Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen C 11/2006
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C 11/06

Urteil vom 26. April 2006
IV. Kammer

Präsident Ursprung, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter Schön;
Gerichtsschreiberin Schüpfer

Kantonale Arbeitslosenkasse St. Gallen, Davidstrasse 21, 9001 St. Gallen,
Beschwerdeführerin,

gegen

S.________, 1969, Beschwerdegegnerin

Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen, St. Gallen

(Entscheid vom 21. November 2005)

Sachverhalt:

A.
Die kantonale Arbeitslosenkasse St. Gallen stellte die 1969 geborene
S.________ mit Verfügung vom 21. März 2005 für die Dauer von 31 Tagen ab 1.
März 2005 wegen selbstverschuldeter Arbeitslosigkeit in der
Anspruchsberechtigung ein, nachdem deren Arbeitgeberin, die Firma B.________,
das seit 1. Mai 2004 dauernde Teilzeitarbeitsverhältnis (40 %) per 28.
Februar 2005 aufgelöst hatte. Diese Anordnung wurde auf Einsprache hin mit
Entscheid vom 17. Mai 2005 bestätigt.

B.
In Gutheissung der dagegen geführten Beschwerde hob das Versicherungsgericht
des Kantons St. Gallen den Einspracheentscheid auf (Entscheid vom 21.
November 2005).

C.
Die Arbeitslosenkasse St. Gallen erhebt Verwaltungsgerichtsbeschwerde und
stellt den Antrag, in Aufhebung des Entscheides vom 21. November 2005 sei
S.________ wegen selbstverschuldeter Arbeitslosigkeit für 31 Tage in ihrer
Anspruchsberechtigung einzustellen.

Das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen beantragt die Abweisung der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Sowohl S.________ als auch das
Staatssekretariat für Wirtschaft verzichten auf Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Wie das kantonale Versicherungsgericht zutreffend dargelegt hat, ist ein
Selbstverschulden im Sinne von Art. 30 Abs. 1 lit. a AVIG gegeben, wenn und
soweit der Eintritt der Arbeitslosigkeit nicht objektiven Faktoren
zuzuschreiben ist, sondern in einem nach den persönlichen Umständen und
Verhältnissen vermeidbaren Verhalten des oder der Versicherten liegt, für das
die Arbeitslosenversicherung die Haftung nicht übernimmt (ARV 1998 Nr. 9 S.
44 Erw. 2b, 1982 Nr. 4 S. 39 Erw. 1a; Gerhards, Kommentar zum AVIG, Bd. I,
Rz. 8 zu Art. 30). Gemäss Art. 44 Abs. 1 lit. a AVIV gilt die
Arbeitslosigkeit insbesondere dann als selbstverschuldet, wenn der
Versicherte durch sein Verhalten, insbesondere wegen Verletzung
arbeitsvertraglicher Pflichten, dem Arbeitgeber Anlass zur Auflösung des
Arbeitsverhältnisses gegeben hat. Dabei wird keine Auflösung des
Arbeitsverhältnisses aus wichtigen Gründen gemäss Art. 337 bzw. Art. 346 Abs.
2 OR vorausgesetzt. Es genügt, dass das allgemeine Verhalten der versicherten
Person Anlass zur Kündigung oder Entlassung gegeben hat; Beanstandungen in
beruflicher Hinsicht müssen nicht vorgelegen haben. Eine Einstellung in der
Anspruchsberechtigung nach Art. 30 Abs. 1 lit. a AVIG kann jedoch nur verfügt
werden, wenn das dem oder der Versicherten zur Last gelegte Verhalten in
beweismässiger Hinsicht klar feststeht (BGE 112 V 245 Erw. 1; ARV 1999 Nr. 8
S. 39 Erw. 7b; SVR 1996 AlV Nr. 72 S. 220 Erw. 3b/bb; Gerhards, a.a.O., Rz.
11 zu Art. 30). Das vorwerfbare Verhalten muss zudem nach Art. 20 lit. b des
Übereinkommens Nr. 168 der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) über
Beschäftigungsförderung und den Schutz gegen Arbeitslosigkeit vom 21. Juni
1988 vorsätzlich erfolgt sein (vgl. BGE 124 V 236 Erw. 3b, welche
Rechtsprechung gemäss unveröffentlichtem Urteil M. vom 17. Oktober 2000 [C
53/00], Erw. 3b, auch im Bereich von Art. 44 Abs. 1 lit. a AVIV anwendbar
ist).

2.
Streitig und zu prüfen ist, ob die Beschwerdegegnerin auf Grund ihres
Verhaltens ihrer Arbeitgeberin in einstellungsrechtlich relevanter Weise
Anlass zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegeben hat.

2.1 Die Versicherte war als Service-Mitarbeiterin im Café der Firma
B.________ tätig. Am 13. August 2004 erstellte die Arbeitgeberin ein
Protokoll über eine Besprechung zwischen der Versicherten einerseits und
verschiedenen leitenden Angestellten andererseits. Demnach wurde erstere
wegen verschiedenen Verstössen gemahnt, und für den Fall weiterer
Verfehlungen wurde die Auflösung des Arbeitsvertrages angedroht. Gemäss dem
erwähnten Schreiben habe S.________ ihren Arbeitsplatz am 5. August zu früh
verlassen, trotz Verbot am Arbeitsplatz geraucht, während der Arbeitszeit
privat telefoniert und 3 dl-Getränke ohne Bezahlung konsumiert. Im weiteren
sei eine unerklärliche Kassadifferenz festgestellt worden. Hinsichtlich des
ebenfalls vorgeworfenen Spirituosen-Konsums habe die Beschwerdegegnerin ihre
Unschuld beteuert. Diese schriftliche Mahnung wird nicht bestritten. Nach
Darstellung der Versicherten in ihrer Einsprache sei es erst fünf Monate nach
dieser Verwarnung, anfangs Januar 2005, wieder zu Unstimmigkeiten im Betrieb
gekommen. Ihre Vorgesetzte habe ihr zunehmend das Gefühl gegeben, überflüssig
und unerwünscht zu sein, obwohl sie von den Gästen und Arbeitskolleginnen
sehr geschätzt worden sei, was diese ihr auch öfters gesagt hätten. Warum ihr
schliesslich Ende Januar gekündigt worden sei, sei ihr nie mitgeteilt worden.
Nach der Verwarnung im August habe sie alle Geschäftsrichtlinien befolgt. Der
kantonalen Arbeitslosenkasse gegenüber begründete die Arbeitgeberin die
Auflösung des Arbeitsverhältnisses in einem Schreiben vom 18. April 2005
zusammenfassend mit ungeklärt gebliebenem "Verschwinden" von Geld und
Naturalien und einem dadurch gestörten Vertrauensverhältnis. Die Versicherte
liess sich dazu nicht vernehmen.

2.2 Das kantonale Gericht hat in korrekter und überzeugender Würdigung der
Sachlage entschieden. Es hat richtig festgehalten, dass die
Beschwerdegegnerin ausdrücklich bestreitet, auch nach der Verwarnung vom 13.
August 2004 ihren Arbeitsplatz vorzeitig verlassen, während der Arbeit
geraucht oder telefoniert und Getränke ohne Bezahlung konsumiert zu haben.
Alle anderen Vorwürfe hat sie schon im Rahmen der Verwarnung bestritten.
Bereits in der ersten Information über die Auflösung des Arbeitsverhältnisses
in der Bescheinigung über Zwischenverdienst vom 11. Februar 2005 wie auch im
Schreiben vom 18. April 2005 wird als Kündigungsgrund eine mangelnde
Vertrauensbasis genannt. Dieser Mangel basiert auf Verdächtigungen über
Unzuverlässigkeiten der Beschwerdegegnerin, wobei - zumindest nach dem 13.
August 2004 - ein unrechtsmässiges Verhalten nie nachgewiesen und immer
bestritten wurde.

3.
Was die Beschwerdeführerin vorbringt, dringt nicht durch. Sie stützt sich
einzig auf die widersprochenen Angaben der ehemaligen Arbeitgeberin. Wie auch
die Vorinstanz in ihrer Vernehmlassung zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde
richtig feststellt, übersieht die kantonale Arbeitslosenkasse, dass für eine
Einstellung in der Anspruchsberechtigung in Anwendung von Art. 44 Abs. 1 lit.
a AVIV auf Grund von Art. 20 lit. b des Übereinkommens Nr. 168 der
Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) über Beschäftigungsförderung und
den Schutz gegen Arbeitslosigkeit vorsätzliches Handeln vorausgesetzt wird,
welches als solches auch bewiesen, und nicht nur mit überwiegender
Wahrscheinlichkeit feststehen muss. Ein solcher Nachweis liegt nicht vor.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St.
Gallen, dem Amt für Arbeit und dem Staatssekretariat für Wirtschaft
zugestellt.

Luzern, 26. April 2006

Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der IV. Kammer: Die Gerichtsschreiberin:
i.V.