Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen C 12/2006
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Prozess {T 7}
C 12/06

Urteil vom 29. Juni 2006
III. Kammer

Präsident Ferrari, Bundesrichter Meyer und Seiler; Gerichtsschreiber Hadorn

K.________, 1952, Beschwerdeführer,

gegen

Arbeitslosenkasse des Kantons Luzern, Hallwiler-
weg 5, 6003 Luzern, Beschwerdegegnerin

Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Luzern

(Entscheid vom 24. November 2005)

Sachverhalt:
Mit Verfügung vom 22. Februar 2005 lehnte die Arbeitslosenkasse des Kantons
Luzern den Anspruch des K.________ (geb. 1952) auf Arbeitslosenentschädigung
ab 1. Dezember 2004 ab. Daran hielt die Kasse mit Einspracheentscheid vom 23.
Mai 2005 fest.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons
Luzern mit Entscheid vom 24. November 2005 ab.

K. ________ führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, es sei ihm
Arbeitslosenentschädigung auszurichten.
Die Arbeitslosenkasse schliesst auf Abweisung der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während das Staatssekretariat für Wirtschaft
(seco) auf eine Vernehmlassung verzichtet.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Nachdem der Beschwerdeführer sich am 6. Dezember 2004 zum Bezug von
Arbeitslosenentschädigung ab Anfang des selben Monats angemeldet hatte,
zahlte die Arbeitslosenkasse am 21. Dezember 2004 und 5. Januar 2005
Taggelder aus. Mit Verfügung vom 22. Februar 2005 verneinte sie sodann die
Anspruchsberechtigung rückwirkend ab 1. Dezember 2004. Hingegen verfügte sie
keine Rückforderung der bisher ausgerichteten Leistungen. Die Verfügung vom
22. Februar 2005 ist, soweit sie sich auf die schon erbrachten Taggelder
bezieht, inhaltlich eine Feststellungsverfügung. Es wird darin festgestellt,
dass ab 1. Dezember 2004 kein Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung bestehe.
Der Erlass einer solchen Verfügung setzt unter anderem ein schützenswertes
Interesse an der Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines
Rechtsverhältnisses voraus, das nicht durch eine rechtsgestaltende Verfügung
gewahrt werden kann (BGE 130 V 391 Erw. 2.4, 129 V 290 Erw. 2.1).
Hinsichtlich der Periode, während welcher Taggelder ausbezahlt worden sind,
hätte die Kasse direkt eine rechtsgestaltende Rückforderung verfügen können
und müssen. Der Erlass einer blossen Feststellungsverfügung des Inhalts, dass
bezüglich der genannten Zeitspanne kein Leistungsanspruch bestanden habe, war
somit unzulässig. Damit kann die Verneinung des Leistungsanspruchs erst ab
jenem Zeitpunkt wirksam werden, an dem die Zahlungen aufgehört haben.
Insoweit sind der kantonale und der Einspracheentscheid zu präzisieren. Im
Folgenden ist nur zu prüfen, ob Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung über
den genannten Zeitpunkt hinaus besteht. Sinngemäss verlangt auch der
Versicherte nichts anderes.

2.
Das kantonale Gericht hat die gesetzlichen Vorschriften zur Erfüllung der
Beitragszeit (Art. 13 Abs. 1 AVIG) als einer Voraussetzung für den Anspruch
auf Arbeitslosenentschädigung (Art. 8 Abs. 1 lit. e AVIG), zu den
Rahmenfristen (Art. 9 Abs. 3 AVIG, Art. 9b Ziff. 2 und 3 AVIG) und zur
Befreiung von der Erfüllung der Beitragszeit (Art. 14 Abs. 1 und 2 AVIG)
sowie die dazu ergangene Rechtsprechung (BGE 125 V 124 ff.  Erw. 2a-d)
richtig dargelegt. Darauf wird verwiesen.

3.
Unbestrittenermassen weist der Beschwerdeführer innerhalb der massgebenden
Rahmenfrist (selbst unter Berücksichtigung einer allenfalls verlängerten
Rahmenfrist im Sinne von Art. 9b AVIG) keine Beitragszeiten auf. Zu prüfen
ist einzig, ob ein Befreiungsgrund nach Art. 14 Abs. 2 AVIG in Frage kommt.
Gemäss dieser Bestimmung sind Personen unter anderem dann von der Erfüllung
der Beitragszeit befreit, wenn sie wegen einer Trennung oder Scheidung der
Ehe gezwungen sind, eine unselbstständige Tätigkeit aufzunehmen oder zu
erweitern. Dies gilt aber nur, wenn das betreffende Ereignis nicht mehr als
ein Jahr zurückliegt.

3.1 Der Beschwerdeführer arbeitete ab 1996 nur noch selbstständig. Somit will
er nicht erstmals oder erneut ins Erwerbsleben eintreten, sondern von einer
nicht versicherten selbstständigen Erwerbstätigkeit (Art. 2 Abs. 1 lit. a
AVIG e contrario) in eine unselbstständige wechseln. Bei der Aufgabe der
selbstständigen Erwerbstätigkeit besteht kein Versicherungsschutz, es sei
denn aus einer früheren Arbeitnehmertätigkeit werde die Beitragszeit in der
Rahmenfrist noch erfüllt (BGE 125 V 126 Erw. 2c). Dies ist beim Versicherten
unstreitig nicht der Fall, da seine letzte Arbeitnehmertätigkeit zu lange
zurückliegt. Die Arbeitnehmereigenschaft, welche Grundvoraussetzung dafür
ist, dass eine Person Versicherungsschutz geniesst, kann nicht dadurch
hergestellt werden, dass im Nachhinein eine Person für diejenige Zeit,
während welcher eine selbstständige Tätigkeit ausgeübt wurde, als von der
Erfüllung der Beitragszeit befreit erklärt wird. Die Befreiungstatbestände
können die fehlende Versicherteneigenschaft nicht schaffen. Sie übernehmen
vielmehr die Funktion der Beitragszeit als Anspruchsvoraussetzung. Die
fehlende Versicherteneigenschaft infolge Ausübung einer ganztägigen
selbstständigen Tätigkeit in der Zeit vor der Anrufung eines
Befreiungsgrundes nach Art. 14 AVIG schliesst die Berufung auf diese Regelung
aus (BGE 125 V 126 Erw. 2c mit Hinweis). Das gilt auch im Falle einer Person,
die eine schlecht rentierende selbstständige Erwerbstätigkeit ausübte und
durch einen der Befreiungsgründe gezwungen wird, eine im Rahmen des Üblichen
entlöhnte unselbstständige Erwerbstätigkeit aufzunehmen (BGE 125 V 126 Erw.
2d). Dies trifft auf den Beschwerdeführer zu, hat er doch gemäss seinem
Individuellen Konto in der selbstständigen Erwerbstätigkeit nur wenig
verdient und macht geltend, wegen der Scheidung oder der Trennung auf eine
normal entlöhnte Arbeitnehmertätigkeit angewiesen zu sein. Schon aus den
dargelegten Gründen hat er indessen keinen Anspruch auf
Arbeitslosenentschädigung.

3.2 Auf Grund der Akten ist nicht klar, ob der Beschwerdeführer seine
selbstständige Erwerbstätigkeit vollzeitlich oder nur teilzeitlich ausgeübt
hat. Wäre er nur teilzeitlich tätig gewesen, könnte sich insoweit die Frage
einer Beitragsbefreiung stellen (BGE 125 V 127 Erw. 2d in fine). Indessen
muss ein Befreiungsgrund nach Art. 14 AVIG klar ausgewiesen sein, wenn der
Berufung auf ihn, wie hier, eine selbstständige Erwerbstätigkeit vorausgeht.
Andernfalls ist eine nachprüfbare und rechtsgleiche Handhabung der
gesetzlichen Befreiungsregelung nicht gewährleistet. Nach der gesamten
Aktenlage ist der erforderliche klare Beweis im Fall des Beschwerdeführers
nicht zu erbringen und zwar um so weniger, als laut den Erwägungen des
Scheidungsurteils vom 6. Januar 2004 die Ehefrau ihrerseits "zur Zeit nicht
erwerbstätig" war.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, der Dienststelle für Wirtschaft und
Arbeit Luzern (wira) und dem Staatssekretariat für Wirtschaft zugestellt.

Luzern, 29. Juni 2006
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der III. Kammer: Der Gerichtsschreiber: