Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 103/2006
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{T 7}
U 103/06

Urteil vom 4. Januar 2007

I. sozialrechtliche Abteilung

Bundesrichter Borella, Vorsitzender,
Bundesrichterin Leuzinger, Bundesrichter Kernen,
Gerichtsschreiberin Helfenstein Franke.

M.________, 1953, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Daniel
Ehrenzeller, Engelgasse 214, 9053 Teufen,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004
Luzern, Beschwerdegegnerin.

Unfallversicherung,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des
Kantons Schaffhausen vom 13. Januar 2006.

Sachverhalt:

A.
Die 1953 geborene M.________ war als Bezügerin von Taggeldern der
obligatorischen Arbeitslosenversicherung bei der Schweizerischen
Unfallversicherungsanstalt (SUVA) obligatorisch unfallversichert, als sie am
15. September 2003 als Fussgängerin von einem Auto angefahren wurde, das
rückwärts aus einem Parkplatz fuhr, und dabei stürzte. Der erstbehandelnde
Arzt Dr. med. Z.________, Arzt für Allgemeine Medizin FMH, gab in seinem
Bericht vom 31. Dezember 2003 als Befunde paravertebral links auf Höhe der
Brustwirbelkörper (BWK) 2-4 eine Druckdolenz der Muskulatur sowie Schürfungen
am rechten Knie und linken Ellbogen an, ohne Anzeichen für Frakturen, bei
unauffälligem Thorax-Röntgen; als Diagnose erwähnte er zusätzlich eine
Kontusion der Thoraxwand. Der am folgenden Tag aufgesuchte Dr. med.
B.________ diagnostizierte im Bericht vom 26. September 2003 eine tiefe
Rissquetschwunde der rechten Hand, Schürfungen an Ellbogen und Knie rechts
sowie eine Kontusion der Brustwirbelsäule (BWS).

Die SUVA richtete Taggelder aus und kam für die Heilbehandlung auf. Sie zog
verschiedene Arztberichte bei, insbesondere des Dr. med. O.________, Facharzt
FMH für Innere Medizin, speziell Rheumaerkrankungen, vom 14. November 2003
und 28. Februar 2004, und veranlasste eine stationäre Abklärung in der
Rehabilitationsklinik X.________ vom 26. Februar bis 14. März 2004
(Austrittsbericht vom 12. Mai 2004). Im Anschluss an die kreisärztliche
Abschlussuntersuchung vom 25. Mai 2004 durch Dr. med. J.________, Facharzt
FMH für Chirurgie, sowie nach Beizug von Berichten des Hausarztes Dr. med.
S.________, Arzt für Allgemeine Medizin FMH, Beringen, vom 3. Juni und
3. Juli 2004 sowie des Dr. med. H.________, Facharzt FMH für Neurologie, vom
28. Juni 2004 stellte die SUVA mit Verfügung vom 22. Juli 2004 ihre
Leistungen auf den 1. Juli 2004 ein, da die bestehenden Beschwerden nicht
mehr unfallbedingt seien und in diesem Zeitpunkt der Zustand, wie er sich
auch ohne den Unfall eingestellt hätte, erreicht sei. Daran hielt die SUVA
mit Einspracheentscheid vom 7. Januar 2005 fest.

B.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Obergericht des Kantons Schaffhausen
mit Entscheid vom 13. Januar 2006 ab.

C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt M.________ die Rückweisung der Sache
an die SUVA beantragen; eventualiter sei diese zu verpflichten, ihr die
gesetzlichen Leistungen auch über den 1. Juli 2004 hinaus zu erbringen,
beruhend auf einer Arbeitsunfähigkeit von 50 %.

Während die SUVA auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliesst,
verzichtet das Bundesamt für Gesundheit auf eine Vernehmlassung.

D.
Mit Eingabe vom 4. April 2006 liess M.________ einen Bericht des Dr. med.
S.________ vom 23. März 2006 ins Recht legen. Am 30. Oktober 2006 liess sie
zudem eine Strafanzeige vom 15. Juni 2006 gegen die Unfallverursacherin zu
den Akten geben und beantragte die Sistierung des Verfahrens, welchem die
SUVA in der Folge opponierte.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (BGG; SR 173.110)
ist am 1. Januar 2007 in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Da der
angefochtene Entscheid voher ergangen ist, richtet sich das Verfahren noch
nach OG (Art. 132 Abs. 1 BGG; BGE 132 V 395 Erw. 1.2).

2.
Die Beschwerdeführerin beantragt die Sistierung des vorliegenden Verfahrens
bis zum Abschluss der Strafuntersuchung gegen die Unfallverursacherin.
Angesichts der unterschiedlichen Konzeption privatrechtlicher Ansprüche und
solcher gegenüber der Unfallversicherung (Urteil D. vom 8. Oktober 2003,
U 152/01) vermögen die von der Beschwerdeführerin in Aussicht gestellten
medizinischen Erkenntnisse aus dem Strafverfahren, welches gemäss ihren
Angaben mit dem Ziel eingeleitet wurde, "auch gegenüber der
Haftpflichtversicherung gewappnet zu sein", zu den hier interessierenden
Fragen keine neuen Gesichtspunkte zu liefern. Damit besteht kein Grund für
eine Aussetzung des Verfahrens, und das Sistierungsbegehren ist abzuweisen
(Art. 6 Abs. 1 BZP in Verbindung mit Art. 135 und Art. 40 OG).

3.
Das kantonale Gericht hat die Bestimmung über den Anspruch auf Leistungen der
Unfallversicherung im Allgemeinen (Art. 6 Abs. 1 UVG) ebenso zutreffend
dargelegt wie die Rechtsprechung zu dem für die Leistungspflicht des
Unfallversicherers vorausgesetzten natürlichen (BGE 123 V 45 Erw. 2b, 121 V
329 Erw. 2a, 119 V 337 Erw. 1, 118 V 289 Erw. 1b, je mit Hinweisen) und
adäquaten Kausalzusammenhang (im Allgemeinen BGE 125 V 461 f. Erw. 5a mit
Hinweisen; bei Unfällen mit Schleudertrauma der Halswirbelsäule [HWS] BGE 117
V 366 Erw. 6 mit Hinweisen) zwischen dem Unfall und dem eingetretenen Schaden
(Krankheit, Invalidität, Tod). Dasselbe gilt für die Grundsätze zur
Beweislast beim Dahinfallen jeder kausalen Bedeutung von unfallbedingten
Ursachen eines Gesundheitsschadens (RKUV 2000 Nr. U 363 S. 46 Erw. 2, 1994
Nr. U 206 S. 329 Erw. 3b, 1992 Nr. U 142 S. 76 Erw. 4b) und für die Praxis,
wonach der Unfallversicherer nicht auf der Anerkennung des natürlichen
Kausalzusammenhanges beim Grundfall und bei früheren Rückfällen behaftet
werden kann, weil die unfallkausalen Faktoren durch Zeitablauf - bei
Verschlimmerung oder Manifestation eines krankhaften Vorzustandes durch einen
Unfall mit Erreichen des Status quo ante oder Status quo sine (vgl. RKUV 1994
Nr. U 206 S. 328 Erw. 3b, 1992 Nr. U 142 S. 75 Erw. 4b, je mit Hinweisen;
Urteil H. vom 18. September 2002 U 60/02 Erw. 2.2) - wegfallen können.

4.
Das kantonale Gericht hat in einlässlicher Darlegung der medizinischen
Aktenlage, worauf verwiesen wird, insbesondere gestützt auf die Beurteilung
des SUVA-Kreisarztes vom 25. Mai 2004 und in kritischer Würdigung der
Berichte des Dr. med. O.________ sowie des Dr. med. H.________ und des
Hausarztes Dr. med. S.________ zutreffend erwogen, dass bei der Versicherten,
die seit Jahren an vaskulären Kopfschmerzen litt und deswegen starke
Schmerzmedikamente einnahm, der status quo sine (Zustand, wie er sich auch
ohne den Unfall früher oder später eingestellt hätte) mit dem Beweisgrad der
überwiegenden Wahrscheinlichkeit spätestens am 1. Juli 2007 erreicht war,
sodass die danach geklagten, gemäss ihrem Hausarzt Dr. med. S.________ eine
weitgehende Arbeitsunfähigkeit begründenden Beschwerden als unfallfremd zu
qualifizieren sind und mithin die Versicherungsleistungen zu Recht
eingestellt wurden. Das kantonale Gericht hat insbesondere überzeugend
dargetan, weshalb weder angesichts des Unfallhergangs, soweit er im
Nachhinein als überwiegend wahrscheinlich erstellt werden kann, noch auf
Grund der nach dem Unfall aufgetretenen Symptome von einer dem
HWS-Schleudertrauma äquivalenten Verletzung (RKUV 2000 Nr. U 395 S. 317 Erw.
3 [Urteil Z. vom 2. Juni 2000, U 160/98]; SVR 1995 UV Nr. 23 S. 67 Erw. 2)
oder einem Schädel-Hirntrauma (BGE 117 V 369 ff.) ausgegangen werden kann.

Was die Beschwerdeführerin dagegen vorbringt, ist unbegründet. Aus der
hypothetischen Schilderung möglicher Unfallvarianten, wonach sich die
Beschwerdeführerin unter anderem "möglicherweise bei der Landung mittels
einer noch versuchten Schonbewegung" die Halswirbelsäule stauchte oder "eine
erste Überdehnung durch den Beschleunigungsmechanismus an sich beim Aufprall
des PWs" entstand, kann sie nichts zu ihren Gunsten ableiten: Die
Ausführungen bleiben spekulativ und ändern nichts daran, dass bei diesem -
nicht als schwer zu qualifizierenden - Sturz auf die linke Körperseite mit
Schürfungen an Knie und Ellbogen nach Lage der Akten weder ein Kopfanprall
noch eine Beteiligung der Halswirbelsäule überwiegend wahrscheinlich
ausgewiesen ist und auch sonst keinerlei Hinweise für eine
schleudertraumaähnliche Verletzung oder ein Schädelhirntrauma vorliegen.

Es ist auch nicht ersichtlich, inwiefern "praktisch der vollständige
HWS-Fragenkatalog gemäss Rechtsprechung" (recte wohl: buntes Beschwerdebild)
gegeben sein soll. Insbesondere das von der Beschwerdeführerin behauptete
unmittelbare Auftreten von Kopfschmerzen und Übelkeit nach dem Unfall, das in
den Akten erst zwei bzw. drei Monate später erwähnt wird, ist nicht dadurch
zu erstellen, dass beiden erstbehandelnden Ärzten wegen Zeitnot mangelnde
Sorgfalt bei der Abfassung der Berichte unterstellt wird und diese deshalb
als unvollständig und falsch qualifiziert werden. Die Schlussfolgerung des
kantonalen Gerichts, wonach die nach dem Unfall vermehrt beklagten
cervicocephalen Schmerzen im Rahmen des Vorbestehenden zu sehen sind, ist
deshalb nicht zu beanstanden. Weitere Sachverhaltsabklärungen in
medizinischer Hinsicht vermögen ebenso wie die neben "Augenschein und
Unfallrekonstruktion" beantragten "physikalisch-dynamischen Abklärungen" zum
Unfallhergang zu keinen weiteren Erkenntnissen und damit zu keinem anderen
Ergebnis zu führen.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Das Sistierungsbegehren wird abgewiesen.

2.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

3.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Obergericht des Kantons Schaffhausen und
dem Bundesamt für Gesundheit zugestellt.

Luzern, 4. Januar 2007

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Vorsitzende: Die Gerichtsschreiberin: