Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen P 4/2006
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Prozess {T 7}
P 4/06

Urteil vom 7. Dezember 2006
IV. Kammer

Präsident Ursprung, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter Frésard;
Gerichtsschreiber Schmutz

L.________ und S.________, Beschwerdeführer,

gegen

Amt für Sozialbeiträge Basel-Stadt, Grenzacher-strasse 62, Beschwerdegegner

Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt, Basel

(Entscheid vom 10. August 2005)

Sachverhalt:

A.
L. ________, geboren 1960, bezog seit 1. Juni 1999 bis 30. April 2001 eine
ganze und ab 1. Mai 2001 eine halbe Invalidenrente. Mit Verfügung vom
18. Februar 2003 sprach ihm das Amt für Sozialbeiträge Basel-Stadt auf Grund
der am 1. Februar 2000 eingereichten Anmeldung rückwirkend ab 1. Mai 2001
Ergänzungsleistungen zu. Die Nachzahlung für die Zeit von Mai 2001 bis
Februar 2003 betrug Fr. 12'310.- und der Anspruch ab Februar 2003 monatlich
Fr. 729.-.

Mit Schreiben vom 26. März 2003 teilte die PAX, Schweizerische
Lebensversicherungs-Gesellschaft (nachfolgend: PAX) mit, sie gewähre
L.________ im Auftrag der beruflichen Vorsorgeeinrichtung infolge
Erwerbsunfähigkeit eine Komplementärrente von Fr. 278.05 pro Monat; der für
die Periode vom 1. Mai 2001 bis 30. April 2003 auszuzahlende Betrag belaufe
sich auf Fr. 6673.-. Auf schriftliche Aufforderung des Amtes für
Sozialbeiträge vom 12. Februar 2004, den Bescheid der Pensionskasse und einen
Beleg, aus dem der Anspruch für das aktuelle Kalenderjahr ersichtlich sei
einzureichen, um den Anspruch auf Ergänzungsleistungen und kantonale
Beihilfen zur AHV/IV-Rente neu berechnen zu können, stellte das Ehepaar
L.________ und S.________ der Behörde am 24. März 2004 das Schreiben der PAX
vom 26. März 2003 zu.

Mit Verfügung vom 15. April 2004 forderte das Amt für Sozialbeiträge das
Ehepaar L.________ und S.________ zur Rückerstattung von seit Mai 2001
ausgerichteten Ergänzungsleistungen/kantonalen Beihilfen auf, was es damit
begründete, die Rente der PAX werde rückwirkend ab Mai 2001 in die Berechnung
der Ergänzungsleistung einbezogen und ab Januar 2003 erfolge eine Anpassung
an das Erwerbseinkommen (der Ehefrau) sowie ab Januar 2004 eine solche an die
Rente der PAX. Dies ergebe für die Zeit vom 1. Mai 2001 bis 20. April 2004
einen Anspruch von insgesamt Fr. 10'332.-. Bei einem bereits ausbezahlten
Betrag von Fr. 22'732.- belaufe sich das Total der Rückforderung auf Fr.
12'400.-. Daran hielt es mit Einspracheentscheid vom 29. Juli 2004 fest.

B.
Die gegen die Rückforderung erhobene Beschwerde wies das
Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt mit Entscheid vom 10. August 2005 ab.
Dabei sah es die Voraussetzungen für einen Erlass der Rückforderung für nicht
gegeben an.

C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde und ergänzender Eingabe vom 18. Januar 2006
erneuern L.________ und S._______ sinngemäss den vorinstanzlich gestellten
Antrag, es sei festzustellen, dass sie dem Amt für Sozialbeiträge nichts
schuldeten.
Das Amt für Sozialbeiträge und das Bundesamt für Sozialversicherungen
verzichten auf Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann nur soweit eingetreten werden, als
bundesrechtliche Ergänzungsleistungen streitig sind. Zusatzleistungen
(Beihilfen und Gemeindezuschüsse) nach kantonalem Recht fallen somit ausser
Betracht (BGE 124 V 146 Erw. 1 mit Hinweis; nicht veröffentlichte Erw. 1 des
in BGE 130 V 407 publizierten Urteils N. vom 13. Juli 2004, P 22/04).

2.
Der Frage, ob im Zusammenhang mit der Rückerstattung von zu Unrecht bezogenen
Leistungen Art. 25 ATSG anzuwenden ist, wenn der Einspracheentscheid nach dem
In-Kraft-Treten des ATSG (auf den 1. Januar 2003) ergangen ist (hier: am 29.
Juli 2004), die Rückerstattung aber vor - bzw. vor und nach - dem 1. Januar
2003 gewährte Leistungen betrifft (hier: für die Zeit vom 1. Mai 2001 bis
20. April 2004), kommt insoweit keine ausschlaggebende Bedeutung zu, als die
nach dem ATSG für die Rückerstattung massgeblichen Grundsätze aus der
früheren Regelung und Rechtsprechung hervorgegangen sind (BGE 130 V 318 Erw.
5).

3.
Im verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren sind grundsätzlich nur
Rechtsverhältnisse zu überprüfen bzw. zu beurteilen, zu denen die zuständige
Verwaltungsbehörde vorgängig verbindlich - in Form einer Verfügung - Stellung
genommen hat. Insoweit bestimmt die Verfügung den beschwerdeweise
weiterziehbaren Anfechtungsgegenstand. Umgekehrt fehlt es an einem
Anfechtungsgegenstand und somit an einer Sachurteilsvoraussetzung, wenn und
insoweit keine Verfügung ergangen ist (BGE 131 V 164 Erw. 2.1, 125 V 414
Erw. 1a, 119 Ib 36 Erw. 1b, je mit Hinweisen).

3.1 Was die Berechnung der am 15. April 2004 verfügten Rückforderung
betrifft, so ist sie vor- und letztinstanzlich nicht umstritten. Für das
kantonale Gericht ist sie auf Grund der Akten nachvollziehbar. Auch nicht
umstritten sind die jeweilige Höhe und die zeitliche Staffelung des
korrigierten Leistungsanspruches. Der vorinstanzliche Entscheid ist in diesem
Punkt - soweit es um die Rückforderung von bundesrechtlichen
Ergänzungsleistungen und nicht von Zusatzleistungen nach kantonalem Recht
geht (vgl. oben Erw. 1) - zu bestätigen.

3.2 Hingegen ist über den Erlass der Rückforderung bislang noch nicht verfügt
worden. Darum fehlt es diesbezüglich an einer Anfechtungsgrundlage und das
kantonale Gericht hat darüber zu Unrecht bereits geurteilt. Gemäss Art. 3
Abs. 2 ATSV hat der Versicherer in der Rückforderungsverfügung auf die
Möglichkeit des Erlasses hinzuweisen, was vorliegend geschehen ist. Nach
Absatz 3 von Artikel 3 ATSV verfügt er den Verzicht auf die Rückforderung,
wenn offensichtlich ist, dass die Voraussetzungen für den Erlass gegeben
sind. Auf diese Verzichtsmöglichkeit hat denn auch der Rechtsvertreter der
Beschwerdeführer in der Beschwerde an das kantonale Gericht hingewiesen. In
den übrigen Fällen ist spätestens 30 Tage nach Eintritt der Rechtskraft der
Rückforderungsverfügung ein schriftliches und begründetes Gesuch um Erlass
der Rückerstattung zu stellen (Art. 4 Abs. 4 ATSV), worauf über den Erlass zu
verfügen ist (Art. 4 Abs. 5 ATSV). Die vorliegende Rückforderungsverfügung
wird erst mit dem letztinstanzlichen Entscheid rechtskräftig; ein
schriftliches Erlassgesuch ist nach dem Stand der Akten (noch) nicht
eingereicht worden und es liegt auch keine Verfügung darüber vor. Darum ist
der vorinstanzliche Entscheid in diesem Punkt zu korrigieren.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts Basel-Stadt vom 10. August 2005
wird insoweit abgeändert, als festgestellt wird, dass das Gericht zu Unrecht
bereits über den Erlass der am 15. April 2004 verfügten Rückforderung von Fr.
12'400.- geurteilt hat.

3.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt
und dem Bundesamt für Sozialversicherungen zugestellt.

Luzern, 7. Dezember 2006

Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der IV. Kammer: Der Gerichtsschreiber: