Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen C 16/2006
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Prozess {T 7}
C 16/06
C 21/06

Urteil vom 11. Juli 2006
III. Kammer

Präsident Ferrari, Bundesrichter Lustenberger und Seiler; Gerichtsschreiber
Hadorn

C 16/06
Öffentliche Arbeitslosenkasse des Kantons Wallis, Bahnhofstrasse 10, 3900
Brig, Beschwerdeführerin,

gegen

S.________, 1956, Beschwerdegegner,

und

C 21/06
S.________, 1956, Beschwerdeführer,

gegen

Öffentliche Arbeitslosenkasse des Kantons Wallis, Bahnhofstrasse 10, 3900
Brig, Beschwerdegegnerin

Kantonale Rekurskommission in Sachen Arbeitslosigkeit, Sitten

(Entscheid vom 24. November 2005)

Sachverhalt:

A.
Mit Verfügung vom 9. August 2002 forderte die Öffentliche Arbeitslosenkasse
des Kantons Wallis von S.________ (geb. 1956) einen Betrag von Fr. 36'905.50
an Arbeitslosenentschädigung zurück.

B.
Die dagegen erhobene Beschwerde hiess die Kantonale Rekurskommission in
Sachen Arbeitslosigkeit des Kantons Wallis mit Entscheid vom 24. November
2005 insofern gut, als sie die Sache zum weiteren Vorgehen im Sinne der
Erwägungen an die Kasse zurückwies.

C.
Die Arbeitslosenkasse führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, der
kantonale Entscheid sei aufzuheben. S.________ schliesst auf Abweisung dieser
Verwaltungsgerichtsbeschwerde und erhebt zugleich selber
Verwaltungsgerichtsbeschwerde, mit welcher er die vollständige Aufhebung der
Rückforderungsverfügung vom 9. August 2002 verlangt. Die Kasse verzichtet auf
eine Vernehmlassung. Das Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) reicht zu
beiden Verwaltungsgerichtsbeschwerden keine Stellungnahme ein.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Da beiden Verwaltungsgerichtsbeschwerden derselbe Sachverhalt zu Grunde
liegt, sich die gleichen Rechtsfragen stellen und die Rechtsmittel den
nämlichen vorinstanzlichen Entscheid betreffen, rechtfertigt es sich, die
beiden Verfahren zu vereinigen und in einem einzigen Urteil zu erledigen
(BGE 128 V 126 Erw. 1 mit Hinweisen; vgl. auch BGE 128 V 194 Erw. 1).

2.
Die kantonale Rekurskommission hat die gesetzlichen Vorschriften zur
Rückforderung von zu Unrecht erbrachten Leistungen der
Arbeitslosenversicherung (Art. 95 Abs. 1 AVIG in der bis Ende 2002 gültig
gewesenen Fassung; vgl. nunmehr auch Art. 25 Abs. 1 ATSG) und zum Ausschluss
arbeitgeberähnlicher Personen und ihrer im Betrieb mitarbeitender Ehegatten
vom Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung (Art. 31 Abs. 3 lit. c AVIG) sowie
die Rechtsprechung zur analogen Anwendung dieser Bestimmung auf
arbeitgeberähnliche Personen und ihre Ehegatten, welche
Arbeitslosenentschädigung verlangen (BGE 123 V 236 Erw. 7), zur
Wiedererwägung (BGE 129 V 110 Erw. 1; vgl. Art 53 ATSG) und den dabei
massgebenden Verwirkungsfristen (BGE 124 V 382 Erw. 1) richtig dargelegt.
Darauf wird verwiesen.

3.
Streitig und zu prüfen ist die Rückforderung und deren allfällige teilweise
Verwirkung.

3.1 Nach der Entlassung aus der Firma V.________ AG auf Ende 2000 blieb der
Versicherte im Handelsregister als einziges Verwaltungsratsmitglied mit
Einzelunterschrift eingetragen. Somit hielt er sich als arbeitgeberähnliche
Person die Möglichkeit offen, die Firma gegebenenfalls wieder zu
reaktivieren. Dass 1999 über sein Privatvermögen der Konkurs eröffnet worden
war, hat keinen Einfluss auf die ihm als Verwaltungsrat verbliebenen
Kompetenzen. Im Lichte der Rechtsprechung nach BGE 123 V 236 Erw. 7 war er
daher vom Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung ausgeschlossen, wie die
Vorinstanz zutreffend dargelegt hat. Überdies wurden die 500 Aktien im
Privatkonkursverfahren der Ehefrau des Versicherten übertragen, sodass dieser
zusätzlich auch als Ehegatte der einzigen Aktionärin, somit einer
arbeitgeberähnlichen Person, keine Arbeitslosenentschädigung beziehen konnte.
Insoweit sind sämtliche von der Kasse erbrachten Leistungen zu Unrecht
ausbezahlt worden, weshalb die Voraussetzungen für eine wiedererwägungsweise
Rückforderung (offensichtlich zu Unrecht erbrachte Leistungen in erheblichem
Betrag; BGE 129 V 110 Erw. 1) grundsätzlich erfüllt sind.

3.2 Zu prüfen bleibt, ob die Rückforderung teilweise verwirkt ist. Die
Rückzahlung wurde am 9. August 2002 verfügt und betrifft ab 25. Januar 2001
ausgerichtete Taggelder. Nach altArt. 95 Abs. 4 AVIG verjährt der
Rückforderungsanspruch innert einem Jahr, nachdem die auszahlende Stelle
davon Kenntnis erhalten hat. Dabei handelt es sich unbestrittenermassen um
eine Verwirkungsfrist. Streitig ist, ab wann sich die Arbeitslosenkasse diese
Kenntnis entgegenhalten lassen muss.
In den Akten findet sich ein Auszug aus dem Handelsregister über die Firma
V.________ AG vom 8. Mai 2001. Somit wusste die Kasse bereits im damaligen
Zeitpunkt um die arbeitgeberähnliche Stellung. Sie hat dies denn auch nicht
übersehen, sondern dem Versicherten am 30. Mai 2001 mitgeteilt, dass sie ihm
Arbeitslosenentschädigung auszahlen werde, er jedoch jegliche Aufnahme von
Aktivitäten in der Firma V.________ AG melden müsse. Somit hat die Kasse die
Rechtslage fehlerhaft gewürdigt und Arbeitslosenentschädigung ausbezahlt.
Erst auf eine Intervention des seco hin erliess sie die
Rückforderungsverfügung. Nach konstanter Rechtsprechung (BGE 122 V 274
Erw. 5b; Urteil B. vom 30. August 2001, C 71/01) muss sich die
Arbeitslosenkasse wegen der Publizitätswirkung des Handelsregisters, aus
welchem die Verwaltungsratsstellung ersichtlich ist, die den Anspruch auf
Arbeitslosenentschädigung ausschliessende Mitgliedschaft in diesem Gremium
von Anfang an entgegenhalten lassen. Eines zweiten Anlasses für den Beginn
der Verwirkungsfrist im Sinne von BGE 110 V 306f. Erw. 2b bedarf es entgegen
den Ausführungen der Kasse in ihrer Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht.
Daher ist die Rückforderung, wie die Vorinstanz richtig erkannt hat, in dem
Umfang verwirkt, als sie Leistungen betrifft, die vor dem 9. August 2001
ausgerichtet worden sind. Nach dem Gesagten erweist sich der kantonale
Entscheid in allen Punkten als korrekt.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verfahren C 16/06 und C 21/06 werden vereinigt.

2.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerden werden abgewiesen.

3.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, der Kantonalen Rekurskommission in Sachen
Arbeitslosigkeit des Wallis, der Dienststelle für Industrie, Handel und
Arbeit, Arbeitslosenversicherung, Sitten, und dem Staatssekretariat für
Wirtschaft zugestellt.
Luzern, 11. Juli 2006

Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der III. Kammer: Der Gerichtsschreiber: