Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen C 40/2006
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C 40/06

Urteil vom 24. Mai 2006
III. Kammer

Präsident Ferrari, Bundesrichter Meyer und Seiler; Gerichtsschreiberin
Bollinger

G.________, 1962, Beschwerdeführerin, vertreten durch Advokat Dr. Alexander
Zürcher, Marktplatz 18, 4001 Basel,

gegen

Öffentliche Arbeitslosenkasse Basel-Stadt, Hochstrasse 37, 4053 Basel,
Beschwerdegegnerin

Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt, Basel

(Entscheid vom 15. Dezember 2005)

Sachverhalt:

A.
Mit Verfügung vom 21. Januar 2005 verneinte die Öffentliche Arbeitslosenkasse
Basel-Stadt den Anspruch der 1962 geborenen G.________ auf
Arbeitslosenentschädigung ab 6. Januar 2005, da eine Befreiung von der
Beitragszeit wegen Weiterbildung mangels zehnjährigem Wohnsitz in der Schweiz
nicht in Frage komme. Mit Einspracheentscheid vom 8. März 2005 hielt die
Kasse an ihrer ablehnenden Haltung fest.

B.
Hiegegen erhob G.________ Beschwerde und liess, nunmehr vertreten durch
Rechtsanwalt Dr. Alexander Zürcher, im Verlaufe des Schriftenwechsels geltend
machen, sie sei infolge Mutterschaft (Geburt ihres dritten Kindes im Mai
2004) von der Erfüllung der Beitragszeit befreit gewesen. Das
Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt wies die Beschwerde am 15. Dezember
2005 ab.

C.
G.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und beantragen, der
kantonale Entscheid sei aufzuheben und die Sache sei an die Arbeitslosenkasse
zur "Zusprechung von Leistungen der Arbeitslosenversicherung "
zurückzuweisen.

Arbeitslosenkasse und Staatssekretariat für Wirtschaft verzichten auf
Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen über die Anspruchsberechtigung der
erfüllten Beitragszeit (Art. 8 Abs. 1 lit. e AVIG) und die Befreiung von der
Erfüllung der Beitragszeit wegen Mutterschaft (Art. 14 Abs. 1 lit. b AVIG;
Art. 13 Abs. 1 AVIV) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.

2.
2.1 Streitig und zu prüfen ist einzig, ob die Versicherte wegen Mutterschaft
während mindestens zwölf Monaten verhindert gewesen ist, eine
beitragspflichtige Beschäftigung auszuüben.

2.2 Die Vorinstanz erwog, die Beschwerdeführerin wäre nach der Geburt des
dritten Kindes (im Mai 2004) ab 3. Juli 2004 wieder in der Lage gewesen,
einer beitragspflichtigen Beschäftigung nachzugehen. Eine Mischrechnung der
Befreiungsgründe, wie sie die Versicherte verlange, sei unzulässig.

Demgegenüber lässt die Beschwerdeführerin vorbringen, schwangere Frauen seien
ungeachtet des Verlaufs der Schwangerschaft von der Beitragspflicht befreit.
Dasselbe gelte auch für die nachgeburtliche Erholungszeit, welche gemäss Art.
13 Abs. 1 AVIV 16 Wochen  dauere. Daraus folge ohne Weiteres, dass sie
während mindestens zwölf Monaten von der Erfüllung der Beitragspflicht
befreit gewesen sei.

3.
Nach den zutreffenden Erwägungen der Vorinstanz können die etwa neun Monate
einer Schwangerschaft nicht generell und schematisch als Zeit für die
Befreiung von der Beitragszeit behandelt werden, auch wenn nach den insoweit
zutreffenden Ausführungen der Beschwerdeführerin eine Schwangerschaft die
Suche nach einer geeigneten Arbeitsstelle unter Umständen erheblich
erschweren kann. Vielmehr muss die Verhinderung, aus Gründen der
Schwangerschaft eine beitragspflichtige Beschäftigung auszuüben, medizinisch
indiziert sein (Urteil V. vom 13. März 1996, C 295/95; bestätigt im Urteil N.
vom 20. Oktober 1999, C 160/99). Nichts anderes gilt auch für die 16 Wochen
nach der Niederkunft, welche definitionsgemäss zur Mutterschaft gehören (Art.
13 Abs. 1 AVIV), weil auch diese nachgeburtliche Erholungszeit als solche die
Ausübung einer beitragspflichtigen Beschäftigung (im Rahmen eines
Anstellungsverhältnisses und unter Berücksichtigung des nachfolgend
angeführten Beschäftigungsverbots) nicht verunmöglicht. Dies ergibt sich
zwingend aus dem in Art. 14 Abs. 1 AVIG für alle Tatbestände enthaltenen
Kausalitätserfordernis (BGE 121 V 342 Erw. 5b; Thomas Nussbaumer,
Arbeitslosenversicherung, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR],
Soziale Sicherheit, Rz 197 mit weiteren Hinweisen sowie die bereits zitierten
Urteile). Aus den Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 13. März 1964 über die
Arbeit in Industrie, Gewerbe und Handel (Arbeitsgesetz; SR 822.11),
namentlich aus Art. 35a Abs. 3 Arbeitsgesetz, wonach Wöchnerinnen während
einer bestimmten Zeit nach der Entbindung nicht arbeiten dürfen (jedoch
gleichwohl vermittlungsfähig bleiben; Urteil E. vom 15. September 2005, C
138/03), kann nichts anderes geschlossen werden. Ebenso wenig führt Art. 5
ATSG zu einem anderen Schluss, zumal die darin enthaltene Definition der
Mutterschaft keine zeitliche Begrenzung der nachgeburtlichen Erholungszeit
enthält und diese nach Meinung des Gesetzgebers (lediglich) diejenige
Zeitspanne umfasst, welche dem Schutz der Gesundheit der Mutter dient
(Kieser, ATSG-Kommentar, N 7 zu Art. 5 mit Hinweis auf Wagner, Les
définitions de la maladie, de l'accident et de la maternité [contribution à
l'étude de l'article 2 LAMal], in: LAMal - KVG, Recueil de travaux, Lausanne
1997, S. 138 ff., wobei die Definition der Mutterschaft in aArt. 2 Abs. 3 KVG
ihrerseits dem Art. 5 ATSG-Entwurf in der Fassung der Kommission des
Ständerates vom 27. September 1990 entnommen wurde; vgl. Botschaft des
Bundesrates vom 6. November 1991 über die Revision der Krankenversicherung,
BBl 1992 I 141).

Nachdem es an einer ärztlich attestierten Arbeitsunfähigkeit jedenfalls für
die Zeit nach Ablauf des achtwöchigen Beschäftigungsverbots (Art. 35a Abs. 3
Arbeitsgesetz) fehlt, kann sich die Beschwerdeführerin - wie das kantonale
Gericht richtig erkannt hat - für die Zeit ab 3. Juli 2004 nicht auf den
Befreiungsgrund der Mutterschaft berufen. Unter diesen Umständen kann offen
bleiben, ob die nachträglichen Bestätigungen einer Arbeitsunfähigkeit, welche
diese mit einer nicht näher umschriebenen "Krise" begründen, hinreichend
beweiskräftig sind (vgl. ARV 2005 S. 54 Erw. 3.2).

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt,
dem Amt für Wirtschaft und Arbeit, Kantonale Amtsstelle für
Arbeitslosenversicherung, Basel, und dem Staatssekretariat für Wirtschaft
zugestellt.

Luzern, 24. Mai 2006
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der III. Kammer: Die Gerichtsschreiberin:
i.V.