Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen C 145/2006
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Prozess {T 7}
C 145/06

Urteil vom 22. September 2006
III. Kammer

Präsident Ferrari, Bundesrichter Meyer und Lustenberger; Gerichtsschreiber
Widmer

G.________, 1963, Beschwerdeführer, vertreten durch Advokat André M. Brunner,
Hauptstrasse 34,
4102 Binningen,

gegen

Kantonales Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit Baselland, Bahnhofstrasse
32, 4133 Pratteln, Beschwerdegegner

Kantonsgericht Basel-Landschaft, Liestal

(Entscheid vom 1. Februar 2006)

Sachverhalt:

A.
Der 1963 geborene G.________ war bei der Firma O.________ als Lastwagenfahrer
tätig. Am 9. Juli 2001 erlitt er einen Unfall, für dessen Folgen die
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA) die gesetzlichen Leistungen
erbrachte. Auf den 31. Mai 2004 löste die Arbeitgeberfirma das
Anstellungsverhältnis auf, weil er seine Tätigkeit aus gesundheitlichen
Gründen nicht mehr ausüben konnte. Am 14. Mai 2004 stellte G.________ Antrag
auf Arbeitslosenentschädigung und gab an, eine Vollzeitbeschäftigung zu
suchen. Mit Verfügung vom 12. April 2005 setzte das Regionale
Arbeitsvermittlungszentrum Münchenstein (RAV) den "Erwerbsstatus" von
G.________ rückwirkend ab 1. Juni 2004 auf 50 % herab, weil er nur noch für
eine Teilzeitstelle von 50 % vermittlungsfähig sei. Mit einer weiteren
Verfügung vom gleichen Tag verneinte das RAV die Vermittlungsfähigkeit des
Versicherten und stellte fest, dass dieser ab 7. Februar 2005 keinen Anspruch
auf Arbeitslosenentschädigung habe, weil er ab diesem Tag laut Angaben des
Dr. med. Schweizer, Münchenstein, bis auf weiteres voll arbeitsunfähig sei.
Die gegen diese beiden Verfügungen erhobene Einsprache wies das Kantonale Amt
für Industrie, Gewerbe und Arbeit (KIGA) Baselland mit Entscheid vom
9. August 2005 ab.

B.
Die hiegegen eingereichte Beschwerde, mit welcher G.________ zur Hauptsache
hatte beantragen lassen, der Einspracheentscheid sei aufzuheben und es sei
festzustellen, dass er ab 1. Juli 2004 zu 100 % vermittlungsfähig sei, wies
das Kantonsgericht Basel-Landschaft mit Entscheid vom 1. Februar 2006 ab.

C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt G.________ das vorinstanzlich
gestellte Rechtsbegehren erneuern. Ferner beantragt er, es sei ihm für das
vorinstanzliche Verfahren und das Einspracheverfahren eine angemessene
Parteientschädigung zuzusprechen.

Während das RAV auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliesst,
verzichtet das Staatssekretariat für Wirtschaft auf eine Vernehmlassung.

D.
Der Instruktionsrichter zog die Akten der Invalidenversicherung und der
Unfallversicherung bei.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Die Vorinstanz hat die Bestimmungen und Grundsätze über die
Vorleistungspflicht der Arbeitslosenversicherung für Leistungen, deren
Übernahme durch die Arbeitslosenversicherung, die Krankenversicherung, die
Unfallversicherung oder die Invalidenversicherung umstritten ist (Art. 70
Abs. 2 lit. b ATSG), die Vermittlungsfähigkeit im Allgemeinen (Art. 8 Abs. 1
lit. f und 15 Abs. 1 AVIG; BGE 125 V 58 Erw. 6a, 123 V 216 Erw. 3) und von
Behinderten im Besonderen (Art. 15 Abs. 2 AVIG in Verbindung mit Art. 15
AVIV; ARV 2004 S. 124) zutreffend dargelegt. Darauf kann verwiesen werden.

2.
Streitig und zu prüfen ist die Vermittlungsfähigkeit des Beschwerdeführers im
Zeitraum vom 1. Juni 2004 bis 6. Februar 2005, für den Verwaltung und
kantonales Gericht Vermittlungsfähigkeit für eine Teilzeitarbeit von 50 %
angenommen haben, und wiederum ab 7. Februar 2005 bis 9. August 2005 (Erlass
des Einspracheentscheides, welcher die für die richterliche Beurteilung in
zeitlicher Hinsicht massgebende Grenze bildet; BGE 116 V 248 Erw. 1a), für
welche Zeit RAV und Vorinstanz die Vermittlungsfähigkeit verneint haben.

3.
3.1 Was den erstgenannten Zeitraum betrifft, ist mit dem kantonalen Gericht
von einer Vermittlungsfähigkeit für eine Teilzeitarbeit von 50 % auszugehen.
Der Abschlussbeurteilung der Orthopädischen Klinik am Kantonsspital
L.________ vom 18. Mai 2004 ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer eine
leidensangepasste, wechselweise im Sitzen und Stehen zu verrichtende Arbeit,
bei der er nicht zu viel Treppen steigen muss, zu 50 % ausüben könnte.
Arztberichte mit erheblich abweichenden Einschätzungen liegen nicht vor. In
Übereinstimmung mit dieser ärztlichen Stellungnahme hat der Versicherte denn
auch in den Kontrollbogen für die Monate Juni bis Dezember 2004 angegeben,
hälftig arbeitsunfähig zu sein. Somit kann als erstellt gelten, dass der
Beschwerdeführer vom 1. Juni 2004 bis 6. Februar 2005 objektiv und subjektiv
nur für eine Teilzeitstelle im Umfang von 50 % einer Vollzeitbeschäftigung
vermittlungsfähig war, weshalb die Vorinstanz zu Recht einen Arbeitsausfall
von nur 50 % angenommen hat.

3.2
3.2.1
3.2.2 Hinsichtlich des Zeitraums ab 7. Februar 2005 gilt es zunächst
festzuhalten, dass eine objektive Vermittlungsunfähigkeit nicht ausgewiesen
ist. So hat Dr. med. S.________ noch am 4. Februar 2005, unmittelbar vor
Beginn der Periode, für welche die Vorinstanz auf Vermittlungsunfähigkeit
erkannt hat, leidensangepasste Tätigkeiten (in Wechselposition, ohne
Treppensteigen und ohne Gehen über längere Strecken sowie ohne längeres
Sitzen) als zumutbar erachtet. Des Weiteren ging auch die SUVA wiederholt von
voller Arbeitsfähigkeit aus. So erliess sie am 11. März 2005 eine Verfügung,
mit der sie einen Rentenanspruch verneinte, den Beschwerdeführer demnach zu
mindestens 90 % erwerbsfähig einschätzte (vgl. Art. 18 Abs. 1 UVG).

3.2.3 Mit Bezug auf die Vermittlungsbereitschaft, verstanden als
Vermittlungsfähigkeit in subjektiver Hinsicht, fällt ins Gewicht, dass der
Beschwerdeführer - wie bereits im Zeitraum ab Juni 2004 - durchgehend
genügend Arbeitsbemühungen getätigt und diese nachgewiesen hat. Das RAV sah
sich denn auch nie veranlasst, ihn wegen quantitativ oder qualitativ
ungenügender Arbeitsbemühungen in der Anspruchsberechtigung einzustellen
(Art. 30 Abs. 1 lit. c AVIG), wie dies bei erheblichen Zweifeln an der
subjektiven Vermittlungsfähigkeit regelmässig der Fall ist, handelt es sich
doch bei einer Einstellungsverfügung bei fraglicher Vermittlungsbereitschaft
einer versicherten Person um eine Sanktion, die zunächst aus Gründen der
Verhältnismässigkeit angezeigt ist. Des Weiteren trifft es zwar zu, dass der
Beschwerdeführer das Beschäftigungsprogramm "Reprofil" am Tag des Antritts
(7. Februar 2005) wieder abbrach, weil das Gebäude über keinen Lift verfügte.
Indessen war dem Versicherten Treppensteigen aus ärztlicher Sicht unzumutbar,
hielt doch Dr. med. S.________ in einem Zeugnis vom 4. Februar 2005 fest, die
Belastbarkeit des linken Beines inklusive Fuss sei deutlich herabgesetzt. Und
betreffend (nicht) mögliche Tätigkeiten führte er u.a. aus: Absolut kein
Treppensteigen. Da medizinische Gründe für den Nichtantritt des
Beschäftigungsprogramms ausgewiesen sind, kann aus diesem einmaligen Vorfall
nicht geschlossen werden, dem Beschwerdeführer habe generell die
Vermittlungsbereitschaft gefehlt. Sodann finden sich in den Akten der SUVA,
vor allem im Verlaufsprotokoll der Berufsberatung, vereinzelte Hinweise
darauf, dass der Beschwerdeführer nicht übermässig an einer
Wiedereingliederung interessiert war. Bei den Feststellungen des
Berufsberaters der Invalidenversicherung (24. Januar 2005: "Nicht wirklich an
Anstellung interessiert"; 4. April 2005: "Fühlt sich subjektiv nicht
vermittelbar;") handelt es sich eher um Momentaufnahmen denn um eindeutige
Aussagen, die den Schluss auf definitiv fehlende Vermittlungsbereitschaft
zulassen würden. Schliesslich berief sich das KIGA im Einspracheentscheid vom
9. August 2005 unter Hinweis auf einen Bericht der SUVA vom 11. März 2005
darauf, der Beschwerdeführer hätte aufgrund der Bemühungen des externen
Stellenvermittlers der Anstalt eine zumutbare Tätigkeit zu einem Anfangslohn
von Fr. 65'000.- aufnehmen können, habe dies jedoch aus nicht
nachvollziehbaren Gründen verweigert. Wie es sich diesbezüglich verhält, kann
aufgrund der Akten nicht überprüft werden. Namentlich ist nicht klar, ob und
inwieweit die dem Versicherten angebotene (Vollzeit-)Stelle mit Rücksicht auf
seinen Gesundheitsschaden zumutbar gewesen wäre und ob auch die
Zumutbarkeitskriterien des Art. 16 Abs. 2 AVIG erfüllt gewesen wären.

3.2.4 Eine gesamthafte Würdigung zeigt, dass verschiedene Umstände für,
andere eher gegen das Vorliegen der subjektiven Vermittlungsfähigkeit
sprechen. Von offensichtlicher Vermittlungsunfähigkeit kann jedoch nicht die
Rede sein, weshalb der Beschwerdeführer nach Art. 15 Abs. 3 AVIV entgegen der
Auffassung von Verwaltung und Vorinstanz über den 7. Februar 2005 hinaus für
eine Teilzeittätigkeit von 50 % als vermittlungsfähig zu gelten hat.

4.
Soweit der Beschwerdeführer die Zusprechung einer angemessenen
Parteientschädigung für das Einspracheverfahren beantragt (vgl. Art. 52
Abs. 3 ATSG; BGE 130 V 570), ist auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht
einzutreten, da dieses Rechtsbegehren mit keinem Wort begründet wird
(Art. 108 Abs. 2 OG).

5.
Das Verfahren ist kostenlos (Art. 134 OG). Dem Prozessausgang entsprechend
hat der teilweise obsiegende Beschwerdeführer Anspruch auf eine reduzierte
Parteientschädigung (Art. 159 Abs. 1 und 3 OG).

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
In teilweiser Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, soweit darauf
eingetreten wird, werden der Entscheid des Kantonsgerichts Basel-Landschaft
vom 1. Februar 2006 und der Einspracheentscheid des KIGA Baselland vom
9. August 2005 aufgehoben, soweit sie den Zeitraum ab 7. Februar 2005
betreffen, und es wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer ab 7. Februar
2005 für eine Teilzeitarbeit von 50 % einer Vollzeitbeschäftigung
vermittlungsfähig ist. Im Übrigen wird die Verwaltungsgerichtsbeschwerde
abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Das KIGA Baselland hat dem Beschwerdeführer für das Verfahren vor dem
Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von Fr. 1200.-
(einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen.

4.
Das Kantonsgericht Basel-Landschaft wird über eine Parteientschädigung für
das kantonale Verfahren entsprechend dem Ausgang des letztinstanzlichen
Prozesses zu befinden haben.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Basel-Landschaft,
Abteilung Sozialversicherungsrecht, und dem Staatssekretariat für Wirtschaft
zugestellt.

Luzern, 22. September 2006
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der III. Kammer: Der Gerichtsschreiber: