Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen K 56/2006
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Prozess {T 7}
K 56/06

Urteil vom 14. September 2006
IV. Kammer

Präsident Ursprung, Bundesrichter Schön und Frésard; Gerichtsschreiber
Fessler

B.________, 1953, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwältin Karin
Caviezel, Reichsgasse 65, 7000 Chur,

gegen

ÖKK Kranken- und Unfallversicherungen AG, Bahnhofstrasse 9, 7302 Landquart,
Beschwerdegegnerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Martin Schmid,
Hartbertstrasse 11, 7000 Chur

Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden, Chur

(Entscheid vom 13. Januar 2006)

Sachverhalt:

A.
Der 1953 geborene B.________ wurde am 9. Januar 2003 am rechten Knie operiert
(Einsetzen einer Schlittenprothese medial). Danach bezog er bis 20. Juli 2003
Taggelder im Rahmen der bei der ÖKK Kranken- und Unfallversicherungen AG
(nachfolgend: ÖKK) abgeschlossenen freiwilligen Taggeldversicherung. Ab 21.
Juli 2003 attestierte der Hausarzt Dr. med. M.________ eine
Arbeitsunfähigkeit von 25 %, weshalb die ÖKK keine Leistungen mehr
ausrichtete.
Am 18. März 2005 beantragte B.________ weitere Taggelder ab 2. Februar 2005.
Gemäss dem ärztlichen Zeugnis des Dr. med. M.________ vom 20. März 2005 hatte
sich die Situation verschlechtert und es bestand eine Arbeitsunfähigkeit von
50 %. In diesem Sinne äusserte sich auch Dr. med. P.________, Leitender Arzt
Chirurgie Spital X.________, den der Versicherte am 25. April 2005
notfallmässig aufgesucht hatte, in seinem Schreiben vom 27. April 2005 an den
Vertrauensarzt der ÖKK, Dr. med. K.________. Am 9. Mai 2005 wurde B.________
vertrauensärztlich untersucht. Mit Verfügung vom 21. Juli 2005 lehnte die ÖKK
das Leistungsbegehren ab. Daran hielt der Krankenversicherer mit
Einspracheentscheid vom 21. September 2005 fest.

B.
Die Beschwerde des B.________ wies das Verwaltungsgericht des Kantons
Graubünden mit Entscheid vom 13. Januar 2006 ab.

C.
B.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Rechtsbegehren,
der kantonale Gerichtsentscheid sei aufzuheben und die ÖKK sei zu
verpflichten, ihm ab 2. Februar 2005 aufgrund einer Arbeitsunfähigkeit von 50
% Taggelder von Fr. 75.- pro Tag auszurichten; eventualiter sei die Sache an
die Vorinstanz zurückzuweisen zur Einholung eines medizinischen Gutachtens
zur Festlegung der Arbeitsunfähigkeit. Im Weitern wird um unentgeltliche
Verbeiständung ersucht.
Die ÖKK beantragt die Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während
das Bundesamt für Gesundheit auf eine Vernehmlassung verzichtet.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Streitig und zu prüfen ist, ob der Beschwerdeführer ab 2. Februar 2005
Anspruch auf Leistungen aus der freiwilligen Taggeldversicherung (Art. 67 ff.
KVG) hat. Dies setzt nach Art. 72 Abs. 2 KVG sowie dem Reglement «Taggeld»
der ÖKK (Ausgabe 2005) eine Arbeitsunfähigkeit (vgl. dazu Art. 6 ATSG und
RKUV 2005 Nr. KV 342 S. 356 [K 42/05]) von mindestens 50 % voraus.

2.
Das kantonale Gericht hat für die Beurteilung des streitigen Taggeldanspruchs
hauptsächlich auf den vertrauensärztlichen Bericht vom 9. Mai 2005
abgestellt. Danach sei der Versicherte für leichtere und mittlere Belastungen
voll einsatzfähig. Für die Tätigkeit als Landwirt sei ihm je nach
Mechanisierung eine Arbeitsunfähigkeit von maximal etwa 25 % für schwer
belastende Tätigkeiten zuzubilligen. Diese Einschätzung erscheine als
schlüssig, nachvollziehbar begründet und in sich widerspruchsfrei. Indizien
gegen die Zuverlässigkeit des Berichts vom 9. Mai 2005 seien keine vorhanden,
weshalb darauf abzustellen sei. Insbesondere fehle es in Bezug auf die vom
Hausarzt Dr. med. M.________ sowie von Dr. med. P.________ angegebene
Arbeitsunfähigkeit von 50 % an einer nachvollziehbaren Begründung. Aufgrund
der im Wesentlichen übereinstimmenden medizinischen Befunde seien von
weiteren Abklärungen keine neuen Erkenntnisse zu erwarten und demzufolge
darauf zu verzichten. Die Verneinung des Taggeldanspruchs ab 2. Februar 2005
durch die ÖKK sei somit rechtmässig.

3.
Die Vorbringen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vermögen die
tatsächlichen Feststellungen und rechtlichen Schlussfolgerungen der
Vorinstanz nicht als unrichtig oder sonst wie bundesrechtswidrig darzutun. Es
steht fest, dass der Heilungsprozess nach der Knieoperation vom 9. Januar
2003 komplikationslos verlief. Sodann ist unbestritten, dass sich der
objektive Gesundheitszustand gemessen an Befund und Diagnose seit 21. Juli
2003 nicht wesentlich änderte. In diesem Zeitpunkt betrug die
Arbeitsunfähigkeit gemäss Hausarzt 25 %. In dem im Rahmen des IV-Verfahrens
erstellten Bericht vom 20. Juni 2004 bezeichnete Dr. med. S.________,
Allgemeine Medizin FMH, den Gesundheitszustand als stationär. Die
Leistungsfähigkeit als Landwirt/ Plattenleger bezifferte er auf 70-80 %.
Inwiefern sich das funktionelle Leistungsvermögen seit 21. Juli 2003 bis zum
den Prüfungszeitraum begrenzenden Einspracheentscheid vom 21. September 2005
(BGE 131 V 354 Erw. 2) verschlechterte, lässt sich den ärztlichen Berichten,
welche eine Arbeitsunfähigkeit von 50 % angeben, nicht entnehmen, wie die
Vorinstanz richtig festhält. Der im kantonalen Verfahren eingereichte Bericht
des Dr. med. W.________ vom 13. Dezember 2005, welcher von einer
szintigraphisch festgestellten beginnenden Lockerung resp. Überlastung der
eingesetzten Prothese spricht, gibt zu keiner anderen Beurteilung Anlass,
soweit er überhaupt zu berücksichtigen ist (BGE 121 V 366 Erw. 1b).
Schliesslich trifft zwar zu, dass die Aussagen im vertrauensärztlichen
Bericht vom 9. Mai 2005: «Als Herr B. jedoch erkannt hatte, dass die
Versicherung erst ab mind. 50%iger AUF zahlt, hat er sich erneut auf 50 %
schreiben lassen. (...) Sein Rechtsverständnis betreffend Bestimmung der AUF
und Zweck der Krankentaggeld-Versicherung ist von der sozialen Absicht
abweichend. Insbesondere ist er der Ansicht, dass nach so viel Jahren
Bezahlen von Versicherungsprämien ihm die Leistungen schlicht zustehen und
dass er nun von der ÖKK 'bschissen' werde», entweder nicht fundiert oder
nicht sachdienlich sind. Daraus allein kann indessen nicht auf
Voreingenommenheit des Vertrauensarztes geschlossen werden. Abgesehen davon
ändert dies nichts an der Feststellung eines seit 21. Juli 2003 im
Wesentlichen unveränderten Gesundheitszustandes und den daraus zu ziehenden
Schlussfolgerungen. Insoweit ist der Einwand nicht stichhaltig und stellt der
vertrauensärztliche Bericht eine inhaltlich nachvollziehbare und hinreichende
Beurteilungsgrundlage dar, zumal sich aus den übrigen medizinischen Akten
keine schlüssige Erklärung für eine Arbeitsunfähigkeit von 50 % entnehmen
lässt. Abklärungen zur Leistungsfähigkeit als Landwirt im Bergbauernbetrieb
und als selbständiger Maurer/Plattenleger erübrigen sich.

4.
Dem Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung kann entsprochen werden, da die
Voraussetzungen gemäss Gesetz (Art. 152 OG) und Rechtsprechung (BGE 125 V 202
Erw. 4a) hiefür erfüllt sind. Der Beschwerdeführer wird indessen ausdrücklich
darauf hingewiesen, dass er gemäss Art. 152 Abs. 3 OG der Gerichtskasse
Ersatz zu leisten hat, wenn er dazu später im Stande ist.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung wird Rechtsanwältin
Karin Caviezel, Chur, für das Verfahren vor dem Eidgenössischen
Versicherungsgericht aus der Gerichtskasse der Betrag von Fr. 2'500.-
(einschliesslich Mehrwertsteuer) ausgerichtet.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons
Graubünden und dem Bundesamt für Gesundheit zugestellt.

Luzern, 14. September 2006

Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der IV. Kammer: Der Gerichtsschreiber: