Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen B 7/2006
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{T 7}
B 7/06

Urteil vom 9. März 2007
II. sozialrechtliche Abteilung

Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Lustenberger, Seiler,
Gerichtsschreiberin Amstutz.

REVOR Sammelstiftung 2. Säule, Lagerhausweg 10, 3018 Bern,
Beschwerdeführerin,

gegen

L.________, 1947, Beschwerdegegner, vertreten durch den Rechtsdienst
Integration Handicap, Bürglistrasse 11, 8002 Zürich.

Berufliche Vorsorge,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts
des Kantons St. Gallen vom 28. November 2005.

Sachverhalt:

A.
Der 1947 geborene L.________ war, nach längerer Erwerbsunfähigkeit, ab 1.
Juli 1999 als Unternehmensberater für die Z.________ Versicherungen tätig,
welches Arbeitsverhältnis aus wirtschaftlichen Gründen (Umstrukturierung) auf
Ende Dezember 2000 aufgelöst wurde. Vom 1. Januar 2001 arbeitete er bis zur
gesundheitsbedingten Kündigung der Stelle auf den 31. Oktober 2001 in der
Firma H.________, und war damit bei der zuständigen REVOR Sammelstiftung 2.
Säule (nachfolgend: REVOR), Bern, berufsvorsorgeversichert (Ende des
Versicherungsverhältnisses: 30. November 2001 [inkl. Nachdeckungsfrist]).
Nachdem ihm die Invalidenversicherung aufgrund psychischer
Gesundheitsbeeinträchtigungen bereits vom 1. Oktober 1996 bis 30. April 2000
eine ganze Invalidenrente (Invaliditätsgrad: 100 %) ausgerichtet hatte
(Verfügung der IV-Stelle vom 6. Mai 1999 und Rentenaufhebungsverfügung vom
27. März 2000, letztere bestätigt durch Entscheid des
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich vom 13. August 2002), meldete
sich L.________ im März 2002 erneut zum Leistungsbezug an. Mit Verfügung vom
15. August 2002 sprach ihm die IV-Stelle des Kantons Zürich rückwirkend ab 1.
August 2001 abermals eine ganze Invalidenrente zu (Invaliditätsgrad: 100 %).
Die REVOR verneinte eine ihrerseits bestehende Leistungspflicht mit der
Begründung, die von der Invalidenversicherung ab 1. August 2001 anerkannte
100%ige Invalidität stehe in engem sachlichen und zeitlichen Zusammenhang zu
der während eines früheren Arbeitsverhältnisses eingetretenen
Arbeitsunfähigkeit, aufgrund welcher L.________ bereits vom 1. Oktober 1996
bis 30. April 2000 eine ganze Invalidenrente der Invalidenversicherung
bezogen hatte (Schreiben vom 2. Juni 2003).

B.
In Gutheissung der dagegen erhobenen Klage vom 1. Dezember 2004 verpflichtete
das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen die REVOR, L.________ ab 1.
August 2003 eine Invalidenrente auf der Grundlage eines Invaliditätsgrades
von 100%, zuzüglich Zins von 5 % ab dem 2. Dezember 2004, auszurichten
(Entscheid vom 28. November 2005).

C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt die REVOR die Aufhebung des
vorinstanzlichen Entscheids.

L. ________ lässt auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliessen;
eventualiter sei auf das Rechtsmittel nicht einzutreten. Das Bundesamt für
Sozialversicherungen hat auf eine Vernehmlassung verzichtet.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Am 1. Januar 2007 ist das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni
2005 (BGG; SR 173.110) in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Da der
angefochtene Entscheid vorher ergangen ist, richtet sich das Verfahren noch
nach dem bis Ende 2006 in Kraft gestan-denen Bundesgesetz vom 16. Dezember
1943 über die Organisation der Bundesrechtspflege (Art. 132 Abs. 1 BGG; BGE
132 V 393 E. 1.2 S. 395).

2.
Die den Anspruch auf eine Invalidenrente aus obligatorischer und
weitergehender Vorsorge betreffende Streitigkeit unterliegt der
Gerichtsbarkeit der in Art. 73 BVG erwähnten richterliche Behörden, welche
sowohl in zeitlicher als auch sachlicher Hinsicht zuständig sind (BGE 130 V
103 E. 1 S. 104 f., 130 V 111 E. 3.1.2 S. 112, 128 V 41 E. 1b S. 44 mit
Hinweisen). Dabei ist die Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichts nicht auf
die Verletzung von Bundesrecht einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch
des Ermessens beschränkt, sondern sie erstreckt sich auch auf die
Angemessenheit des angefochtenen Entscheides; das Gericht ist dabei nicht an
die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden
und kann über die Begehren der Parteien zu deren Gunsten oder Ungunsten
hinausgehen (Art. 132 OG; BGE 126 V 468 E. 1b S. 470).

3.
3.1 Gemäss Art. 23 BVG in der bis 31. Dezember 2004 gültig gewesenen Fassung
haben Anspruch auf Invalidenleistungen Personen, die im Sinne der
Invalidenversicherung zu mindestens 50 % invalid sind und bei Eintritt der
Arbeitsunfähigkeit, deren Ursache zur Invalidität geführt hat, versichert
waren. Am 1. Januar 2005 ist Art. 23 in seiner neuen Fassung in Kraft
getreten (Änderung vom 3. Oktober 2003 [1. BVG-Revision]). Danach haben
Anspruch auf Invalidenleistungen unter anderem Personen, die im Sinne der
Invalidenversicherung zu mindestens 40 % invalid sind und bei Eintritt der
Arbeitsunfähigkeit, deren Ursache zur Invalidität geführt hat, versichert
waren (lit. a). Art. 23 lit. a BVG hat an der für die Leistungspflicht der
Vorsorgeeinrichtung massgebenden Voraussetzung des - hier einzig umstrittenen
- engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhangs zwischen Eintritt der
Arbeitsunfähigkeit und Invalidität (BGE 123 V 262 E. 1c S. 264 f., 120 V 112
E. 2c/aa und bb S. 117 f.; vgl. auch BGE 130 V 270 E. 4.1 S. 275; SZS 2004 S.
446, B 40/01; SZS 2003 S. 507 f., B 1/02 und 509 f., B 23/01) nichts geändert
(Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts B 18/06 vom 18. Oktober
2006, E. 3.1.2). Die diesbezügliche Rechtsprechung, namentlich zum Begriff
der berufsvorsorgerechtlich relevanten Arbeitsunfähigkeit (vgl. BGE 130 V 343
E. 3.1 S. 345 mit Hinweisen; in SZS 2006 S. 365 nicht publizierte E. 1.2 des
Urteils B 54/05 des Eidgenössischen Versicherungsgerichts vom 6. Februar
2006; SZS 2003 S. 521, B 49/00), wurde im angefochtenen Entscheid zutreffend
wiedergegeben. Darauf wird verwiesen.

3.2 Nach dem Art. 23 BVG zu Grunde liegenden Versicherungsprinzip (BGE 123 V
262 ff., SVR 2004 BVG Nr. 18 S. 58 E. 5, B 57/00) ist bei Wechsel des
Vorsorgeverhältnisses die neue Vorsorgeeinrichtung für die aus einer beim
früheren Versicherungsträger eingetretenen Arbeitsunfähigkeit resultierende
Invalidität nur dann nicht leistungspflichtig, wenn der zeitliche Konnex
zwischen Arbeitsunfähigkeit und Invalidität ununterbrochen bestand (vgl. BGE
130 V 270 E. 4.1 S. 275, 123 V 262 E. 1a und 1c S. 263 ff.). Eine
Unterbrechung des zeitlichen Zusammenhangs darf nach der Rechtsprechung nicht
bereits dann angenommen werden, wenn die Person bloss für kurze Zeit wieder
an die Arbeit zurückgekehrt ist. Ebenso wenig darf die Frage des zeitlichen
Zusammenhangs zwischen Arbeitsunfähigkeit und Invalidität in schematischer
(analoger) Anwendung der Regeln von Art. 88a Abs. 1 IVV beurteilt werden,
wonach eine anspruchsbeeinflussende Verbesserung der Erwerbsfähigkeit in
jedem Fall zu berücksichtigen ist, wenn sie ohne wesentliche Unterbrechung
drei Monate gedauert hat und voraussichtlich andauern wird. Vielmehr sind die
gesamten Umstände des konkreten Einzelfalles zu würdigen, namentlich die Art
des Gesundheitsschadens, dessen prognostische ärztliche Beurteilung und die
Beweggründe, welche die versicherte Person zur Wiederaufnahme der Arbeit
veranlasst haben (BGE 123 V 262 E. 1c S. 264, 120 V 112 E. 2c/aa-bb S. 117
f., mit Hinweisen). Zu berücksichtigen sind insbesondere auch die in der
Arbeitswelt nach aussen in Erscheinung tretenden Verhältnisse (SZS 2003 S.
509, B 23/01; unveröffentlichtes Urteil des Eidgenössischen
Versicherungsgerichts B 73/00 vom 28. Mai 2002, E. 3a/bb). Einen Unterbruch
des zeitlichen Zusammenhangs hat die Rechtsprechung etwa bei einer über 17
Monate (SZS 2003 S. 510, B 4/02) oder mehr als zwei Jahre (Urteil des
Eidgenössischen Versicherungsgericht B 51/05 vom 7. September 2006, E. 4.1
und 5.3) hinweg bestehenden Erwerbstätigkeit ohne nennenswerte
Arbeitsunterbrüche und ohne reduzierte Arbeitsleistung angenommen; in einem
Fall erachtete das Eidgenössische Versicherungsgericht den zeitlichen
Zusammenhang - unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls - bereits
durch eine sechsmonatige Zeitspanne mit voller Arbeits- und Erwerbsfähigkeit
als unterbrochen (SZS 2002 S. 153, B 19/98; ähnlich Urteil des
Eidgenössischen Versicherungsgerichts B 100/05 vom 8. Februar 2006, E. 3.2
[Unterbruch durch über viermonatige volle Erwerbstätigkeit]).

4.
Umstritten ist der - vorinstanzlich bejahte - Anspruch auf eine
Invalidenrente gegenüber der Beschwerdeführerin, bei welcher der
Beschwerdegegner vom 1. Januar bis 30. November 2001 (einschliesslich
Nachdeckungsfrist gemäss Art. 10 Abs. 3 BVG) versichert gewesen war.

4.1 Die Beschwerdeführerin hält letztinstanzlich an ihrem Standpunkt fest,
wonach die von der Invalidenversicherung ab 1. August 2001 bejahte 100%ige
Invalidität sachlich und zeitlich eng mit jener invalidisierenden
Arbeitsunfähigkeit zusammenhängt, aufgrund welcher bereits vom 1. Oktober
1996 bis 30. April 2000 eine Invalidenrente nach IVG zugesprochen worden war;
für die erneute Invalidität sei damit nicht die REVOR Sammelstiftung, sondern
allenfalls eine frühere Vorsorgeeinrichtung leistungspflichtig.

4.2 Das kantonale Gericht hat die Frage der sachlichen Konnexität nicht
abschliessend beantwortet, jedoch gestützt auf eine umfassende Würdigung der
Akten einlässlich begründet, weshalb von einem Unterbruch des zeitlichen
Zusammenhangs auszugehen ist. Entgegen den in der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhobenen Einwänden ist die vorinstanzliche
Schlussfolgerung zu bestätigen. Es ist aktenmässig erstellt, dass der
Beschwerdegegner während rund zwei Jahren (Juli 1999 bis anfangs August 2001,
vgl. auch Erw. 3.2 hievor in fine) in zwei Beschäftigungsverhältnissen - ab
1. Juli 1999 bis 31. Dezember 2000 als Unternehmensberater bei den Z.________
Versicherungen und ab 1. Januar 2001 als Akquisiteur im Versicherungswesen
bei der Firma H.________ - voll erwerbstätig war, dies ohne längere,
krankheitsbedingte Arbeitsaussetzungen und bei durchaus normalen
Lohnverhältnissen (Fr. 96'000.- Jahreseinkommen [ohne Spesen] bei den
Z.________ Versicherungen, Fr. 120'000.- bei der Firma H.________). Der
Umstand, dass das schon zuvor bestandene psychische Grundleiden des
Beschwerdegegners (depressive Störungen) - während der erwähnten zwei Jahre
weiterhin bestand, er deswegen beruflich wahrscheinlich nicht optimal
leistungsfähig war und aus medizinisch-theoretischer Sicht eine Einschränkung
der Arbeitsfähigkeit von rund 20 % hinzunehmen hatte, ist entgegen der
Auffassung der Beschwerdeführerin nicht entscheidend. Nach der Rechtsprechung
kommt es darauf an, ob sich eine Arbeitsunfähigkeit effektiv im
Arbeitsverhältnis konkret nachteilig bemerkbar macht (SVR 2005 BVG Nr. 5 S.
15 E. 2.1, B 45/03, mit Hinweis), sie sich mit anderen Worten
arbeitsrechtlich offenbart (SZS 2003 S. 434, B 13/01; Urteile des
Eidgenössischen Versicherungsgerichts B 12/03 vom 12. November 2003, E.
3.2.2; B 73/00 vom 28. Mai 2002 E. 3a/bb). Wie vorinstanzlich zutreffend
erwogen, sind die vertraglich festgesetzte Pflicht zur Erbringung von Arbeit
und die dafür vorgesehene Entlöhnung sowie weitere im Rahmen des
Arbeitsverhältnisses getroffene Vereinbarungen in der Regel als den realen
Gegebenheiten entsprechend zu werten, wovon nur unter besonderen Umständen
und mit äusserster Zurückhaltung abzuweichen ist (Urteil des Eidgenössischen
Versicherungsgerichts B 73/00 vom 28. Mai 2002, E. 3a/bb). Im hier zu
beurteilenden Fall besteht kein Anlass, die von Juli 1999 bis anfangs August
2001 sowohl mit Bezug auf den Beschäftigungsgrad als auch die
Lohnverhältnisse in Erscheinung getretene volle Erwerbstätigkeit als blossen
Schein zu werten oder gar - was die Beschwerdeführerin nicht ausschliessen
will - eine Falschauskunft seitens der Z.________ Versicherungen anzunehmen.
Namentlich ist die retrospektive Einschätzung im Bericht des Dr. med.
S.________, Oberarzt an der Psychiatrischen Privatklinik X.________, vom 13.
Mai 2002, wonach bei beiden Arbeitsverhältnissen die psychischen Probleme des
Beschwerdegegners massgeblich zum Stellenverlust beigetragen hätten, nicht
geeignet, die anderslautenden Angaben der Z.________ Versicherungen vom 5.
Juni 2002 in Zweifel zu ziehen, was umso mehr gilt, als diese durch das
echtzeitliche Kündigungsschreiben der Arbeitgeberin vom 27. Oktober 2000
gestützt werden. Für die hier interessierenden Arbeitsverhältnisse lässt sich
schliesslich auch nichts aus dem Umstand ableiten, dass der Beschwerdegegner
ab 1994 relative häufige Stellenwechsel zu verzeichnen hatte.

4.3 Ist mit der Vorinstanz von einem Unterbruch des zeitlichen Zusammenhangs
auszugehen, ist die REVOR Sammelstiftung als zuständige Vorsorgeeinrichtung
der Firma H.________ für die ab 1. August 2001 bestehende Invalidität in dem
vom kantonalen Gericht festgelegten, letztinstanzlich von der
Beschwerdeführerin - zu Recht - nicht beanstandeten Umfange
leistungspflichtig. Mit Blick auf die kumulative Voraussetzung des engen
zeitlichen und sachlichen Zusammenhangs gilt dies ungeachtet dessen, dass der
sachliche Zusammenhang zur früheren Invalidität (1996 bis 2000), soweit den
hier wie dort zu Grunde liegenden psychischen Gesundheitsschaden betreffend,
nicht ernsthaft bestritten werden kann (vgl. Urteil des Eidgenössischen
Versicherungsgerichts B 18/06 vom 18. Oktober 2006, E. 4.3).

5.
Das Verfahren ist kostenlos (Art. 134 OG; vgl. Erw. 1 hievor). Dem
Prozessausgang entsprechend hat der Beschwerdegegner Anspruch auf eine
Parteientschädigung zu Lasten der REVOR Sammelstiftung (Art. 159 Abs. 1 und 2
in Verbindung mit Art. 135 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Die Beschwerdeführerin hat dem Beschwerdegegner für das Verfahren vor dem
Bundesgericht eine Parteientschädigung von Fr. 1500.- (einschliesslich
Mehrwertsteuer) zu bezahlen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St.
Gallen, der IV-Stelle des Kantons Zürich und dem Bundesamt für
Sozialversicherungen zugestellt.

Luzern, 9. März 2007

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: