Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 215/2006
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Prozess {T 7}
U 215/06

Urteil vom 30. Juni 2006
III. Kammer

Präsident Ferrari, Bundesrichter Meyer und Seiler; Gerichtsschreiberin
Schüpfer

T.________, 1954, Beschwerdeführer, vertreten
durch Advokatin Claudia Stehli, Elisabethenstrasse 28, 4051 Basel,

gegen

"Zürich" Versicherungs-Gesellschaft, Talackerstrasse 1, 8152 Opfikon,
Beschwerdegegnerin

Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt, Basel

(Entscheid vom 16. März 2006)

Sachverhalt:

A.
T. ________, geboren 1954, stürzte am 30. April 1987 beim Fussballspielen und
verletzte sich dabei am Rücken. Der am 4. Mai 1987 konsultierte Dr. med.
S.________, Spezialarzt für orthopädische Chirurgie und Traumatologie,
speziell Handchirurgie, fand eine Druckdolenz L5/S1 und Bläue in diesem
Gebiet. Die Röntgenuntersuchung und Laborabklärungen blieben ohne
pathologischen Befund. Er stellte die Diagnose einer traumatisierten
Diskushernie L5/S1. Die "Zürich" Versicherungs-Gesellschaft (im Folgenden:
Zürich) erbrachte Leistungen nach UVG in Form von Heilkosten und Taggeldern.
Ab 25. Juni 1987 bestand wieder eine volle Arbeitsfähigkeit und die
Behandlung wurde am 7. September 1987 abgeschlossen.
Am 14. November 2003 liess T.________ über Dr. S.________ eine
Rückfallmeldung zum Unfall vom 30. April 1987 erstatten. Die Zürich verneinte
mit Verfügung vom 27. Mai 2004 einen natürlichen Kausalzusammenhang zwischen
dem damaligen Ereignis und dem nunmehr bestehenden Gesundheitsschaden und
lehnte ihre Leistungspflicht ab. Im Verlaufe des daraufhin angehobenen
Einspracheverfahrens liess die Unfallversicherung durch Prof. Dr. med.
H.________, Chefarzt für Neurochirurgie am Spital X.________, den
Versicherten begutachten und hielt gestützt auf die am 10. Dezember 2004
erstattete Expertise an ihrer Beurteilung fest (Entscheid vom 17. Mai 2005).

B.
Das Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt wies die dagegen geführte
Beschwerde ab (Entscheid vom 16. März 2006).

C.
T.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und beantragen, in
Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides sei festzustellen, dass die Zürich
insbesondere bezüglich seiner attestierten Arbeitsunfähigkeit
leistungspflichtig sei. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die
Vorinstanz zurückzuweisen.
Die Zürich schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während
das Bundesamt für Sozialversicherung auf Vernehmlassung verzichtet.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Streitig und zu prüfen ist, ob die gesundheitlichen Beeinträchtigungen
des Beschwerdeführers ab November 2002 in einem rechtserheblichen
Kausalzusammenhang zum versicherten Unfall vom 30. April 1987 stehen und - in
diesem Zusammenhang - ob der massgebliche Sachverhalt hinreichend abgeklärt
ist.

1.2 Nach den hier anwendbaren allgemeinen Grundsätzen des intertemporalen
Rechts und des zeitlich massgebenden Sachverhalts (vgl. BGE 129 V 4 Erw. 1.2,
169 Erw. 1, 356 Erw. 1, je mit Hinweisen) ist die strittige Leistungspflicht
des Unfallversicherers für die Zeit bis 31. Dezember 2002 nach den damals -
mithin vor In-Kraft-Treten des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des
Sozialversicherungsrechts vom 6. Oktober 2000 per 1. Januar 2003 - gültig
gewesenen Bestimmungen des UVG zu beurteilen. Demgegenüber ist hinsichtlich
einer allfällig fortbestehenden Leistungspflicht ab 1. Januar 2003 bis zum
Zeitpunkt des Einspracheentscheides (hier: 17. Mai 2005), welcher
rechtsprechungsgemäss die zeitliche Grenze der richterlichen
Überprüfungsbefugnis bildet (BGE 121 V 366 Erw. 1b mit Hinweis; vgl. auch BGE
129 V 4 Erw. 1.2 mit Hinweisen), die Rechtslage unter der Herrschaft des ATSG
massgebend (vgl. zum Ganzen: BGE 130 V 446 f. Erw. 1.2.1 und 1.2.2). Diesen
intertemporalrechtlichen Überlegungen kommt insofern nur beschränkte
Tragweite zu, als durch das In-Kraft-Treten des ATSG insbesondere am
unfallversicherungsrechtlichen Begriff des natürlichen und adäquaten
Kausalzusammenhangs und dessen Bedeutung als eine Voraussetzung für die
Leistungspflicht nach UVG nichts geändert hat (Urteil H. vom 13. Februar
2006, U 271/05, Erw. 1.2 mit Hinweisen).

1.3 Das kantonale Gericht hat die Grundsätze zu dem für die Leistungspflicht
des Unfallversicherers nach Art. 6 Abs. 1 UVG vorausgesetzten natürlichen
(BGE 129 V 181 Erw. 3.1, 406 Erw. 4.3.1 je mit Hinweisen) und adäquaten
Kausalzusammenhang (BGE 129 V 181 Erw. 3.2 mit Hinweis) sowie zum
Leistungsanspruch bei Rückfällen und Spätfolgen (Art. 11 UVV; BGE 118 V 296
Erw. 2c) zutreffend dargelegt. Darauf kann verwiesen werden. Richtig sind
auch die Ausführungen über die aus dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung
abgeleiteten Vorgaben hinsichtlich des Beweiswertes ärztlicher Berichte und
Gutachten (BGE 125 V 352 Erw. 3a mit Hinweisen).

2.
2.1 Zur Begründung ihres Standpunktes beruft sich die Zürich - bestätigt durch
das kantonale Gericht - im Wesentlichen auf die gutachterlichen
Schlussfolgerungen des Prof. Dr. med. H.________ vom 10. Dezember 2004 und
vom 25. Januar 2005. Darin kam dieser zum Ergebnis, dass der Beschwerdeführer
am 30. April 1987 eine Prellung der Lendenwirbelsäule erlitten hatte. Die von
Dr. med. S.________ diagnostizierte traumatisierte Diskushernie L5/S1 konnte
er nicht bestätigen, da die damals erstellten Röntgenbilder einen normalen,
nicht pathologischen Befund ergeben hätten. Der Unfallmechanismus
(Ausrutschen beim Fussballspielen und rückwärts auf die Hände stürzen mit
sofortigen Schmerzen im Rücken) sei nicht geeignet gewesen, einen
traumatischen Bandscheibenvorfall zu verursachen, da hierzu eine extreme
axiale aussergewöhnliche Belastung der Lendenwirbelsäule Voraussetzung sei,
die nicht stattgefunden habe. Auch müsse für diese Diagnose ein sofortiger
extrem heftiger radikulärer Schmerz in einem oder beiden Beinen eintreten,
der in der Regel mit neurologischen Funktionsstörungen und mit
Nachbarverletzungen der angrenzenden Wirbelkörpergrund- und Deckplatten
verbunden sei. Auch spätere bildgebende Untersuchungsverfahren, so die
Röntgenaufnahmen vom 4. September 2000 und die Kernspintomographie vom
14. April 1997 würden rein degenerative Veränderungen im Bereich der
Bandscheibe zwischen dem 4. und 5. Lendenwirbelkörper zeigen. Hinweise für
einen Bandscheibenvorfall oder irgendeine andere traumatische Einwirkung auf
die Lendenwirbelsäule habe es nicht gegeben. Die Diagnose des Gutachters
lautet auf chronisch rezidivierende Lumbago bei Osteochondrose und
Spondylarthrose LWK 4/5. Da der Unfallmechanismus im Jahre 1987 nicht
geeignet gewesen sei, derartige Befunde und Veränderungen an der
Lendenwirbelsäule zu erzeugen, stünden sie in keinerlei Zusammenhang mit dem
damaligen Ereignis. Die Verletzung durch den Unfall vom 30. April 1987 -
Prellung der Lendenwirbelsäule - sei nach vier bis sechs Wochen vollständig
ausgeheilt gewesen, was auch die tatsächliche Arbeitsaufnahme am 25. Juni
1987 belege.

2.2 Der Beschwerdeführer bringt insbesondere vor, das genannte Gutachten des
Prof. H.________ sei mangelhaft. Dieser setze sich darin nicht mit den
abweichenden Beurteilungen des Dr. med. S.________ auseinander. Indem die
Vorinstanz nicht auf die schon im kantonalen Prozess vorgebrachten
diesbezüglichen Rügen eingegangen sei, habe sie sein rechtliches Gehör
verletzt.

3.
3.1 Trotz der in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde geäusserten Kritik ist mit
der Vorinstanz auf das Gutachten vom 10. Dezember  2004 abzustellen. Es wird
sowohl hinsichtlich der Grundlagen als auch inhaltlich den von der
Rechtsprechung entwickelten Anforderungen an eine beweiskräftige medizinische
Stellungnahme (BGE 125 V 352 Erw. 3a) gerecht. Die Ergebnisse werden
ausgehend von den Befunden, unter Berücksichtigung aller angegebenen Symptome
und in Auseinandersetzung mit den Vorakten nachvollziehbar begründet und
erläutert.

3.2 Demgegenüber sind die Berichte des Dr. med. S.________ nicht überzeugend.
Bereits im "Arztzeugnis UVG" vom 28. Oktober 1987 stellte er zwar die
Diagnose einer traumatisierten Diskushernie, hielt aber gleichzeitig fest,
dass auf dem Röntgenbild keine pathologischen Befunde erhoben wurden.
Offenbar ist auch dieser Arzt nicht davon überzeugt, dass sich die
gesundheitliche Beeinträchtigung des Beschwerdeführers auf das Unfallereignis
im Jahre 1987 zurückführen lässt. Auf eine entsprechende Frage der Zürich
anwortet er in seinem Schreiben vom 3. Dezember 2003: "Es ist wohl das Beste,
wenn Ihr beratender Arzt diesen Patienten einmal aufbietet, ihn anhört und
untersucht". Dem ist die Zürich mit dem Begutachtensauftrag an Prof.
H.________ nachgekommen. Der fundierten und überzeugenden Analyse des
Experten hatte der behandelnde Arzt nichts entgegengesetzt, sodass - anders
als in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde behauptet - nicht von "zwei
widersprüchlichen Expertenmeinungen" ausgegangen werden kann. Indem Prof.
H.________ nachvollziehbar und überzeugend erklärt hat, dass sich der
Beschwerdeführer am 30. April 1987 mit Sicherheit keine traumatische
Diskushernie zugezogen hatte, hat er sich sehr wohl mit den Äusserungen des
Dr. S.________ auseinandergesetzt. Dies ist auch von der Vorinstanz in
hinreichender Art gewürdigt worden. Das rechtliche Gehör des
Beschwerdeführers wurde nicht verletzt und es besteht kein Anlass, in Bezug
auf die Kausalitätsfrage ein weiteres Gutachten in Auftrag zu geben.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt
und dem Bundesamt für Gesundheit zugestellt.
Luzern, 30. Juni 2006

Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der III. Kammer: Die Gerichtsschreiberin: