Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 181/2006
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U 181/06

Urteil vom 21. Juni 2007

I. sozialrechtliche Abteilung

Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichterinnen Widmer, Leuzinger,
Gerichtsschreiberin Riedi Hunold.

L. ________, 1952, Beschwerdeführerin, vertreten
durch Rechtsanwalt Christoph Anwander-Walser, Bahnhofstrasse 21,
9101 Herisau,

gegen

Schweizerische Mobiliar Versicherungsgesellschaft, Bundesgasse 35, 3011 Bern,
Beschwerdegegnerin, vertreten durch Fürsprecherin Barbara Künzi-Egli,
Thunstrasse 84, 3074 Muri b. Bern.

Unfallversicherung,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts
des Kantons St. Gallen
vom 15. Februar 2006.

Sachverhalt:

A.
L. ________, geboren 1952, war seit 10. April 1995 im Restaurant Q.________
angestellt und in dieser Eigenschaft bei der Schweizerischen Mobiliar
Versicherungsgesellschaft (nachfolgend: Schweizerische Mobiliar) gegen die
Folgen von Unfällen versichert. Mit Unfallmeldung vom 5. Juni 2003 liess sie
einen ca. zwei Jahre zuvor ereigneten Unfall melden, bei welchem ihr bei der
Arbeit aus erhöhter Lage eine Konservendose auf die Hand gefallen sei und sie
sich am Daumen der rechten Hand verletzt habe. Gemäss Bericht des Dr. med.
F.________, Facharzt für Innere Medizin, vom 4. Juni 2003 hatte die
Erstbehandlung für die ca. im April 2001 zugezogene Verletzung am 12. Februar
2003 stattgefunden. Am 9. Mai 2003 wurde in der Klinik für Orthopädische
Chirurgie, Spital X.________, eine Resektions-Interpositions-Arthroplastik
nach Epping vorgenommen. Die Schweizerische Mobiliar erbrachte die
gesetzlichen Leistungen. Mit Verfügung vom 1. Dezember 2004 stellte sie diese
gestützt auf ein Aktengutachten des Dr. med. M.________, Leitender Arzt,
Chirurgische Klinik Y.________, vom 7. Juli 2004 sowie der Ergänzung vom
4. November 2004 per 31. August 2004 ein. Die Versicherte erhob Einsprache.
Die Schweizerische Mobiliar hielt am 25. April 2005 an ihrem Entscheid fest.

B.
Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons
St. Gallen mit Entscheid vom 15. Februar 2006 ab.

C.
L.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde ans Eidgenössische
Versicherungsgericht (seit 1. Januar 2007: Bundesgericht) führen mit dem
Antrag, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids, des
Einspracheentscheids und der Verfügung vom 1. Dezember 2004 sei die
Schweizerische Mobiliar zu verpflichten, ihr auch nach dem 1. September 2004
die gesetzlichen Leistungen zu erbringen; eventualiter sei die Sache zur
Sachverhaltsabklärung und Neubeurteilung an die Vorinstanz oder die
Schweizerische Mobiliar zurückzuweisen. Die Schweizerische Mobiliar lässt auf
Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliessen. Das Bundesamt für
Gesundheit verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (BGG; SR 173.110)
ist am 1. Januar 2007 in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Da der
angefochtene Entscheid vorher ergangen ist, richtet sich das Verfahren noch
nach dem Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege vom
16. Dezember 1943 (OG; Art. 132 Abs. 1 BGG; BGE 132 V 393 E. 1.2 S. 395).

2.
2.1 Die Leistungspflicht eines Unfallversicherers gemäss UVG setzt zunächst
voraus, dass zwischen dem Unfallereignis und dem eingetretenen Schaden
(Krankheit, Invalidität, Tod) ein natürlicher Kausalzusammenhang besteht.
Ursachen im Sinne des natürlichen Kausalzusammenhangs sind alle Umstände,
ohne deren Vorhandensein der eingetretene Erfolg nicht als eingetreten oder
nicht als in der gleichen Weise bzw. nicht zur gleichen Zeit eingetreten
gedacht werden kann. Entsprechend dieser Umschreibung ist für die Bejahung
des natürlichen Kausalzusammenhangs nicht erforderlich, dass ein Unfall die
alleinige oder unmittelbare Ursache gesundheitlicher Störungen ist; es
genügt, dass das schädigende Ereignis zusammen mit anderen Bedingungen die
körperliche oder geistige Integrität der versicherten Person beeinträchtigt
hat, der Unfall mit andern Worten nicht weggedacht werden kann, ohne dass
auch die eingetretene gesundheitliche Störung entfiele (BGE 129 V 177 E. 3.1
S. 181 mit Hinweisen).
Ob zwischen einem schädigenden Ereignis und einer gesundheitlichen Störung
ein natürlicher Kausalzusammenhang besteht, ist eine Tatfrage, worüber die
Verwaltung bzw. im Beschwerdefall das Gericht im Rahmen der ihm obliegenden
Beweiswürdigung nach dem im Sozialversicherungsrecht üblichen Beweisgrad der
überwiegenden Wahrscheinlichkeit zu befinden hat. Die blosse Möglichkeit
eines Zusammenhangs genügt für die Begründung eines Leistungsanspruches nicht
(BGE 129 V 177 E. 3.1 S. 181 mit Hinweisen).

2.2 Die Leistungspflicht des Unfallversicherers setzt im Weiteren voraus,
dass zwischen dem Unfallereignis und dem eingetretenen Schaden ein adäquater
Kausalzusammenhang besteht. Nach der Rechtsprechung hat ein Ereignis dann als
adäquate Ursache eines Erfolges zu gelten, wenn es nach dem gewöhnlichen Lauf
der Dinge und nach der allgemeinen Lebenserfahrung an sich geeignet ist,
einen Erfolg von der Art des eingetretenen herbeizuführen, der Eintritt
dieses Erfolges also durch das Ereignis allgemein als begünstigt erscheint
(BGE 129 V 177 E. 3.2 S. 181 mit Hinweisen).

2.3 Reinen Aktengutachten kann auch voller Beweiswert zukommen, sofern ein
lückenloser Befund vorliegt und es im Wesentlichen nur um die ärztliche
Beurteilung eines an sich feststehenden medizinischen Sachverhalts geht
(RKUV 1993 Nr. U 167 S. 95, 1988 Nr. U 56 S. 366 E. 5b; vgl. auch Urteile des
Eidgenössischen Versicherungsgerichts U 223/06 vom 8. Februar 2007 E. 5.1.2
oder U 458/00 vom 24. Oktober 2001 E. 3).

2.4 Im Weiteren hat die Vorinstanz die Bestimmungen und Grundsätze über die
Anforderungen an einen ärztlichen Bericht (BGE 125 V 351 E. 3a S. 352 mit
Hinweis) sowie an den Beweis dahingefallener Unfallursachen (RKUV 1994
Nr. U 206 S. 326 E. 3b, 1992 Nr. U 142 S. 75 E. 4b, je mit Hinweisen)
zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.

3.
Das Röntgeninstitut Z.________ schloss am 24. Mai 2002 auf eine initiale
Rhizarthrose rechts ohne Nachweis sonstiger degenerativer Veränderungen im
Bereich des Handskelettes und der Handwurzel. Die radiologische
Voruntersuchung vom 12. November 2001 stehe leider nicht für Vergleichszwecke
zur Verfügung. Am 25. Februar 2003 hielt das Röntgeninstitut intakte ossäre
Strukturen im Bereich des rechten Handgelenks fest. Die proximale Handwurzel
sei normal konfiguriert. Das Sattelgelenk zeige schwere arthrotische
Sekundärveränderungen mit Randwulstbildungen. Am meisten falle die Stellung
des Trapeziums zum Trapezoideum sowie eine Asymmetrie des Gelenkspaltes des
Scaphoids zum Capitatum auf. Möglicherweise bestehe hier eine alte
Subluxation.
Das Spital X.________ diagnostizierte am 14. April 2003 eine Rhizarthrose
rechts. Es bestehe eine deutliche Druckdolenz über dem Daumensattelgelenk
sowie in der Tabatière. Die periphere DMS sei intakt. Die Röntgenaufnahmen
ergäben eine fortgeschrittene subluxierte Rhizarthrose rechts.
Dr. med. F.________ berichtete am 9. Mai 2003, die Versicherte habe vor rund
zwei Jahren einen Arbeitsunfall erlitten. Dabei sei ihr eine volle
Konservendose aus einem über ihr hängenden Regal auf die rechte Hand
gefallen. Zunächst habe sie dem Vorfall wenig Bedeutung beigemessen. Im
weiteren Verlauf seien protrahierte Schmerzen aufgetreten, die zunächst nicht
in Zusammenhang mit dem Ereignis gesehen worden seien. Nach radiologischer
Abklärung bestehe aber kein Zweifel, dass die Schmerzen eine Unfallfolge
seien.
Das Spital X.________ hielt am 16. Mai 2003 nach durchgeführter
Resektions-Interpositions-Arthroplastik nach Epping am 9. Mai 2003 im
Wesentlichen dasselbe wie am 14. April 2003 fest. Am 2. Juni 2006 ergab das
Röntgen eine komplette Entfernung des Trapeziums mit guter Stellung der MC
I-Basis.
Im Bericht vom 4. Juni 2003 gab Dr. med. F.________ als Unfalldatum ca. April
2001 und als Erstbehandlung den 12. Februar 2003 an. Der Versicherten sei
eine gefüllte Dose aus hohem Regal aufs rechte Handgelenk gefallen. Er
diagnostizierte eine subluxierte Rhizarthrose.
Das Spital X.________ gab am 16. September 2003 an, die aktuelle
Röntgendiagnostik zeige eine komplette Entfernung des Trapeziums mit guter,
das heisse akzeptabler Stellung der MC I-Basis. Am 8. Dezember 2003 nahm es
eine Narbenneuromrevision vor.
Dr. med. M.________ kam in seinem Gutachten vom 7. Juli 2004 zum Schluss, die
gesundheitlichen Störungen gingen möglicherweise auf das Ereignis von Ende
Juni 2001 zurück. Das Fehlen eines genauen Unfalldatums, der erste Arztbesuch
1 ? Jahre nach dem Ereignis sowie die Diagnose des Spitals X.________ ohne
Erwähnen eines Traumas liessen lediglich ein "möglicherweise" zu. Die
Versicherte habe offensichtlich schon vor dem Vorfall an einer Rhizarthrose
gelitten, welche durch das Ereignis traumatisiert und klinisch manifest
geworden sei. Auch ohne den Vorfall sei zu erwarten gewesen, dass die
vorbestehende Rhizarthrose bei manuell relativ anstrengender Tätigkeit im
Service klinisch manifest geworden wäre. Zudem sei bei der Rhizarthrose
typisch, dass die Basis der Grundphalanx gegenüber dem Trapezium in
Subluxationsstellung stehe. Die Subluxationsstellung sei also nicht als
Unfallfolge zu sehen, sondern als typischer Zustand bei fortgeschrittener
Rhizarthrose.
Am 20. August 2004 machte Dr. med. F.________ geltend, ob eine vorbestehende
Rhizarthrose zu Grunde liege, lasse sich mangels vorbestehender Röntgenbilder
nicht feststellen.

Dr. med. M.________ hielt am 4. November 2004 an seinem Gutachten fest. Es
könne sich nicht um ein schweres Trauma gehandelt haben, da die Versicherte
keinen Arzt aufgesucht habe. Bei einem schweren Trauma hätte sie sich z.B.
eine Fraktur der Basis von Metacarpale I zuziehen können. Eine solche
Basisfraktur hätte jedoch solche Schmerzen bereitet, dass sie viel früher
einen Arzt aufgesucht hätte. Besonders Frakturen an der Daumenbasis bedürften
in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle einer Operation. Bei der Versicherten
sei ein solches Trauma weder beschrieben noch dokumentiert, weshalb die
Annahme einer vorbestehenden Rhizarthrose postuliert werden müsse, welche
vorübergehend verschlimmert worden sei. Dr. med. F.________ sei
beizupflichten, dass mangels früherer Röntgenbilder eine vorbestehende
Arthrose nicht festgestellt werden könne. Ebenso wenig gebe es aber
Röntgenbilder unmittelbar nach dem Ereignis, welche eine Luxation oder
Fraktur objektivieren würden. Es sei typisch, dass Rhizarthrosen, auch
schweren Grades, lange Zeit stumm sein und dann durch ein Bagatelltrauma
aktiviert und klinisch manifest werden könnten.
Dr. med. F.________ ergänzte am 21. Oktober 2005 das Unfallgeschehen
dahingehend, die Versicherte sei von einer grossen mit Ananas gefüllten und
rund 3 ? kg schweren Dose getroffen worden. Angesichts dieses Gewichts müsse
mit erheblichen Verletzungen im Bereich des Handgelenks gerechnet werden,
sodass die Beschwerden der Versicherten als Unfallfolge zu interpretieren
seien.

4.
4.1 Das Aktengutachten von Dr. med. M.________ beruht auf sämtlichen
medizinischen Vorakten und es sind keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich, die
gegen dessen Richtigkeit sprechen würden. Dr. med. M.________ stützt sich
denn auch bei seiner medizinischen Beurteilung auf die in den Akten
wiedergegebenen und unbestritten gebliebenen Befunde und begründet seine von
Dr. med. F.________ abweichende Einschätzung nachvollziehbar und überzeugend.
Dasselbe gilt auch für die auf Nachfrage hin gemachte Ergänzung vom
4. November 2004, in welcher er seine Aussagen vom 7. Juli 2004 verdeutlicht.
Somit kommt dem Aktengutachten vom 7. Juli 2004 sowie der Ergänzung vom
4. November 2004 voller Beweiswert zu. Demgegenüber ist bei den Berichten von
Dr. med. F.________ in Betracht zu ziehen, dass sich Hausärzte auf Grund des
Vertrauensverhältnisses im Zweifelsfall eher zu Gunsten ihrer Patienten
äussern (BGE 125 V 351 E. 3b/cc S. 353 mit Hinweis). Dies zeigt sich im hier
zu beurteilenden Fall schon darin, dass sich Dr. med. F.________ am
20. August 2004 gegen die Verfügung der Schweizerischen Mobiliar wandte und
Einsprache erhob. Auch nach Erlass des Einspracheentscheids richtete er eine
Eingabe direkt an die Schweizerische Mobiliar (Bericht vom 21. Oktober 2005).
Sein Engangement für die Versicherte reicht somit weit über die eigentliche
Behandlung seiner Patientin hinaus. Seine Einschätzungen sind nachfolgend
unter Berücksichtigung dieses Umstandes zu würdigen.

4.2 Wie Dr. med. M.________ zutreffend festhält, kann mangels vorbestehender
Röntgenbefunde nicht nachgewiesen werden, dass die Rhizarthrose vorbestehend
ist. Es ist ihm aber auch zuzustimmen, dass es für die Zeit unmittelbar nach
dem Vorfall keine Röntgenbilder gibt, welche eine Fraktur oder Luxation zu
belegen vermöchten. Der Gutachter legt überzeugend dar, dass für die
Entstehung einer traumatischen Rhizarthrose der geschilderte Vorfall nicht
ausreicht bzw. ein schwererer Unfall sich hätte ereignen müssen. Diesfalls
wären die Schmerzen schon bei Eintritt des Ereignisses so stark gewesen, dass
die Versicherte sich sofort und nicht erst anderthalb Jahre später in
Erstbehandlung begeben hätte. Diese Einschätzung des Dr. med. M.________ wird
dadurch bestätigt, dass das Spital X.________ in keinem seiner Berichte,
selbst in der Indikation zur ersten Operation nicht, davon ausging, das
beschriebene Ereignis von Ende Juni 2001 bzw. eine Fraktur oder Luxation sei
Ursache der Schmerzen. Am 14. März 2004 gab die Versicherte gegenüber der
Invalidenversicherung denn auch an, die Schmerzen seien am Anfang nicht gross
gewesen. Der Schlussfolgerung von Dr. med. M.________, wonach die noch
bestehenden Beschwerden nicht mehr auf den Vorfall zurückgeführt werden
könnten, da dieser nur eine vorübergehende Verschlimmerung verursacht habe,
ist nach dem Gesagten beizupflichten. Somit ist es nicht zu beanstanden, dass
die Schweizerische Mobiliar ihre Leistungen per 31. August 2004 einstellte.
Daran ändern auch die übrigen Einwände der Versicherten nichts. So listet Dr.
med. M.________ entgegen ihrer Behauptung jeden ihm zur Verfügung gestandenen
Bericht in seinem Gutachten einzeln auf. Auch hat Dr. med. M.________ sich zu
Recht nicht zur Frage der Leistungseinstellung geäussert; denn dabei handelt
es sich um eine Rechtsfrage, deren Beantwortung der Verwaltung und im
Streitfalle dem Gericht, nicht aber den medizinischen Sachverständigen
obliegt. Schliesslich trifft es nicht zu, dass Dr. med. M.________ weitere
Abklärungen empfohlen habe; vielmehr hatte er dagegen bloss keine Einwände.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons
St. Gallen und dem Bundesamt für Gesundheit zugestellt.
Luzern, 21. Juni 2007

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: