Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 161/2006
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{T 7}
U 161/06

Urteil vom 19. Februar 2007

I. sozialrechtliche Abteilung

Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichterin Widmer, Bundesrichter Schön,
Gerichtsschreiberin Polla.

C. ________, 1968, Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwältin Marina Kreutzmann, Bellerivestrasse 59, 8008
Zürich,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004
Luzern, Beschwerdegegnerin.

Unfallversicherung,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des
Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 25. Januar 2006.

Sachverhalt:

A.
Der 1968 geborene C.________ war seit Juni 2001 als Bauarbeiter bei der Firma
X.________ tätig und bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt
(SUVA) gegen die Folgen von Unfällen versichert. Am 5. März 2002 zog er sich
durch einen herunterfallenden Pickel eine Schlagverletzung am Kopf zu, wobei
er gemäss Austrittsbericht des erstbehandelnden Universitätsspitals
Y.________ (vom 21. März 2002) eine commotio cerebri und ein diffuses
muskulo-skelettales Schmerzsyndrom mit subjektiven Hypästhesien/Dysästhe-sien
ohne klare somatische Zuordnung erlitt. Trotz attestierter Arbeitsfähigkeit
ab 21. März 2002 nahm C.________ seine Arbeit nicht wieder auf. Es folgte ein
Aufenthalt in der Rehaklinik Z.________ vom 24. April bis 19. Juni 2002.
Gemäss Austrittsbericht vom 10. Juli 2002 bestehe eine 100%ige
Arbeitsunfähigkeit bei folgender Diagnose: traumatische Hirnverletzung,
Verdacht auf Somatisierungsstörung [ICD-10: F45.1] sowie diffuses
muskuloskelettales Schmerzsyndrom mit Hypästhesien/Dysästhesien ohne klare
somatische Zuordnungsmöglichkeit. Dr. med. H.________, Spezialarzt FMH für
Psychiatrie und Psychotherapie, welcher den Versicherten seit 8. August 2002
behandelte, fand ein äusserst komplexes psychopathologisches Zustandsbild:
eine chronifizierte somatoforme Störung mit erheblicher Symptomausweitung,
eine depressive Entwicklung mit Sressintoleranz, eine
hypochondrisch-ängstliche Selbstwertregulation, ferner ein reaktiver sozialer
Rückzug mit Vereinsamung und gegebenenfalls ein Kulturschock mit leicht
paranoider Erlebnisverarbeitung (Gutachterlicher Bericht vom 13. Mai 2003).

Die SUVA erbrachte die gesetzlichen Leistungen für die Folgen des Unfalls vom
5. März 2002 (Taggelder, Heilbehandlung), verneinte jedoch mit Verfügung vom
26. April 2004 ab 1. Mai 2004 jegliche Leistungspflicht mangels
fortbestehender Unfallkausalität der geklagten Beschwerden. Hievon
ausgenommen wurden ausdrücklich die Heilbehandlungskosten für die erlittene
Gehörschädigung, wofür die SUVA weiterhin aufkommt. Daran hielt sie mit
Einspracheentscheid vom 18. Februar 2005 fest.

B.
Hiegegen liess C.________ Beschwerde erheben mit dem Antrag, in Aufhebung des
Einspracheentscheids vom 18. Februar 2005 sei die SUVA zu verpflichten, die
ihm zustehenden Leistungen weiterhin zu erbringen. Eventuell sei die
Beschwerdegegnerin zu verpflichten, ihm aufgrund einer vollständigen
Erwerbsunfähigkeit eine Invalidenrente sowie eine Integritätsentschädigung
auszurichten. Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wies die
Beschwerde mit Entscheid vom 25. Januar 2006 ab.

C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt C.________ seine vorinstanzlich
gestellten Anträge erneuern. Ferner wird um unentgeltliche Verbeiständung
ersucht.
Die SUVA schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das
Bundesamt für Gesundheit hat auf eine Vernehmlassung verzichtet.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Am 1. Januar 2007 ist das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni
2005 (BGG; SR 173.110) in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Der
angefochtene Entscheid ist indessen vorher ergangen, weshalb sich das
Verfahren noch nach dem Bundesgesetz über die Organisation der
Bundesrechtspflege vom 16. Dezember 1943 (OG) richtet (Art. 132 Abs. 1 BGG;
BGE 132 V 395 Erw. 1.2).

2.
Gemäss Verfügung vom 26. April 2004 und Einspracheentscheid vom 18. Februar
2005 liegen ab 1. Mai 2004 keine behandlungsbedürftigen Unfallfolgen mehr
vor. Die Beschwerdegegnerin stellte daher ihre bis dahin in Form von Taggeld
und Heilbehandlung erbrachten Leistungen ein. Ebenfalls verneinte sie einen
Anspruch auf Rente oder Integritätsentschädigung. Soweit der Beschwerdeführer
einen Anspruch auf Integritätsentschädigung mit Bezug auf die unfallbedingte
Hörschädigung - welche die SUVA von ihrer Leistungseinstellung ausdrücklich
ausnahm - geltend macht bildet dies nicht Anfechtungs- und Streitgegenstand
(vgl. hiezu: BGE 125 V 414 ff. Erw. 1 und 2). Insofern ist auf die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht einzutreten.

3.
3.1 Streitig und zu prüfen ist demnach einzig, ob für die Zeit ab 1. Mai 2004
ein zu Arbeitsunfähigkeit führender Gesundheitsschaden auszumachen ist,
welcher in natürlich und adäquat kausaler Weise auf den versicherten Unfall
vom 5. März 2002 zurückzuführen ist. Das kantonale Gericht hat die dabei nach
der Rechtsprechung für den Anspruch auf Leistungen der obligatorischen
Unfallversicherung (Art. 6 Abs. 1 UVG) geltenden Voraussetzungen des
natürlichen und adäquaten Kausalzusammenhangs zwischen Unfallereignis und
eingetretenem Schaden im Allgemeinen (BGE 129 V 181 Erw. 3.1 und 3.2)
zutreffend dargelegt. Gleiches gilt hinsichtlich der Ausführungen zur
vorausgesetzten Adäquanz des Kausalzusammenhangs im Besonderen bei
psychischen Unfallfolgen (BGE 115 V 133 ff.) und Folgen eines Unfalles nach
Schleudertrauma der HWS (BGE 117 V 359 ff.) oder einer diesem äquivalenten
Verletzung (SVR 1995 UV Nr. 23 S. 67 Erw. 2) ohne organisch nachweisbare
Funktionsausfälle, soweit nicht eine ausgeprägte psychische Problematik
vorliegt (BGE 123 V 99 Erw. 2a). Darauf wird verwiesen. Zu ergänzen ist, dass
sich an den Grundsätzen zu dem für die Leistungspflicht des
Unfallversicherers nach Art. 6 Abs. 1 UVG vorausgesetzten natürlichen und
adäquaten Kausalzusammenhang mit Inkrafttreten des ATSG auf den 1. Januar
2003 nichts geändert hat (RKUV 2005 Nr. U 555 S. 322 [U 458/04]).

3.2 Die Vorintanz hat in einlässlicher Würdigung der medizinischen Aktenlage
- insbesondere gestützt auf den gutachterlichen Bericht des Dr. med.
H.________, Spezialarzt FMH für Psychiatrie und Psychotherapie, vom 13. Mai
2003 sowie unter Berücksichtigung des Austrittsberichts der Rehaklinik
Z.________ vom 10. Juli 2002, ferner des Berichts der interdisziplinären
Schmerzsprechstunde des Universitätsspitals Y.________ vom 23. Januar 2004
sowie der neurologischen Beurteilung des Dr. med. W.________, Spezialarzt FMH
für Neurochirurgie, SUVA Versicherungsmedizin, vom 21. Dezember 2004 -
zutreffend erwogen, dass beim Beschwerdeführer keine organisch nachweisbaren
Unfallfolgen vorliegen und für seine fortdauernden, eine weitgehende
Arbeitsunfähigkeit begründenden Gesundheitsbeeinträchtigungen (insbesondere
Schulter- Nacken-, Kopf-, Wirbelsäule- und Brustbeinschmerzen,
Konzentrationsstörungen, Augen-Zittern, Schwindel, Gangunsicherheit,
Müdigkeit, Schlafstörungen und rasche Erschöpfung) allein psychische Ursachen
in Betracht fallen.

3.3 Weder in Bezug auf die diagnostizierte chronische Schmerzerkrankung noch
hinsichtlich der weiteren neuropsychologischen und psychischen
Beeinträchtigungen bestehen objektiv nachweisbare Unfallfolgen. Aufgrund der
klinischen und zusätzlichen Befunde fanden die Ärzte der interdisziplinären
Schmerzsprechstunde am Universitätsspital Y.________ - in Einklang mit den
übrigen medizinischen Akten - aus neurologischer Sicht keine Hinweise für
eine chronisch-entzündliche Systemerkrankung oder für eine metabolische bzw.
neoplastische Grunderkrankung. Ebenso wenig ergaben sich aus neurologischer
Sicht Anhaltspunkte für eine symptomerklärende Erkrankung des Nervensystems.
In einer ausführlichen Schichtbildgebung von Schädel und sämtlichen
Wirbelsäulenabschnitten liessen sich keine posttraumatischen strukturellen
Läsionen nachweisen (Bericht vom 23. Januar 2004). Auch mit Blick auf den
Austrittsberichts der Rehaklinik Z.________, in welche der Versicherte
bereits rund sieben Wochen nach dem Unfallereignis eingetreten war, ist mit
der Vorinstanz festzustellen, dass die - teilweise zum typischen
Beschwerdebild eines Schädel-Hirntraumas gehörenden - gesundheitlichen
Beeinträchtigungen anfänglich zwar teilweise vorhanden waren, schon wenige
Wochen nach dem Geschehen vom 5. März 2002 und im Verlauf der gesamten
Entwicklung vom Unfall bis zum Beurteilungszeitpunkt gesamthaft jedoch nur
eine sehr untergeordnete Rolle gespielt haben und damit im Vergleich zur
ausgeprägten psychischen Problematik ganz in den Hintergrund getreten sind.
Bereits während des Aufenthaltes in der Rehaklinik Z.________ stand eine
unklare neuropsychologische Störung mit ausgesprochen schwankenden
Testleistungen, fahrig-unkonzentrierter Arbeitsweise, eingeschränkter
Motivation und subjektiv hoher Schmerzangabe im Vordergrund. Anlässlich des
psychosomatischen Konsiliiums vom 24. Mai 2002 hielt Dr. med. K.________,
Leitender Arzt, FMH Psychiatrie und Psychotherapie, psychiatrisch-syndromal
eine Störung aus dem Formenkreis der Somatisierung verbunden mit starker
Appellationstendenz für wahrscheinlich. Ein Substanzverlust hinsichtlich der
erlittenen traumatischen Hirnverletzung konnte nicht nachgewiesen werden. Die
Adäquanzbeurteilung erfolgte damit praxisgemäss richtigerweise unter dem
Gesichtspunkt einer psychischen Fehlentwicklung nach Unfall (BGE 115 V 133;
123 V 99 Erw. 2a mit Hinweisen und RKUV 2002 Nr. U 465 S. 437; vgl. auch BGE
127 V 103 Erw. 5b/bb).

3.4 Diesbezüglich ist sodann den vorinstanzlichen Erwägungen, wonach der
adäquate Kausalzusammenhang zum Unfall vom 5. März 2002 zu verneinen ist,
zuzustimmen. Die Einwände des Beschwerdeführers vermögen die Richtigkeit der
betreffenden, aufgrund einer einlässlichen Würdigung der Akten getroffenen
Schlussfolgerungen der Vorinstanz, namentlich deren Ausführungen zur
Unfallschwere sowie zu den einzelnen Kriterien der Adäquanzbeurteilung (siehe
BGE 115 V 140 Erw. 6c/aa: besonders dramatische Begleitumstände oder
besondere Eindrücklichkeit des Unfalls; Schwere oder besondere Art der
erlittenen Verletzung, insbesondere ihre erfahrungsgemässe Eignung,
psychische Fehlentwicklungen auszulösen; ungewöhnlich lange Dauer der
ärztlichen Behandlung; körperliche Dauerschmerzen; ärztliche Fehlbehandlung,
welche Unfallfolgen erheblich verschlimmert; schwieriger Heilungsverlauf und
erhebliche Komplikationen; Grad und Dauer der physisch bedingten
Arbeitsunfähigkeit) nicht in Frage zu stellen. Unter diesen Umständen durfte
die Vorinstanz unbeantwortet lassen, ob zwischen dem Unfallereignis vom 5.
März 2002 und den nach wie vor vom Versicherten geklagten Beschwerden ein
natürlicher Kausalzusammenhang besteht.

3.5 Schliesslich vermag auch die letztinstanzlich vorgebrachte Kritik, das
kantonale Gericht habe zu Unrecht nicht auf die hausärztlichen Berichte
abgestellt, keine Zweifel an dessen Beweiswürdigung zu begründen. Die
Vorinstanz hat die Berichte des Hausarztes Dr. med. O.________, (vom 5.
Februar 2003 und 19. Mai 2004) in ihre Beurteilung miteinbezogen und
zutreffend begründet, warum diese in beweisrechtlicher Hinsicht nicht als
ausschlaggebend anzusehen sind. Dass es dabei der Erfahrungstatsache Rechnung
trug, dass Hausärzte mitunter im Zweifel eher zu Gunsten ihrer Patienten
aussagen (BGE 125 V 353 Erw. 3b/cc mit Hinweisen), ist nicht zu beanstanden.
Damit wird weder in Abrede gestellt, dass der Beschwerdeführer weiterhin an
zahlreichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen, wie in den hausärztlichen
und spezialärztlichen Berichten beschrieben, leidet, noch werden diese
bagatellisiert. Aufgrund der gesamten medizinischen Aktenlage ist, wie
bereits dargelegt (Erw. 3.2 und 3.3), vielmehr davon auszugehen, dass die
andauernden Schmerzen sowie die übrigen Beeinträchtigungen, wie
beispielsweise die Gangunsicherheit, kein organisches Substrat (mehr) haben,
sondern psychisch bedingt sind. Dem Unfallereignis vom 5. März 2002 kommt
somit für die weiterhin geklagten Beschwerden seit dem 1. Mai 2004 keine
rechtlich massgebende Bedeutung mehr zu, womit die Unfallversicherung eine
weitere Leistungspflicht (einschliesslich der geltend gemachten Ansprüche auf
Rente und Integritätsentschädigung) zu Recht abgelehnt hat. Damit hat es beim
vorinstanzlichen Entscheid sein Bewenden.

4.
Die unentgeltliche Verbeiständung kann hingegen gewährt werden (Art. 152 in
Verbindung mit Art. 135 OG), da die Bedürftigkeit aktenkundig ist, die
Beschwerde nicht als aussichtslos zu bezeichnen und die Vertretung geboten
war (BGE 125 V 202 Erw. 4a und 372 Erw. 5b, je mit Hinweisen). Es wird
indessen ausdrücklich auf Art. 152 Abs. 3 OG aufmerksam gemacht, wonach die
begünstigte Partei der Gerichtskasse Ersatz zu leisten haben wird, wenn sie
später dazu im Stande ist.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege wird Rechtsanwältin Marina
Kreutzmann, Zürich, für das Verfahren vor dem Bundesgericht aus der
Gerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 2500.- (einschliesslich
Mehrwertsteuer) ausgerichtet.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit zugestellt.

Luzern, 19. Februar 2007

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: