Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen C 228/2006
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{T 7}
C 228/06

Urteil vom 12. Januar 2007

I. Sozialrechtliche Abteilung

Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichterin Widmer, Bundesrichter Frésard,
Gerichtsschreiberin Hofer.

V. ________, 1983, Beschwerdeführer,

gegen

Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Zürich, Arbeitslosenversicherung,
Stampfenbachstrasse 32, 8001 Zürich, Beschwerdegegner

Arbeitslosenversicherung,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des
Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich
vom 15. August 2006.

Sachverhalt:

A.
A.a Der 1983 geborene V.________ war vom 1. Juni 2003 bis 30. April 2004 bei
der Firma X.________ und vom 7. Juni bis 1. Juli 2004 bei der Firma
Y.________ GmbH, als Akquisiteur angestellt. Vom 24. August bis 30. November
2004 war er bei der Firma S.________ als Telemarketing-Mitarbeiter tätig. Am
4. April 2005 beantragte er Arbeitslosenentschädigung ab 21. März 2005. Das
Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Zürich (AWA) stellte ihn mit
Verfügung vom 26. April 2005 wegen ungenügenden persönlichen
Arbeitsbemühungen vor der Arbeitslosigkeit für die Dauer von 10 Tagen in der
Anspruchsberechtigung ein. Die dagegen erhobene Einsprache wies das AWA mit
Entscheid vom 7. Juni 2005 ab.

A.b Mit Schreiben vom 27. Oktober 2005 forderte das Regionale
Arbeitsvermittlungszentrum Winterthur (RAV) V.________ zur Stellungnahme
betreffend Nichtbefolgung der Einladung zum Beratungsgespräch vom 17. Oktober
2005 auf, wovon dieser am 3. November 2005 Gebrauch machte. In der Folge
stellte ihn das AWA mit Verfügung vom 10. November 2005 für sechs Tage in der
Anspruchsberechtigung ein wegen Missachtung von Weisungen des RAV. Daran
hielt es mit Einspracheentscheid vom 31. Januar 2006 fest.

B.
V.________ erhob am 4. Juli 2005 Beschwerde gegen den Einspracheentscheid vom
7. Juni 2005 und am 15. Februar 2006 gegen jenen vom 31. Januar 2006. Das
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich vereinigte die Verfahren und
wies mit Entscheid vom 15. August 2006 die Beschwerden ab.

C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt V.________ die Aufhebung der
Verfügungen vom 26. April 2005 und vom 10. November 2005 sowie des
vorinstanzlichen Entscheids.
Weder das AWA noch das Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) lassen sich
vernehmen.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (BGG; SR 173.110)
ist am 1. Januar 2007 in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Da der
angefochtene Entscheid vorher ergangen ist, richtet sich das Verfahren noch
nach OG (Art. 132 Abs. 1 BGG; BGE 132 V  395 Erw. 1.2).

2.
Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen und Grundsätze über die Pflicht
des Versicherten, alles Zumutbare zu unternehmen, um Arbeitslosigkeit zu
vermeiden oder zu verkürzen (Art. 17 Abs. 1 AVIG), über die Einstellung in
der Anspruchsberechtigung bei ungenügenden persönlichen Arbeitsbemühungen und
bei Missachtung von Weisungen des Arbeitsamtes (Art. 30 Abs. 1 lit. c und d
AVIG) sowie über die verschuldensabhängige Dauer der Einstellung (Art. 30
Abs. 3 AVIG und Art. 45 Abs. 2 AVIV) zutreffend dargelegt. Darauf wird
verwiesen.

3.
Die Vorinstanz hat die Einstellung in der Anspruchsberechtigung für die Dauer
von 10 Tagen wegen ungenügenden persönlichen Arbeitsbemühungen bestätigt.
Dabei hat es erwogen, die Stellensuche für die Monate vor der Anmeldung bei
der Arbeitslosenversicherung mit lediglich einer nachgewiesenen Bewerbung sei
als ungenügend zu betrachten, so dass selbst bei rechtzeitiger Einreichung
eine Einstellung in der Anspruchsberechtigung gerechtfertigt gewesen wäre.
Die Einstellung in der Anspruchsberechtigung von 6 Tagen wegen Nichtbefolgens
von Kontrollvorschriften und Weisungen des RAV hat die Vorinstanz ebenfalls
geschützt und dies im Wesentlichen damit begründet, der Versicherte habe es
über Wochen unterlassen, den Behörden seine neue Adresse mitzuteilen oder
zumindest für eine funktionierende Nachsendung der Post besorgt zu sein. Er
habe die damit verbundenen Rechtsnachteile in Kauf genommen, weshalb er
nunmehr selber dafür einzustehen habe, dass ihm die Einladung zum
Beratungsgespräch nicht zugegangen sei.

4.
4.1 Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches
Gehör. Der Personalberater habe seine Stellungnahmen vom 3. November 2005
nicht an das AWA weitergeleitet. Jedenfalls werde in der Verfügung darauf
kein Bezug genommen. Zudem müsse nach der Rechtsprechung des Eidgenössischen
Versicherungsgerichts  vor Erlass einer Einstellungsverfügung das rechtliche
Gehör gewährt werden, was mit Bezug auf das mit den Verfügungen vom 26. April
und 10. November 2005 sanktionierte Verhalten nicht geschehen sei. Damit
liege ein schwerwiegender Verfahrensmangel vor, der zur Aufhebung des
vorinstanzlichen Entscheids führe.

4.2 In BGE 126 V 130 hat das Eidgenössische Versicherungsgericht erwogen, der
versicherten Person sei allgemein vor Erlass einer Verfügung über die
Einstellung in der Anspruchsberechtigung auf Arbeitslosenentschädigung das
rechtliche Gehör zur beabsichtigten Sanktion zu gewähren. Das
Verwaltungsverfahren finde direkt mit dem Erlass einer (förmlichen) Verfügung
seinen Abschluss. Aufgrund dieser prozessualen Ordnung gebiete der
verfassungsrechtliche Anspruch auf rechtliches Gehör, dass einer betroffenen
Person vor Erlass der Verfügung Gelegenheit gegeben werde, sich zur
beabsichtigten Einstellung in der Anspruchsberechtigung zu äussern (BGE 126 V
132 f. Erw. 3b).

4.3 In SVR 2006 AlV Nr. 13 S. 43 hat das Eidgenössische Versicherungsgericht
offen gelassen, ob BGE 126 V 130 auch unter der Herrschaft des am 1. Januar
2003 in Kraft getretenen Allgemeinen Teils des Sozialversicherungsrechts nach
Einführung des Einspracheverfahrens im Bereich der Arbeitslosenversicherung
weiterhin Gültigkeit hat. Art. 42 zweiter Satz ATSG besage ausdrücklich, dass
die Parteien vor Verfügungen, die durch Einsprache anfechtbar sind, nicht
angehört werden müssen. Dies spreche gegen die Weitergeltung der bisherigen
Rechtsprechung. Der Wortlaut der Gesetzesbestimmung schliesse die Anhörung
der versicherten Person vor Erlass der Verfügung im Sinne der Bekanntgabe der
wesentlichen Elemente ihres voraussichtlichen Inhalts aber auch nicht aus
(SVR 2006 AlV Nr. 13 S. 44 Erw. 3.2 [Urteil B. vom 30. September 2005, C
279/03]; vgl. auch SZS 2006 S. 150 ff.). Des Weitern hat das Eidgenössische
Versicherungsgericht unter Hinweis auf den in Art. 43 Abs. 1 ATSG statuierten
Untersuchungsgrundsatz erwogen, die Verwaltung dürfe die für die Feststellung
des rechtserheblichen Sachverhalts notwendigen Abklärungen nicht in das
Einspracheverfahren verschieben. Tatsache und Schwere des Verschuldens
liessen sich in aller Regel nicht zuverlässig beurteilen, ohne dass die von
der Sanktion bedrohte Person die Gründe für das ihr vorgeworfene Verhalten
dartun und entlastende Umstände geltend machen könne. Diese könnten sowohl
die subjektive Situation des oder der Versicherten, als auch objektive
Gegebenheiten beschlagen. Hinzu komme, dass häufig auf Grund der Akten allein
nicht ohne weiteres klar sei, wie das der versicherten Person vorgeworfene
Verhalten rechtlich zu qualifizieren sei resp. welcher Einstellungsgrund in
Betracht komme. Von der Befragung der versicherten Person vor Erlass einer
Einstellungsverfügung könne deshalb in der Regel nicht abgesehen werden (SVR
2006 AlV Nr. 13 S. 45 Erw. 4).

4.4 Im noch nicht in der Amtlichen Sammlung veröffentlichten Urteil A. vom
30. Juni 2006 (I 158/04) hat das Eidgenössische Versicherungsgericht alsdann
dafür gehalten, da das Administrativverfahren das Verfügungs- und das
Einspracheverfahren umfasse, habe der Gesetzgeber die Pflicht zur Anhörung in
das Einspracheverfahren verlegen können, während die Abklärung des
Sachverhalts vor Verfügungserlass zu erfolgen habe. Damit solle ein einfaches
und rasches verwaltungsinternes Verfahren gewährleistet werden. Dies
schliesse ergänzende Sachverhaltsabklärungen im Einspracheverfahren jedoch
nicht aus. Denn in diesem Verfahren könne die Verwaltung die angefochtene
Verfügung nochmals überprüfen und über die strittigen Punkte entscheiden,
bevor allenfalls die Beschwerdeinstanz angerufen werde. Spätestens im
Einspracheverfahren habe die Verwaltung in rechtsgenüglicher Form Gelegenheit
zu geben, sich zu den getroffenen Beweismassnahmen inhaltlich wie auch zum
Verfahren zu äussern.

5.
5.1 Art. 42 ATSG hat folgenden Wortlaut: Die Parteien haben Anspruch auf
rechtliches Gehör. Sie müssen nicht angehört werden vor Verfügungen, die
durch Einsprache anfechtbar sind.

5.2 Aufgrund der Akten ist erstellt, dass der Beschwerdeführer für die Zeit
vor der Arbeitslosigkeit ungenügende Arbeitsbemühungen ausgewiesen hat.
Gemäss dem am 21. April 2005 beim Arbeitsamt eingegangenen Nachweis der
persönlichen Arbeitsbemühungen für die Monate November 2004 bis und mit
Februar 2005 hat er sich nur um eine Stelle beworben. Dass der
rechtserhebliche Sachverhalt diesbezüglich unrichtig oder unvollständig
abgeklärt worden wäre, wird nicht geltend gemacht. Fest steht sodann in
tatsächlicher Hinsicht auch, dass der Versicherte am Beratungsgespräch vom
17. Oktober 2005 nicht teilgenommen hat, weil ihm die Einladung nicht
zugestellt werden konnte, da er der Verwaltung nicht mitgeteilt hatte, wie er
erreicht werden konnte. In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde werden keine
verschuldensmildernden Umstände vorgebracht, welche einer Abklärung vor
Verfügungserlass bedurft hätten, noch ergeben sich solche aufgrund der Akten.
Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs vor Verfügungserlass kann der
Verwaltung mit Blick auf Art. 42 ATSG nicht vorgeworfen werden. Dass ihm die
Gehörsrechte im Einspracheverfahren nicht gewährt worden wären, der
Versicherte insbesondere nicht Gelegenheit hatte, zum im Übrigen
unbestrittenen Sachverhalt Stellung zu nehmen, wird zu Recht nicht gerügt.

6.
Die Rechtmässigkeit der Einstellung in der Anspruchsberechtigung (Art. 30
Abs. 1 lit. c und d AVIG) ist nicht streitig. Die verfügten Einstellungen von
10 und 6 Tagen bewegen sich im Bereich der vom Staatssekretariat für
Wirtschaft für die hier zu beurteilenden Konstellationen vorgesehenen
Richtmasse. Sie liegen zudem innerhalb der Einstellungsdauer bei leichtem
Verschulden gemäss Art. 45 Abs. 2 lit. a AVIV und erscheinen den persönlichen
Verhältnissen und Gegebenheiten des Falles angemessen, wie die Vorinstanz
zutreffend erwogen hat. Auch dagegen werden in der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde keine Einwendungen vorgebracht.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich, der Arbeitslosenkasse des Kantons Zürich und dem Staatssekretariat
für Wirtschaft zugestellt.

Luzern, 12. Januar 2007

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:    Die Gerichtsschreiberin: