Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 144/2006
Zurück zum Index Sozialrechtliche Abteilungen 2006
Retour à l'indice Sozialrechtliche Abteilungen 2006


Prozess {T 7}
U 144/06

Urteil vom 23. Mai 2006
IV. Kammer

Präsident Ursprung, Bundesrichter Schön und Frésard; Gerichtsschreiberin
Polla

R.________, Beschwerdeführer,

gegen

Visana Versicherungen AG, Weltpoststrasse 19, 3015 Bern, Beschwerdegegnerin

Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Bern

(Entscheid vom 13. Februar 2006)

Sachverhalt:

A.
Der 1942 geborene, seit 1990 als Systemspezialist bei der Firma B.________
AG, angestellte R.________ ist aufgrund seines Arbeitsverhältnisses bei der
Visana Versicherungen AG, Bern (im Folgenden: Visana), obligatorisch gegen
die Folgen von Unfällen versichert. Gemäss Bagatellunfallmeldung vom 12. Mai
2005 zog er sich am 28. April 2005 beim Befördern von Topfpflanzen mit einem
Transportroller eine linksseitige Lumboischialgie zu, wobei laut E-Mail vom
8. Juni 2005 ärztlicherseits eine Diskushernie L5/S1 mit Nervenkompression S1
links diagnostiziert wurde. Mit Verfügung vom 10. Juni 2005 verneinte die
Visana ihre Leistungspflicht, da das Ereignis vom 28. April 2005 rechtlich
nicht als Unfall zu werten sei. Daran hielt sie mit Einspracheentscheid vom
26. September 2005 fest.

B.
Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern
mit Entscheid vom 13. Februar 2006 ab.

C.
R.________ führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem sinngemässen Antrag
auf Zusprechung der gesetzlichen Leistungen.
Während die Visana auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliesst,
hat das Bundesamt für Gesundheit auf eine Vernehmlassung verzichtet.

D.
Mit Eingabe vom 24. April 2006 äussert sich der Beschwerdeführer zur
Vernehmlassung der Visana.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Die Vorinstanz legt die massgeblichen Rechtsgrundlagen bezüglich des
Unfallbegriffs (Art. 4 ATSG), insbesondere die Rechtsprechung zum Merkmal der
Ungewöhnlichkeit im allgemeinen (BGE 129 V 404 Erw. 2.1, 122 V 233 Erw. 1,
118 V 61 Erw. 2b, 283 Erw. 2a; RKUV 2000 Nr. U 368 S. 99 f. Erw. 2b, 1999 Nr.
U 345 S. 421 f. Erw. 2a, Nr. U 333 S. 198 ff. Erw. 3) und zum Erfordernis der
besonders sinnfälligen Verumständungen bei Schädigungen, die sich auf das
Körperinnere beschränken (BGE 99 V 138 Erw. 1; RKUV 1999 Nr. U 345 S. 422
Erw. 2b mit Hinweisen) richtig wiedergegeben. Entsprechendes gilt bezüglich
der vorinstanzlichen Erwägungen zur rechtsprechungsgemässen Bejahung eines
ungewöhnlichen äusseren Faktors bei Vorliegen einer unkoordinierten Bewegung
- d.h. einer Störung der körperlichen Bewegung durch etwas "Programmwidriges"
wie Stolpern, Ausgleiten, Anstossen oder ein reflexartiges Abwehren eines
Sturzes etc. (BGE 130 V 118 Erw. 2.1; RKUV 2000 Nr. U 368 S. 100 Erw. 2d,
1999 Nr. U 345 S. 422 Erw. 2b mit Hinweisen und 1999 Nr. U 333 S. 199 Erw.
3c/aa; vgl. Alfred Maurer, Schweizerisches Unfallversicherungsrecht, 2.
Aufl., Bern 1989, S. 176 f.) - oder eines mit Blick auf die Konstitution und
die berufliche oder ausserberufliche Gewöhnung des Versicherten
ausserordentlichen Kraftaufwands (einer sinnfälligen Überanstrengung) beim
Heben oder Verschieben einer Last (BGE 116 V 139 Erw. 3b mit Hinweisen).
Ebenfalls zutreffend dargelegt hat das kantonale Gericht die Rechtsprechung
zu den in Art. 9 Abs. 2 UVV (in der hier anwendbaren, seit 1. Januar 2003 in
Kraft stehenden Fassung) abschliessend aufgezählten unfallähnlichen
Körperschädigungen (BGE 129 V 466 mit Hinweisen). Darauf wird verwiesen. Zu
ergänzen ist, dass sich am Unfallbegriff mit In-Kraft-Treten des
Bundesgesetzes vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil der
Sozialversicherung (ATSG) am 1. Januar 2003 inhaltlich nichts geändert hat,
sodass auch die bisherige Rechtsprechung anwendbar bleibt (RKUV 2004 Nr. U
530 S. 57 [Urteil F. vom 5. Juli 2004, U 123/04]).

2.
Strittig ist, ob die Visana aufgrund des Ereignisses vom 28. April 2005 eine
Leistungspflicht bezüglich der geltend gemachten Rückenbeschwerden trifft,
welche voraussetzt, dass das Geschehen einen Unfall im Rechtssinne darstellt.
Zu Recht unbestritten ist, dass eine unfallähnliche Körperschädigung gemäss
Art. 9 Abs. 2 UVV ausser Betracht fällt.

2.1 Laut Sachverhaltsschilderung des Beschwerdeführers anlässlich der
Unfallmeldung am 12. Mai 2005 brachte er zusammen mit seiner Frau
Topfpflanzen auf einem Transportroller von der Garage in den Garten. Als der
Transportroller unvermittelt wegzukippen drohte, sei er vorgeschnellt und
habe den darauf stehenden Oleander in die Senkrechte zu reissen versucht, was
seinem Rücken offensichtlich schlecht bekommen sei.

2.2 Die vom Versicherten ausgeführte reflexartige Bewegung beim Hochreissen
des Oleanders ist als solche weder ungewöhnlich (vgl. Erw. 1 hievor) noch in
besonderer, einem Ausgleiten oder einem Sturz vergleichbarer Weise geeignet,
zu einer unphysiologischen Belastung einzelner Muskeln oder Muskelgruppen zu
führen (vgl. Urteile Z. vom 9. Oktober 2003 [U 360/02] Erw. 3.4, F. vom 10.
Januar 2003 [U 385/01] Erw. 2 und J. vom 30. August 2001 [U 277/99] Erw. 3c).
Das Vorliegen eines ungewöhnlichen äusseren Faktors ist auch nicht bereits
deshalb zu bejahen, weil die Bewegung reflexartig ausgeführt wurde (Urteil W.
vom 21. März 2006 [U 222/05] Erw. 3.2 und Urteil Z. vom 9. Oktober 2003 [U
360/02] Erw. 3.4 mit Hinweisen). In ähnlich gelagerten Fällen wurde im selben
Sinne entschieden (vgl. Maurer, a.a.O., S. 178 f.; Alexandra Rumo-Jungo,
Rechtsprechung des Bundesgerichts zum Sozialversicherungsrecht, Bundesgesetz
über die Unfallversicherung, 3. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2003, S. 36 f. [zu
Art. 6]), so beim reflexartigen Auffangen eines weggekippten Einkaufwagens
(Urteil W. vom 21. März 2006 [U 222/05] Erw. 3.2, beim Nachfassen einer
abrutschenden Vakuumstufe von ca. 25 bis 30 kg (Urteil Z. vom 9. Oktober 2003
[U 360/02] Erw. 3.3.3 und 3.4 und eines weggleitenden Radiators von 100 kg
(Urteil N. vom 12. April 2000 [U 110/99] Erw. 3), beim Wiederherstellen des
Gleichgewichts durch eine heftige Handbewegung anlässlich des Transports
einer 100 bis 150 kg schweren Türe (Rechtsprechungsbeilage zum
SUVA-Jahresbericht 1988 Nr. 8 S. 15), beim Heben eines ca. 60 kg wiegenden
Papierstapels und reflexartigen Nachfassen, als dieser in sich
zusammenzufallen drohte (Rechtsprechungsbeilage zum SUVA-Jahresbericht 1981
Nr. 4 S. 7), und beim ruckartigen An-sich-nehmen eines von einem fahrbaren
Wagenheber herunterzufallen drohenden Motors mit einem Gewicht von ca. 80 kg
(SUVA-Jahresbericht 1962 Nr. 3a S. 17). Diesen Sachverhalten und dem vom
Beschwerdeführer geschilderten Ereignis ist sodann gemeinsam, dass der
natürliche Ablauf der Körperbewegung jeweils nicht durch etwas
Programmwidriges oder Sinnfälliges wie Ausgleiten, Stolpern, reflexartiges
Abwehren eines Sturzes beeinträchtigt wurde (vgl. Erw. 1 hievor sowie RKUV
1999 Nr. U 333 S. 199 Erw. 3c/aa und Nr. U 345 S. 422 Erw. 2b). Etwas
Ungewöhnliches lässt sich auch nicht im Kraftaufwand erkennen, welcher für
das Hochreissen des Oleanders erforderlich war (Urteile W. vom 21. März 2006
[U 222/05] Erw. 3.2 und Z. vom 9. Oktober 2003, U 360/02). Daran ändert auch
der Umstand nichts, dass nach Angaben des Beschwerdeführers die Überwinterung
der Topfpflanzen in der Garage ein Novum war und er bis aufs Rasenmähen die
Gartenarbeit seiner Frau überlasse. Zum einen waren in den erwähnten Fällen,
in welchen das Eidgenössische Versicherungsgericht eine den Unfallbegriff
erfüllende Überanstrengung verneint hat, die zu hebenden Lasten zwischen 60
und 100 kg schwer (vgl. Urteil Z. vom 9. Oktober 2003, U 360/02, mit
Hinweisen), zum andern entstand die Gesundheitsschädigung des
Beschwerdeführers nach seinen Schilderungen nicht durch ein Heben oder
Auffangen des Transportrollers oder des darauf stehenden Oleanders, sondern
durch die ruckartige Armbewegung, mit welcher das Hinunterfallen der Pflanze
vermieden wurde, weshalb dem Gewicht des Transportrollers oder der
Topfpflanze untergeordnete Bedeutung zukommt. Zusammenfassend ergibt sich
somit, dass das Vorkommnis des 28. August 2005 den Unfallbegriff nicht
erfüllt. Damit erübrigt sich die Beurteilung der Kausalität zwischen dem
Geschehen und der Gesundheitsschädigung. Der Beschwerdeführer kann daher
schon deshalb nichts zu seinen Gunsten aus dem in der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde erwähnten Urteil des Eidgenössischen
Versicherungsgericht vom 12. Februar 2004 (U 185/03) ableiten, da diesem ein
versichertes Unfallereignis zu Grunde lag. Weil schliesslich die Eingabe vom
24. April 2006 keine für den Ausgang des Verfahrens relevanten Ausführungen
enthält, erübrigt es sich, über deren prozessuale Zulässigkeit (BGE 127 V
353) zu befinden, womit es beim vorinstanzlichen Entscheid sein Bewenden hat.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für Gesundheit
zugestellt.

Luzern, 23. Mai 2006

Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
Der Präsident der IV. Kammer: Die Gerichtsschreiberin: