Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen C 83/2006
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Prozess {T 7}
C 83/06

Urteil vom 18. August 2006
III. Kammer

Präsident Ferrari, Bundesrichter Lustenberger und Seiler; Gerichtsschreiber
Hadorn

Kantonale Arbeitslosenkasse St. Gallen, Davidstrasse 21, 9001 St. Gallen,
Beschwerdeführerin,

gegen

L.________, 1959, Beschwerdegegner

Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen, St. Gallen

(Entscheid vom 27. Januar 2006)

Sachverhalt:

A.
Mit Verfügung vom 11. Juli 2005 lehnte die Kantonale Arbeitslosenkasse St.
Gallen das Gesuch des L.________ (geb. 1959) um Arbeitslosenentschädigung ab,
da kein Lohnfluss rechtsgenüglich dargetan sei. Daran hielt die Kasse mit
Einspracheentscheid vom 15. August 2005 fest.

B.
Die dagegen erhobene Beschwerde hiess das Versicherungsgericht des Kantons
St. Gallen mit Entscheid vom 27. Januar 2006 insofern teilweise gut, als es
die Sache zu näheren Abklärungen an die Kasse zurückwies.

C.
Die Arbeitslosenkasse führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, der
kantonale Entscheid sei aufzuheben.

Das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen und L.________ schliessen auf
Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während das Staatssekretariat
für Wirtschaft (seco) auf eine Vernehmlassung verzichtet.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Das kantonale Gericht hat die gesetzlichen Vorschriften zur
Mindestbeitragsdauer von 12 Monaten (Art. 13 Abs. 1 AVIG) innerhalb der
entsprechenden Rahmenfrist (Art. 9 Abs. 3 AVIG) als Voraussetzung für den
Leistungsbezug (Art. 8 Abs. 1 lit. e AVIG), zum versicherten Verdienst (Art.
23 Abs. 1 AVIG) und dem dabei massgebenden Bemessungszeitraum (Art. 37 AVIV)
sowie die Rechtsprechung zu den beweismässigen Anforderungen an den Nachweis
der tatsächlichen Lohnzahlung (ARV 2004 S. 115 [Urteil M. vom 28. Februar
2003, C 127/02], ARV 2002 S. 116 [Urteil J. vom 5. Juni 2001, C 316/99]; vgl.
nunmehr auch BGE 131 V 447 Erw. 1.2) richtig dargelegt. Darauf wird
verwiesen.

2.
Streitig und zu prüfen ist der Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung.

2.1 Der Versicherte gibt an, er habe als Geschäftsführer der Firma T.________
GmbH, in der massgebenden Rahmenfrist für die Beitragszeit vom 20. Januar
2003 bis 19. Januar 2005 während mindestens zwölf Monaten das Restaurant
M.________ geleitet. Dabei will er seinen Lohn bar ausbezahlt erhalten haben.
Gemäss Auszug vom 29. Juni 2005 aus dem Individuellen Konto hat er im Jahr
2003 insgesamt Fr. 50'584.- und von Januar bis Juli 2004 Fr. 17'503.- an
beitragspflichtigen Löhnen bezogen. Diese Zahlen stimmen indessen nicht mit
zwei vom Versicherten nachträglich am 1. Juni 2005 ausgefüllten und von ihm
selbst unterschriebenen Lohnausweisen überein. Nach diesen Belegen hätte er
2003 einen Nettolohn II von Fr. 58'041.- und 2004 einen solchen von Fr.
33'141.- erzielt, wobei die Bruttolöhne und die jeweiligen
Versicherungsabzüge nicht mehr eruierbar seien. In den ebenfalls verspätet
ausgefüllten Steuererklärungen für die beiden Jahre finden sich die selben
Nettoverdienste wie in den Lohnausweisen. In der vom Versicherten selbst
unterzeichneten Arbeitgeberbescheinigung vom 25. Januar 2005 wird für die
gesamte Beschäftigungsdauer ein Monatslohn von je Fr. 4500.- angegeben, was
zumindest betreffend das Jahr 2004 von den Angaben des Treuhänders im
Schreiben vom 22. März 2005 (netto Fr. 3193.75 pro Monat) abweicht. Hingegen
stimmt die Zahl von Fr. 3193.75 überein mit der im schriftlichen
Arbeitsvertrag vom 15. Dezember 2003 zwischen dem Versicherten und der Firma
T.________ GmbH genannten. Unter solchen Umständen ist der Arbeitslosenkasse
insoweit beizupflichten, als der vom Versicherten bezogene Lohn betragsmässig
nicht exakt belegt ist.

2.2 Dies bedeutet jedoch nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes (Art. 13 Abs.
1 AVIG) und der Rechtsprechung (BGE 131 V 452 Erw. 3.3) noch nicht, dass der
Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung kurzerhand abzulehnen wäre. Massgebend
ist einzig, dass innerhalb der Rahmenfrist für die Beitragszeit eine
beitragspflichtige Beschäftigung während der Mindestdauer von 12 Monaten
rechtsgenüglich dargetan ist. Dem Nachweis tatsächlicher Lohnzahlung kommt
dabei nicht der Sinn einer selbstständigen Anspruchsvoraussetzung zu, sondern
lediglich derjenige eines bedeutsamen, in kritischen Fällen unter Umständen
ausschlaggebenden Indizes. Soweit eine beitragspflichtige Beschäftigung
nachgewiesen, der exakte ausbezahlte Lohn jedoch unklar geblieben ist, hat
eine Korrektur über den versicherten Verdienst zu erfolgen (BGE 131 V 451
Erw. 3.2.3; Urteil N. vom 25. April 2006, C 284/05).

2.3 Die Verwaltung hat sich auf den Nachweis des Lohnflusses beschränkt und
nach dessen Misslingen den Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung verneint.
Dies ist nach der genannten Rechtsprechung nicht zulässig. Vielmehr hätte die
Kasse prüfen müssen, ob der Beschwerdegegner in der massgebenden Rahmenfrist
eine beitragspflichtige Beschäftigung von mindestens zwölf Monaten Dauer
ausgeübt hat. Es ist nicht leichthin anzunehmen, dass der Versicherte als
Vater von sechs Kindern über längere Zeit kostenlos gearbeitet habe. Ebenso
wenig ist anzunehmen, dass er (was durch das IK belegt ist), Beiträge an die
AHV bezahlt hat, ohne eine beitragspflichtige Tätigkeit auszuüben. In den
Akten befindet sich ein schriftlicher Arbeitsvertrag vom 15. Dezember 2003
zwischen ihm und der Firma T.________ GmbH. Dort wird darauf hingewiesen,
dass der Vertrag den bisherigen Arbeitsvertrag ersetze. Dieser ersetzte
Vertrag ist in den Unterlagen nicht vorhanden, dürfte aber existiert haben.
Angesichts dieser Umstände ist anzunehmen, dass der Versicherte innerhalb der
massgebenden Rahmenfrist eine beitragspflichtige Beschäftigung von wenigstens
zwölf Monaten ausgeübt hat. Daher kann grundsätzlich Anspruch auf
Arbeitslosenentschädigung bestehen, falls die übrigen Voraussetzungen hiefür
erfüllt sind. Soweit der Lohnfluss dabei nicht ausreichend klar belegbar ist,
wird die Kasse dies beim versicherten Verdienst zu berücksichtigen haben.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St.
Gallen, dem Amt für Arbeit, St. Gallen, und dem Staatssekretariat für
Wirtschaft zugestellt.

Luzern, 18. August 2006

Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der III. Kammer: Der Gerichtsschreiber: