Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen K 33/2006
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Prozess {T 7}
K 33/06

Urteil vom 27. November 2006
III. Kammer

Präsident Ferrari, Bundesrichter Meyer und Lustenberger; Gerichtsschreiber
Grunder

Z.________, 1976, Beschwerdeführer,

gegen

ÖKK Öffentliche Krankenkassen, Lagerhausstrasse 5, 8402 Winterthur,
Beschwerdegegnerin

Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Luzern

(Entscheid vom 22. Februar 2006)

Sachverhalt:

A.
Der 1976 geborene, bei der ÖKK Öffentliche Krankenkassen (nachfolgend ÖKK)
krankenversicherte Z.________ leidet gemäss Bericht des Dr. med. W.________,
Arzt für Allgemeine Medizin FMH, vom 19. April 2004 an vielfältigen
gesundheitlichen Beschwerden (therapieresistente Schmerzen in Nase bei Status
nach Polypenentfernung, behinderte Nasenatmung, Magen-Darm-Beschwerden,
Müdigkeit bei leichter Anämie, depressive Verstimmungen, Polyarthralgien,
Akne, Neurodermitis, Asthma bronchiale, Kopfschmerzen bei Status nach
commotio, cerviko-lumbovertebrales Syndrom, Status nach Distorsion der
Halswirbelsäule, Darmdysbiose, Schlaflosigkeit). Wegen "Amalgambelastung
deutlichen Grades" überwies der Hausarzt den Patienten an Dr. med. dent.
S.________ (Bericht des Dr. med. W.________ vom 6. Mai [keine Angabe der
Jahreszahl]), welcher im Zeitraum vom 8. Mai bis 3. Juli 2003 an zwei Zähnen
die Amalgamfüllungen ersetzte (vgl. Rechnung des Dr. med. dent. S.________
vom 18. August 2003). Nach Konsultation ihres Vertrauensarztes verneinte die
ÖKK eine Leistungspflicht aus der obligatorischen Krankenpflegeversicherung
für die beantragte Kostenvergütung der erbrachten zahnärztlichen Behandlung
(Verfügung vom 7. Juni 2005 und Einspracheentscheid vom 21. Juni 2005).

B.
Die hiegegen eingereichte Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons
Luzern ab (Entscheid vom 22. Februar 2006).

C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt Z.________, unter Aufhebung des
vorinstanzlichen sowie des Einspracheentscheids sei die ÖKK zu verpflichten,
ihm die Kosten der zahnärztlichen Behandlung (zuzüglich Auslagen für ein
Panoramaröntgen vom 3. Februar 2003 und die Erstellung des Berichts des Dr.
med. W.________ vom 19. April 2004) zu ersetzen.

Die ÖKK und das Bundesamt für Gesundheit verzichten auf eine Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Zu prüfen ist einzig die Frage, ob die ÖKK die im Zusammenhang mit der
zahnärztlichen Behandlung des Dr. med. dent. S.________ stehenden Kosten zu
übernehmen hat. Soweit in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde davon abweichende
Anträge gestellt werden, ist darauf nicht einzutreten.

2.
2.1 Die ÖKK hat im Einspracheentscheid vom 21. Juni 2005 die Bestimmungen über
die Übernahme der Kosten zahnärztlicher Behandlungen durch die obligatorische
Krankenpflegeversicherung (Art. 31 Abs. 1 KVG, Art. 33 Abs. 2 und 5 KVG in
Verbindung mit Art. 33 lit. d KVV, Art. 17 bis 19 KLV) zutreffend dargelegt.
Darauf wird verwiesen.

2.2 Mit der Schaffung des zum 1. Januar 1996 in Kraft getretenen neuen Rechts
sollte am Grundsatz, wonach die Kosten für zahnärztliche Behandlungen nicht
der Krankenversicherung zu überbinden sind, nichts geändert werden (BGE 128 V
136 f. Erw. 2, 125 V 282 Erw. 6 mit Hinweisen). In BGE 124 V 185 hat das
Eidgenössische Versicherungsgericht entschieden, dass die in Art. 17-19a KLV
aufgelisteten Erkrankungen, welche von der obligatorischen
Krankenpflegeversicherung zu übernehmende zahnärztliche Behandlungen
bedingen, abschliessend aufgezählt sind. Daran hat es in ständiger
Rechtsprechung festgehalten (BGE 130 V 467 Erw. 2.3 mit Hinweisen). Art. 17
und 18 KLV regeln gestützt auf Art. 31 Abs. 1 lit. a und b KVG die Übernahme
der Kosten für die zahnärztliche Behandlung durch die obligatorische
Krankenpflegeversicherung für den Fall, dass diese entweder durch eine
schwere, nicht vermeidbare Erkrankung des Kausystems oder durch eine schwere
Allgemeinerkrankung oder ihre Folgen bedingt ist. Art. 19 KLV sodann umfasst
gestützt auf Art. 31 Abs. 1 lit. c KVG die Übernahme der Kosten der
zahnärztlichen Behandlung durch die obligatorische Krankenpflegeversicherung,
die zur Behandlung einer schweren Allgemeinerkrankung oder ihrer Folgen
notwendig ist. Für die Frage der anwendbaren Rechtsgrundlage kommt es somit
darauf an, ob die schwere Erkrankung des Kausystems (Art. 17 KLV) oder die
schwere Allgemeinerkrankung oder deren Behandlung (Art. 18 KLV) Ursache des
Zahnleidens ist, oder ob die zahnärztliche Versorgung notwendiger Bestandteil
der Behandlung einer schweren Allgemeinerkrankung darstellt (Art. 19 KLV;
Urteile B. vom 11. Juli 2006, K 11/06, Erw. 1; C. vom 30. Januar 2006, K
98/05, Erw. 2.1 und S. vom 14. April 2005, K 64/04, Erw. 3.1 und 3.2, je mit
Hinweisen).

3.
3.1 Der Beschwerdeführer bringt zu Recht nicht vor, dass eine schwere, nicht
vermeidbare Erkrankung des Kausystems oder die geltend gemachte schwere
Allgemeinerkrankung und deren Behandlung Ursache der zahnärztlichen
Versorgung war. Eine Leistungspflicht der ÖKK gestützt auf Art. 17 und 18 KLV
fällt damit von vornherein ausser Betracht. Zu prüfen ist nur, ob das
Krankheitsbild des Beschwerdeführers zu den in Art. 19 KLV aufgelisteten
schweren Allgemeinerkrankungen oder ihrer Folgen gehört. Dieser Bestimmung
gemäss übernimmt die Versicherung die Kosten der zahnärztlichen Behandlungen,
die zur Unterstützung und Sicherstellung der ärztlichen Behandlungen
notwendig sind:
"a. bei Herzklappenersatz, Gefässprothesenimplantation, kraniellen
Shuntoperationen;
b. bei Eingriffen mit nachfolgender langdauernder Immunsuppression;
c. bei Strahlentherapie oder Chemotherapie maligner Leiden;
d. bei Endokarditis."
3.2 Dr. med. W.________ hielt im Bericht vom 19. April 2004 fest, im Rahmen
der vom Patienten gewünschten komplementär-medizinischen Abklärung sei u.a.
eine erhebliche Amalgambelastung festgestellt worden. Bei der bestehenden
"multimorbiden Situation" habe er auch eine Amalgamsanierung angeordnet.

3.3 Nach der Rechtsprechung vermag eine Amalgamunverträglichkeit als solche
keine Leistungspflicht aus der obligatorischen Krankenpflegeversicherung
auszulösen (vgl. BGE 125 V 278). Sodann ist evident, dass die multiplen
gesundheitlichen Beschwerden keiner der in Art. 19 KLV erwähnten Erkrankungen
zugeordnet werden können. Es lässt sich folglich kein Anspruch auf Übernahme
der angefallenen zahnärztlichen Behandlungskosten durch die ÖKK begründen.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für Gesundheit
zugestellt.

Luzern, 27. November 2006

Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der III. Kammer: Der Gerichtsschreiber: