Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen B 56/2006
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{T 7}
B 56/06

Urteil vom 16. Januar 2007
II. sozialrechtliche Abteilung

Bundesrichter Meyer, Präsident,
Bundesrichter Schön und Seiler,
Gerichtsschreiberin Berger.

J. ________, 1950, Beschwerdeführerin,

gegen

Stiftung Auffangeinrichtung BVG, Binzstrasse 15, Zweigstelle Deutschschweiz,
8022 Zürich, Beschwerdegegnerin, vertreten durch Advokat
Dr. Hans-Ulrich Stauffer, Rümelinsplatz 14, 4001 Basel

Berufliche Vorsorge,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des
Kantons Bern
vom 7. März 2006.

A.
Die 1950 geborene J.________ war im Sinne einer Weiterführung des
Vorsorgeschutzes vom 1. bis 30. Juni 2003 bei der Stiftung Auffangeinrichtung
BVG, Zweigstelle Zürich (nachfolgend: Stiftung), berufsvorsorgeversichert. Da
sie im Rahmen einer arbeitsmarktlichen Massnahme der Arbeitslosenversicherung
im zweiten Halbjahr 2003 ein versicherungspflichtiges Einkommen erzielt
hatte, wurde sie über den damaligen Arbeitgeber in die Sammelstiftung BVG der
"Zürich" Lebensversicherungs-Gesellschaft (nachfolgend: Zürich) aufgenommen.
Am 10. November 2003 erklärte J.________ erneut den Beitritt zur Stiftung auf
den 1. Dezember 2003. Daraufhin überwies die Zürich am 5. Dezember 2003 eine
Freizügigkeitsleistung von Fr. 315'176.- zuzüglich Zins zu 3,5 % für die Zeit
vom 5. September bis 5. Dezember 2003 von Fr. 2757.80 an die Stiftung.
Letztere transferierte den Betrag von Fr. 141'858.10, entsprechend dem
obligatorischen BVG-Anteil, am 5. April 2004 auf ein Vorsorgekonto der
Stiftung. Mit Schreiben vom 30. Juni 2004 löste J.________ das
Vorsorgeverhältnis mit der Stiftung per 31. Dezember 2004 auf. Am 6. Januar
2005 teilte sie mit, ihr Kapital aus dem überobligatorischen Bereich in der
Höhe von rund Fr. 182'000.- sei auf ein neues Freizügigkeitskonto bei der
Bank X.________ zu überweisen.

B.
J.________ reichte am 28. Mai 2005 (Postaufgabedatum) beim Verwaltungsgericht
des Kantons Bern Klage ein mit dem Antrag, die Stiftung sei zu verurteilen,
das gesamte von der Zürich überwiesene Kapital vom 5. bis 31. Dezember 2003
zu 3,25 % und ab 1. Januar 2004 zu 2,25 % zu verzinsen und demgemäss Fr.
3259.- nachzubezahlen. In teilweiser Gutheissung der Klage verpflichtete das
kantonale Gericht die Stiftung, die zur Weiterführung der beruflichen
Vorsorge im Rahmen des BVG-Minimums erforderliche Austrittsleistung ab dem
Zeitpunkt der Überweisung mit dem BVG-Mindestzinssatz zu verzinsen und den
entsprechenden Betrag nachzubezahlen; soweit weiter gehend wies es die Klage
ab (Entscheid vom 7. März 2006).

C.
Mit (an das kantonale Gericht adressierten und von diesem
zuständigkeitshalber dem Eidgenössischen Versicherungsgericht übermittelten)
Eingaben vom 12. und 26. April 2006 führt J.________
Verwaltungsgerichtsbeschwerde und stellt das Rechtsbegehren, die Stiftung sei
anzuhalten, das gesamte Kapital von Fr. 317'933.80 spätestens ab Januar 2004
mit dem höheren BVG-Zinssatz zu verzinsen.
Die Stiftung beantragt, die Verwaltungsgerichtsbeschwerde sei abzuweisen; des
Weiteren sei die im angefochtenen Gerichtsentscheid enthaltene Verpflichtung
der Stiftung, die zur Weiterführung der beruflichen Vorsorge im Rahmen des
BVG-Minimums erforderliche Austrittsleistung ab dem Zeitpunkt der Überweisung
mit dem BVG-Mindestzinssatz zu verzinsen und den entsprechenden Betrag
nachzubezahlen, ersatzlos aufzuheben. Das Bundesamt für Sozialversicherungen
(BSV) lässt sich vernehmen, ohne Antrag zu stellen.

Am 15. August 2006 hat die Stiftung eine Stellungnahme zur Vernehmlassung des
BSV eingereicht. J.________ hat sich am 23. Oktober 2006 zur Eingabe der
Stiftung vom 15. August 2006 vernehmen lassen und hat am 24. Oktober 2006
ihre Nachzahlungsforderung auf Fr. 3693.20 beziffert.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Am 1. Januar 2007 ist das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni
2005 (BGG) in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Mit diesem Gesetz ist die
bisherige organisatorische Selbstständigkeit des Eidgenössischen
Versicherungsgerichts aufgehoben und dieses mit dem Bundesgericht fusioniert
worden (Seiler, in: Seiler/von Werdt/Güngerich, Kommentar zum BGG, zu Art. 1
N 4 und zu Art. 132 N 15). Das vorliegende Urteil wird daher durch das
Bundesgericht gefällt. Weil der angefochtene Entscheid jedoch vor dem 1.
Januar 2007 ergangen ist, richtet sich das Verfahren noch nach dem bis zum
31. Dezember 2006 in Kraft gewesenen Bundesgesetz vom 16. Dezember 1943 über
die Organisation der Bundesrechtspflege (OG; Art. 131 Abs. 1 und 132 Abs. 1
BGG; noch nicht in der Amtlichen Sammlung veröffentlichtes Urteil B. vom 28.
September 2006 [I 618/06] Erw. 1.2).

2.
Die vorliegende Streitigkeit unterliegt der Gerichtsbarkeit der in Art. 73
BVG erwähnten richterlichen Behörden, welche sowohl in zeitlicher als auch in
sachlicher Hinsicht zuständig sind (BGE 130 V 104 Erw. 1.1, 112 Erw. 3.1.2,
128 II 389 Erw. 2.1.1, 128 V 258 Erw. 2a, 120 V 18 Erw. 1a, je mit
Hinweisen).

3.
Beim Prozess um Austrittsleistungen (Entstehung, Höhe, Erfüllung usw.)
handelt es sich um einen Streit um Versicherungsleistungen, weshalb sich die
Überprüfungsbefugnis des Gerichts nach Art. 132 Abs. 1 OG richtet. Danach ist
die Kognition nicht auf die Verletzung von Bundesrecht einschliesslich
Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens beschränkt, sondern sie
erstreckt sich auch auf die Angemessenheit der angefochtenen Verfügung. Das
Gericht ist dabei nicht an die vorinstanzliche Feststellung des
rechtserheblichen Sachverhalts gebunden und kann über die Begehren der
Parteien zu deren Gunsten oder Ungunsten hinausgehen. Ferner ist das
Verfahren regelmässig kostenlos (Art. 134 OG; BGE 129 V 253 Erw. 1.2,
126 V 165 Erw. 1).

4.
Streitig ist die Verzinsung des von der Zürich der Stiftung überwiesenen
Kapitals. In teilweiser Gutheissung der Klage hat das kantonale Gericht
angeordnet, dass der BVG-Anteil von Fr. 141'858.10 bereits ab Überweisung (5.
Dezember 2003) zum BVG-Zinssatz zu verzinsen sei. Das BSV pflichtet dieser
Vorgabe bei. Die Beschwerdeführerin verlangt letztinstanzlich, der ganze
überwiesene Betrag von Fr. 317'933.80 (inklusive Zins zu 3,5 % für die Zeit
vom 5. September bis 5. Dezember 2003) sei zum BVG-Zinssatz zu verzinsen.
Demgegenüber vertritt die Stiftung die Meinung, die Nachzahlungsanordnung des
kantonalen Gerichts sei ersatzlos aufzuheben und der BVG-Zinssatz sei erst ab
dem Zeitpunkt anzuwenden, in welchem die Beschwerdeführerin die Instruktion
zur Übertragung des BVG-Anteils vom Freizügigkeitskonto auf das Vorsorgekonto
erteilt habe.

5.
5.1 Scheidet der Versicherte aus der obligatorischen Versicherung aus, so kann
er die Vorsorge oder bloss die Altersvorsorge im bisherigen Umfang bei
derselben Vorsorgeeinrichtung, wenn deren Reglement dies zulässt, oder bei
der Auffangeinrichtung weiterführen (Art. 47 Abs. 1 BVG). Gemäss Ziffer 1.2.1
des Stiftungsreglements vom 1. Januar 1999, Zweiter Teil, Allgemeine
Bestimmungen, bezweckt die Stiftung die Mitwirkung an der Durchführung des
gesetzlichen Obligatoriums der beruflichen Alters-, Hinterlassenen- und
Invalidenvorsorge (2. Säule) im Rahmen der Übernahme der Verpflichtungen zur
Errichtung der Auffangeinrichtung gemäss Art. 60 BVG.

5.2 Gestützt auf diese Vorgaben hat das kantonale Gericht erwogen, es sei
richtig, dass die Stiftung vorliegend die berufliche Vorsorge lediglich im
Rahmen des BVG-Obligatoriums weitergeführt habe. Allerdings wäre die
Beschwerdegegnerin gehalten gewesen, die Austrittsleistung unverzüglich
aufzuteilen und lediglich denjenigen Teil der Austrittsleistung, welcher zur
Weiterführung der beruflichen Vorsorge im Rahmen des gesetzlichen Minimums
nicht benötigt worden sei, auf ein Freizügigkeitskonto zu überweisen. Daraus
ergebe sich ohne weiteres, dass nur der für das BVG-Obligatorium zur
Verfügung stehende Gelbetrag mit dem BVG-Mindestzinssatz verzinst werden
könne, nicht auch der das Obligatorium übersteigende Teil der
Austrittsleistung. Der BVG-Anteil von Fr. 141'858.10 sei von Anbeginn, somit
ab dem Zeitpunkt der Überweisung der Austrittsleistung an die Stiftung (5.
Dezember 2003) mit dem BVG-Zinssatz zu verzinsen.

5.3 Die von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Einwände vermögen an diesem
Ergebnis nichts zu ändern. Soweit sie die bereits im vorinstanzlichen
Verfahren entkräfteten Rügen wiederholt, kann auf die zutreffenden Erwägungen
im kantonalen Gerichtsentscheid verwiesen werden. Die Stiftung ist der
Auffassung, die Beschwerdeführerin habe ihr die klare Instruktion erteilt,
die Austrittsleistung auf ein Freizügigkeitskonto zu überweisen, was das BSV
in seiner Meinungsäusserung übersehen habe; eine Verzinsung des Anteils,
welcher für die berufliche Vorsorge benötigt werde, zum BVG-Zinssatz könne
erst ab jenem späteren Zeitpunkt erfolgen, in welchem die Beschwerdeführerin
die Anweisung zur Übertragung dieses Geldbetrages vom Freizügigkeitskonto auf
das Vorsorgekonto erteilt habe. Der Beitrittserklärung vom 10. November 2003
ist allerdings bezüglich der Verwendung der von der Zürich zu überweisenden
Gelder nichts zu entnehmen. Im Schreiben der Zürich vom 3. Dezember 2003 an
die Beschwerdeführerin ist wohl von "Freizügigkeitsleistung gemäss
Abrechnung" und von der Überweisung an die Stiftung zuhanden "Administration
FZ-Konti" die Rede; eine klare Instruktion der Beschwerdeführerin ist jedoch
nirgends ersichtlich. Das BSV weist bei dieser Sachlage zu Recht auf das
Urteil B. vom 10. Juli 2003, B 9/01, veröffentlicht in BGE 129 V 440, hin. In
diesem Urteil hat das Eidgenössische Versicherungsgericht festgestellt, dass
der Grundsatz der obligatorischen Übertragung der Austrittsleistung an die
neue Vorsorgeeinrichtung vollumfänglich bestehen bleibt, solange nach dem
Austritt aus der früheren Vorsorgeeinrichtung keine andere gesetzliche Form
für die Erhaltung des Vorsorgeschutzes gewählt wird, auch wenn in der
Zwischenzeit ein Vorsorgefall eingetreten und der Versicherte seiner
Meldepflicht nicht nachgekommen ist. Vorliegend ist der Vorsorgefall noch
nicht eingetreten und die Beschwerdeführerin hat die Überweisung der
Austrittsleistung an die neue Vorsorgeeinrichtung rechtzeitig veranlasst. Es
ist mit BSV und Vorinstanz einig zu gehen, dass es bei dieser Sachlage
Aufgabe der Stiftung gewesen wäre, den für die Weiterführung der beruflichen
Vorsorge notwendigen Anteil der Austrittsleistung von Anbeginn an auf ein
Vorsorgekonto zu überweisen und lediglich den übrigen Geldbetrag auf einem
Freizügigkeitskonto zu deponieren. Es darf der Beschwerdeführerin nicht zum
Nachteil gereichen, dass die Austrittsleistung infolge der
Drei-Sparten-Organisation der Stiftung (Versicherung gemäss BVG, Verwaltung
von Freizügigkeitskonten und Versicherung Arbeitsloser mit je eigenen
Geschäftsbetrieben) zunächst ungeteilt auf ein Freizügigkeitskonto gelangt
ist. Demgemäss hat es beim kantonalen Gerichtsentscheid, wonach der
BVG-Anteil vom 5. Dezember 2003 (Zeitpunkt der Überweisung der
Austrittsleistung an die Stiftung) an mit dem BVG-Mindestzinssatz zu
verzinsen ist, sein Bewenden.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, dem Amt für Sozialversicherung und
Stiftungsaufsicht des Kantons Bern und dem Bundesamt für Sozialversicherungen
zugestellt.

Luzern, 16. Januar 2007
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: