Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen K 46/2006
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K 46/06

Urteil vom 24. Mai 2007
II. sozialrechtliche Abteilung

Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Lustenberger, Seiler,
Gerichtsschreiberin Helfenstein Franke.

M.________, 1949, Beschwerdeführerin,

gegen

Assura Kranken- und Unfallversicherung,
Avenue C.-F. Ramuz 70, 1009 Pully,  Beschwerdegegnerin.

Krankenversicherung,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des
Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich
vom 22. Februar 2006.

Sachverhalt:

A.
Die 1970 geborene M.________ ist seit 1. Januar 2004 bei der Assura Kranken-
und Unfallversicherung, Pully (nachfolgend: Assura), obligatorisch gegen
Krankheit versichert. Am 8. Juli 2005 stellte die Assura  M.________ für
einen stationären Aufenthalt im Spital X.________ vom 20. bis 26. März 2005
Fr. 365.70 in Rechnung, davon Fr. 295.70 Selbstbehalt und Fr. 70.-
Spitalkostenbeitrag. Bezüglich des Spitalkostenbeitrages verlangte M.________
eine anfechtbare Verfügung, welche die Assura am 5. August 2005 erliess. Die
dagegen erhobene Einsprache wies die Assura mit Entscheid vom 20. September
2005 ab.

B.
Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des
Kantons Zürich mit Entscheid vom 22. Februar 2006 ab.

C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt M.________, die Verfügung vom
5. August 2005 sei aufzuheben und es sei ihr der am 8. Juli 2005 in Rechnung
gestellte Spitalkostenbeitrag von Fr. 70.- zu erlassen.

Die Assura schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während
das Bundesamt für Gesundheit auf eine Vernehmlassung verzichtet.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (BGG; SR 173.110)
ist am 1. Januar 2007 in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Da der
angefochtene Entscheid vorher ergangen ist, richtet sich das Verfahren noch
nach OG (Art. 132 Abs. 1 BGG; BGE 132 V 393 E. 1.2 S. 395).

2.
Streitig und zu prüfen ist, ob die Beschwerdeführerin der Krankenkasse einen
Spitalkostenbeitrag von Fr. 70.- für den Aufenthalt im Spital X.________ vom
20. bis 26. März 2005 schuldet. Sie bringt im Wesentlichen vor, die Regelung
von Art. 104 Abs. 2 lit. a KVV, wonach von alleinlebenden Personen ein
Spitalkostenbeitrag verlangt werde, verstosse gegen das
Gleichbehandlungsgebot von Art. 8 BV. Es fehle ein vernünftiger Grund dafür,
eine alleinlebende Person anders zu behandeln als ein kinderloses Ehepaar.
Vom Spitalkostenbeitrag könne nur befreit werden, wer Unterhalts- oder
Unterstützungspflichten habe.

3.
3.1 Gemäss Art. 64 Abs. 1 KVG beteiligen sich die Versicherten an den Kosten
der für sie erbrachten Leistungen. Nach Abs. 5 dieser Bestimmung leisten die
Versicherten zudem einen nach der finanziellen Belastung der Familie
abgestuften Beitrag an die Kosten des Aufenthalts im Spital, wobei der
Bundesrat den Beitrag festsetzt.

Nach Art. 104 Abs. 1 KVV beträgt der tägliche Beitrag an die Kosten des
Aufenthalts im Spital nach Art. 64 Abs. 5 KVG 10 Franken. Nach Absatz 2
dieser Bestimmung haben keinen Beitrag zu entrichten: Versicherte, welche mit
einer oder mehreren Personen, mit denen sie in einer familienrechtlichen
Beziehung stehen, in gemeinsamem Haushalt leben (lit. a), Frauen für
Leistungen bei Mutterschaft (lit. b) sowie Versicherte nach Art. 103 Abs. 6
(lit. c).

3.2 Nach der Rechtsprechung kann das Bundesgericht Verordnungen des
Bundesrates grundsätzlich, von hier nicht in Betracht fallenden Ausnahmen
abgesehen, auf ihre Rechtmässigkeit hin überprüfen. Bei (unselbstständigen)
Verordnungen, die sich auf eine gesetzliche Delegation stützen, prüft es, ob
sie sich in den Grenzen der dem Bundesrat im Gesetz eingeräumten Befugnisse
halten. Wird dem Bundesrat durch die gesetzliche Delegation ein sehr weiter
Spielraum des Ermessens für die Regelung auf Verordnungsebene eingeräumt,
muss sich das Gericht auf die Prüfung beschränken, ob die umstrittenen
Verordnungsvorschriften offensichtlich aus dem Rahmen der dem Bundesrat im
Gesetz delegierten Kompetenzen herausfallen oder aus andern Gründen
verfassungs- oder gesetzwidrig sind. Es kann sein eigenes Ermessen nicht an
die Stelle desjenigen des Bundesrates setzen und es hat auch nicht die
Zweckmässigkeit zu untersuchen. Die vom Bundesrat verordnete Regelung
verstösst allerdings dann gegen das Willkürverbot oder das Gebot der
rechtsgleichen Behandlung (Art. 9 und Art. 8 Abs. 1 BV), wenn sie sich nicht
auf ernsthafte Gründe stützen lässt, wenn sie sinn- oder zwecklos ist oder
wenn sie rechtliche Unterscheidungen trifft, für die sich ein vernünftiger
Grund nicht finden lässt. Gleiches gilt, wenn die Verordnung es unterlässt,
Unterscheidungen zu treffen, die richtigerweise hätten berücksichtigt werden
sollen (BGE 132 V 273 E. 4 mit Hinweisen).

3.3 Im Urteil K 121/01 vom 6. März 2006 (publiziert in SVR 2006 KV Nr. 28 S.
97), hat das Eidgenössische Versicherungsgericht entschieden, dass sich Art.
104 Abs. 2 lit. a KVV innerhalb der Delegationsnorm von Art. 64 Abs. 5 KVG
bewegt und insoweit gesetz- wie auch verfassungsmässig ist. Es wurde
insbesondere dargelegt, weshalb das Erfordernis des gemeinsamen Haushalts der
Absicht des Gesetzgebers entspricht: Die spezielle Kostenbeteiligung gemäss
Art. 64 Abs. 5 KVG trägt dem Umstand Rechnung, dass die versicherte Person
während des zu Lasten der Krankenversicherung gehenden Spitalaufenthalts
Auslagen spart, die sie sonst selbst bezahlen müsste. Diese Einsparungen sind
in der Regel geringer, wenn die Person in einem Haushalt mit anderen
zusammenlebt, da sich bei Abwesenheit eines Haushaltsmitglieds beispielsweise
die Verpflegungskosten wie auch Kosten für Wasser, Elektrizität usw. nicht
proportional reduzieren (vgl. Alfred Maurer, Das neue
Krankenversicherungsrecht, Basel und Frankfurt 1996, S. 150; Gebhard Eugster,
Krankenversicherung, in Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR],
Soziale Sicherheit, 2. A., Rz. 1062). Dass mit Art. 104 Abs. 2 lit. a KVV
diejenigen Versicherten von der Kostenbeteiligung ausgenommen werden, welche
mit anderen Personen in einem gemeinsamen Haushalt leben, entspricht deshalb
der ratio legis.

3.4 Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin besteht damit ein
sachlicher Grund für die unterschiedliche Behandlung einer allein lebenden
Person und eines kinderlosen Ehepaars, wobei für diese Unterscheidung nicht
nur der Zivilstand ausschlaggebend ist, wie die Beschwerdeführerin anzunehmen
scheint, sondern wie dargelegt die Tatsache des gemeinsamen Haushalts. Eine
Verletzung des Gleichbehandlungsgebots nach Art. 8 BV liegt nicht vor.

Auch aus dem Einwand, vom Spitalbeitrag könne eine versicherte Person bei
Vorliegen von Unterhaltspflichten ausgenommen werden, kann die
Beschwerdeführerin nichts zu ihren Gunsten ableiten. Abgesehen davon, dass
sie selbst nicht geltend macht, dass ihr Unterhalts- oder
Unterstützungspflichten obliegen, wurde im erwähnten Urteil SVR 2006 KV Nr.
28 S. 97 E. 5.3 gerade verneint, dass die Regelung in der Unfallversicherung,
wonach gemäss Art. 27 UVV der Kostenbeitrag an die Heilanstalt nach den
Unterhalts- und Unterstützungspflichten abgestuft wird, auf die
Krankenversicherung übertragen werden kann. Ebenso wurde dort festgehalten,
dass angesichts der beschränkten Prüfungskompetenz des Eidgenössischen
Versicherungsgerichts gegenüber bundesrätlichen Verordnungen selbst eine
mögliche Benachteiligung von Alleinstehenden mit Unterstützungspflichten den
Schluss auf eine Überschreitung der delegierten Verordnungskompetenzen nicht
zulässt.

Damit hat die Krankenkasse von der Beschwerdeführerin für den siebentägigen
Aufenthalt in der Klinik X.________ zu Recht einen Spitalkostenbeitrag von
Fr. 70.- erhoben, weshalb der vorinstanzliche Entscheid bundesrechtskonform
ist.

4.
Weil es sich bei der Frage, ob und in welcher Höhe die versicherte Person
sich an den Kosten der für sie vom Krankenversicherer erbrachten Leistungen
zu beteiligen hat, um einen Versicherungsleistungsstreit handelt, ist das
Verfahren kostenfrei (Art. 134 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit zugestellt.

Luzern, 24. Mai 2007
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: