der
Vorinstanz und der Beschwerdeführerin - effektiv als Rückfall zu betrachten.
Dies hat zur Folge, dass für eine erneute Leistungspflicht der
Unfallversicherung das Vorliegen eines natürlichen Kausalzusammenhanges
zwischen dem geklagten Beschwerdebild und dem Unfall mit dem Beweisgrad der
überwiegenden Wahrscheinlichkeit nachgewiesen sein muss.

4.2 Das kantonale Gericht hat in umfassender Würdigung der medizinischen
Aktenlage sorgfältig und überzeugend dargelegt, dass der für eine
Leistungspflicht der Unfallversicherung erforderliche natürliche
Kausalzusammenhang zwischen den geklagten Beschwerden und dem Unfall vom
10. November 1999 nicht mit dem Beweisgrad der überwiegenden
Wahrscheinlichkeit gegeben ist. Auf die entsprechenden Erwägungen kann
verwiesen werden. Daran vermögen die Vorbringen in der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde nichts zu ändern. Wie bereits im kantonalen
Verfahren räumt die Beschwerdeführerin das Bestehen eines krankhaften
Vorzustandes ein, macht jedoch geltend, verschiedene Beschwerden seien erst
nach dem Unfall aufgetreten und bestehende Beschwerden seien durch das
Ereignis massiv verstärkt worden. Was zunächst die Kopfschmerzen anbelangt,
ist mit der Vorinstanz darauf hinzuweisen, dass Dr. med. S.________
anlässlich einer neurologischen Untersuchung im September 1999 - kurz vor dem
Unfall - chronische Spannungskopfschmerzen mit dringendem Verdacht auf
medikamenteninduzierten Dauerkopfschmerz diagnostiziert hatte. Gemäss seinem
Bericht vom 28. September 1999 litt die Patientin bereits seit zwei Jahren an
vermehrten Kopfschmerzen, wobei sie seit Juni 1999 täglich auftraten, und
wirkte sie sehr depressiv. Wie das kantonale Gericht in seinem Entscheid
aufgezeigt hat, wurden in den verschiedenen, nach dem Unfall erstellten
medizinischen Berichten grossmehrheitlich ebenfalls Spannungskopfschmerzen
festgestellt und hat die behandelnde Ärztin Dr. med. G.________ dem Kreisarzt
Dr. med. B.________ am 24. Oktober 2002 gar das Verschwinden der
Kopfschmerzen mitgeteilt. Von einer negativen Veränderung der Kopfschmerzen
seit dem Unfall kann keine Rede sein. Wegen der Nackenschmerzen sodann war
die Versicherte 1995, 1997 und 1998 in physiotherapeutischer Behandlung.
Selbst wenn von einer Verschlimmerung dieser Schmerzen auszugehen ist, kann
diese - wie die Vorinstanz überzeugend dargelegt hat - in Anbetracht der in
den verschiedenen Berichten festgehaltenen, erheblichen vorbestehenden
Beschwerden nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf den Unfall
zurückgeführt werden. Entgegen den Ausführungen in der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde hielt Dr. med. M.________ in seinem Bericht vom
14. August 2002 nicht fest, "der Unfall habe zumindest eine richtungsgebende
Verschlimmerung eines krankhaften Vorzustandes bewirkt", sondern schrieb,
"ein Zusammenhang mit dem Unfallereignis sei anzunehmen, zumindest eine
richtungsgebende Verschlimmerung eines krankhaften Vorzustandes", was in
Würdigung der gesamten Aktenlage für den Beweisgrad der überwiegenden
Wahrscheinlichkeit nicht ausreicht. Bezüglich der thorakolumbalen Schmerzen
schliesslich ist nicht zu beanstanden, dass das kantonale Gericht diese
gestützt auf die medizinischen Berichte als sekundäre Beschwerden wertete,
auf unfallfremde Faktoren der Rückenprobleme hinwies und eine überwiegend
wahrscheinliche Unfallkausalität verneinte. Zu keinem andern Ergebnis führt
das von der IV-Stelle Obwalden eingeholte MEDAS-Gutachten vom 22. Dezember
2005. Soweit es sich überhaupt auf den massgebenden Zeitpunkt des
Einspracheentscheides bezieht, äussert es sich jedenfalls nicht zur
vorliegend entscheidenden Frage der Unfallkausalität der Beschwerden.
Formulierungen wie "Status nach Heckauffahrkollision" oder "nach dem
Heckauffahrunfall..." treffen nur eine anamnestische Feststellung und liefern
keine hinreichende Aussage zur Frage der Kausalität. Der vorinstanzliche
Entscheid ist somit im Ergebnis rechtens.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Obwalden
und dem Bundesamt für Gesundheit zugestellt.
Luzern, 23. Juli 2007

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: