Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen P 7/2006
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Prozess {T 7}
P 7/06

Urteil vom 22. August 2006
IV. Kammer

Präsident Ursprung, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter Schön;
Gerichtsschreiber Hadorn

1. A.________, 1947,

2. B.________, 1953,

Beschwerdeführer, beide vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Volker Pribnow,
Stadtturmstrasse 10, 5400 Baden,

gegen

1. Bezirksrat X.________,
2. Gemeinde X.________ Durchführungsstelle für Zusatzleistungen zur AHV/IV,

Beschwerdegegner

Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur

(Entscheid vom 22. Dezember 2005)

Sachverhalt:
Mit Verfügung vom 8. Januar 2004 forderte die Durchführungsstelle für
Zusatzleistungen zur AHV/IV der Gemeinde X.________ von A.________ und
B.________ (geb. 1949 und 1953) Ergänzungsleistungen im Betrag von Fr.
15'840.- zurück. Am 16. März 2004 verfügte die Durchführungsstelle zusätzlich
die Rückzahlung von bereits ausgerichteten kantonalen Beihilfen und
Gemeindezuschüssen. In beiden Fällen ersuchten die Eheleute um Erlass der
Rückforderung. Mit Verfügungen vom 14. Juli 2004 lehnte die
Durchführungsstelle diese Gesuche ab. Daran hielt sie mit Einspracheentscheid
vom 18. Oktober 2004 fest. Der Bezirksrat X.________ bestätigte die Ablehnung
der Erlasse mit Einspracheentscheid vom 2. März 2005.
Die dagegen eingereichte Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des
Kantons Zürich mit Entscheid vom 22. Dezember 2005 ab.

A. ________ und B.________ lassen Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und
beantragen, die Rückforderungen seien zu erlassen.
Die Durchführungsstelle, der Bezirksrat und das Bundesamt für
Sozialversicherung verzichten auf eine Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann nur so weit eingetreten werden,
als ein Erlass von Rückzahlungen kraft Bundesrechts streitig ist. Im
vorliegenden Verfahren ist deshalb auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde in
dem Umfang nicht einzutreten, als sie sich gegen den Erlass der Rückzahlung
von kantonalen Beihilfen und Gemeindezuschüssen richtet (vgl. BGE 124 V 146
Erw. 1 mit Hinweis).

2.
Weil es im Verfahren um den Erlass der Rückerstattung zu Unrecht bezogener
Leistungen praxisgemäss nicht um die Bewilligung oder Verweigerung von
Versicherungsleistungen geht (BGE 122 V 136 Erw. 1 und 223 Erw. 2, je mit
Hinweisen; Urteil R. vom 27. April 2005 Erw. 1.1, C 174/04), gilt die
eingeschränkte Kognition mit der Folge, dass das Eidgenössische
Versicherungsgericht lediglich zu prüfen hat, ob das kantonale Gericht als
Vorinstanz Bundesrecht verletzt hat, einschliesslich Überschreitung oder
Missbrauch des Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt
offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher
Verfahrensbestimmungen festgestellt worden ist (Art. 132 Abs. 1 in Verbindung
mit Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2 OG).

3.
Die Vorinstanz hat die gesetzlichen Vorschriften zur Meldepflicht der Bezüger
von Ergänzungsleistungen (Art. 24 ELV), zur Rückerstattung unrechtmässig
bezogener Leistungen (Art. 27 ELV und Art. 47 AHVG [in den bis Ende 2002
gültig gewesenen Fassungen] bzw. Art. 25 Abs. 1 ATSG [in Kraft seit 1. Januar
2003]) sowie die Rechtsprechung zum guten Glauben als einer Voraussetzung für
den Erlass von Rückforderungen (BGE 118 V 218 Erw. 2a, 110 V 180 Erw. 3c)
richtig dargelegt (vgl. auch  BGE 130 V 319 Erw. 5.2). Darauf wird verwiesen.

4.
Streitig und zu prüfen ist, ob der gute Glaube der Beschwerdeführenden bejaht
werden kann, obwohl diese unbestrittenermassen den Bezug einer Rente der
Pensionskasse im Betrag von monatlich Fr. 1281.- verspätet gemeldet und
deshalb die hier zurückgeforderten Ergänzungsleistungen zu Unrecht bezogen
haben.

4.1 Praxisgemäss ist zu unterscheiden zwischen dem guten Glauben als
fehlendem Unrechtsbewusstsein und der Frage, ob sich jemand unter den
gegebenen Umständen auf den guten Glauben berufen kann oder ob er bei
zumutbarer Aufmerksamkeit den bestehenden Rechtsmangel hätte erkennen sollen.
Die Frage nach dem Unrechtsbewusstsein gehört zum inneren Tatbestand und ist
daher Tatfrage, die nach Massgabe von Art. 105 Abs. 2 OG von der Vorinstanz
verbindlich beurteilt wird. Demgegenüber gilt die Frage nach der gebotenen
Aufmerksamkeit als frei überprüfbare Rechtsfrage, soweit es darum geht,
festzustellen, ob sich jemand angesichts der jeweiligen tatsächlichen
Verhältnisse auf den guten Glauben berufen kann (BGE 122 V 223 Erw. 3; AHI
2003 S. 161 f. Erw. 3a mit Hinweisen, [I 553/01]; ARV 2001 Nr. 18 S. 162 Erw.
3b mit Hinweisen [C 223/00]).

4.2 Die Vorinstanz hat in ihrem Entscheid ausführlich dargelegt, weshalb sie
den guten Glauben verneint hat. Darauf kann verwiesen werden. Was die
Beschwerdeführenden hiegegen vorbringen, vermag an diesem Ergebnis nichts zu
ändern. Sie machen in erster Linie geltend, mit den Formularen der Gemeinde
überfordert gewesen zu sein und darauf vertraut zu haben, dass deren
Ermittlungen wohl stimmen würden. Dem kann nicht beigepflichtet werden. Das
kantonale Gericht hat zutreffend begründet, warum der Hinweis auf die
behauptete Hilflosigkeit und Überforderung nicht stichhaltig ist. Es muss von
den Beschwerdeführenden verlangt werden können, dass sie sich bei Eingang
einer Pensionskassenrente ihre Gedanken dazu machen, zumal sie in den
Korrespondenzen der Verwaltung regelmässig auf ihre Meldepflicht hingewiesen
worden sind. Angesichts des vierstelligen Betrages der Rente musste ihnen
bewusst sein, dass diese nicht ohne Auswirkungen auf die Ergänzungsleistungen
bleiben konnte. Gerade wenn sie sich nicht in der Lage sahen, die
finanziellen Zusammenhänge ihrer Situation zu verstehen, waren sie gehalten,
sich zu erkundigen, was es mit der Pensionskassenrente auf sich habe, mit
andern Worten, diese zu melden. Ebenfalls nicht zu überzeugen vermag, dass
die Beschwerdeführer die Einstellung der Krankentaggelder gemeldet, den
Beginn der Pensionskassenrente jedoch nicht angegeben haben. Sodann kann von
den verschiedenen, mit den Beschwerdeführenden befassten Amtsstellen nicht
erwartet werden, dass sie sich jeweils gegenseitig über deren
Vermögensverhältnisse informieren. Statt dessen besteht vielmehr eine den
Beschwerdeführenden obliegende gesetzliche Meldepflicht (Urteil D. vom
13. Juni 1996, P 56/93, Erw. 4a). Insgesamt haben es die Beschwerdeführer an
der in den genannten Umständen zu verlangenden minimalen Aufmerksamkeit
mangeln lassen. Deshalb verletzt der kantonale Entscheid kein Bundesrecht.

5.
Das Verfahren ist kostenpflichtig, da es nicht um die Bewilligung oder
Verweigerung von Versicherungsleistungen geht (Art. 134 Satz 1 OG e
contrario; Erw. 2 hievor). Die unterliegenden Beschwerdeführenden haben die
Gerichtskosten zu tragen (Art. 156 Abs. 1 OG).

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Die Gerichtskosten von total Fr. 2000.- werden den Beschwerdeführenden
auferlegt und mit dem geleisteten Kostenvorschuss verrechnet. Der Rest von
Fr. 2000.- wird ihnen zurückerstattet.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 22. August 2006

Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der IV. Kammer: Der Gerichtsschreiber: