Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen C 220/2006
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C 220/06

Urteil vom 5. November 2007

I. sozialrechtliche Abteilung

Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichterin Leuzinger, Bundesrichter Frésard,
Gerichtsschreiberin Berger Götz.

B. ________, 1963, Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Hans Hurter, Habsburgerstrasse 20, 6003
Luzern,

gegen

Dienststelle für Wirtschaft und Arbeit, Arbeitslosenkasse des Kantons Luzern
(wira), Bürgenstrasse 12, 6005 Luzern, Beschwerdegegnerin.

Arbeitslosenversicherung,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des
Kantons Luzern
vom 11. August 2006.

Sachverhalt:

A.
Die 1963 geborene B.________ war seit 16. August 1999 für die Organisation
X.________ tätig. Am 1. Juli 2003 kündigte der Arbeitgeber das
Arbeitsverhältnis auf den 31. Oktober 2003. Ärztlicherseits wurde B.________
für die Dauer vom 2. bis 11. Juli 2003 und vom 4. August bis 31. Oktober 2003
eine ganze Arbeitsunfähigkeit attestiert, vom 11. Juli bis 4. August 2003
hatte sie Ferien bezogen. Am 3. November 2003 stellte sie Antrag auf
Arbeitslosenentschädigung. In der arbeitsrechtlichen Streitigkeit zwischen
B.________ und der Arbeitslosenkasse des Kantons Luzern einerseits und der
Organisation X.________ anderseits konnte das Arbeitsgericht im
Erledigungsentscheid vom 30. April 2004 feststellen, dass die Parteien einen
Vergleich geschlossen haben und unter anderem einig geworden sind, dass das
Austrittsdatum aus dem Betrieb der Organisation X.________ auf den 31. Januar
2004 fällt und die Organisation X.________ der Arbeitslosenkasse Fr. 5212.-
(subrogierte Lohnforderungen der ehemaligen Arbeitnehmerin, entsprechend
60 Stempeltagen à Fr. 94.40, abzüglich Arbeitnehmerbeitrag für AHV, NBU und
BVG) sowie B.________ Fr. 650.- bezahlt. B.________ gelangte am 7. August
2005 mit einer "Einsprache gegen Abrechnung Juli 2005" unter anderem mit dem
Ersuchen an die Arbeitslosenkasse, die Rahmenfrist für den Leistungsbezug sei
neu auf die Zeit vom 1. Februar 2004 bis 1. Februar 2006 festzusetzen. Mit
Verfügung vom 25. Oktober 2005 lehnte die Verwaltung eine Verschiebung der
Rahmenfrist für den Leistungsbezug ab. Zur Begründung gab sie an, eine
vollständige oder teilweise Realisierung von Lohn- oder
Entschädigungsansprüchen führe zu keiner Verschiebung oder Neufestsetzung der
Rahmenfristen. Daran hielt sie mit Einspracheentscheid vom 12. Dezember 2005
fest (Dispositiv-Ziffer 1; mit Dispositiv-Ziffer 2 wies die Kasse das Gesuch
um unentgeltliche Rechtsverbeiständung ab).

B.
Das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern hiess die dagegen von B.________
erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 11. August 2006 insofern teilweise gut,
als Dispositiv-Ziffer 2 des Einspracheentscheides aufgehoben und die Sache an
die Arbeitslosenkasse zurückgewiesen wurde, damit sie die Entschädigung an
den unentgeltlichen Rechtsbeistand für das Einspracheverfahren festsetze. Im
Übrigen wies es die Beschwerde ab, soweit es darauf eintrat
(Dispositiv-Ziffer 1). Es ernannte ferner Rechtsanwalt R.________ zum
unentgeltlichen Rechtsbeistand für das Einspracheverfahren
(Dispositiv-Ziffer 2), sprach B.________ eine Parteientschädigung von
Fr. 200.- zulasten der Arbeitslosenkasse zu (Dispositiv-Ziffer 3) und legte
die Entschädigung zugunsten des unentgeltlichen Rechtsbeistandes im
Beschwerdeverfahren auf Fr. 2224.70 fest (Dispositiv-Ziffer 4).

C.
B.________, vertreten durch Rechtsanwalt R.________, lässt dagegen
Verwaltungsgerichtsbeschwerde erheben. Mit derselben Eingabe führt R.________
überdies sowohl in eigenem Namen als auch für seine Klientin
Verwaltungsgerichtsbeschwerde in Bezug auf die Höhe der vorinstanzlich
zugesprochenen Parteientschädigung und des vorinstanzlich zugesprochenen
Honorars aus unentgeltlicher Verbeiständung (Verfahren C 33/07). Es wird
beantragt, in Aufhebung von Dispositiv-Ziffer 1 des kantonalen
Gerichtsentscheides sei die Arbeitslosenkasse anzuweisen, B.________ den
Restanspruch von 132 Taggeldern "(eventuell nur 90)" auszuzahlen und es sei
"die Rechtsverweigerung festzustellen"; eventualiter sei Dispositiv-Ziffer 1
"auch insoweit teilweise aufzuheben, als die Verwaltungsgerichtsbeschwerde im
Punkt der beantragten Revision der Rahmenfrist (Aufhebung der ALK-Verfügung
Nr. ...) abgewiesen wurde". Ferner wird um unentgeltliche Prozessführung und
Verbeiständung, um Beiladung des Sozialamtes und um Einholung einer
Stellungnahme des Staatssekretariates für Wirtschaft (seco) ersucht.
Das kantonale Gericht verzichtet auf eine Vernehmlassung und beantragt unter
Hinweis auf die Erwägungen im angefochtenen Entscheid vom 11. August 2006 die
Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das seco und die
Arbeitslosenkasse verzichten ebenfalls auf eine Stellungnahme, wobei sich die
Kasse dem Rechtsbegehren des kantonalen Gerichts auf Abweisung der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde anschliesst.

D.
Nachdem auf den 1. Oktober 2006 ein Anwaltswechsel stattgefunden hat, haben
B.________ und der vormalige Rechtsvertreter R.________, beide nunmehr
vertreten durch Dr. Hans Hurter, am 4. November 2006 eine Replik einreichen
lassen. Mit Eingabe vom 18. September 2007 sind weitere Ausführungen zur
Streitsache gemacht worden. Die Arbeitslosenkasse hat auf eine Stellungnahme
verzichtet.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Am 1. Januar 2007 ist das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni
2005 (BGG; SR 173.110) in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Damit wurden
das Eidgenössische Versicherungsgericht (EVG) und das Bundesgericht in
Lausanne zu einem einheitlichen Bundesgericht (an zwei Standorten)
zusammengefügt (Seiler/von Werdt/ Güngerich, Bundesgerichtsgesetz [BGG],
Bern 2007, S. 10 Rz. 75) und es wurde die Organisation und das Verfahren des
obersten Gerichts umfassend neu geregelt. Dieses Gesetz ist auf die nach
seinem Inkrafttreten eingeleiteten Verfahren des Bundesgerichts anwendbar,
auf ein Beschwerdeverfahren jedoch nur dann, wenn auch der angefochtene
Entscheid nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes ergangen ist (Art. 132
Abs. 1 BGG). Da der kantonale Gerichtsentscheid am 11. August 2006 - und
somit vor dem 1. Januar 2007 - erlassen wurde, richtet sich das Verfahren
nach dem bis 31. Dezember 2006 in Kraft gestandenen Bundesgesetz über die
Organisation der Bundesrechtspflege (OG) vom 16. Dezember 1943 (vgl. BGE 132
V 393 E. 1.2 S. 395).

2.
2.1 Mit der Beiladung werden Dritte, deren Interessen durch eine Entscheidung
berührt sind, in ein Verfahren einbezogen und daran beteiligt. Der Einbezug
eines Beteiligten in den Schriftenwechsel (vgl. auch Art. 110 Abs. 1 OG und
dazu BGE 125 V 80 E. 8b S. 94) hat den Sinn, die Rechtskraft des Urteils auf
ihn auszudehnen, so dass dieser in einem später gegen ihn gerichteten Prozess
dieses Urteil gegen sich gelten lassen muss. Das Interesse an einer Beiladung
ist rechtlicher Natur. Es muss eine Rückwirkung auf eine Rechtsbeziehung
zwischen der Hauptpartei und dem Mitinteressierten in Aussicht stehen (Gygi,
Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Aufl., Bern 1983, S. 183 f.; Kölz/ Häner,
Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 2. Aufl., Zürich
1998, S. 191 N 528; BGE 125 V 80 E. 8b S. 94). Die Beiladung ermöglicht es,
dem Recht auf vorgängige Anhörung Rechnung zu tragen, bevor ein nachteiliger
Entscheid ergeht; damit ist die Beiladung auch Ausfluss des rechtlichen
Gehörs (Kölz/Häner, a.a.O., S. 191 f. N 528 f.).
2.2 Im Lichte dieser grundsätzlichen Überlegungen zu Bedeutung und Tragweite
von Art. 110 Abs. 1 OG ist das Beiladungsbegehren der Beschwerdeführerin in
Bezug auf die Fürsorgebehörde abzulehnen. Fehlt der
sozialversicherungsrechtliche Schutz, erweist er sich im Einzelfall als
ungenügend oder sind Leistungen der Sozialversicherung nicht rechtzeitig
erhältlich, kommt die öffentliche Sozialhilfe zum Zuge. Die dem Gemeinwesen
kraft Gesetz obliegende Fürsorgepflicht besteht unabhängig von einer
allfälligen Leistungspflicht der Arbeitslosenversicherung. Angesichts der an
das Rechtsschutzinteresse von Nichtadressaten von Verfügungen zu stellenden
erhöhten Anforderungen verneinte das damals zuständige EVG das unmittelbare
und konkrete Interesse der Sozialbehörde an der Aufhebung oder Änderung eines
Einspracheentscheides der Arbeitslosenversicherung im Urteil C 12/04 vom
14. Oktober 2004, publ. in: SVR 2005 ALV Nr. 5 S. 13. Aus denselben Gründen
ist von einer Beiladung der Fürsorgebehörde zum vorliegenden Verfahren
abzusehen.

3.
3.1 Nach Art. 8 Abs. 1 AVIG hat der Versicherte Anspruch auf
Arbeitslosenentschädigung, wenn er unter anderem ganz oder teilweise
arbeitslos ist (lit. a), einen anrechenbaren Arbeitsausfall erlitten hat
(lit. b) und die Kontrollvorschriften erfüllt (lit. g). Der Arbeitsausfall
ist anrechenbar, wenn er einen Verdienstausfall zur Folge hat und mindestens
zwei aufeinander folgende volle Arbeitstage dauert (Art. 11 Abs. 1 AVIG).
Nicht anrechenbar ist ein Arbeitsausfall, für den dem Arbeitslosen
Lohnansprüche oder wegen vorzeitiger Auflösung des Arbeitsverhältnisses
Entschädigungsansprüche zustehen (Art. 11 Abs. 3 AVIG). Hat die Kasse
begründete Zweifel darüber, ob der Versicherte für die Zeit des
Arbeitsausfalls gegenüber seinem bisherigen Arbeitgeber Lohn- oder
Entschädigungsansprüche im Sinne von Art. 11 Abs. 3 AVIG hat oder ob sie
erfüllt werden, so zahlt sie Arbeitslosenentschädigung aus (Art. 29 Abs. 1
AVIG). Mit der Zahlung gehen alle Ansprüche des Versicherten samt dem
gesetzlichen Konkursprivileg im Umfang der ausgerichteten
Taggeldentschädigung auf die Kasse über (Art. 29 Abs. 2 Satz 1 AVIG).

3.2 Gemäss Art. 9 AVIG gelten für den Leistungsbezug und für die Beitragszeit
zweijährige Rahmenfristen, sofern das Gesetz nichts anderes vorsieht
(Abs. 1). Die Rahmenfrist für den Leistungsbezug beginnt am ersten Tag, für
den sämtliche Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind (Abs. 2). Die Rahmenfrist
für die Beitragszeit beginnt zwei Jahre vor diesem Tag (Abs. 3). Ist die
Rahmenfrist für den Leistungsbezug abgelaufen und beansprucht die versicherte
Person wieder Arbeitslosenentschädigung, so gelten, sofern das Gesetz nichts
anderes vorsieht, erneut zweijährige Rahmenfristen für den Leistungsbezug und
die Beitragszeit (Abs. 4). Innerhalb der Rahmenfrist für den Leistungsbezug
bestimmt sich die Höchstzahl der Taggelder nach dem Alter der Versicherten
sowie nach der Beitragszeit (Art. 27 Abs. 1 AVIG). Anspruch auf höchstens
520 Taggelder besteht unter anderem, wenn die versicherte Person eine
Invalidenrente der Invalidenversicherung oder der obligatorischen
Unfallversicherung bezieht oder eine solche Rente beantragt hat und der
Antrag nicht aussichtslos erscheint, und wenn sie eine Beitragszeit von
mindestens 18 Monaten nachweisen kann (Art. 27 Abs. 2 lit. c AVIG).

4.
Mit Schreiben vom 12. Dezember 2003 kündigte die Arbeitslosenkasse unter
Hinweis auf die damals noch ungeklärte Sachlage bezüglich Lohnfortzahlung
während der vertraglichen Kündigungsfrist oder Verlängerung des
Arbeitsverhältnisses an, dass sie Leistungen gestützt auf Art. 29 Abs. 1 AVIG
erbringen werde. Die Rahmenfrist für den Leistungsbezug legte sie auf die
Zeit vom 3. November 2003 bis 2. November 2005 fest. Mit Erklärung vom
29. Januar 2004 trat sie für einen Forderungsbetrag von Fr. 5212.- in den
arbeitsrechtlichen Prozess ein. Im Rahmen der vergleichsweisen Beilegung des
arbeitsrechtlichen Streits erklärte sich die Organisation X.________ bereit,
der Arbeitslosenkasse Fr. 5212.- und der Beschwerdeführerin Fr. 650.- zu
bezahlen (und das Austrittsdatum aus dem Betrieb auf den 31. Januar 2004 zu
verschieben; Erledigungsentscheid des Arbeitsgerichts vom 30. April 2004).
Die Versicherte leitet daraus ab, dass die Rahmenfrist für den Leistungsbezug
zu revidieren sei. Dies sei auch deshalb nötig, weil vom 8. November bis
11. Februar 2005 keine Arbeitslosenentschädigung bezogen worden sei.

4.1
4.1.1 Die Rahmenfrist für den Leistungsbezug begrenzt die
Anspruchsberechtigung in zeitlicher Hinsicht und legt die für die Dauer und
Höhe der Leistungen massgebende Zeitspanne fest (Nussbaumer,
Arbeitslosenversicherung, in: Schweizerisches Bundessozialversicherungsrecht
[SBVR], Soziale Sicherheit, 2. Aufl., Basel/Genf/ München 2007, S. 2211
N 102). Einmal eröffnete Rahmenfristen bleiben grundsätzlich bestehen,
weshalb eine neue Rahmenfrist für den Leistungsbezug frühestens nach Ablauf
der alten Rahmenfrist eröffnet werden kann. Weder eine die
Arbeitslosenentschädigung ausschliessende Tätigkeit noch der Wegfall der
Anspruchsberechtigung als solche (beispielsweise bei nicht mehr gegebener
Vermittlungsfähigkeit) beendigen die Rahmenfrist (Nussbaumer, a.a.O., S. 2217
f. N 125). Die Beständigkeit des einmal festgelegten Beginns der Rahmenfrist
für den Leistungsbezug steht allerdings unter dem Vorbehalt, dass sich die
Zusprechung und Ausrichtung von Arbeitslosenentschädigung nicht nachträglich
zufolge Fehlens einer oder mehrerer Anspruchsvoraussetzungen unter
wiedererwägungsrechtlichem oder prozessual-revisionsrechtlichem
Gesichtswinkel als unrichtig erweisen (BGE 127 V 475 E. 2b/aa S. 477;
Nussbaumer, a.a.O., S. 2218 N 125).

4.1.2 Die Beschwerdeführerin übersieht bei ihrer Argumentation, dass die
Ausrichtung von Arbeitslosenentschädigung gestützt auf den vorliegend zur
Anwendung gelangenden Art. 29 Abs. 1 AVIG (vgl. E. 4 hiervor) einen
Sonderfall darstellt. Hier wird unter der Voraussetzung, dass begründete
Zweifel über Ansprüche aus Arbeitsvertrag bestehen, zugunsten des
Leistungsbezügers das Anspruchsmerkmal des anrechenbaren Arbeitsausfalles
(Art. 8 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit Art. 11 AVIG; E. 3.1 hiervor) im
Sinne einer unwiderlegbaren gesetzlichen Vermutung als gegeben angenommen.
Folgerichtig stellt die spätere vollständige oder teilweise Erfüllung der im
Bestand oder im Hinblick auf die Realisierbarkeit mit Zweifeln behafteten
Lohn- und Entschädigungsansprüche im Sinne von Art. 11 Abs. 3 AVIG keinen
prozessualen Revisionsgrund dar mit der Folge, dass die Rahmenfrist
entsprechend neu festzulegen wäre (BGE 126 V 368 E. 3a und b S. 372 ff.).
Ebenfalls entfällt - systemkonform - eine Rückerstattungspflicht (Urteil des
EVG C 91/00 vom 15. Januar 2001).

4.1.3 Den Einwänden der Versicherten steht zudem entgegen, dass die
Arbeitslosenkasse auf Grund dieser Sonderregel nicht nur Erwerbsersatz
leistet, sondern den arbeitslosen Personen auch die mit einem Prozess gegen
den früheren Arbeitgeber verbundenen Kosten- und Inkassorisiken abnimmt.
Sachlich lässt es sich daher durchaus vertreten, wenn die nach Massgabe von
Art. 8 Abs. 1, Art. 9 und Art. 29 Abs. 1 AVIG festgelegte Rahmenfrist für den
Leistungsbezug auch bei nachträglicher teilweiser oder vollständiger
Realisierung der arbeitsvertraglichen Ansprüche unverändert bleibt. Damit
wird im Übrigen insofern eine Gleichbehandlung der Versicherten im Sinne des
Versicherungsprinzips erreicht, als es in leistungsmässiger Hinsicht nicht
darauf ankommt, ob überhaupt und gegebenenfalls in welchem Zeitpunkt die
betreffenden Forderungen eingebracht werden können. Im Übrigen steht es den
Versicherten grundsätzlich frei, ob sie Leistungen nach Art. 29 Abs. 1 AVIG
beanspruchen oder die arbeitsvertraglichen Ansprüche selber geltend machen
und sich erst für eine anschliessende Arbeitslosigkeit zum Leistungsbezug bei
der Arbeitslosenversicherung anmelden wollen (BGE 126 V 368 E. 3c/aa S. 374).

4.1.4 Der Hinweis der Beschwerdeführerin in ihrer Eingabe vom 18. September
2007 auf das Urteil des EVG C 4/06 vom 26. Juli 2007 ist unbehelflich, weil
sich in Bezug auf die vorliegende Konstellation keine Schlüsse daraus ziehen
lassen. Namentlich erbrachte die Arbeitslosenkasse dort keine Leistungen nach
Art. 29 Abs. 1 AVIG, womit die Verschiebung der Rahmenfrist aus
wiedererwägungs- oder revisionsrechtlichen Gründen - im Gegensatz zum
vorliegenden Fall - grundsätzlich möglich war.

4.2 Soweit die Versicherte eine Verschiebung (gemeint ist wohl eine
Verlängerung) der Rahmenfrist für den Leistungsbezug verlangt, weil sie in
der Zeit vom 8. November 2004 bis 11. Februar 2005 keine
Arbeitslosenentschädigung, sondern Taggelder der Invalidenversicherung
(berufliche Abklärung) bezogen hat, kann ihr ebenfalls nicht gefolgt werden.
Es wird in dieser Hinsicht vollumfänglich auf die zutreffenden Ausführungen
des kantonalen Gerichts verwiesen, denen das Bundesgericht nichts beizufügen
hat.

5.
In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird weiter vorgebracht, der
Nichtvollzug zweier rechtskräftiger Verfügungen vom 30. November 2005 und vom
6. September 2005 stelle eine Rechtsverweigerung nach Art. 29 BV dar, sei
willkürlich, verstosse gegen Treu und Glauben und sei unfair im Sinne von
Art. 6 Ziff. 1 EMRK.

5.1 Bei den genannten "rechtskräftigen Verfügungen" handelt es sich um die
Taggeldabrechnung für den Monat November 2005 vom 30. November 2005 und um
einen an die Versicherte adressierten Brief der Arbeitslosenkasse vom
6. September 2005. In diesem Schreiben wird unter anderem festgehalten, dass
der Höchstanspruch auf 520 Taggelder festgelegt werde, welcher "ohnehin über
zwei ganze Jahre läuft", weshalb eine Verschiebung der Rahmenfrist gar nicht
relevant wäre. Der Taggeldabrechnung vom 30. November 2005 lässt sich
entnehmen, dass ein Restanspruch auf 132 Taggelder besteht. Aus diesen zwei
Dokumenten möchte die Beschwerdeführerin die Verpflichtung der Kasse
ableiten, 132 Taggelder nachzuzahlen.

5.2 Ob es sich bei den erwähnten Schriftstücken um "rechtskräftige
Verfügungen" handelt, kann dahingestellt bleiben, wie sich sogleich ergibt.
Es war bereits im vorinstanzlichen Prozess nicht mehr umstritten, dass der
Versicherten im Sinne von Art. 27 Abs. 2 lit. c AVIG höchstens 520 Taggelder
zustehen. Ein rahmenfristverlängernder Tatbestand (so unter anderem die
Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit ohne Förderungsbeiträge,
Kindererziehung oder Eintritt der Arbeitslosigkeit kurz vor Erreichen des
AHV-Rentenalters; Nussbaumer, a.a.O., S. 2212 ff. N 104 ff.) lässt sich nicht
ausmachen, ebenso wenig ein Grund für die Verschiebung des Beginns der
Rahmenfrist für den Leistungsbezug (vgl. E. 4 hiervor), womit es dabei sein
Bewenden hat, dass diese Frist vorliegend zwei Jahre beträgt und vom
3. November 2003 bis 2. November 2005 dauert. Etwas anderes lässt sich auch
dem Schreiben der Kasse vom 6. September 2005 und der Taggeldabrechnung vom
30. November 2005 nicht entnehmen. Es ist der Beschwerdeführerin
zuzugestehen, dass der Vermerk auf der Abrechnung vom 30. November 2005
"Restanspruch 132.0" auf den ersten Blick Verwirrung stiften kann. Doch auf
derselben Abrechnung ist auch die Rahmenfrist für den Leistungsbezug vom
3. November 2003 bis 2. November 2005 angegeben. Die Rahmenfrist für den
Leistungsbezug begrenzt die Anspruchsberechtigung in zeitlicher Hinsicht. Die
Höchstzahl der Taggelder bestimmt sich innerhalb der Rahmenfrist für den
Leistungsbezug nach dem Alter der Versicherten sowie nach der Beitragszeit
(Art. 27 Abs. 1 AVIG; E. 3.2 hiervor). Da in der Taggeldabrechnung vom
30. November 2005 der klare Hinweis darauf zu finden ist, dass die
Rahmenfrist für den Leistungsbezug am 2. November 2005 endete, konnte bei der
Versicherten kein berechtigter Zweifel daran aufkommen, dass der
"Restanspruch" von 132 Taggeldern zufolge Beendigung der Rahmenfrist für den
Leistungsbezug nicht mehr bezogen werden konnte. Es lässt sich darum weder
aus dem Schreiben der Kasse vom 6. September 2005 noch aus der Abrechnung vom
30. November 2005 etwas zu ihren Gunsten ableiten. Im Vorgehen der Verwaltung
ist weder eine Rechtsverweigerung noch Willkür, ein Verstoss gegen Treu und
Glauben oder eine Verletzung von Art. 6 Ziff. 1 EMRK zu erkennen. Es bleibt
daher bei der Feststellung, dass der Anspruch der Beschwerdeführerin auf
Arbeitslosenentschädigung mit dem 2. November 2005 geendet hat.

5.3 Die in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde darüber hinaus vorgebrachten
Einwände vermögen an diesem Ergebnis nichts zu ändern. Die Versicherte
wiederholt darin lediglich die bereits im vorinstanzlichen Verfahren
entkräfteten Rügen, weshalb vollumfänglich auf die zutreffenden Erwägungen im
angefochtenen Gerichtsentscheid verwiesen werden kann.

6.
Da es im vorliegenden Verfahren um Versicherungsleistungen geht, sind gemäss
Art. 134 OG keine Gerichtskosten zu erheben. Das Gesuch um unentgeltliche
Rechtspflege im Sinne der Befreiung von den Gerichtskosten erweist sich daher
als gegenstandslos. Die unentgeltliche Verbeiständung kann hingegen gewährt
werden (Art. 152 in Verbindung mit Art. 135 OG), da die Bedürftigkeit
aktenkundig ist, die Beschwerde nicht als aussichtslos zu bezeichnen und die
Vertretung geboten war (BGE 125 V 201 E. 4a und 371 E. 5b). Es wird indessen
ausdrücklich auf Art. 152 Abs. 3 OG aufmerksam gemacht, wonach die
begünstigte Partei der Gerichtskasse Ersatz zu leisten haben wird, wenn sie
später dazu im Stande ist.
Nach Eingang der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 13. September 2006 hat ein
Anwaltswechsel stattgefunden. Demgemäss wird die Entschädigung in
Berücksichtigung des in den jeweiligen Verfahrensabschnitten notwendigen
Aufwandes der zwei unentgeltlichen Rechtsbeistände aufgeteilt zwischen
Rechtsanwalt R.________, welcher die Verwaltungsgerichtsbeschwerde für die
Versicherte eingereicht hat (Kostennote vom 13. September 2006), und
Rechtsanwalt Dr. Hans Hurter, welcher die Beschwerdeführerin ab 1. Oktober
2006 vertritt.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege wird für das Verfahren vor
dem Bundesgericht aus der Gerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 2905.-
(einschliesslich Mehrwertsteuer) an Rechtsanwalt R.________ und von Fr. 200.-
(einschliesslich Mehrwertsteuer) an Rechtsanwalt Dr. Hans Hurter, Luzern,
ausgerichtet.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, der Dienststelle für Wirtschaft und
Arbeit Luzern (wira), Abteilung Zentrale Dienste, und dem Staatssekretariat
für Wirtschaft zugestellt.
Luzern, 5. November 2007

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

i.V.

Leuzinger Berger Götz