Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen C 288/2006
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{T 7}
C 288/06

Urteil vom 27. März 2007

I. sozialrechtliche Abteilung

Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichter Schön, Frésard,
Gerichtsschreiberin Hofer.

B. ________, 1973, Beschwerdeführer,

gegen

Kantonale Arbeitslosenkasse St. Gallen, Davidstrasse 21, 9000 St. Gallen,
Beschwerdegegnerin.

Arbeitslosenversicherung,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts
des Kantons St. Gallen vom 27. Oktober 2006.

Sachverhalt:

A.
Mit Verfügung vom 21. April 2006 stellte die Kantonale Arbeitslosenkasse St.
Gallen den 1973 geborenen B.________ wegen Verletzung der Meldepflicht für
die Dauer von 20 Tagen ab 30. März 2006 in der Anspruchsberechtigung auf
Arbeitslosenentschädigung ein. Zur Begründung führte sie an, der Versicherte
habe auf dem Formular "Angaben der versicherten Person" für den Monat März
2006 nicht vermerkt, dass er in diesem Monat einen Zwischenverdienst erzielt
habe. Daran hielt sie mit Einspracheentscheid vom 12. Mai 2006 fest.

B.
Die hiegegen erhobene Beschwerde des B.________ mit dem sinngemässen
Rechtsbegehren um Aufhebung der Einstellung in der Anspruchsberechtigung
hiess das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 27.
Oktober 2006 teilweise gut, indem es die Einstellungsdauer von 20 auf 15 Tage
reduzierte.

C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde macht B.________ geltend, er habe das
Formular irrtümlich falsch ausgefüllt, weshalb der vorinstanzliche Entscheid
aufzuheben und von einer Einstellung in der Anspruchsberechtigung abzusehen
sei.

Die Arbeitslosenkasse und das Staatssekretariat für Wirtschaft verzichten auf
eine Vernehmlassung.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Am 1. Januar 2007 ist das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni
2005 (BGG; SR 173.110) in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Damit wurden
das Eidgenössische Versicherungsgericht und das Bundesgericht in Lausanne zu
einem einheitlichen Bundesgericht (an zwei Standorten) zusammengefügt
(Seiler/von Werdt/Güngerich, Bundesgerichtsgesetz [BGG], Bern 2007, S. 10 Rz
75) und es wurde die Organisation und das Verfahren des obersten Gerichts
umfassend neu geregelt. Dieses Gesetz ist auf die nach seinem In-Kraft-Treten
eingeleiteten Verfahren des Bundesgerichts anwendbar, auf ein
Beschwerdeverfahren jedoch nur dann, wenn auch der angefochtene Entscheid
nach dem In-Kraft-Treten dieses Gesetzes ergangen ist (Art. 132 Abs. 1 BGG).
Da der kantonale Gerichtsentscheid am 27. Oktober 2006 und somit vor dem
1. Januar 2007 erlassen wurde, richtet sich das Verfahren nach dem bis 31.
Dezember 2006 in Kraft gestandenen Bundesgesetz über die Organisation der
Bundesrechtspflege (OG) vom 16. Dezember 1943 (vgl. BGE 132 V 393 E. 1.2
S. 395).

2.
Gemäss Art. 30 Abs. 1 lit. e AVIG ist die versicherte Person in der
Anspruchsberechtigung einzustellen, wenn sie unwahre oder unvollständige
Angaben gemacht oder in anderer Weise die Auskunfts- oder Meldepflicht
verletzt hat. Dieser Einstellungstatbestand ist stets erfüllt, wenn die
versicherte Person die der Kasse, dem Arbeitsamt oder der kantonalen Behörde
einzureichenden Formulare nicht wahrheitsgemäss oder unvollständig ausfüllt
(ARV 2004 S. 190, C 242/01). Eine Melde- oder Auskunftspflichtverletzung ist
darüber hinaus aber auch gegeben, wenn eine Verletzung der im AVIG oder in
den dazugehörenden Verordnungen festgeschriebenen Melde- oder
Auskunftspflichten (z.B. Art. 42 Abs. 1 AVIV) oder der Pflichten gemäss Art.
28 Abs. 2, Art. 29 Abs. 2 und Art. 31 Abs. 1 ATSG (je in Kraft seit 1. Januar
2003) in Verbindung mit Art. 1 AVIG vorliegt. Bei diesen Pflichten handelt es
sich, entsprechend der mit dem In-Kraft-Treten des ATSG aufgehobenen früheren
Regelung des Art. 96 Abs. 1 und 2 AVIG, um Mitwirkungspflichten im Sinne von
Obliegenheiten (vgl. BGE 130 V 385 E. 3.1.2 S. 387). Der Einstellungsgrund
von Art. 30 Abs. 1 lit. e AVIG erfasst jede Verletzung der Pflicht der
versicherten Person zu wahrheitsgemässer und vollständiger Auskunft sowie zur
Meldung aller leistungsrelevanten Tatsachen (ARV 2004 S. 190, C 242/01).
Unerheblich ist, ob die falschen oder unvollständigen Angaben für die
Ausrichtung der Versicherungsleistungen oder deren Bemessung kausal sind (BGE
130 V 385 E. 3.1.2 S. 387 mit Hinweis). So ist beispielsweise die versicherte
Person verpflichtet, der Kasse einen erzielten Zwischenverdienst zu melden
(ARV 2006 S. 69, C 158/05; SVR 1997 ALV Nr. 80 S. 243). Im Gegensatz zum
Einstellungstatbestand von Art. 30 Abs. 1 lit. f AVIG ist das subjektive
Kriterium der Absicht, d.h. des Wissens und Willens, die Ausrichtung
unrechtmässiger Arbeitslosenentschädigung zu erwirken oder zu erwirken
versuchen, nicht Tatbestandsvoraussetzung (vgl. Thomas Nussbaumer,
Arbeitslosenversicherung, in: Ulrich Meyer [Hrsg.], Schweizerisches
Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Soziale Sicherheit, 2. Aufl., Rz 851).

3.
3.1 Der Beschwerdeführer hat im Formular "Angaben der versicherten Person für
den Monat März 2006" die Frage, ob er in diesem Monat bei einem oder mehreren
Arbeitgebern gearbeitet habe, verneint. Dabei hat er unbestrittenermassen ab
dem 13. März 2006 einen Zwischenverdienst erzielt. Das kantonale Gericht hat
erwogen, nachdem der Versicherte bereits auf dem Formular für die
Kontrollperiode Juli 2005 eine Frage wahrheitswidrig mit nein beantwortet
habe und deswegen mit Verfügung vom 5. September 2005 für 10 Tage in der
Anspruchsberechtigung eingestellt worden sei, müsse ihm spätestens ab diesem
Zeitpunkt klar gewesen sein, dass das korrekte und sorgfältige Ausfüllen der
Formulare wichtig sei und falsche Angaben mit einer Einstellung in der
Anspruchsberechtigung sanktioniert würden. Ob ein Formular versehentlich oder
absichtlich falsch ausgefüllt werde, sei unerheblich, da auch eine
fahrlässige Meldepflichtverletzung den Tatbestand von Art. 30 Abs. 1 lit. e
AVIG erfülle. Die Vorinstanz kam daher zum Schluss, dass mit dem
wahrheitswidrigen Ausfüllen des Formulars für die Kontrollperiode März 2006
eine Meldepflichtverletzung vorliege, die die Arbeitslosenkasse zu Recht
gestützt auf Art. 30 Abs. 1 lit. e AVIG mit einer Einstellung in der
Anspruchsberechtigung geahndet habe. Daran würden weder der geltend gemachte
gesundheitliche Zustand noch die erfolgte Rückzahlung etwas ändern.

3.2 In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wendet der Versicherte erneut ein,
er habe das Formular nicht absichtlich, sondern aus Versehen falsch
ausgefüllt. Zudem habe er sich für die ungewollt falsche Angabe bei der
Arbeitslosenkasse entschuldigt und die zuviel bezogenen Leistungen
zurückbezahlt. Im Unterschied zu anderen Sozialversicherungszweigen (vgl. den
gestützt auf Art. 1 Abs. 2 AVIG im Bereich der Arbeitslosenversicherung nicht
anwendbaren Art. 21 Abs. 1 ATSG), ist in der Arbeitslosenversicherung eine
Leistungskürzung bereits bei leichter Fahrlässigkeit vorgesehen (vgl. Art. 30
Abs. 3 AVIG und Art. 45 Abs. 2 AVIV; BGE 124 V 225 E. 4d S. 232). Das als
Zwischenverdienst im Sinne von Art. 24 Abs. 1 AVIG erzielte Einkommen war für
die Bemessung des Taggeldanspruchs von Bedeutung. Dies musste dem
Beschwerdeführer bewusst sein. Insbesondere macht er keine konkrete
psychische Störung namhaft, die ihn am korrekten Ausfüllen, nötigenfalls
unter Beizug einer Drittperson, gehindert hätte. Ein Zusammenhang zwischen
gesundheitlichen Beschwerden und Meldepflichtverletzung ist aufgrund der
Akten jedenfalls nicht mit dem Beweisgrad der überwiegenden
Wahrscheinlichkeit erstellt, wie bereits das kantonale Gericht dargetan hat.
Des Weitern hat der Versicherte nicht etwa vergessen, eine der gestellten
Fragen zu beantworten, sondern er hat bei der Frage nach der Erwerbstätigkeit
das Feld "nein" angekreuzt. Somit hat er nicht nur seine Meldepflicht
verletzt, sondern auch eine unwahre Angabe gemacht. Nachdem er auf dem
einzureichenden und handschriftlich zu unterzeichnenden Formular ausdrücklich
darauf aufmerksam gemacht wurde, dass das unwahre oder nur teilweise
Ausfüllen Sanktionen auslösen könne, hätte er den einzelnen Fragen und
Antworten erhöhte Aufmerksamkeit schenken müssen. Unerheblich ist, dass der
Versicherte seinen Personalberater beim Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum
über den besagten Zwischenverdienst informiert hat. Die gegenüber
unzuständigen Stellen erwähnte Tätigkeit entbindet nicht von der Pflicht der
ordnungsgemässen Deklaration bei der hiefür zuständigen Arbeitslosenkasse
(ALV 2006 S. 69, C 158/05). Indem der Beschwerdeführer die Frage nach einer
unselbstständigen Erwerbstätigkeit ausdrücklich verneinte, hat er somit den
Einstellungstatbestand von Art. 30 Abs. 1 lit. e AVIG erfüllt. Die nach Art.
30 AVIG verfügte Einstellung in der Anspruchsberechtigung kann zusätzlich zu
einer Rückforderung gemäss Art. 95 AVIG erfolgen, da mit letzterer lediglich
der rechtmässige Zustand wiederhergestellt wird (SVR 1997 ALV Nr. 80 S. 243).

4.
Mit Bezug auf die Einstellungsdauer hat das kantonale Gericht berücksichtigt,
dass der Beschwerdeführer glaubhaft geltend macht, dass er den
Zwischenverdienst nicht absichtlich verheimlicht hat, zumal es sonst keinen
Sinn mache, dass er diesen dem Personalberater gemeldet habe. Es ging daher
von einem leichten Verschulden aus und setzte die Sanktion, da es sich um die
zweite Meldepflichtverletzung innerhalb der Rahmenfrist handelt, in Anwendung
von Art. 45 Abs. 2bis AVIV, im oberen Bereich eines leichten Verschuldens
(Art. 45 Abs. 1 lit. a AVIV) auf 15 Einstelltage fest. Dies ist in
Berücksichtigung der gesamten objektiven und subjektiven Umstände im Rahmen
der Ermessensprüfung (Art. 132 OG; vgl. BGE 123 V 150 E. 2 S. 152 mit
Hinweisen) nicht zu beanstanden.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St.
Gallen, dem Amt für Arbeit des Kantons St. Gallen und dem Staatssekretariat
für Wirtschaft zugestellt.

Luzern, 27. März 2007

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:
i.V.