Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen B 65/2006
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B 65/06

Urteil vom 19. April 2007
II. sozialrechtliche Abteilung

Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Borella, Seiler,
Gerichtsschreiber Maillard.

C. ________, 1957, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt
Dr. Hubert Zürcher, Löwenstrasse 59, 8001 Zürich,

gegen

Swisscanto Sammelstiftung der Kantonalbanken, (vormals Servisa
Sammelstiftung, der Kantonalbanken), St. Albananlage 26, 4052 Basel,
Beschwerdegegner.

Berufliche Vorsorge,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des
Sozialversicherungsgerichts Basel-Stadt vom 12. April 2006.

Sachverhalt:

A.
C. ________, geboren 1957, war seit 1. Dezember 1996 bei der Psychiatrischen
Klinik O.________ als Leiterin der Gärtnerei angestellt und in dieser
Eigenschaft bei der Swisscanto Sammelstiftung der Kantonalbanken (früher
Servisa Sammelstiftung für Personalvorsorge; nachfolgend: Stiftung)
berufsvorsorgeversichert. Nach einer schweren bilateralen Pneumonie mit
Sepsis im Frühling 1999 entwickelten sich behandlungsbedürftige psychische
Probleme, deretwegen sie ab Dezember 2000 in der Arbeitsfähigkeit
eingeschränkt war und schliesslich das Arbeitsverhältnis Ende März 2000
aufgab. Ab August 2000 war sie zu 50% als Kleinbus-Chauffeuse bei der Firma
X.________ angestellt. Diese Tätigkeit gab sie Ende Mai 2001 auf. Am
25. April 2001 meldete sie sich bei der Invalidenversicherung zum
Leistungsbezug an, worauf ihr die IV-Stelle des Kantons Zug am 2. Dezember
2002 ab 1. Dezember 2000 eine halbe und ab 1. Mai 2001 eine ganze Rente der
Invalidenversicherung zusprach. Die Stiftung anerkannte zwar am 17. Oktober
2003 ihrerseits die Leistungspflicht aus obligatorischer und weitergehender
beruflicher Vorsorge (halbe Invalidenrente ab 1. März 2001 [jährlich Fr.
8'549]; ganze Invalidenrente ab 1. Mai 2001 [jährlich Fr. 17'098.-] und ab 1.
Dezember 2001 zusätzlich eine halbe überobligatorische Rente [total Fr.
25'382.-]), jedoch nicht im von C.________ anbegehrten Umfang (ganze Rente ab
1. März 2001 im Betrag von Fr. 33'665.-).

B.
Mit Klage vom 29. März 2005 liess C.________ beantragen, die Stiftung sei zu
verpflichten, ihr ab 1. März 2001 eine 100%-ige Invalidenrente von Fr.
33'665.-, zuzüglich Zins, zu zahlen. Das Sozialversicherungsgericht Basel
Stadt hiess die Klage am 12. April 2006 in dem Umfang gut, wie er von der
Stiftung am 17. Oktober 2003 anerkannt worden war.

C.
C.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und erneuert das im
kantonalen Verfahren gestellte Rechtsbegehren.

Die Stiftung schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde,
während das Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine Stellungnahme
verzichtet.

C. ________ hat sich zur Eingabe der Stiftung geäussert.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Das Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (BGG [SR 173.110])
ist am 1. Januar 2007 in Kraft getreten (AS 2006 1205 und 1243). Da der
angefochtene Entscheid vorher ergangen ist, richtet sich das Verfahren noch
nach OG (Art. 132 Abs. 1 BGG; BGE 132 V 393 E. 1.2 S. 395).

2.
Das kantonale Gericht hat die gesetzlichen und reglementarischen Bestimmungen
und Grundsätze über den Anspruch auf Invalidenleistungen der obligatorischen
und weitergehenden beruflichen Vorsorge (Art. 23 und 26 BVG; Ziff. 17 des
Personalvorsorgereglementes der Stiftung [nachfolgend: Reglement]) und die
Rechtsprechung zur Verbindlichkeit der Beschlüsse der Organe der
Invalidenversicherung für die Einrichtungen der beruflichen Vorsorge (BGE 126
V 308 E. 1; siehe auch BGE 129 V 73 E. 4.1 S. 74) und zum für die
Leistungspflicht der Vorsorgeeinrichtung massgebenden Erfordernis des engen
sachlichen und zeitlichen Zusammenhanges zwischen Arbeitsunfähigkeit und
Invalidität (BGE 123 V 262 E. 1c, 120 V 112 f. E. 2c.aa und bb mit Hinweisen)
zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.

3.
Es ist unbestritten, dass die Beschwerdeführerin ab 1. März 2001 Anspruch auf
eine Invalidenrente aus beruflicher Vorsorge hat. Die Vorinstanz geht mit der
Beschwerdegegnerin davon aus, dass per Ende der einmonatigen
Nachdeckungsfrist (April 2000) eine seit Dezember 1999 anhaltende
Arbeitsunfähigkeit von 50% bestanden hat und dass eine solche von 100% erst
ab Mai 2001 eingetreten ist. Dies deckt sich insoweit mit dem Entscheid der
IV-Stelle vom 2. Dezember 2002, der ebenfalls auf einer Arbeitsunfähigkeit
von 50% bis Ende April 2001 und dann von 100% ab Mai 2001 basiert. Das würde
an sich reglementsgemäss nur zu einer halben (obligatorischen) Rente führen.
Weil aber die spätere Verschlechterung unbestrittenermassen aus gleicher
Ursache stammt, hat die Beschwerdegegnerin für den obligatorischen Bereich
gemäss Art. 23 BVG auch für die ab Mai 2001 volle Arbeitsunfähigkeit
einzustehen und hat daher die Beschwerdeführerin ab diesem Datum Anspruch auf
eine volle obligatorische Rente. Eine überobligatorische reglementarische
Rente wurde vom kantonalen Gericht erst nach Ablauf der reglementarischen
zweijährigen Wartefrist (beginnend mit der 50%-igen Arbeitsunfähigkeit ab
Dezember 1999) zugesprochen, also ab Dezember 2001, und zwar nur eine halbe
Rente, weil für den überobligatorischen Teil nicht Art. 23 BVG massgebend
ist, sondern die Erwerbsunfähigkeit bei Ende der Nachdeckungsfrist. Sowohl im
obligatorischen als auch im überobligatorischen Bereich ist der
vorinstanzliche Entscheid aus den nachfolgenden Gründen nicht zu beanstanden.

4.
4.1 Zunächst ist im obligatorischen Bereich strittig und zu prüfen, ob die
Beschwerdeführerin, wie sie geltend macht, bereits ab März 2001 Anspruch auf
eine volle Rente hat. Sie begründet ihren Anspruch damit, sie sei im Frühling
1999 an einer Depression erkrankt und sei deswegen seit Dezember 1999
durchwegs zu 100% arbeitsunfähig gewesen. Insbesondere bestreitet sie, von
August 2000 bis April 2001 zu 50% arbeitsfähig gewesen zu sein.

4.2 Entsprechend der Verfügung der IV-Stelle vom 2. Dezember 2002 anerkennt
die Beschwerdegegnerin die Invalidität ab Dezember 1999 zu 50%. Die
Vorinstanz legt mit in allen Teilen überzeugender Begründung dar, dass der
Beschluss der Invalidenversicherung entgegen den Ausführungen der
Beschwerdeführerin nicht offensichtlich unhaltbar und daher für die
Vorsorgeeinrichtung verbindlich ist (vgl. E. 2). Die Beschwerdeführerin
beruft sich auf Arztzeugnisse und Beurteilungen der Arbeitgeber, welche eine
vollständige Arbeitsunfähigkeit dokumentieren sollen. Diese Unterlagen ändern
aber nichts daran, dass die Beschwerdeführer effektiv ab August 2000 bis Ende
April 2001 mit einem Pensum von mindestens 50% als Buschauffeuse gearbeitet
und entsprechend Lohn bezogen hat. Demzufolge war sie vor Mai 2001 nicht
gänzlich erwerbsunfähig.

4.3 Nach Art. 23 BVG muss die Beschwerdegegnerin für die von der
Invalidenversicherung festgestellte Verschlechterung ab Mai 2001 einstehen,
was sie im Rahmen des Obligatoriums denn auch anerkannt hat.

4.4 Soweit sich die Beschwerdeführerin auf einen Rückfall im Sinne von Ziff.
17.5.2 des Reglementes beruft, übersieht sie, dass ein Rückfall voraussetzt,
dass vorher überhaupt Erwerbsunfähigkeit bestand. Das war indessen nur im
anerkannten und von der Beschwerdegegnerin nicht bestrittenen Umfang von 50%
der Fall.

5.
Im überobligatorischen Bereich beginnt der Rentenanspruch nach Ablauf einer
zweijährigen Wartefrist (Ziff. 17.5.1 des Reglementes). Für eine
Verschlechterung nach Ablauf der Versicherungsdeckung (Art. 10 Abs. 3 BVG;
Ziff. 21 des Reglementes) besteht - anders als im obligatorischen Bereich
(siehe E. 2) - keine Haftung, wenn - wie hier - im Reglement das versicherte
Risiko abweichend vom BVG definiert wird (SVR 1995 BVG Nr. 43 S. 128 E. 4;
vgl. Urteil M. Vom 13. Oktober 2003, B 61/03).

5.1 Die Vorinstanz hat zutreffend begründet, dass die Wartefrist ab Dezember
1999 zu laufen begann. Indem die Beschwerdegegnerin ihre Leistungspflicht ab
März 2001 bejaht, anerkennt sie entgegen dem Einwand der Beschwerdeführerin
nicht, dass auch die Wartefrist bereits im April 1999 ausgelöst wurde. Der
Rentenbeginn wurde vielmehr auf März 2001 gelegt, weil noch bis Februar jenes
Jahres Krankentaggelder ausbezahlt wurden.

5.2 Massgebend für den Rentenanspruch ist also, ob die Beschwerdeführerin bei
Ablauf der einmonatigen Nachdeckungsfrist (April 2000) voll oder nur halb
erwerbsunfähig war. Zwar war sie von Dezember 1999 bis März 2000 100%
arbeitsunfähig geschrieben, mithin auch im Zeitpunkt des Dienstaustritts.
Entscheidend ist aber nicht der Zusammenhang zwischen der Arbeitsunfähigkeit
ab Dezember 1999 und der späteren vollen Arbeitsunfähigkeit, sondern vielmehr
der versicherte Grad der Erwerbsunfähigkeit nach Ablauf der Wartefrist (Ziff.
17.5.1 des Reglementes). Aus den Akten ergibt sich, dass die
Beschwerdeführerin nach wenigen Monaten Krankheit die (neue) Arbeit als
Buschauffeuse zu 50% aufnehmen konnte; sie war dementsprechend ab 1. August
2000 nur noch zu 50% arbeitsunfähig geschrieben. Noch Ende 2000 hielt die
behandelnde Psychiaterin fest, die Beschwerdeführerin habe den Einstieg zu
50% gut geschafft. Erst nach dem auf 100% gesteigerten Arbeitspensum
(März/April 2001) verschlimmerte sich der Zustand erneut. Trotz den in den
Akten liegenden retrospektiven medizinischen Einschätzungen kann nicht als
erstellt gelten, dass die Beschwerdeführerin schon während ihrer 50%-igen
Tätigkeit für die Firma X.________ überfordert oder dass diese bloss als
therapeutischer Arbeitseinsatz einzustufen war. Vielmehr liegt eine zumutbare
Erwerbsarbeit vor, weshalb die Beschwerdeführerin im Sinne des Reglements
während mehr als einem halben Jahr zu 50% erwerbsfähig war. Damit kann im
Zeitpunkt des Endes der Versicherungsdeckung (April 2000) nicht von einer
vollen Invalidität ausgegangen werden. Die Zusprechung einer halben
überobligatorischen Rente ab 1. Dezember 2001 ist daher gesetzes- und
reglementskonform.

6.
Die Beschwerdeführerin rügt, die Vorinstanz habe zu Unrecht bei der
Berechnung der Rentenhöhe nicht auf die Altersgutschriften gemäss
Versorgeplan abgestellt. Diese Rüge ist unbegründet: Die Beschwerdegegnerin
ist eine umhüllende Vorsorgeeinrichtung, welche sowohl obligatorische als
auch weiter gehende Leistungen erbringt. Die obligatorischen Leistungen
berechnen sich nach den Vorgaben des BVG; alle Leistungen, die ausserhalb
dieses Bereichs liegen, sind der weitergehenden Vorsorge zuzuordnen (Hermann
Walser, Weitergehende berufliche Vorsorge, in: Ulrich Meyer (Hrsg.) SBVR
Soziale Sicherheit, 2. A. Basel 2007, S. 2097 Rz. 1). Dies gilt auch dann,
wenn im Reglement einer Vorsorgeeinrichtung die einzelnen Leistungen nicht
ausdrücklich in obligatorische und weiter gehende aufgeteilt werden. Die Höhe
der obligatorischen Invalidenrente errechnet sich gemäss Art. 24 in
Verbindung mit Art. 16 BVG auf deer Basis der obligatorischen
Altersgutschriften und der sich daraus ergebenden Altersguthaben. Soweit ein
Vorsorgereglement - wie der Vorsorgeplan der Beschwerdegegnerin - höhere
Altersgutschriften vorsieht als Art. 16 BVG, handelt es sich dabei um
überobligatorische Vorsoge, ebenso bei den auf dieser Basis errechneten
Invalidenrenten. Soweit die Beschwerdeführerin in ihrer Eingabe vom 4. Januar
2006 an die Vorinstanz die Rente auf den reglementarischen höheren
Altersgutschriften und entsprechenden projizierten Altersguthaben errechnet,
handelt es sich somit um Leistungen aus weitergehender Vorsorge, die nur im
dargelegten Rahmen (E. 5) geschuldet sind.

7.
Was schliesslich den Anspruch auf Zins betrifft, ist dieser von der
Beschwerdegegnerin anerkannt und damit - soweit er sich auf die anerkannten
und vorinstanzlich zugesprochenen Renten bezieht - nicht mehr umstritten.

8.
Das Verfahren ist kostenlos (Art. 134 OG). Die obsiegende Vorsorgeeinrichtung
hat rechtsprechungsgemäss keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung (BGE
122 V 320 E. 6 S. 330).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt,
der IV-Stelle des Kantons St. Gallen, dem Bundesamt für Sozialversicherungen
und der IV-Stelle Zug zugestellt.

Luzern, 19. April 2007

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: