Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 147/2006
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Prozess {T 7}
U 147/06

Urteil vom 21. Juni 2006
III. Kammer

Präsident Ferrari, Bundesrichter Meyer und Seiler; Gerichtsschreiberin Keel
Baumann

Zürich Versicherungs-Gesellschaft, Rechtsdienst, Generaldirektion Schweiz,
8085 Zürich,  Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Adelrich
Friedli, Stationsstrasse 66 A, 8907 Wettswil,

gegen

1. Sanitas Schweizerische Krankenversicherung, Lagerstrasse 107, 8021 Zürich,

2. G.________, 1954,
Beschwerdegegner

Kantonsgericht Basel-Landschaft, Liestal

(Entscheid vom 5. Oktober 2005)

Sachverhalt:

A.
Der 1954 geborene G.________ war vom 1. April 2001 bis 31. Mai 2003 bei der
Firma X.________ AG angestellt und in dieser Eigenschaft bei den Alpina
Versicherungen, welche per 1. Juni 2004 mit der Zürich
Versicherungs-Gesellschaft fusionierten, unfallversichert.

Am 17. Mai 2003 verunfallte G.________ bei einem Fussballspiel. Er wurde von
hinten gefoult, fiel auf den Rücken und schlug den Kopf auf dem Boden auf.
G.________ suchte am 23. Mai 2003 seinen Hausarzt Dr. med. Z.________,
Allgemeine Medizin FMH, auf, welcher eine Distorsion der Halswirbelsäule
(HWS) und eventuell eine Commotio diagnostizierte und G.________ vollständig
arbeitsunfähig schrieb.

Die Zürich erbrachte die gesetzlichen Leistungen (Heilbehandlung, Taggeld).
Mit Verfügung vom 15. Oktober 2004 stellte sie die Leistungen per 31. März
2004 ein mit der Begründung, es fehle an der Adäquanz des
Kausalzusammenhanges zwischen den geklagten Beschwerden und dem Unfall, wobei
sie auf eine Rückforderung der zu viel erbrachten Taggeldleistungen
verzichtete. Daran hielt sie auf die von G.________ und von dessen
Krankenversicherer, der Krankenkasse Sanitas, je separat eingereichten
Einsprachen hin fest (Entscheid vom 24. März 2005).

B.
Die Sanitas und G.________ erhoben hiegegen je separat Beschwerde mit dem
Rechtsbegehren, es sei festzustellen, dass die Leistungseinstellung per 31.
März 2004 verfrüht sei, da der Status quo ante noch nicht erreicht sei. Das
Kantonsgericht Basel-Landschaft vereinigte die beiden Verfahren und hiess die
Beschwerden in dem Sinne gut, als der Einspracheentscheid der Zürich
Versicherungs-Gesellschaft vom 24. März 2005 aufgehoben und die Sache zu
weiteren Abklärungen im Sinne der Erwägungen an die Zürich
Versicherungs-Gesellschaft zurückgewiesen wurde (Entscheid vom 5. Oktober
2005).

C.
Die Zürich Versicherungs-Gesellschaft führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde und
beantragt die Aufhebung des kantonalen Entscheides.
Während die Sanitas und G.________ auf Abweisung der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliessen, verzichtet das Bundesamt für
Gesundheit auf eine Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Nach den zutreffenden Erwägungen der Vorinstanz setzt die grundsätzliche
Leistungspflicht des Unfallversicherers nach Art. 6 Abs. 1 UVG voraus, dass
zwischen Unfallereignis und eingetretenem Gesundheitsschaden (Krankheit,
Invalidität, Tod) ein natürlicher (BGE 129 V 181 Erw. 3.1 mit Hinweisen) und
adäquater (vgl. auch BGE 129 V 181 Erw. 3.2, 405 Erw. 2.2, je mit Hinweis)
Kausalzusammenhang besteht. Richtig dargelegt wurde sodann die Rechtsprechung
zu dem im Sozialversicherungsrecht geltenden Untersuchungsgrundsatz (vgl.
auch BGE 130 V 68 Erw. 5.2.5 mit Hinweisen), zum Beweisgrad der überwiegenden
Wahrscheinlichkeit (BGE 129 V 153 Erw. 2.1 mit Hinweisen) und zum Beweiswert
eines Arztberichts (BGE 125 V 352 Erw. 3a). Darauf wird verwiesen.

2.
2.1 Nach Würdigung der medizinischen Berichte gelangte die Vorinstanz zum
Ergebnis, dass der Versicherte in seiner Arbeitsfähigkeit - soweit
ersichtlich unfallbedingt - eingeschränkt ist (bis 31. Mai 2004 100 % und ab
1. Juni 2004 50 %). Sie erwog, dass mit Blick auf die gestellten Diagnosen
(posttraumatisches Zervikal- und Lumbovertebralsyndrom gemäss Dr. med.
Z.________ und Dr. med. M.________, Neurologie FMH; Dysfunktion der Rotation
des kraniozervikalen Übergangs [vereinbar mit oberem Zervikalsyndrom] gemäss
Dr. med. E.________, Spezialarzt FMH für med. Radiologie; HWS-Distorsion mit
anhaltendem zervikozephalem Symptomenkomplex und Lumbovertebralsyndrom gemäss
Rehaklinik Y.________) zwar vom Bestehen organischer Befunde auszugehen sei,
sich den medizinischen Unterlagen indessen nicht entnehmen lasse, in welchem
Umfang die Arbeitsfähigkeit beeinträchtigende organische Gesundheitsschäden
vorlägen bzw. worauf diese zurückzuführen seien.

2.2 In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird hiegegen vorgebracht, die
Vorinstanz habe aus den Bezeichnungen Zervikal- und Lumbovertebralsyndrom zu
Unrecht abgeleitet, dass es sich um organische Befunde handle. Dabei ist der
Beschwerdeführerin zwar insoweit zuzustimmen, als die entsprechenden
Funktionsstörungen (im Hals- bzw. Nacken- oder Lendenbereich) sowohl
organischer als auch psychischer Ursache sein können, beinhaltet doch ein
Syndrom eine Gruppe von Krankheitszeichen, die für ein bestimmtes
Krankheitsbild mit meist uneinheitlicher oder unbekannter Ätiologie bzw.
Pathogenese charakteristisch sind (Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 260.
Aufl., Berlin/New York 2004, S. 1767). Indessen hat die Vorinstanz im
Zusammenhang mit der Annahme organischer Befunde nicht nur die genannten
Syndrome erwähnt, sondern auch auf die durch den Radiologen Dr. med.
E.________ festgestellte (mit einem Zervikalsyndrom vereinbare) Dysfunktion
der Rotation des kraniozervikalen Übergangs abgestellt, welche der von der
Rehaklinik Y.________ festgestellten eingeschränkten HWS-Beweglichkeit
entspricht. Wie aus dem Bericht des Dr. med. E.________ vom 2. Februar 2004
hervorgeht, handelt es sich dabei um funktionelle Blockwirbel, d.h. die
vollständige oder unvollständige Verschmelzung zweier Wirbelkörper unter
entsprechendem Verlust des Wirbelsynchondrosengewebes (Pschyrembel, a.a.O.,
S. 237) und damit um einen organischen Befund. In den meisten Fällen sind
diese Blockwirbel zwar angeboren; sie können aber auch erworben werden,
insbesondere entzündlich (Pschyrembel, a.a.O., S. 237; Roche Lexikon Medizin,
5. Aufl., München 2003, S. 236), daneben aber auch traumatisch (Thiele,
Handlexikon der Medizin, München/Wien 1980, S. 278). Aus diesem Grunde ist
nicht von vornherein ausgeschlossen, dass die eingeschränkte Beweglichkeit
der HWS auf den Unfall zurückzuführen ist. Sofern dies zutrifft und die
Arbeitsunfähigkeit mit der eingeschränkten Beweglichkeit der HWS erklärt
werden kann, fällt demnach eine Unfallkausalität in Betracht. Da sich in den
vorliegenden Unterlagen keine klaren Antworten auf diese beiden Fragen
finden, besteht diesbezüglich noch Abklärungsbedarf, wie die Vorinstanz
zutreffend erkannt hat.

2.3 Zuzustimmen ist der Beschwerdeführerin hingegen insoweit, als sie keinen
Anlass sieht für die von der Vorinstanz im Rahmen ihres
Rückweisungsentscheides für erforderlich gehaltene Abklärung, ob weitere
organische Gesundheitsschäden vorliegen. Denn es ist davon auszugehen, dass
allfällige - neben den funktionellen Blockwirbeln bestehende - organische
Gesundheitsschäden im Rahmen der bereits durchgeführten medizinischen
Untersuchungen entdeckt worden wären. Entgegen dem angefochtenen Entscheid,
der insoweit nicht bestätigt werden kann, ist deshalb von weiteren
Abklärungen in diese Richtung abzusehen, da von ihnen keine neuen
Erkenntnisse zu erwarten sind (antizipierte Beweiswürdigung; BGE 124 V 94
Erw. 4b, 122 V 162 Erw. 1d und seitherige Entscheide).

3.
Während die Zürich in ihrer mit Einspracheentscheid vom 24. März 2005
bestätigten Verfügung vom 15. Oktober 2004 die Adäquanz des
Kausalzusammenhanges verneint und gestützt hierauf eine Leistungspflicht
abgelehnt hat, ist die Vorinstanz auf die Adäquanzfrage (welche sich vor
Vornahme der in Erw. 2.2 erwähnten Abklärungen denn auch nicht abschliessend
beantworten lässt) nicht eingegangen. Obwohl das kantonale Gericht in seinem
Rückweisungsentscheid nicht darauf aufmerksam gemacht hat, versteht sich von
selbst, dass der Unfallversicherer im Falle, dass er nach Vornahme der
Abklärungen zum Ergebnis gelangt, der natürliche Kausalzusammenhang sei zu
bejahen, der Adäquanzfrage nachzugehen haben wird.

4.
4.1 Nach Art. 134 OG darf das Eidgenössische Versicherungsgericht im
Beschwerdeverfahren über die Bewilligung oder Verweigerung von
Versicherungsleistungen den Parteien in der Regel keine Verfahrenskosten
auferlegen. Rechtsprechungsgemäss findet der Grundsatz der Unentgeltlichkeit
des Verfahrens vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht keine Anwendung,
wenn sich zwei Unfallversicherer (BGE 120 V 494 Erw. 3, 119 V 223 Erw. 4c),
eine Krankenkasse und ein Unfallversicherer (BGE 126 V 192 Erw. 6, AHI 1998
S. 110), die Invalidenversicherung und der Unfallversicherer (AHI 2000 S. 206
Erw. 2) oder zwei Vorsorgeeinrichtungen (Urteil H. vom 26. Januar 2001, B
79/99, Erw. 7a) über ihre Leistungspflicht streiten. Nach BGE 127 V 107 Erw.
6 sind in einer Streitigkeit zwischen zwei Sozialversicherern über die
Leistungspflicht die Gerichtskosten dem unterliegenden Sozialversicherer
aufzuerlegen, auch wenn das Verfahren zusammen mit einer kostenfreien
Streitigkeit zwischen der versicherten Person und ihrem Unfallversicherer im
selben Urteil erledigt wird.

Entsprechend dem Ausgang des Verfahrens werden die Kosten der unterliegenden
Beschwerdeführerin auferlegt (Art. 156 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 135 OG).

4.2 Eine Parteientschädigung wird der obsiegenden Beschwerdegegnerin nicht
zugesprochen, weil diese eine öffentlich-rechtliche Aufgabe im Sinne von Art.
159 Abs. 2 OG wahrnimmt und die Voraussetzungen für die ausnahmsweise
Zusprechung einer Entschädigung nicht gegeben sind (BGE 128 V 133 Erw. 5b,123
V 309 Erw. 10). Mangels anwaltlicher Vertretung kann auch der
Beschwerdegegner keine Parteientschädigung beanspruchen.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird im Sinne der Erwägungen abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 6000.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt und
mit dem geleisteten Kostenvorschuss verrechnet.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Basel-Landschaft,
Abteilung Sozialversicherungsrecht, und dem Bundesamt für Gesundheit
zugestellt.

Luzern, 21. Juni 2006

Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der III. Kammer: Die Gerichtsschreiberin: