Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen P 49/2006
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P 49/06

Urteil vom 16. Juli 2007

I. sozialrechtliche Abteilung

Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichter Schön, Frésard,
Gerichtsschreiberin Bollinger Hammerle.

S. ________, 1962, Beschwerdeführer,
vertreten durch Fürsprecher Ulrich Seiler, Falkenhöheweg 20, 3012 Bern,

gegen

Ausgleichskasse des Kantons Bern,
Abteilung Leistungen, Chutzenstrasse 10, 3007 Bern, Beschwerdegegnerin.

Ergänzungsleistung zur AHV/IV,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des
Kantons Bern
vom 4. Juli 2006.

Sachverhalt:

A.
S. ________, geboren 1962, bezieht seit 1. März 2004 bei einem
Invaliditätsgrad von 50 % eine Rente der Invalidenversicherung. Mit Verfügung
vom 27. September 2005 sprach ihm die Ausgleichskasse  monatliche
Ergänzungsleistungen zu, wobei sie S.________ ein hypothetisches
Erwerbseinkommen von Fr. 17'300.- für das Jahr 2004 bzw. Fr. 17'640.- für das
Jahr 2005 anrechnete und ausführte, im Hinblick auf die ärztlich attestierte
vollständige Arbeitsunfähigkeit der Ehefrau werde bis spätestens 31. Dezember
2005 von der Anrechnung eines hypothetischen Erwerbseinkommens der Ehefrau
abgesehen. Die hiegegen erhobene Einsprache, mit welcher sich S.________
gegen die Anrechnung eines hypothetischen Erwerbseinkommens sowohl betreffend
seine Ehefrau als auch sich selbst wandte, wies die Ausgleichskasse mit
Einspracheentscheid vom 1. Dezember 2005 ab, soweit sie darauf eintrat.

B.
S.________ liess Beschwerde führen und die Zusprechung "der vollen Leistungen
der EL" beantragen. Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern wies die
Beschwerde mit Entscheid vom 4. Juli 2006 ab, soweit es darauf eintrat.

C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt S.________ die Aufhebung des
vorinstanzlichen Entscheides und die Zusprechung der "gesetzlichen
Leistungen" beantragen. Eventualiter sei die Vorinstanz anzuweisen, die
Aussichtslosigkeit der Beschwerde im kantonalen Verfahren neu zu prüfen.
Weiter ersucht er um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege vor
Bundesgericht.
Die Ausgleichskasse schliesst auf Abweisung der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen
verzichtet auf eine Vernehmlassung.
Mit Eingabe vom 15. Dezember 2006 lässt S.________ einen Arztbericht der Frau
Dr. med. I.________ vom 12. Dezember 2006, zu den Akten reichen.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Am 1. Januar 2007 ist das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni
2005 (BGG; SR 173.110) in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Damit wurden
das Eidgenössische Versicherungsgericht und das Bundesgericht in Lausanne zu
einem einheitlichen Bundesgericht (an zwei Standorten) zusammengefügt
(Seiler/von Werdt/Güngerich, Bundesgerichtsgesetz [BGG], Bern 2007, S. 10
Rz 75) und es wurde die Organisation und das Verfahren des obersten Gerichts
umfassend neu geregelt. Dieses Gesetz ist auf die nach seinem Inkrafttreten
eingeleiteten Verfahren des Bundesgerichts anwendbar, auf ein
Beschwerdeverfahren jedoch nur dann, wenn auch der angefochtene Entscheid
nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes ergangen ist (Art. 132 Abs. 1 BGG). Da
der kantonale Gerichtsentscheid am 4. Juli 2006 und somit vor dem 1. Januar
2007 erlassen wurde, richtet sich das Verfahren nach dem bis 31. Dezember
2006 in Kraft gestandenen Bundesgesetz über die Organisation der
Bundesrechtspflege (OG) vom 16. Dezember 1943 (vgl. BGE 132 V 393 E. 1.2
S. 395).

2.
Die Vorinstanz hat die rechtlichen Grundlagen betreffend die Anrechnung eines
Erwerbseinkommens Teilinvalider (Art. 3a Abs. 7 lit. c ELG in Verbindung mit
Art. 14a Abs. 2 lit. b ELV und Art. 3b Abs. 1 lit. a ELG) sowie bezüglich der
Vermutung der möglichen und zumutbaren Einkommenserzielung und deren
Widerlegung durch den Beweis des Gegenteils (BGE 117 V 202 E. 2b S. 205)
zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.

3.
Streitig und zu prüfen ist die Anrechnung eines hypothetischen
Erwerbseinkommens des Ansprechers bei der Berechnung der Ergänzungsleistungen
in der Zeit vom 1. März 2004 bis 31. Dezember 2005 und in diesem Rahmen
einzig, ob der Beschwerdeführer aus gesundheitlichen Gründen ausser Stande
war, ein solches Einkommen zu erzielen.

3.1 Das kantonale Gericht erwog, die Vermutung, dass der Versicherte seine
verbleibende Erwerbsfähigkeit verwerten könne, sei nicht widerlegt, zumal er
keine invaliditätsfremden Gründe vorbringe, welcher einer Verwertung der
Restarbeitsfähigkeit entgegenstünden. Die Ausgleichskasse habe daher zu Recht
hypothetische Erwerbseinkommen berücksichtigt.

3.2 Der Versicherte bringt vor, den depressionsbedingten gesundheitlichen
Schwankungen sei im Rahmen der Ergänzungsleistungen Rechnung zu tragen. Es
könne sein, dass eine gesundheitliche Verschlechterung nur vorübergehender
Natur und daher IV-revisionsrechtlich nicht relevant sei, indessen gleichwohl
eine Arbeitstätigkeit vorübergehend verunmögliche. Die entsprechenden
finanziellen Einbussen seien durch Ergänzungsleistungen zu überbrücken.

4.
4.1 Nach den zutreffenden Erwägungen im angefochtenen Entscheid haben sich
EL-Organe und Sozialversicherungsgerichte mit Bezug auf die
invaliditätsbedingte Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit grundsätzlich an
die Invaliditätsbemessung durch die Invalidenversicherung zu halten (BGE 117
V 202 E. 2b S. 205). Diese Bindung ist deshalb angezeigt, weil die
EL-Durchführungsorgane zum einen nicht über die fachlichen Voraussetzungen
für eine selbstständige Beurteilung der Invalidität verfügen und es zum
anderen zu vermeiden gilt, dass der gleiche Sachverhalt unter denselben
Gesichtspunkten von verschiedenen Instanzen unterschiedlich beurteilt wird
(BGE 117 V 202 a.a.O.). Davon ausgenommen ist eine vor Erlass der Verfügung
oder des Einspracheentscheides (zum zeitlich massgebenden Sachverhalt: BGE
129 V 167 E. 1 S. 169) eingetretene gesundheitliche Veränderung, welche -
unter Umständen - berücksichtigt werden darf, auch wenn sie der Verwaltung
zum Zeitpunkt der Verfügung oder des Einspracheentscheides noch nicht bekannt
oder noch nicht überwiegend wahrscheinlich war und damit nicht Gegenstand
dieser Entscheide bildete (Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichtes
P 6/04 vom 4. April 2005 E. 3.1.1). Sofern eine Veränderung des
Gesundheitszustandes im massgeblichen Zeitpunkt (noch) nicht überwiegend
wahrscheinlich ist, können neue revisionsrechtlich erhebliche Erkenntnisse
über den Gesundheitszustand und deren Auswirkungen auf die Arbeits- und
Erwerbsfähigkeit (erst) im Rahmen eines EL-Anpassungsverfahren (Art. 25 ELV)
berücksichtigt werden (vgl. das soeben zitierte Urteil P 6/04 E. 3.1.2 in
fine).

4.2 Aus den Akten ergibt sich nichts, was auf eine bereits vor dem
1. Dezember 2005 mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eingetretene relevante
gesundheitliche Verschlechterung hindeutet, welche der Ausgleichskasse noch
nicht bekannt gewesen war. Soweit nach Erlass des Einspracheentscheides eine
Verschlimmerung eintrat (wie dies Hausarzt Dr. med. E.________ am 27. Januar
2006 ausführte ["seit Dezember 2005 aggravierte Depression"] und Frau Dr.
med. I._________, welche den Beschwerdeführer seit 15. August 2006 behandelt,
am 12. Dezember 2006 angab), wäre diese nach den zutreffenden Erwägungen im
angefochtenen Entscheid, auf die verwiesen wird (Art. 36a OG), im Rahmen
eines Revisionsverfahrens in der Invalidenversicherung sowie eines
EL-Anpassungsverfahrens zu berücksichtigen.
Nach dem klaren Wortlaut von Art. 2c ELG löst einzig eine für die
Leistungsberechtigung in der Invalidenversicherung relevante gesundheitliche
Beeinträchtigung, somit eine Invalidität im Sinne von Art. 8 ATSG in
Verbindung mit Art. 4 Abs. 1 IVG, einen Anspruch auf Ergänzungsleistungen
aus. Dem Vorbringen des Versicherten, labile gesundheitliche
Beeinträchtigungen, die (noch) keine höheren Leistungen der
Invalidenversicherung auszulösen vermöchten, müssten im Rahmen der
Festsetzung von Ergänzungsleistungen berücksichtigt und durch diese
"aufgefangen" werden, kann nicht gefolgt werden.

5.
Das kantonale Gericht hat die Beschwerde im vorinstanzlichen Verfahren zu
Recht als aussichtslos erachtet.

6.
Die offensichtlich unbegründete Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird im
Verfahren nach Art. 36a OG erledigt.

7.
Das Verfahren ist kostenlos (Art. 134 OG). Die Gewährung der unentgeltlichen
Verbeiständung fällt zufolge Aussichtslosigkeit der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde ausser Betracht (Art. 152 Abs. 1 in Verbindung
mit Art. 135 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung wird abgewiesen.

3.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für
Sozialversicherungen zugestellt.
Luzern, 16. Juli 2007

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

i.V.