Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen C 30/2006
Zurück zum Index Sozialrechtliche Abteilungen 2006
Retour à l'indice Sozialrechtliche Abteilungen 2006


{T 7}
C 30/06

Urteil vom 8. Januar 2007

I. sozialrechtliche Abteilung

Bundesrichter Lustenberger, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichter Ferrari und Seiler,
Gerichtsschreiberin Schüpfer.

R. ________, 1961, Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt
Dr. Andres Büsser, Marktgasse 20,
9000 St. Gallen,

gegen

Kantonales Arbeitsamt Appenzell Ausserrhoden, Regierungsgebäude,
9102 Herisau, Beschwerdegegner.

Arbeitslosenversicherung,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts von
Appenzell Ausserrhoden vom 19. Dezember 2005.

Sachverhalt:

A.
Mit Verfügung vom 4. April 2005 stellte das Regionale
Arbeitsvermittlungszentrum Appenzell A.Rh. (RAV) den 1961 geborenen
R.________ wegen Ablehnung einer zumutbaren Arbeit für die Dauer von 40 Tagen
in der Anspruchsberechtigung ein. Zur Begründung wurde angegeben, er habe die
Weisung des RAV, sich ernsthaft und richtig auf zwei ihm zugewiesene,
zumutbare Stellen zu bemühen, einerseits gar nicht und andererseits zu spät
befolgt, was einer Ablehnung gleichkomme. Auf die dagegen geführte Einsprache
hin reduzierte das Kantonale Arbeitsamt Appenzell A.Rh. die Einstellung auf
10 Tage, da es das Verschulden des Versicherten als leicht qualifizierte
(Entscheid vom 22. Juni 2005).

B.
Das Verwaltungsgericht von Appenzell Ausserrhoden wies die dagegen erhobene
Beschwerde ab und änderte den Einspracheentscheid vom 22. Juni 2005 insofern
ab, als es die Einstelldauer auf 31 Tage erhöhte, nachdem R.________
Gelegenheit gegeben worden war, seine Beschwerde zurückzuziehen (Entscheid
vom 19. Dezember 2005).

C.
R.________ führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Rechtsbegehren, der
Entscheid vom 19. Dezember 2005 sei aufzuheben und die Sache zu neuer
Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen, da der ihm zugestellte
Entscheid nicht unterzeichnet sei und es damit an einem
Gültigkeitserfordernis fehle. Eventualiter sei festzustellen, dass er in der
Anspruchsberechtigung nicht einzustellen sei.

Der Präsident des Verwaltungsgerichts von Appenzell Ausserrhoden bezeichnete
in seiner Stellungnahme zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde die
Nichtunterzeichnung des dem Beschwerdeführer zugestellten Entscheidexemplares
als Versehen. Nunmehr sei ihm mit Datum vom 6. Februar 2006 eine
unterzeichnete Ausfertigung mit einer neuen Rechtsmittelfrist zugestellt
worden. In einer neuen dagegen erhobenen, als Verwaltungsgerichtsbeschwerde
bezeichneten Eingabe vom 8. Februar 2006 lässt R.________ beantragen, es sei
die Nichtigkeit des am 6. Februar 2006 versandten Entscheides festzustellen,
eventuell sei dieser aufzuheben.

Das kantonale Arbeitsamt schliesst auf Abweisung der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während das Staatssekretariat für Wirtschaft
auf Vernehmlassung verzichtet.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (BGG; SR 173.110)
ist am 1. Januar 2007 in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Da der
angefochtene Entscheid vorher ergangen ist, richtet sich das Verfahren noch
nach OG (Art. 132 Abs. 1 BGG; BGE 132 V 395 Erw. 1.2).

2.
Bevor auf die materiellen Vorbringen gegen den Entscheid vom 19. Dezember
2005 einzugehen ist, wird antragsgemäss die formelle Frage geprüft, ob dieser
den gesetzlichen Formerfordernissen genügt.

2.1 Der vorinstanzliche Entscheid wurde gemäss Rubrum vom Einzelrichter
erlassen. Obwohl das Erkanntnis eine Unterschriftenzeile mit dem Vermerk:
"Der Verwaltungsgerichtspräsident: Y.________" trägt, fehlt es in dem vom
Beschwerdeführer aufgelegten Exemplar an einer entsprechenden Unterschrift.
Im Gegensatz dazu ist der dem Eidgenössischen Versicherungsgericht von der
Vorinstanz selbst eingereichte Entscheid ordnungsgemäss unterzeichnet.

2.2 Der Beschwerdeführer beruft sich in erster Linie auf BGE 131 V 483,
wonach Entscheide letzter kantonaler Instanzen im Sinne von Art. 1 Abs. 3
VwVG wenigstens vom Gerichtspräsidenten oder vom Einzelrichter zu
unterzeichnen seien, was ein Gültigkeitserfordernis darstelle. Da in concreto
eine Unterschrift fehle, sei der Entscheid schon aus formellen Gründen
aufzuheben. Das genannte Urteil bezog sich auf eine Zwischenverfügung eines
kantonalen Gerichts, welches dort praxisgemäss vom Gerichtsschreiber
unterzeichnet worden war. Vorliegend stellt sich der Sachverhalt anders dar.
Wie die - leere - Unterschriftenzeile und das dem Gericht eingereichte
unterschriebene Entscheidexemplar zeigen, handelt es sich bei der fehlenden
Unterschrift nicht um eine regelmässige kantonale Praxis, sondern um einen
Kanzleifehler, der mit der Zustellung eines korrekt unterzeichneten
Entscheids, gegen welchen wiederum Verwaltungsgerichtsbeschwerde geführt
wird, behoben worden war. Bei dieser Konstellation kann es offen bleiben, ob
erst der am 6. Februar 2006 versandte Entscheid als korrekt angesehen und
damit die Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 8. Februar 2006 behandelt wird,
oder ob das Bundesgericht bereits die gegen den am 23. Dezember 2005
versandten Entscheid erhobene Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 26. Januar
2006 an die Hand nimmt, da jedenfalls mindestens eine davon gültig ist.

3.
3.1 Die Vorinstanz hat die Bestimmungen zur Pflicht, eine vermittelte
zumutbare Arbeit anzunehmen (Art. 17 Abs. 3 Satz 1 AVIG), zur Einstellung in
der Anspruchsberechtigung bei Nichtbefolgen von Kontrollvorschriften oder
Weisungen des Arbeitsamtes, insbesondere bei Nichtannahme einer zugewiesenen
zumutbaren Arbeit (vgl. Art. 30 Abs. 1 lit. d AVIG), und zur
verschuldensabhängigen Dauer der Einstellung (Art. 30 Abs. 3 AVIG in
Verbindung mit Art. 45 Abs. 2 AVIV), namentlich bei Ablehnung einer
zumutbaren Arbeit ohne entschuldbaren Grund (Art. 45 Abs. 3 AVIV), zutreffend
dargelegt. Darauf wird verwiesen. Ergänzend ist anzuführen, dass der
Einstellungstatbestand des Art. 30 Abs. 1 lit. d AVIG auch dann erfüllt ist,
wenn die versicherte Person die Arbeit zwar nicht ausdrücklich ablehnt, es
aber durch ihr Verhalten in Kauf nimmt, dass die Stelle anderweitig besetzt
wird (BGE 122 V 38 Erw. 3b mit Hinweisen) und dass arbeitslose Personen
gemäss Art. 16 Abs. 1 und 2 AVIG zur unverzüglichen Annahme einer zumutbaren
Arbeit verpflichtet sind.

3.2 Die Einstellung in der Anspruchsberechtigung dient dazu, die
Schadenminderungspflicht der Versicherten durchzusetzen (BGE 126 V 130 Erw.
1). Sie hat die Funktion einer Haftungsbegrenzung der Versicherung für
Schäden, welche die Versicherten hätten vermeiden oder vermindern können. Als
versicherungsrechtliche Sanktion bezweckt sie die angemessene Mitbeteiligung
der versicherten Person am Schaden, den sie durch ihr Verhalten der
Arbeitslosenversicherung in schuldhafter Weise natürlich und adäquat kausal
verursacht hat (BGE 126 V 523, 124 V 227 Erw. 2b, 122 V 40 Erw. 4c/aa). Ein
Selbstverschulden der versicherten Person liegt vor, wenn und soweit der
Eintritt oder das Andauern der Arbeitslosigkeit nicht objektiven Faktoren
zuzuschreiben ist, sondern in einem nach den persönlichen Umständen und
Verhältnissen vermeidbaren Verhalten des Versicherten liegt, für das die
Versicherung die Haftung nicht übernimmt (ARV 1998 Nr. 9 S. 44 Erw. 2b, 1982
Nr. 4 S. 39 Erw. 1a; Nussbaumer, Arbeitslosenversicherung, in:
Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Bd. Soziale Sicherheit, 2.
Auflage 2007, S. 2426 Rz 829). Unter der Umschreibung Nichtannahme zumutbarer
Arbeit ist grundsätzlich jedes Verhalten erfasst, welches das Zustandekommen
eines Arbeitsvertrages scheitern lässt (Nussbaumer, a.a.O., S. 2431 f. Rz
844).

4.
Streitig und zu prüfen ist, ob und gegebenenfalls für welche Dauer der
Beschwerdeführer in der Anspruchsberechtigung einzustellen ist. Dabei ist
unbestritten und steht nach den Akten fest, dass er anlässlich eines
Beratungsgesprächs vom 24. Februar 2005 aufgefordert wurde, sich bei der
Firma F.________ AG einerseits und der Firma H.________ GmbH andererseits um
eine Stelle zu bewerben.

4.1 Der Beschwerdeführer selbst gibt an, sich für beide Stellen am 10. März
2005 beworben zu haben. Abklärungen des RAV bei den beiden Firmen haben
ergeben, dass die H.________ GmbH angibt, die Bewerbung erst am 21. März 2005
erhalten zu haben, indessen der Umschlag, mit welcher diese verschickt
worden, nicht mehr vorhanden sei. Auch die F.________ AG kann keine Angaben
darüber machen, zu welchem Zeitpunkt sie die auf einer Daten-CD ohne
Begleitbrief versandte Bewerbung erreicht hat. Verwaltung und Vorinstanz sind
zu Gunsten des Beschwerdeführers von einer Bewerbung am 10. März ausgegangen.

4.2 Mit der Vorinstanz ist eine Bewerbung, 14 Tage nachdem die Stelle
zugewiesen wurde, als zu spät erfolgt zu qualifizieren. Im vom kantonalen
Gericht zitierten Urteil R. vom 21. Februar 2002 (C 152/01) wird der Fall
eines Journalisten entschieden, der aufgefordert worden war, sich um die
Stelle eines Radiomitarbeiters zu bewerben. Das Zuwarten von 10 Tagen wurde
dabei als Verstoss gegen Art. 30 Abs. 1 lit. d AVIG erkannt und der
Betroffene zufolge schweren Verschuldens für die Dauer von 31 Tagen in seiner
Anspruchsberechtigung eingestellt. Auch der hier zu beurteilende Fall stellt
sich nicht grundlegend anders dar. Das vom Beschwerdeführer vorgebrachte
Argument, im Bereiche der für ihn als Maschineningenieur in Frage kommenden
Stellen daure ein Bewerbungsverfahren Wochen und nicht Tage, sodass er sich
für diese auch etwas Zeit nehmen konnte, sticht nicht. Dies insbesondere auch
darum, weil er nicht wusste, seit wann die ihm zugewiesenen Stellen bereits
auf dem Markt waren. Er konnte damit nicht wissen, ob die betreffenden Firmen
schon kurz vor einem Abschluss standen. Es ist zudem immer möglich, dass eine
sehr überzeugende Bewerbung ein Auswahlverfahren beschleunigt.

5.
Weiter wird vom Beschwerdeführer gerügt, eine eventuelle Verspätung seiner
Bewerbung sei nicht kausal zu seiner Nichtberücksichtigung.
Im bereits zitierten Urteil vom 21. Februar 2002 (C 152/01) hat das
Eidgenössische Versicherungsgericht festgehalten, es sei für die
Sanktionierung des Fehlverhaltens eines Versicherten nicht notwendig, dass
sich dieses kausal auf den Schaden der Arbeitslosenversicherung auswirke.
Eine Einstellung in der Anspruchsberechtigung wegen einer verspäteten
Bewerbung auf eine zugewiesene Stelle ist auch möglich, wenn diese nur kurze
Zeit nach der Zuweisung bereits anderweitig besetzt wurde (a.a.O. Erw. 4). Ob
es sich auch rechtfertigt, eine Einstellung wegen einer verspäteten Bewerbung
für eine Stelle zu verhängen, die unabhängig von jeder Bewerbung gar nicht
mehr besetzt wird - wie das mit derjenigen bei der Firma F.________ AG der
Fall war - kann vorliegend offen bleiben. Denn eine Einstellung rechtfertigt
sich allein schon wegen dem Fehlverhalten im Bewerbungsverfahren bei der
Firma H.________ GmbH. Daran ändert entgegen der Darstellung in der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde auch nichts, dass sich dieses bis in den Monat
Mai 2005 hinzog. Davon konnte der Beschwerdeführer bei der Zuweisung der
Stelle am 24. Februar 2005 nichts wissen, weshalb er es zumindest in Kauf
genommen hatte, verspätet zu sein.

6.
Zu prüfen bleibt, ob die vom kantonalen Gericht verhängten 31 Tage
Einstellung in der Anspruchsberechtigung angemessen sind.

6.1 Gemäss Rechtsprechung (BGE 122 V 38 Erw. 3b) ist bei der Bemessung der
Einstellungsdauer wegen nicht genügender Bewerbung für eine Anstellung der
gleiche Verschuldensmassstab (Art. 30 Abs. 3 AVIG in Verbindung mit Art. 45
Abs. 2 AVIV) anzulegen wie im Falle der Ablehnung einer nach Art. 16 Abs. 1
AVIG zumutbaren Arbeit (Urteil R. vom 22. Oktober 2004, C 143/04; vgl. BGE
122 V 40 Erw. 4c/bb betreffend Zwischenverdienst). In dieser Hinsicht sieht
Art. 45 Abs. 3 AVIV vor, dass die Ablehnung einer zumutbaren Arbeit - und
somit auch das Nichteinreichen von Bewerbungsunterlagen an eine zugewiesene
zumutbare Stelle - grundsätzlich ein schweres Verschulden darstellt. Jedoch
hat das Eidgenössische Versicherungsgericht entschieden, dass im konkreten
Fall Gründe vorliegen können, die das schwere Verschulden als leichter
erscheinen lassen (BGE 130 V 130 Erw. 3.4.3), wobei hinsichtlich der
subjektiven Situation der betroffenen Person etwa gesundheitliche Probleme
(RJJ 1999 S. 57 Erw. 4), auf der objektiven Seite etwa die Befristung einer
Stelle (ARV 2000 Nr. 9 S. 49 Erw. 4b/aa) berücksichtigt wurde (Urteil I. vom
7. November 2006, C 193/06).

6.2 Der Beschwerdeführer macht keine entsprechenden Gründe geltend, weshalb
er zwei Wochen zuwartete, bevor er sich bei den ihm zugewiesenen Stellen
bewarb. Entsprechend ist sein Verhalten als schweres Verschulden zu
qualifizieren, was mit mindestens 31 Einstelltagen zu sanktionieren ist, was
die Vorinstanz auch getan hat.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht von Appenzell
Ausserrhoden, der Arbeitslosenkasse des Kantons Appenzell Ausserrhoden, dem
Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum Appenzell Ausserrhoden (RAV) und dem
Staatssekretariat für Wirtschaft zugestellt.

Luzern, 8. Januar 2007

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Das präsidierende Mitglied: Die Gerichtsschreiberin:
i.V.