Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 176/2006
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{T 7}
U 176/06

Urteil vom 25. Januar 2007

I. sozialrechtliche Abteilung

Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichterin Widmer, Leuzinger,
Gerichtsschreiberin Kopp Käch.

F. ________, 1947, Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwältin Clivia Wullimann, Bettlachstrasse 8, 2540
Grenchen,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004
Luzern, Beschwerdegegnerin.

Unfallversicherung,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts
des Kantons Solothurn
vom 17. Februar 2006.

Sachverhalt:

A.
Die 1947 geborene F.________ war seit 4. Februar 2000 als Mitarbeiterin bei
der Q.________ AG tätig und damit bei der Schweizerischen
Unfallversicherungsanstalt (SUVA) obligatorisch unfallversichert. Am
8. Februar 2002 stürzte sie auf einer Treppe und zog sich dabei eine
Stauchung/Verstauchung im Bereich des linken Handgelenks mit einer
Längsfissur im distalen Radius intraartikulär zu. Nach einer Behandlung
mittels Vorderarmgips nahm F.________ ihre Berufstätigkeit am 2. April 2002
wieder zu 50 % auf. Am 10. Oktober 2002 erfolgte eine Handgelenksdenervation.
Das Arbeitsverhältnis wurde per Ende 2002 aufgelöst. In der Zeit vom
10. September bis 15. Oktober 2003 weilte die Versicherte in der Rehaklinik
X.________ zur stationären Behandlung. Nach weiteren medizinischen
Abklärungen sprach die SUVA F.________ mit Verfügung vom 1. März 2004 ab
diesem Datum eine Invalidenrente auf der Basis einer Erwerbsunfähigkeit von
15 % zu. Mit Entscheid vom 2. Dezember 2004 wies sie die dagegen erhobene
Einsprache ab und führte aus, die Ermittlung des Invaliditätsgrades sei zu
Gunsten der Versicherten festgelegt worden, da fälschlicherweise von einem
unterdurchschnittlichen Valideneinkommen ausgegangen worden sei.

B.
F.________ liess hiegegen Beschwerde erheben und beantragen, der
Einspracheentscheid vom 2. Dezember 2004 sei aufzuheben, die Unfallkausalität
des Leidens sei durch einen neutralen Arzt abklären zu lassen und es sei der
Versicherten eine Rente von mindestens 50 % zuzusprechen.
Nachdem das Versicherungsgericht des Kantons Solothurn F.________ Gelegenheit
eingeräumt hatte, zwecks Vermeidung einer reformatio in peius die Beschwerde
gegen den angefochtenen Entscheid zurückzuziehen, liess die Versicherte am
30. Januar 2006 mitteilen, sie halte an ihrer Beschwerde fest.
Mit Entscheid vom 17. Februar 2006 hiess das Versicherungsgericht des Kantons
Solothurn die Beschwerde in dem Sinne gut, als die Verfügung vom 1. März 2004
und der Einspracheentscheid vom 2. Dezember 2004 aufgehoben wurden, da bei
einem Invaliditätsgrad von 9 % kein Anspruch auf eine Invalidenrente bestehe.

C.
F.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Rechtsbegehren,
es sei ihr in Aufhebung des angefochtenen Entscheids eine Invalidenrente von
50 % zuzusprechen und es sei ein unabhängiges ärztliches Gutachten
einzuholen.
Die SUVA schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das
Bundesamt für Gesundheit verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (BGG; SR 173.110)
ist am 1. Januar 2007 in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Da der
angefochtene Entscheid vorher ergangen ist, richtet sich das Verfahren noch
nach OG (Art. 132 Abs. 1 BGG; BGE 132 V 395 Erw. 1.2).

2.
Mit dem angefochtenen Entscheid hat das kantonale Gericht die Verfügung vom
1. März 2004 sowie den Einspracheentscheid der SUVA vom 2. Dezember 2004,
womit der Versicherten eine Invalidenrente aufgrund einer Erwerbsunfähigkeit
von 15 % zugesprochen worden war, aufgehoben und festgestellt, dass kein
Anspruch auf eine Invalidenrente besteht. Es ist dabei korrekt vorgegangen,
indem es der Beschwerdeführerin vor Erlass des Entscheids gemäss Art. 61
lit. d ATSG Gelegenheit eingeräumt hat, die Beschwerde zur Vermeidung einer
allfälligen reformatio in peius zurückzuziehen.

3.
Die Vorinstanz hat die gesetzlichen Bestimmungen über den Anspruch auf
Leistungen der obligatorischen Unfallversicherung (Art. 6 Abs. 1 und Art. 18
Abs. 1 UVG in Verbindung mit Art. 4 ATSG), über den Begriff der Invalidität
(Art. 8 ATSG) sowie über die Bemessung der Erwerbsunfähigkeit nach der
allgemeinen Methode des Einkommensvergleichs (Art. 16 ATSG; BGE 128 V 30
Erw. 1) zutreffend dargelegt. Richtig wiedergegeben wird auch die
Rechtsprechung zu dem für die Leistungspflicht des Unfallversicherers
vorausgesetzten natürlichen (BGE 129 V 181 Erw. 3.1, 406 Erw. 4.3.1, 119 V
337 Erw. 1, je mit Hinweisen) und adäquaten Kausalzusammenhang (BGE 129 V 181
Erw. 3.2 mit Hinweisen), insbesondere bei psychischen Fehlentwicklungen nach
Unfällen (BGE 115 V 133; vgl. auch BGE 123 V 99 Erw. 2a mit Hinweisen).
Darauf wird verwiesen.

4.
Streitig und zu prüfen ist der Anspruch auf eine Invalidenrente. Dabei fragt
sich zunächst, ob und bejahendenfalls in welchem Ausmass die
Beschwerdeführerin unfallbedingt in der Arbeitsfähigkeit beeinträchtigt ist
und ob der Gesundheitszustand zur Beantwortung dieser Frage genügend
abgeklärt ist.

4.1 In einlässlicher und sorgfältiger Würdigung der medizinischen Aktenlage
ist das kantonale Gericht vorwiegend gestützt auf die kreisärztlichen
Untersuchungsberichte vom 2. Oktober 2002, 10. April und 26. November 2003
zum Schluss gekommen, dass hauptsächlich degenerative Veränderungen vorliegen
und der Versicherten unter Berücksichtigung der unfallkausalen Beschwerden
eine ganztägige, ihren Leiden adaptierte Arbeitstätigkeit zumutbar ist. Auf
die diesbezüglichen überzeugenden Erwägungen ist zu verweisen. Was die
Beschwerdeführerin hiegegen vorbringt, vermag zu keiner andern Beurteilung zu
führen. Die kreisärztlichen Untersuchungsberichte erfüllen einerseits - wie
dies die Vorinstanz darlegt - die Anforderungen der Rechtsprechung und
entsprechen andrerseits bezüglich zumutbarer Arbeitsfähigkeit im Wesentlichen
der übrigen Aktenlage, namentlich dem Austrittsbericht der Rehaklinik
X.________ vom 23. Oktober 2003 sowie dem für die Invalidenversicherung
erstellten Gutachten des ärztlichen Begutachtungsinstituts Y.________ vom
19. November 2004, welches auch die nicht unfallkausalen Beschwerden
berücksichtigt. In jedem dieser Berichte wird mit nachvollziehbarer
Begründung eine leichte (im Gutachten des ärztlichen Begutachtungsinstituts
Y.________ gar eine mittelschwere) Arbeit als ganztags zumutbar (gemäss
Bericht der Rehaklinik X.________ mit vermehrten Kurzpausen von insgesamt
30 Minuten pro Tag) erachtet, wobei Tätigkeiten über Brust- bzw. Kopfhöhe
sowie in Zwangspositionen zu vermeiden seien. Eine volle Arbeitsfähigkeit
seit der Denervationsoperation am 22. November 2002 attestiert auch der
Chirurge Dr. med. W.________ in seinem Bericht vom 17. Januar 2003. Soweit
der behandelnde Arzt Dr. med. K.________ - wie dies die Beschwerdeführerin
geltend macht - lediglich eine Arbeitstätigkeit von 50 % als zumutbar
erachtet, ist dies einerseits mit der übrigen Aktenlage nicht vereinbar und
ist andrerseits diesbezüglich die Erfahrungstatsache zu berücksichtigen, dass
behandelnde Ärztinnen und Ärzte aufgrund ihrer auftragsrechtlichen
Vertrauensstellung im Zweifel eher zu Gunsten ihrer Patientinnen und
Patienten aussagen (BGE 125 V 353 Erw. 3b/cc). Für ergänzende medizinische
Abklärungen besteht demzufolge kein Anlass.

4.2 Anhaltspunkte für eine psychisch bedingte Arbeitsunfähigkeit gehen aus
den verschiedenen Arztberichten und Gutachten nicht hervor und werden auch
nicht geltend gemacht.

5.
Streitig und zu prüfen sind des Weitern die erwerblichen Auswirkungen der
unfallbedingten Einschränkung der Arbeitsfähigkeit.

5.1 In ihrer Verfügung vom 1. März 2004 hat die SUVA gestützt auf die Angaben
der Arbeitgeberin vom 10. November 2003 ein Valideneinkommen für ein
100 %-Pensum von Fr. 42'587.- und anhand der Schweizerischen
Lohnstrukturerhebung (LSE) des Bundesamtes für Statistik 2002 ein
Invalideneinkommen von Fr. 48'699.- ermittelt. Letzteres hat sie um 12,5 %
reduziert, weil das Valideneinkommen in diesem Ausmass unter dem
arbeitsmarktlichen Durchschnitt liege, und vom verbleibenden Betrag noch
einen leidensbedingten Abzug von 15 % vorgenommen, was ein zumutbares noch
erzielbares Einkommen von Fr. 36'219.- sowie - in Gegenüberstellung mit dem
Valideneinkommen - einen Invaliditätsgrad von 15 % ergab.
Im Einspracheentscheid vom 2. Dezember 2004 hat die SUVA beim
Valideneinkommen zusätzlich den 13. Monatslohn berücksichtigt und
festgestellt, dass bei einem Jahreseinkommen von nunmehr Fr. 45'163.- kein
unterdurchschnittlicher Lohn vorliege. Der Abzug vom Invalideneinkommen in
der Höhe von 12,5 % habe daher zu entfallen. Die Unfallversichererin
ermittelte einen Invaliditätsgrad von nunmehr 8 % und hielt fest, dass die
verfügungsweise Festsetzung auf 15 % zu Gunsten der Versicherten erfolgt sei.

5.2 Die Vorinstanz hat die Änderung bei der Ermittlung des Valideneinkommens
bestätigt und ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin gemäss Bestätigung der
Arbeitgeberin vom 10. November 2003 auch im Zeitpunkt des allfälligen
Rentenbeginns (1. März 2004) unverändert ein Einkommen von durchschnittlich
Fr. 3149.70 pro Monat sowie eine Gratifikation bzw. einen 13. Monatslohn in
der Höhe von Fr. 2850.- erhalten hätte, was per 2004 ein auf 100 %
hochgerechnetes jährliches Valideneinkommen von Fr. 45'163.- ergebe. Für die
Ermittlung des Invalideneinkommens stellte das kantonale Gericht auf die LSE
2004 ab, rechnete den Tabellenlohn für einfache und repetitive Tätigkeiten im
privaten Sektor auf die im Jahr 2004 übliche durchschnittliche Arbeitszeit
von 41,6 Stunden pro Woche um und nahm einen leidensbedingten Abzug von 15 %
vor. Die Gegenüberstellung des auf diese Weise ermittelten
Invalideneinkommens von Fr. 41'300.- mit dem Valideneinkommen ergab einen
Invaliditätsgrad von 9 %.

5.3 Die Ermittlung des Invaliditätsgrades durch die Vorinstanz ist korrekt
erfolgt, weshalb auf die diesbezüglichen Erwägungen verwiesen wird. Bezüglich
des Valideneinkommens erübrigen sich weitere Ausführungen; es ist denn auch
unbestritten geblieben. Bezüglich des Invalideneinkommens ist in Anbetracht
der medizinischen Aktenlage nicht zu beanstanden, dass die SUVA und das
kantonale Gericht von den statistischen Durchschnittswerten für einfache und
repetitive Tätigkeiten (Anforderungsniveau 4) im privaten Sektor ausgegangen
sind. Den konkreten persönlichen und beruflichen Umständen, insbesondere dem
Ausschluss von Tätigkeiten über Brusthöhe oder in Zwangspositionen ist durch
den Abzug von 15 % angemessen Rechnung getragen worden (vgl. BGE 126 V 79
Erw. 5b/aa-cc). Soweit die Beschwerdeführerin sinngemäss geltend macht, ihre
Restarbeitsfähigkeit sei nicht in diesem Ausmass wirtschaftlich verwertbar,
ist darauf hinzuweisen, dass gemäss Gesetz für die Invaliditätsbemessung
nicht der aktuelle, sondern der ausgeglichene Arbeitsmarkt massgebend ist.
Damit sind bei der Beurteilung der Aussichten einer versicherten Person, auf
dem Arbeitsmarkt effektiv vermittelt zu werden, nicht die dort herrschenden
konjunkturellen Verhältnisse massgebend; vielmehr wird - abstrahierend -
unterstellt, hinsichtlich der in Frage kommenden Stellen bestehe ein
Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage (AHI 1998 S. 287 [Urteil M. vom
7. Juli 1998, I 198/97] mit Hinweis auf BGE 110 V 276 Erw. 4b).

5.4 Zusammenfassend sind der von der Vorinstanz ermittelte Invaliditätsgrad
von 9 % und demzufolge die Aufhebung der Verfügung der SUVA vom 1. März 2004
sowie des Einspracheentscheids vom 2. Dezember 2004 zu bestätigen.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons
Solothurn und dem Bundesamt für Gesundheit zugestellt.
Luzern, 25. Januar 2007

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: