Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen P 8/2006
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Prozess {T 7}
P 8/06

Urteil vom 16. Oktober 2006
IV. Kammer

Präsident Ursprung, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter Frésard;
Gerichtsschreiber Fessler

W.________, 1941, Beschwerdeführer, vertreten durch Advokatin Ursula Metzger
Junco P., Bäumleingasse 2, 4001 Basel,

gegen

Ausgleichskasse Basel-Landschaft, Hauptstrasse 109, 4102 Binningen,
Beschwerdegegnerin

Kantonsgericht Basel-Landschaft, Liestal

(Entscheid vom 30. Dezember 2005)

Sachverhalt:

A.
Mit zwei Verfügungen vom 21. Juni 2005 vergütete die Ausgleichskasse
Basel-Landschaft als EL-Durchführungsstelle dem 1941 geborenen W.________,
seit 1. November 2004 Bezüger von Ergänzungsleistungen zur Altersrente,
Kostenbeteiligungen nach Krankenversicherungsgesetz (Franchise und
Selbstbehalte [Rechnungsdaten: 23. Mai und 13. Juni 2005]) in der Höhe von
Fr. 618.- und Fr. 70.-.
Mit einer weiteren Verfügung vom 9. August 2005 sprach die Ausgleichskasse
W.________ die Vergütung von Selbstbehalten (Rechnungsdatum: 14. Juli 2005)
von Fr. 312.- zu. Sie wies u.a. darauf hin, die angefallenen Krankheitskosten
hätten um Fr. 142.50 gekürzt werden müssen, da «für das Jahr 2005 eine
Kostenbeteiligung von höchstens Fr. 1000.- (Jahresfranchise von Fr. 300.- und
10 % Selbstbehalte von Fr. 700.-) vergütet werden kann». Daran hielt die
Ausgleichskasse mit Einspracheentscheid vom 26. August 2005 fest.

B.
Die Beschwerde des W.________ wies der Präsident der Abteilung
Sozialversicherungsrecht des Kantonsgerichts Basel-Landschaft mit Entscheid
vom 30. Dezember 2005 ab.

C.
W.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit den Rechtsbegehren,
der kantonale Gerichtsentscheid sei aufzuheben, die Ausgleichskasse sei
anzuweisen, ihm Fr. 439.90, eventualiter Fr. 200.- auszubezahlen, seiner
Rechtsvertreterin sei Akteneinsicht zu gewähren und es sei ihm die
unentgeltliche Rechtspflege zu bewilligen.
Die Ausgleichskasse und das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichten auf
eine Vernehmlassung.

D.
Der Rechtsvertreterin von W.________ ist Akteneinsicht gewährt worden.

E.
W.________ hat die Stellungnahme seines Krankenversicherers vom 28. März 2006
zu der ihm verrechneten Kostenbeteiligung im Jahr 2005 einreichen lassen.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Streitgegenstand bildet die Vergütung der ausgewiesenen, im Jahr 2005
entstandenen Kosten für die Kostenbeteiligung nach Artikel 64 KVG gemäss
Art. 3d Abs. 1 lit. f ELG. Allfällige Vergütungsansprüche nach Art. 3d Abs. 1
lit. a-e ELG, insbesondere für die Kosten einer zahnärztlichen Behandlung vom
3. Februar 2005 von Fr. 130.20, sind nicht Prozessthema.

2.
2.1 Art. 3d Abs. 1 lit. f ELG räumt Bezügern einer jährlichen
Ergänzungsleistung Anspruch ein auf die Vergütung von ausgewiesenen, im
laufenden Jahr entstandenen Kosten für die Kostenbeteiligung nach Artikel 64
KVG.

2.2 Laut Art. 7 ELKV in Verbindung mit Art. 19 Abs. 2 ELV und Art. 3d Abs. 4
letzter Satz ELG wird bei einer Versicherung mit höherer Franchise nach
Artikel 93 KVV eine Kostenbeteiligung von höchstens 1000 Franken pro Jahr
vergütet. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus der gesetzlich minimalen
Franchise von 300 Franken und dem jährlichen Höchstbetrag des Selbstbehaltes
von 700 Franken (Art. 64 Abs. 2 und 3 KVG sowie Art. 103 Abs. 1 und 2 KVV).
Nach dem klaren Willen des Verordnungsgebers begrenzt Art. 7 ELKV unabhängig
von der im Einzelfall gewählten Franchise die Vergütung der Kosten für die
«Kostenbeteiligung nach Artikel 64 KVG» (Art. 3d Abs. 1 lit. f ELG) durch die
Ergänzungsleistung auf höchstens 1000 Franken (vgl. AHI 1996 S. 66 und 2003
S. 403 sowie Erwin Carigiet/Uwe Koch, Ergänzungsleistungen zur AHV/IV,
Supplement, Zürich 2000, S. 125).

3.
Es steht fest, dass der Beschwerdeführer gestützt auf Art. 93 Abs. 1 KVV (in
der seit 1. Januar 2005 geltenden Fassung) für 2005 eine höhere Franchise von
500 Franken gewählt hatte und demzufolge die Kostenbeteiligung nach
Krankenversicherungsgesetz und -verordnung für dieses Kalenderjahr maximal
1200 Franken betrug. Die Kosten für die «Kostenbeteiligung nach Artikel 64
KVG» für 2005 machten unbestrittenermassen 1200 Franken aus. Nach Art. 7
ELKV, dessen Gesetzmässigkeit in Anbetracht der klaren Delegationsnormen des
Art. 3d Abs. 4 letzter Satz ELG und Art. 19 Abs. 2 ELV zu Recht ausser Frage
steht (vgl. auch BGE 127 V 244 Erw. 4c in fine [bei einer damals noch
minimalen Franchise von 230 Franken und einer maximalen Kostenbeteiligung von
600 Franken]), sind jedoch lediglich 1000 Franken durch die
Ergänzungsleistung zu vergüten.

4.
Der Anspruch auf Vergütung von 1200 Franken wird im Wesentlichen damit
begründet, der Beschwerdeführer sei über die Tatsache, bei einer höheren
Jahresfranchise zusätzliche Kosten tragen zu müssen, nicht informiert worden.
Dieses Vorbringen ist nicht stichhaltig. Bei Ziffer 17 des einschlägigen
Merkblattes des Bundesamtes für Sozialversicherungen, auf welches schon in
der Einsprache Bezug genommen wurde, steht ausdrücklich: «Beteiligung an den
Kosten der Krankenkasse (Selbstbehalt und Franchise) bis zum Betrag von
jährlich 1000 Franken)». In der fehlenden Aufschlüsselung dieses Betrages in
300 Franken (Franchise) und 700 Franken (Selbstbehalt) kann im Übrigen keine
Verletzung der Aufklärungs- und Beratungspflicht der Ausgleichskasse nach
Art. 27 ATSG erblickt werden. Zumindest die Höhe der Minimalfranchise von
300 Franken nach Art. 103 Abs. 1 KVV hat als bekannt zu gelten. Aus einer
allfälligen diesbezüglichen Rechtsunkenntnis kann der Beschwerdeführer nichts
zu seinen Gunsten ableiten (BGE 124 V 220 Erw. 2b/aa mit Hinweisen).
Abgesehen davon führt eine höhere Franchise zu tieferen Prämien, was sich
dann zu Gunsten der EL-Bezüger auswirkt, wenn die kantonale
Durchschnittsprämie für die obligatorische Krankenpflegeversicherung (inkl.
Unfalldeckung) höher ist und zu entsprechend höheren anerkannten Ausgaben
führt (Art. 3b Abs. 3 lit. d ELG; Carigiet/Koch a.a.O.). Vorliegend verhält
es sich so, indem die Prämien des Beschwerdeführers 72 Franken weniger
betrugen als die bei der EL-Berechnung in Anschlag gebrachte kantonale
Durchschnittsprämie für die obligatorische Krankenpflegeversicherung (inkl.
Unfalldeckung) für 2005.
Der angefochtene Entscheid ist somit rechtens.

5.
Dem Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung kann entsprochen werden, da die
Voraussetzungen gemäss Gesetz (Art. 152 OG) und Rechtsprechung (BGE 125 V 202
Erw. 4a) hiefür erfüllt sind. Der Beschwerdeführer wird indessen ausdrücklich
darauf hingewiesen, dass er gemäss Art. 152 Abs. 3 OG der Gerichtskasse
Ersatz zu leisten hat, wenn er dazu später im Stande ist.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege wird Advokatin Ursula
Metzger Junco P., Basel, für das Verfahren vor dem Eidgenössischen
Versicherungsgericht aus der Gerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 2000.-
(einschliesslich Mehrwertsteuer) ausgerichtet.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Basel-Landschaft,
Abteilung Sozialversicherungsrecht, und dem Bundesamt für
Sozialversicherungen zugestellt.
Luzern, 16. Oktober 2006

Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der IV. Kammer: Der Gerichtsschreiber: