Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen B 76/2006
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B 76/06

Urteil vom 20. Juni 2007
II. sozialrechtliche Abteilung

Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Lustenberger, Seiler,
Gerichtsschreiber Traub.

Sammelstiftung BVG der Allianz Suisse Lebensversicherungs-Gesellschaft,
Bleicherweg 19, 8002 Zürich, Beschwerdeführerin, vertreten durch die Allianz
Suisse Leben, Rechtsdienst, Laupenstrasse 27, 3001 Bern,

gegen

Amt für Zusatzleistungen zur AHV/IV, Amtshaus Helvetiaplatz, 8004 Zürich,
Beschwerdegegner,

Berufliche Vorsorge,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die Verfügung des
Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 22. Mai 2006.

Sachverhalt:

A.
D. ________ hat seit 1998 Anspruch auf Leistungen (Invaliden- und
Kinderrenten) aus beruflicher Vorsorge gegenüber der Sammelstiftung BVG der
Allianz Suisse Lebensversicherungs-Gesellschaft. Da die Rentenzahlungen bis
anfangs 2005 noch nicht aufgenommen worden waren, zahlte das Amt für
Zusatzleistungen zur AHV/IV der Stadt Zürich D.________ einen Vorschuss über
Fr. 15'158.- aus. Im Gegenzug trat der Versicherte den Anspruch auf fällige
Leistungen der beruflichen Vorsorge in diesem Umfang an die bevorschussende
Behörde ab. Die Sammelstiftung, welche dem Amt für Zusatzleistungen zur
AHV/IV den fraglichen Betrag im Juni 2005 erstattet hatte, forderte bei
diesem mit Schreiben vom 24. April 2006 Fr. 10'353.65 zurück mit der
Begründung, die überwiesenen Zahlungen seien um diesen Betrag zu hoch
gewesen, weil die Kinderrenten aufgrund eines Invaliditätsgrades von 100 %
statt eines solchen von 47 % berechnet worden seien; zudem sei - bei einem
Invaliditätsgrad von weniger als 50 % - kein Teuerungsausgleich geschuldet.
Das Amt für Zusatzleistungen zur AHV/IV bestritt die Rückforderung.

B.
Die Sammelstiftung klagte beim Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich
gestützt auf Art. 73 BVG gegen die Stadt Zürich mit dem Begehren, diese sei
zu verpflichten, ihr den Betrag von Fr. 10'353.65 zurückzuerstatten, nebst
Zins von 5 % seit dem 12. Mai 2006. Das kantonale Gericht trat auf die Klage
mangels Zuständigkeit nicht ein (einzelrichterliche Verfügung vom 22. Mai
2006).

C.
Die Sammelstiftung führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, der
angefochtene Entscheid sei aufzuheben und die Sache an das kantonale Gericht
zurückzuweisen, damit dieses auf die Klage eintrete und materiell entscheide.

Das Amt für Zusatzleistungen zur AHV/IV der Stadt Zürich verzichtet auf
Vernehmlassung. Das Bundesamt für Sozialversicherungen schliesst auf
Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (BGG; SR 173.110)
ist am 1. Januar 2007 in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Da der
angefochtene Entscheid vorher ergangen ist, richtet sich dieses Verfahren
nach OG (Art. 132 Abs. 1 BGG; BGE 132 V 393 E. 1.2 S. 395).

2.
Das kantonale Gericht ist auf die Klage der Sammelstiftung nicht eingetreten,
weil die Stadt Zürich nicht in den Kreis der gemäss Art. 73 Abs. 1 BVG zum
berufsvorsorgerechtlichen Prozess zugelassenen Verfahrensbeteiligten falle
und das angerufene Gericht demzufolge funktionell nicht zuständig sei.

2.1 Das Bundesgericht prüft auf Parteiantrag hin oder gegebenenfalls auch von
Amtes wegen (BGE 132 V 93 E. 1.2 S. 95; 120 V 15 E. 1a in fine S. 18), ob die
Vorinstanz die Sachurteilsvoraussetzungen, hier insbesondere ihre
Zuständigkeit nach Art. 73 Abs. 1 BVG, richtig beurteilt hat.

2.2 Gemäss Art. 73 BVG bezeichnet jeder Kanton ein Gericht, das als letzte
kantonale Instanz über Streitigkeiten zwischen Vorsorgeeinrichtungen,
Arbeitgebern und Anspruchsberechtigten entscheidet (Abs. 1 Satz 1). Die
Entscheide der kantonalen Gerichte können durch Verwaltungsgerichtsbeschwerde
beim Bundesgericht angefochten werden (Abs. 4 [in der bis 31. Dezember 2006
geltenden Fassung]).

Die Zuständigkeit des Berufsvorsorgegerichts nach Art. 73 BVG ist in
sachlicher Hinsicht davon abhängig, dass die Streitigkeit die berufliche
Vorsorge im engeren oder weiteren Sinn beschlägt. Das ist der Fall, wenn die
Streitigkeit spezifisch den Rechtsbereich der beruflichen Vorsorge betrifft
und das Vorsorgeverhältnis zwischen einer anspruchsberechtigten Person und
einer Vorsorgeeinrichtung zum Gegenstand hat. Im Wesentlichen geht es somit
um Streitigkeiten betreffend Versicherungsleistungen, Ein- und
Austrittsleistungen und Beiträge. Der Rechtsweg nach Art. 73 BVG steht
dagegen nicht offen, wenn die Streitigkeit ihre rechtliche Grundlage nicht in
der beruflichen Vorsorge hat, selbst wenn sie sich vorsorgerechtlich
auswirkt. In persönlicher Hinsicht ist die Zuständigkeit nach Art. 73 BVG
dadurch bestimmt, dass das Gesetz den Kreis der möglichen Parteien eines
Berufsvorsorgeprozesses nach Art. 73 BVG auf die Vorsorgeeinrichtungen, die
Arbeitgeber und die Anspruchsberechtigten beschränkt (BGE 130 V 103 E. 1.1
S. 104, 111 E. 3.1.2 S. 112).

2.3 Das vormalige Eidgenössische Versicherungsgericht hat die
(letztinstanzliche) Beschwerdelegitimation des Zessionars in
berufsvorsorgerechtlichen Streitigkeiten soweit ersichtlich nie in Frage
gestellt (in BGE 126 V 258 [Urteil B 2/99 vom 14. Juni 2000] nicht
veröffentlichte E. 1b in fine). Im Zusammenhang mit der Abgrenzung der
ordentlichen Sozialversicherungsgerichtsbarkeit von der
Schiedsgerichtsbarkeit nach Art. 89 KVG (Streitigkeiten zwischen Versicherern
und Leistungserbringern) hat es sodann festgehalten, dass die Abtretung an
der Rechtsnatur der Forderung nichts ändere und diese "mit all ihren
Befugnissen, Vorzügen und Schwächen sowie all ihren Nebenrechten und mit
ihren Belastungen auf den Erwerber übergeht". Mit anderen Worten trete der
Zessionar in die Rechte des Zedenten ein, namentlich auch in jene
verfahrensmässiger Natur. Aus diesem Grund bleibe die Abtretung denn auch
ohne Einfluss auf die Zuständigkeit der für die Beurteilung entsprechender
Streitigkeiten vorgesehenen Gerichte (RKUV 2005 Nr. KV 312 S. 4 E. 4.2 mit
Hinweisen, K 66/02). Das entspricht der auch in anderen Rechtsgebieten
geltenden Rechtslage (vgl. nicht veröffentlichtes Urteil 2P.403/1994 vom
1. Februar 1996, E. 3c). So ist es auch im vorliegenden Zusammenhang zu
halten. Die Stadt Zürich tritt im Umfang der Zession funktionell an die
Stelle des Versicherten und gilt insofern als Anspruchsberechtigte im Sinne
von Art. 73 BVG. Die Rückerstattungsforderung der Vorsorgeeinrichtung gegen
die Zessionarin muss im gleichen Verfahren möglich sein, wie sie gegen den
Versicherten selber möglich gewesen wäre.

Das kantonale Gericht durfte mithin seine Zuständigkeit nicht verneinen. Die
Sache ist an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit sie den
Rückerstattungsanspruch der Vorsorgeeinrichtung gegenüber dem
bevorschussenden Gemeinwesen materiell beurteile.

3.
3.1 Das Verfahren betrifft nicht die Bewilligung oder Verweigerung von
Versicherungsleistungen. Es ist somit kostenpflichtig (Art. 134 OG; Art. 135
OG in Verbindung mit Art. 156 Abs. 1 OG). Dem Bund, Kantonen oder Gemeinden,
die in ihrem amtlichen Wirkungskreis und ohne dass es sich um ihr
Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen, oder gegen
deren Verfügungen in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt worden ist,
dürfen in der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden (Art. 156 Abs. 2
OG). Die vorliegende Streitsache berührt zwar das Vermögensinteresse der
Stadt Zürich (vgl. Urteil I 139/99 vom 22. Oktober 1999, E. 4); da sie als
Beschwerdegegnerin aber auf Vernehmlassung und Antragstellung verzichtet hat,
wird von der Erhebung von Gerichtskosten Umgang genommen.

3.2 Der obsiegenden Beschwerdeführerin steht keine Parteientschädigung zu
(Art. 159 Abs. 2 OG; BGE 118 V 158 E. 7 S. 169).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des
Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 22. Mai 2006 wird
aufgehoben. Die Sache wird zur materiellen Beurteilung an die Vorinstanz
zurückgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben und es wird keine Parteientschädigung
zugesprochen.

3.
Der geleistete Kostenvorschuss von Fr. 500.- wird der Beschwerdeführerin
zurückerstattet.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, D.________, dem Sozialversicherungsgericht
des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen zugestellt.

Luzern, 20. Juni 2007

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: